Tagebücher
Die Tagebucheinträge sind nach der Gesamtzahl der Sitzungen beider Gruppen strukturiert. Jedes Buch erzählt eine durchgehende Geschichte aus der jeweiligen Sichtweise des Charakters, der es geschrieben hat.
Gemeinsam ergeben diese Bücher die Zusammenfassung aller Ereignisse der Kampagne.
Sitzung 109
Im weiteren Verlauf besprochen wir mit Posetine was als nächstes zu tun wäre. Die Ernennung zu „Rittern“ Zoica’s war skurril und hörte sich zunächst so an, als würden wir gegebenenfalls an die Seitenlinie verbannt werden. Doch scheinbar war dies nicht der Fall. Wir fügten stattdessen die bisher zusammengetragenen Ideen zu einem erweiterten Plan zusammen. Endlich kam etwas Organisation in das Chaos – eine angenehme Abwechslung. Dabei zeigte die Herrscherin aber noch mehr von ihrem veränderten Verhalten. Sie argumentierte mit mehr Weitblick und taktischer. Die Erklärung woher diese Wandlung gekommen war nährte sogleich meine zuvor verspürte Paranoia.
Marco wurde in den letzten Wochen zu einem engen Berater. Er war mir noch immer suspekt und die Tatsache, dass es ihm möglich war sich in die Gedankenprozesse der Führung von Zoica einzuklinken war zumindest fragwürdig.
Was die Yuan-ti anging, so propagierte Posetine einen neuen Ansatz. Obgleich diese im Bunde mit Shadar standen, taten sie dies nur aus eigennützigen Gründen. Wenn wir es durch eine Machtdemonstration unsererseits schaffen würden ihre „Loyalität“ abzuwerben, dann würden sie zu nützlichen Verbündeten werden – und sei es nur temporär. Dieser Plan war gefährlich. Genauso gut könnten sie ein dreifaches Spiel spielen und uns in einem kritischen Moment hintergehen. Eine bessere Option hatten wir in diesem Moment jedoch auch nicht anzubieten.
Sie ergänzte, dass wenn wir schon dabei wären die Yuan-ti aufzusuchen, dann wäre ein kurzer Abstecher nach Llachlun auch sinnvoll. Im Falle eines Aufmarsches Shadar’s käme dieser dort vorbei. Sollte es zu einem Bündnis dieser beiden Parteien kommen, wäre dies höchst negativ. An unserer Seite jedoch hätten wir zugleich Zugriff auf deren Ressourcen und handwerkliches Geschick. Die Kampfkraft Zoica’s zu verstärken war ein dringlicher Umstand.
Das also sollte der Plan sein. Den Nexus in Azoicstrum in unsere Kontrolle bringen, mit Llachlun verhandeln und die Yuan-ti auf unsere Seite ziehen. Beim letzten Punkt zog sich mir der Magen zusammen. Meine Erfahrungen mir Harkis zeichneten kein positives Bild für die Zukunft. Ihr Verrat war vorbestimmt, das spürte ich. So wie die Dinge aber standen mussten wir es dennoch versuchen.
Eine kleine Anmerkung wurde zudem zu einem größeren Thema. Da wir eher spartanisch in den ehemaligen Zimmern der Dienerschaft des Compounds lebten, war es die Meinung der Herrscherin, dass wir standesgemäßer residieren sollten. Nicht unbedingt heimlich und auch irgendwie unnötig. Krathus war sofort von dieser Idee angetan. Seit Tagen ließ er schon durchblicken, dass er sich gerne einen eigenen „Hort“ erschaffen wolle. Die Eigenheiten seiner Abstammung musste ich wohl lernen zu akzeptieren, denn es ihm auszureden war keine Option. So durften wir uns bei Gelegenheit einen frei wählbaren Ort in Zoica aussuchen, wo wir in Zukunft leben sollten.
Im Anschluss an dieses Thema brachen wir auf. Posetine hatte direkt wieder vergessen, dass unsere Gruppe inkognito reiste. So forderte sie uns auf beim Gehen die nächsten Gäste hereinzuschicken. Da Ava die Einzige von uns war, die nicht aktuell im Kubus sein sollte konnte zumindest sie offen herumlaufen. Den Rest von uns machte ich wieder unsichtbar. Wobei Ava mit einer neuen und sehr nützlichen Fähigkeit aufwartete uns scheinbar trotz der Unsichtbarkeit sehen zu können. Unser erstes Ziel war es Angstrum zu finden, da er die Kontrolle über den Nexus aufgeben musste. Gleichermaßen bedurfte es vieler Worte Krathus davon zu überzeugen nicht einkaufen zu gehen oder Razora zu besuchen. Es war ermüdend die Tatsache in seinen Kopf hämmern zu müssen, dass wir uns so ungesehen wie möglich zu bewegen hatten.
Im Gang fanden wir dann die nächsten Besucher vor. Marco und Lafayette standen beziehungsweise saßen in gewohnt voneinander angewiderter Haltung gegenüber zueinander. Ob all der Dinge, die passiert waren, war wohl das Schlimmste für sie zusammenarbeiten zu müssen. Im Grunde war es belustigend und doch schwang auch das ungute Gefühl mit, was jeder von beiden wohl versuchen würde aus ihrer Position rauszuholen. Lafayette hatte diesbezüglich wohl schon exakte Vorstellungen. Zumindest wenn man dem Blumenstrauß in seiner Hand nur einen weiteren Gedanken hinzufügte. Hatte er seine Lektion nicht beim ersten Mal gelernt? Wobei er es sich aber dennoch nicht nehmen ließ Ava anzugraben. So wirklich clever erschien er mir in diesem Moment nicht mehr.
Ich hoffte inständig, dass wir unbemerkt an den beiden vorbeikommen würden. Krathus hatte sich völlig unnötig eine Verkleidung übergeworfen, die zu allem Überfluss auch noch Stelzen beinhaltete. Das Klacken bei jedem Schritt überspannte meine Nerven. Aber es machte dein Eindruck, als wenn die beiden Kontrahenten zu sehr aufeinander fokussiert gewesen waren, als das ihnen Irgendetwas anderes auffiel. Nicht einmal, als der Strauß plötzlich eher gerupft aussah.
Weil es unklar war, wie lange wir für das Aufspüren von Angstrum brauchten ging Ava zunächst allein los. Wir anderen warteten solange im Compound. Garret und ich hatten dort die wenig dankbare Aufgabe Krathus davon abzuhalten einfach loszumarschieren, um seine Mutter zu besuchen. Mir ging es da vom Verlangen her nicht anders, aber derzeit war es einfach keine gute Idee. Ava erzählte bei ihrer Rückkehr dann, dass Angstrum und Melody sich wohl irgendwo anders niedergelassen hatten. Wenn sie nicht mehr in Zoica waren, dann vielleicht in Azoicstrum? Er würde den Nexus kaum freiwillig den Rücken kehren. Wir fassten also den Plan dort nachzugucken.
Dann klopfte es plötzlich an der Tür. Als wir vorsichtig öffneten stand dort plötzlich diese merkwürdige Taube Meta aus dem Kubus vor uns. Wie sie uns gefunden hatte, war beunruhigend und es stellte sich die Frage, ob somit Shadar bereist Bescheid wusste. Ihr Ansinnen war es aber lediglich uns die Gewinne aus dem Rätselspiel zukommen zu lassen. Garret entschied sich den Flügel in das Theater des Compounds zu wünschen. Was mit Calas’ Statue passieren sollte, das müsste er selbst entscheiden. Dann schlugen wir den Weg zu Chrylax’ Haus ein. Da er in der Akademie tätig war würden wir den Teleportzirkel zur Abwechslung einmal ohne feurige Gefahr nutzen können.
Erneut unsichtbar schritten wir durch die Stadt. Das einzig Auffällige waren zwei Jugendliche, die gerade mit den Händen voller Edelsteine aus einem Juweliergeschäft spazierten, nachdem es dort einen Knall gegeben hatte. Der Besitzer schien davon keine Notiz zu nehmen. Doch das war nichts worum wir uns derzeit kümmern konnten.
Der Teleport nach Azoicstrum verlief ohne Schwierigkeiten. Vor Ort angekommen landeten wir aber nicht wie erwartet in Angstrum’s Turm. Vielmehr sah hier alles nach einem gigantischen Vogelnest aus. Alles war aus Zweigen jedweder Dicke gebaut. Und als wir schlussendlich den Bugbear und Melody in intimer Position vorfanden, konnte man diesen Ort ohne Bedenken ein „Liebesnest“ nennen.
Wir vermittelten den beiden kurzerhand was unsere Absicht war. Dabei ging ich spezifisch auf die Gefahren für Leib und Leben der beiden ein, wenn Angstrum auf Dauer mit dem Nexus verbunden bliebe. Seinen gedanklichen Fokus zu erhalten war schon schwer, ihm aber den Nexus madig zu machen noch deutlich komplizierter. Seit er dessen Macht besaß war sein Leben deutlich besser verlaufen. Konnte es ihm daher kaum übel nehmen sich gegen die Aufgabe zu wehren. Er fühlte sich abhängig von ihm, um Melody weiterhin all die bisherigen Annehmlichkeiten bieten zu können. Dass sie ihn tatsächlich für die nervige Person liebte, die er war, kam für ihn überraschend. So stimmte er zu.
Um möglichst ungesehen fortzufahren, ließ Angstrum den in dieses Nest umgewandelte Turm zunächst in Richtung von Toeffel’s Haupthaus gleiten. Natürlich hatte er für diese „Umbauten“ den Nexus verwendet. Doch weit weniger auslaugend, als ich erwartet hatte. Gleichwohl zu viel, um im späteren Verlauf meine Armschiene zu laden. So fiel die Idee flach die Yuan-ti mit unserer eigenen Nexusmacht zu beschwichtigen. Der Bugbear brachte uns dann unsichtbar ins Innere und hinab zum Nexus selbst. Wobei er auf dem Weg scheinbar diverse neue Sicherheitseinrichtungen zu deaktivieren schien. Jetzt, da wir vor dem Nexus standen, war es Zeit, dass Angstrum die Kontrolle abgab. Doch wusste er zunächst nicht wie.
Die Bindung zu lösen erforderte, dass er Willens war diese aufzugeben. Und hier kam der Knackpunkt: Er war keineswegs überzeugt davon. Obgleich ich mit dem Gedanken gespielt hatte seine Gedanken zu beeinflussen nahm ich davon Abstand, nur um durch Melody überrascht zu werden, welche es stattdessen tat. So überredete sie ihn mit magischer Unterstützung uns die Kontrolle zu übergeben. Am Ende war es in tatsächlich das Beste für die zwei. Auch wenn keiner vorausahnen konnte, ob das die Bewohner Azoicstrum’s vor Repressalien bewahren würde.
Während wir warteten, dass Angstrum die Bindung aufgab und Krathus sein Banner auflud, nagelte ich Ava darauf fest endlich zu erzählen, was ihr Wiederfahren war. Seit ihrer Rückkehr wich sie schon mehrere Male dieser Frage aus, da wir ja unter Zeitdruck standen. Nun galt es aber mindestens eine Stunde totzuschlagen. Trotz der verfügbaren Zeit war sie aber eher schmallippig. Offenbar hatte der Zinnsoldat sie an einen Ort mitgenommen, wo es ihr gelang sich – bildlich gesprochen – wieder zusammenzusetzen. In der Tat hatte sie durch den Realitätswechsel etwas verloren. Nun, das war keine große Überraschung für mich. Den anteiligen Mangel ihrer Selbst hatte ich am eigenen Leib spüren dürfen. Hingegen war es wohl aber auch so, dass dies ein Part ihrer Persönlichkeit war, den sie Zeit ihres Lebens unterdrückt hatte.
Sie bekam allerdings die Möglichkeit sich wieder zu einen und war nun im Gleichgewicht. Es war nicht zu bestreiten, dass sie erneut verändert wiedergekommen war. Die inzwischen dritte Inkarnation Ava’s kennenzulernen war irritierend. Sie hatte bisher einen wilden Mix der beiden vorherigen Varianten gezeigt. Trotz allem war mir aber am Ende nicht klar, ob ich tatsächlich alles richtig verstanden hatte, was in ihrer Abwesenheit passiert war. Noch im Begriff ihre Geschichte zu verarbeiten brach sie aber meinen Verstand vollends, als sie sich für die zuletzt gemeinsam erlebten Wochen entschuldigte. Die Welt stand Kopf.
Umgekehrt erfragte sie was aus meinem Familientreffen geworden war. Sie bekam daraufhin die möglichst kurze, wenngleich nicht weniger prägnante Erzählung dieser weniger erfreulichen Ereignisse und ihrer Konsequenzen. In ihrem Gesicht spiegelte sich echtes Mitgefühl wider. Erst jetzt war mir bewusst geworden, wie mir das gefehlt hatte. Verwundert blieb ich mit diesem Gedanken zurück, da sich nun Angstrum zu Wort meldete. Scheinbar war die Bindung nunmehr ausgelöst worden.
Jetzt galt es den Nexus an uns zu binden. Die Macht des Nexus war unbestritten, die einhergehenden Gefahren aber auch. Wer immer sich verband würde auch eine Zielschreibe auf dem Rücken tragen. Natürlich wandte Angstrum ein, dass er kein Problem damit hätte sich erneut zu verbinden. Irgendwie fiel die Wahl dann aber zurück auf mich. Ich hätte wohl glücklicher über diese Entwicklung sein sollen, war es doch das was ich wollte, seit wir von dem Nexus wussten. Zu jener Zeit, ohne einen einzigen Gedanken an die Konsequenzen zu verschwenden. Vieles aber hatte sich seither verändert.
Mein Grund dies zu tun war unlängst nichtig geworden, dass darüber hinausragende Verlangen nach mehr Macht hatte mir meine leibliche Familie ausgetrieben und nicht zuletzt fürchtete ich meine gewählte Familie damit in Gefahr zu bringen. Doch welcher Idiot hatte sonst stumpf in sein Verderben rennen wollen, um diese Krise aufzuhalten? Nicht, dass ich allzu fest an einen Erfolg glaubte … so haderte ich.
Meine Hand war leicht ausgestreckt und ein Blick fiel über die Schulter hin zu der Wand, wo ich schon einmal einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte. Ava fing plötzlich an zu zaubern. Eine Reihe von großen fluffigen Kissen erschienen an besagter Wand. Ein leichtes Grinsen umfing mich, bevor das Stirnrunzeln anfing, da ich die Kissen als Illusion erkannte. Und das war der Moment in dem mich Krathus plötzlich schubste. So stolperte ich völlig überrascht gegen den Nexus, was die befürchtete Reaktion auslöste und mich mit einer Entladung magischer Energie quer durch den Raum schoss. Diesmal drehte ich mich um die eigene Achse. Während des kurzen Flugs sah ich noch Garret, der versuchte mich zu fangen, über dessen Kopf ich aber einfach hinweg rotierte. Direkt durch die illusionären Kissen und gegen die auch in diesem Fall kaum weniger harte Wand. Jeder Knochen im Leib tat mir weh, doch die Bindung war vollzogen.
Die Folge des Bindens schien aber auch zu sein, dass nun Blut aus meinen Augen lief. Nicht allzu viel und es stoppte auch immer bei einer gewissen Menge, doch es levitierte unterhalb des Augenlids. Wegwischen war ineffektiv. Wann immer ich aber einen Zauber wirkte, wurde aber in den Körper eingesogen, nur um im Anschluss wieder aufzutauchen. Die zugesprochene neue und eher martialische Optik war keinesfalls beruhigend. Angstrum hatte keine Wirkung wie diese verspürt. War es nicht schön etwa besonderes zu sein … !?
Unsere Aufgabe hier war nun erfüllt. In dem folgenden Gespräch mit dem Bugbear warnten wir noch vor potentiellem Ärger und das sie auf der Hut sein sollten. Dabei kam auch heraus, dass Angstrum die damals hierher pilgernden Kobolde gar nicht umgebracht hatte. Vielmehr hatte er sie gewarnt nicht näher zu kommen und dann weggeschickt. Leider aber auch ohne deren Erinnerung mittels des Nexus zu manipulieren. Wusste Shadar deswegen von diesem Nexus? Oder hatte er diese Information viel früher durch andere Quellen schon bezogen? Traf das Erstere zu, dann wäre dies ein wichtiger Hinweis auf seine tatsächliche Macht gewesen.
Beim Gehen fiel uns nun auf, dass wir nicht unbemerkt geblieben waren. Keiner hatte die Öffnung der Geheimtür wahrgenommen, doch im Eingang weit über uns stand nun Narach mit gezogener Waffe und äußerst ungehalten. Garret hatte ein Seil für uns hinuntergelassen. Melody flog mit Angstrum hinauf. Und als ich mich in Bewegung setzen wollte verschwamm kurz die Umwelt und wurde in tiefe Schatten getaucht, bevor ich mich nur eine Sekunde später sehr viel weiter oben am Seil hängend wiederfand. Irritiert nach unten blickend sah ich dann Krathus und Ava verschwinden. Das hatte ich schon einmal erleben dürfen, nur als unfreiwilliger Teilnehmer einer Racheaktion des kleinen schuppigen Teufels.
Narach zu erläutern, warum wir ohne Einladung hier waren, war ein Ding der Unmöglichkeit. Das Misstrauen gegenüber Magienutzern schwand damit auch nicht gerade. Doch seine feindliche Art war nicht amüsant. Nun pikste er mit seiner Waffe in meinen Rücken, damit ich mich beeilte. Sehr zu unser beider Überraschung hatte dies aber keinerlei physische Auswirkung. Gespürt hatte ich nichts und auch blutete der Einstichort nicht. Verwundert wiederholte er seine Tat, mit dem gleichen Ergebnis. Statt das es alle Beteiligten dabei beließen und wir einfach gingen, hatte sich nun Garret in den Kopf gesetzt seinerseits diesen Umstand zu „testen“. Der kleine Dreckskerl schoß mit einem Satz hinauf und verpasste mir doch allen Ernstes eine ordentliche Backpfeife. Von der in den Hieb gelegten Kraft kam aber nur wenig an, doch es tat nicht weniger weh.
Für einen Moment schoss die Wut hoch und ich formte schon den ersten Gedanken mich auf „affige“ Weise zu revanchieren, doch angesichts der Umgebung und der zu vermeidenden Aufmerksamkeit, nutzte ich den gleichen Zauber abgewandelt und machte aus der halben Portion einen Shrimp. Das Pärchen folgte und brachte uns wieder hinauf zu ihrem Nest. Krathus schien amüsiert über Garret’s neue Existenz. Ava beendete den Spaß dann aber, als sie ihn mit Wucht auf den Boden donnerte und die Verwandlung brach. Auf die Erzählung meiner „Unverwundbarkeit“ hin wollte sogleich Krathus auch mal zustechen. Genug war genug. Wieso wollte mich eigentlich jeder in Logothil stechen und bluten lassen!? Nach meinem Ausbruch über diesen nicht haltbaren Umstand kehrten wir schließlich nach Zoica zurück.
Nach dem Teleport sorgte ich wieder für ein unsichtbares Auftreten. Eine kurzerhand alarmierte Wache sah somit nur Ava, hatte aber zuvor mindestens zwei Stimmen gehört. Auf die Frage wer nun also noch hier wäre platzte es aus Garret heraus, dass er sein eigener Geist sei. Meine Hand war schon in der Bewegung zu meiner Stirn, konnte sie aber noch rechtzeitig stoppen, bevor auch ich Lärm erzeugt hätte. Im Versuch die Wache davon zu überzeugen, dass er jetzt aber doch nicht Garret sei, behauptete er Angstrum zu heißen. Es wurde von Cent zu Moment absurder. Die Wache trug, soweit wir sehen konnten, einfach beide Namen ein und ließ uns ziehen.
Der Weg führte uns zurück zum Compound. Auf diesem vernahmen wir aber Stimmen, die sich darüber freuten in Zukunft wohl für gar nichts mehr zahlen zu müssen. Ava fuhr herum und fand vor sich erneut zwei Jugendliche, scheinbar Studenten der Akademie. Aufgebracht über die Situation, dass sie Magie missbraucht hatten, um jemanden zu bestehlen wurden ihre Augen tiefschwarz, ihre goldenen Strähnen ebenso und sie schiss die beiden in deutlicher Art zusammen. Verängstigt zogen sie davon, versprechend dies nicht zu wiederholen. Ich war derweil völlig erstarrt, ob Ava’s Auftritt. Für einen Moment geisterten mir die Bilder von vor einigen Wochen im Kopf. Es wäre eine Lüge, wenn ich nicht zugab, verunsichert gewesen zu sein. Doch mit ihrer „Rückverwandlung“ fiel zunächst auch dieses Gefühl.
Kritischer war, dass keiner von uns bemerkt hatte, dass Marco an der Ecke saß und dies mitbekommen hatte. Sein nüchterner Kommentar ließ keinen Zweifel, dass er glaubte diesen Missbrauch vorhergesehen zu haben. Und man mochte erahnen, dass er damit ebenso eine indirekte Warnung in die Zukunft aussprach. Nach meinem Verständnis war es aber egal, ob jemand Magie nutzte oder ein Schwert, um seinen Willen durchzusetzen. Einen Verhaltenskodex brauchte beides. Wir zogen weiter, auch wenn mir ein weiterer von Marco’s Kommentaren Bauchschmerzen bereitete, der durchblicken ließ, dass er uns andere wahrgenommen hatte.
In unseren Räumen im Compound eingetroffen löste ich dann die Unsichtbarkeit, doch Krathus war verschwunden …
Sitzung 108
Ich war zu früh… das Treffen war für Mitternacht vereinbart, die anderen waren noch nicht eingetroffen. Allerdings hatten sich in der Zwischenzeit einige… interessante Gäste eingefunden. Eine Truppe Yuan-Ti, die ein Schauspiel aufführten. Ich war misstrauisch - von dem was die anderen über Harkis erzählt hatten, waren Yuan-Ti zwar möglicherweise begnadete Schauspieler, aber sicher nicht am Theater interessiert. Steckte mehr dahinter? Da ich gemeinsam mit Arem eingeladen war, konnte ich die Gelegenheit genauso nutzen, ein Auge auf sie zu werfen. Ein angenehmer Abend dürfte es so oder so werden.
Mitten im Spiel hörte ich plötzlich Garrets Stimme an meinem Ohr - offenbar waren sie eingetroffen. Ich gab Arem ein Zeichen, er nickte verstehend und ich machte mich auf den Weg. Wie ich zugeben muss, etwas nervös. Ich war in letzter Zeit nicht die umgänglichste Person gewesen. Nicht ganz bei mir, wie ich mit einer Mischung aus Grinsen und Lächeln dachte. Wie die anderen mich empfangen würden, blieb ungewiss, aber die Nachrichten von Ralkarion waren zu beunruhigend, um weiter meditierend bei Arem und seinem Volk zu bleiben. In Gedanken daran rückte ich die neue Rüstung zurecht. Sie war hervorragend gearbeitet und dürfte deutlich mehr Schutz bieten als die unförmige Lederrüstung aus Cindercrest, aber die zusätzlichen Platten waren gewöhnungsbedürftig - es dürfte noch ein wenig dauern, bis ich meine gewohnte Agilität wieder ausspielen konnte. Dann richtete ich meine Gedanken wieder auf das vor mir liegende Zusammentreffen.
Das deutlich herzlicher ausfiel, als ich mir das gedacht hätte. Natürlich war Ralkarion zurückhaltend, das konnte man ihm kaum verübeln, aber Garret freute sich, mich wiederzusehen und Krathus war schon fast euphorisch. Ich muss zugeben, die naive Art des Kobolds hatte mir besonders gefehlt. Der Fleischberg war nicht mehr bei ihnen, offenbar hatte er seinen Auftrag als erledigt gesehen und war losgezogen. Typisch Söldner halt, aber wenigstens waren alle heile zurück.
Die fünfte Person im Raum hingegen umschwebte eine Aura der Arroganz. Angesichts der Herkunft wenig überraschend, handelte es sich doch um Lia Therion selbst. Ihre Blasiertheit war jedoch mit einem Schlag weggeblasen, als Al’Chara, von Garret geholt, hinter uns den Raum betrat und wir Zeuge werden durften, was es bedeutete, einen leibhaftigen Drachen als Mutter zu haben. Und das war noch nicht einmal das Ende des Vergnügens, dass mich heute erwartete - Lia schlug ein Buch auf, murmelte etwas davon, dass dort der Tesserakt zu finden sei und wir hineinmüssten. Innerlich schrillten die Alarmglocken. Hatte Ralkarion nicht im Buch von einem Kubus erzählt, in den sie gesperrt wurden? Da aber Al’Chara und Lia selbst ebenfalls ins Buch gehen wollten, war es wohl kaum vergleichbar und so ließ ich mich darauf ein.
Ich wäre vermutlich traurig gewesen, hätte ich es nicht getan. Ein Regenbogenland voller Zuckerträume und Märchengestalten erwartete uns, wohl der Traum einer jeden Prinzessin, die als Kind nicht genug umarmt wurde. Lias knallrotes Gesicht war unbezahlbar. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte ich vermutlich begonnen, laut zu lachen. Es zu unterdrücken wurde nicht einfacher, als Lia uns murmelnd vom Hai „Bitey” erzählte, den jemand kraulen müsse. Durch diese kunterbunte Wunderwelt begaben wir uns zu dem Turm in der Ferne, der Lias Zimmer darstellte und der noch immer die Aufschrift trug, dass ihre Mutter nicht hereindürfe. Dort befand sich auch der Eingang - einige winzige Tür hinter einer Kommode. Einen (natürlich pappsüßen) Trank später hatten wir die richtige Größe für die Tür und schritten hindurch, direkt in eine gewaltige, schwebende Bibliothek. Ein Alptraum für Krathus und Garret, ein Nostalgietrip für mich. Lange war es her… wir nahmen zunächst ziellos ein paar Bücher aus den Regalen, die allerdings nur eine Art Koordinaten enthielten. Es dauerte einen Moment, bis ich mich daran erinnerte, dass im Buch der Blutmagie ähnliches stand. Damit als Ausgangspunkt verlief die Recherche deutlich erfolgreicher. Versunken in die Bücher entdeckten wir Hinweis um Hinweis. Krathus schien schon nach kurzer Zeit jede Geduld verloren zu haben, selbst das Kartenspiel mit Garret konnte ihn nicht mehr aufheitern. Zum einen aus Mitleid, zum anderen, um seine permanenten Seufzer nicht hören zu müssen schickte ich ihn nach draußen. Er solle einmal sehen, wie die Zeit dort verging, was er nur zu gerne tat.
Auch Garret verschwand etwas später, während Ralkarion und ich weiter lasen. Es fühlte sich an, als würden Monate, sogar Jahre vergehen, während wir hier drin waren, doch die „Mühe” lohnte: Wir entdeckten schlussendlich Hinweise darauf, wie der Rote sich selbst zu einer Gottheit erheben wollen würde. Wenngleich die Antwort neue Fragen aufwarf. In der Hoffnung, auch darauf Antwortren zu finden suchten wir weiter, doch mussten feststellen, dass das folgende unser und ganz besonders mein Verständnis der Magie überstieg. Dennoch kehrte ich mental erfrischt und mit einem neuen Verständnis mit Ralkarion zurück in Lias Kinderzimmer.
In der offenbar praktisch keine Zeit vergangen war, was zum einen daran erkennbar war, dass ich sofort in Garret stieß, während Ralkarion mich von hinten fast umrempelte, zum anderen an der Beschwerde Al’Charas, dass wir ja kaum ein paar Sekunden drin gewesen wären. Wir machten uns auf den Rückweg, diesmal eine recht spaßige Abkürzung nehmend, indem wir den Turm schlicht heruntersprangen. Auf dem weiteren Weg teilten wir unseren Gefährten unsere Erkenntnisse mit. Während Al’Chara und Lia sich recht schnell auf den Weg nach draußen machten, gingen wir die Konsequenzen durch. Irgendwie mussten wir zumindest fürs Erste dafür sorgen, dass die Nexi sich nicht zu sehr aufluden, um das Ritual hinauszuzögern. Verschiedene Möglichkeiten gab es dafür - zwischen der permanenten Entladung der Nexi bis hin zur Evakuierung der Leute, die den Nexi aufluden, aus der Umgebung. Natürlich gab es noch eine dritte Möglichkeit, doch ich hielt es für klug, diese vorerst nicht auf den Tisch zu legen, immerhin war es auch nur die letzte Möglichkeit. Ralkarion überraschte mich wenig später allerdings mit ähnlich taktischen Überlegungen. Als gemeinsamer Nenner wurde letzten Endes festgelegt, dass wir den arkanen Nexus in Azoicström unter Kontrolle bringen müssten, eventuell auch die Akademie schließen, die ihn wieder auflud.
Daraufhin folgten wir den beiden Silberdrachen aus dem Buch heraus. Wenngleich Lia derzeit problemlos als roter Drache hätte durchgehen können. Al’Chara war der festen Überzeugung, dass Posetine eingeweiht werden müsse, doch wir waren skeptisch. Das Zusammentreffen von Cenereth hatte offenbar einen Effekt gehabt und sie begegneten der Herrscherin mit einem ähnlichen Misstrauen wie mein eigenes. Die Entscheidung wurde uns jedoch gleich darauf abgenommen, als Posetine in der Tür erschien und danach verlangte, zu wissen, was vor sich ging - und Krathus dieser Bitte nur zu gerne Folge leistete. Nun, damit würden wir umgehen müssen, Heimlichkeit war noch nie des Kobolds Stärke gewesen. Es gefiel mir trotzdem nicht, zumal Posetines Miene praktisch keinen Aufschluss darüber gab, wie sie zu dem Ganzen stand. Etwas beruhigte mich, dass Garret versicherte, sie sei ernsthaft interessiert an der Geschichte - aber nur etwas. Das sie uns befehlsgewohnt am nächsten Tag in ihren Hort bestellte, stimmte mich kaum weniger optimistisch.
Doch uns blieb kaum eine andere Wahl. So begaben wir uns am nächsten Tag zum Hort der Herrscherin, die anderen 3 unsichtbar, um die Geschichte des Verschwindens im Kubus möglichst lange aufrecht zu erhalten. Posetine erwartete uns schon und erklärte uns zu ihren Champions, was mit dem Geschenk einiger Drachenschuppen einherging. Ich behielt meine Gedanken dazu für mich, aber ich konnte nicht umhin, mich zu fragen, was sie damit bezweckte - waren ihre Intentionen tatsächlich von Hilfsbereitschaft geprägt oder spielte sie ihr eigenes Spiel mit uns?
Sitzung 108
Lia dazu zu veranlassen nicht unbedingt hier und jetzt über alles zu reden erwies sich als ein Ding der Unmöglichkeit. Diese … Frau hatte in der Vergangenheit schon ein Desaster nach dem anderen ausgelöst und verstand es perfekt unüberlegt vorzupreschen. Es war lästig. Zumindest gelang es Qwe endlich aus dem Hörbereich heraus zu komplementieren. Danach erläuterte Lia dann kurz, dass es sich bei dem Inhalt des Buches – wie wir schon angenommen hatten – um eine von ihr zuvor erwähnte gesamte Bibliothek handelte. Der Schlüssel Shadar aufzuhalten wäre folglich irgendwo darin verborgen. Das waren gute Nachrichten. Mein Wunsch ihr mit dem besagten Buch eine überzuziehen war dagegen wohl weniger hilfreich, weswegen ich ihn versuchte zu unterdrücken.
Sie wollte, ohne nachzudenken, direkt aufbrechen, doch wir hatten unsere vermeintliche Tarnung zu verlieren. Das größte Plus war, dass wir als „aus dem Spiel genommen“ galten, ein Vorteil, den es so lange wie möglich zu bewahren galt. Leider war sie der Inbegriff eines Hausdrachen …
Mehr schlecht denn Recht kamen wir überein unsichtbar in den Compound zu schleichen. Der Zinnsoldat hatte Ava angekündigt. Und ich wollte mir erneut verbale Einläufe durch sie ersparen, nur weil ein Treffen nicht eingehalten wurde. Zuletzt war unser Verhältnis eh schon nicht das Beste gewesen – milde ausgedrückt. Zugleich verließ uns nunmehr Calas, was unsere Gruppenstärke immens schwächte. Ehrlicherweise blickte ich nicht sehr positiv in die Zukunft was diesen Austausch anging. Krathus hingegen schien aber bereits Feuer und Flamme. Lia ließ es sich nehmen den eh schon mitgenommenen Calas für sein Gehen einen Spruch zu drücken.
Als sie auch noch erfuhr, dass ihre Mutter hier sei, war sie schon beinahe zur Tür raus. Wir würden Al’Chara brauchen, da sie irgendeinen Schutzzauber auf den Zugang zur Bibliothek gelegt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt war nicht ein anerkennendes Wort zur zweimaligen Rettung „ihrer Hoheit“ ausgesprochen worden, oder zumindest eine entgegenkommendere Stimmlage. Nun stellte ich mir vor in Kürze zwei Therions in einem Raum zu haben. Ich überlegte, wie lange ich diesem Umstand wohl aushalten würde, bevor ich verzweifelt dem großen Roten die Treue schwören würde, nur damit dies endlich ein Ende hätte …
Nachdem wir uns von Calas verabschiedet hatten, setzten wir uns in Bewegung. Durch die Stadt zu gelangen war einfach, da um diese Zeit auch nicht mehr viel auf den Straßen los war. Der Compound hingegen war wider Erwarten belebt. Das Äußere war hell erleuchtet und es sah danach aus, als wäre eine Veranstaltung im Gange. Wir schlichen an den Wachen vorbei in den Innenhof. Die Kutschen begutachtend fanden sich bekannte Embleme auf diesen. Pashar, Lafayete und viele weitere bekannte Personen waren scheinbar einberufen worden. Krathus ließ uns derweil beinahe auffliegen, da er mit Lafayete’s Panther zu spielen begann.
Wir gelangten schlussendlich ins Hauptgebäude und schafften es bis zu unseren Räumen zu gelangen. Für den Moment würde uns hier niemand erwarten. Die Gelegenheit nutzend überprüfte ich zunächst erfolglos, ob Ava in ihrem Raum war. Jetzt galt es Al’Chara ausfindig zu machen. Lia wollte schon wieder einfach losmarschieren, doch konnten wir schließlich vereinbaren Garret unsichtbar loszuschicken, um ihre Mutter und Ava zu finden. Es dauerte einige Zeit bis der Halbling wieder zurückkehrte. Im Schlepptau hatte er dann auch die beiden Gesuchten. Ein leichter Schauer zog mir über den Rücken. Welche der beiden nun eintretenden „Damen“ dies verursachte war aber nicht zu differenzieren.
Anders als erwartet schien Ava anders. Es fehlte die martialische Kriegsbemalung und sie hatte definitiv neues Equipment. Besonders die Rüstung fiel ins Auge. Die goldenen Strähnen waren noch da. Auf die Nachfrage wie es ihr ergangen sei antwortete sie ruhig und der Gesichtsausdruck war beängstigend gelassen. Fast surreal wirkte ihre Frage nach dem Auffinden meiner Familie. War sie wieder sie selbst oder erneut jemand anders? Ich war verwirrt.
In einem Kurzabriss erfuhren wir, dass die Yuan-ti für das Ereignis im Compound verantwortliche zeigten. Scheinbar versuchten sie durch Diplomaten und Künstler, welche Garret als höchst suspekt einschätzte, hier Fuß zu fassen.
Indes hatte Al’Chara durch ihre bloße Präsenz den Raum erfüllt. Lia wollte übereifrig wie zuvor lospoltern, wurde aber von ihrer Mutter in die Schranken gewiesen. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt uns. So erläuterten wir so kurz es eben möglich war die Sachverhalte. Die Tatsache, dass Lia ein gutes Dutzend an Versuchen unternahm sich in dieses Gespräch einzuklinken und jedesmal die kalte Schulter Al’Chara’s zu spüren bekam war eine Genugtuung. Das Grinsen zu unterdrücken fiel mir daher schwer. Lady Therion war wenig begeistert über die Entscheidungen Cenereth’s. Mit all dem was wir nun wussten, war es aber gut möglich, dass sie andernfalls kaum mehr am Leben gewesen wäre und somit unsere Chance in die Bibliothek zu gelangen zunichte gemacht worden wären.
Nunmehr war dies ein Stichwort, bei dem Lia endlich dazu eingeladen wurde auch etwas beizutragen. Das schützende Siegel zum Eintritt in den Tessarakt hatte ihre Mutter wohl gesetzt, aber selbst nicht gewusst was sich dahinter verbarg. Mit allen relevanten Personen vereint an diesem Ort konnten wir aber nun hinein. Obgleich die Erklärungen gegenüber ihrer Mutter wo sich dieser Zugang befinden sollte bei uns eher Unverständnis auslöste. Aber kaum waren wir in das Buch eingesogen worden verdeutlichte sich das Gesagte.
Vor uns tat sich eine völlig absurde Phantasiewelt auf. Als hätte man alle Zuckerschockalbträume und Jahrmärkte zu einem Bildnis vereint. Für so einen abgefahrenen Trip hätte es normalerweise unfassbare Mengen Paddo gebraucht. Etwas entfernt befand sich ein von Wasser umgebener Turm, es regnete Süßigkeiten, Gnome sangen und tanzten nebenan, ein schillernder Regenbogen stand am Himmel und warum war der Boden so fluffig!? Alles hier drin schrie „Spielplatz der Prinzessin“. Lia’s Gesicht war mit einem mal leuchtend rot. Uns in ihre Kindheitsphantasien mitzunehmen war ihr sichtlich unangenehm. Gerade als ich dachte es könnte nach der Demütigung durch ihre Mutter nicht besser werden … es war glorreich und meine Mundwinkel taten bereits weh.
Im Wasser schwamm zudem eine überdimensionierte Haiflosse. Lia erläuterte kurz, dass es ungefährlich sei aber jemand den „Hai“ kraulen müsste, damit wir weitergehen konnten. Diese Ehre überließ ich nur zu gerne ihr selbst. Viel peinlicher konnte es kaum noch werden, was sich gut in ihrer nun devoten Art widerspiegelte. Wir machten uns auf zum Turm, wo sich angeblich der Zugang zur Bibliothek befinden würde. Es gab nichts, dass uns hier im Wege stand. Oben angekommen folgten wir in Lia’s persönliches Zimmer. Scheinbar ihr Rückzugsort innerhalb dieses Rückzugsortes. Kitschiger und klischeehafter ging es kaum. Wahrlich das Spielzimmer einer verwöhnten Prinzessin. Hier befand sich nunmehr auch der besagte Zugang. Eine winzige Tür, deren Siegel nun durch Al’Chara entfernt wurde und durch welche wir hindurchschritten, nachdem wir einen Verkleinerungstrank nahmen. Auch wenn Krathus nur wenig Interesse hatte eine Bibliothek zu besuchen.
Der Anblick war immens. Soweit das Auge reichte und in jedwede Richtung wurde diese Zwischenebene von vollen Bücherregalen durchzogen. Es mussten tausende Bücher sein, wenn nicht viel mehr. Wo sollten wir nur anfangen? Zufällig etwas herauszuziehen brachte nur wenig Nutzen. Jedes Buch hatte Querverweise auf andere Bücher. Cenereth hielt wohl nichts von einem linearen Schreibstil. Nach einiger Zeit fiel Ava wieder ein, dass sich im Buch der Blutmagie aber ein ähnlicher Verweis befunden hatte. Dies als Ausgangspunk nehmend begannen wir unsere Recherchen. Stunden um Stunden vergingen. Irgendwie wurden wir aber nicht müde und auch nicht hungrig. Die Konzentration blieb gleichsam intakt. Es war ein eigenartiges Gefühl. Krathus schien hier drinnen aber seine Probleme zu haben.
Wir wälzten Buch um Buch. Mit der Zeit erfuhren wir all die Details, die zum Bau der Nexi führten. Mehr noch aber erlangten wir Einsichten über deren Funktionsweisen. Final aber kam der wichtigste Aspekt: Hinweise auf den geplanten Aufstieg Shadar’s zu einer Gottheit. Scheinbar brauchte es dafür je fünf Kugeln eines jeden Nexus, um das Ritual zu starten. Wobei aber die Nexi selbst während dieser Zeit konstant mit Energie versorgte werden mussten. Das bedeutete, dass es möglich war den Aufstieg in der Tat zu verhindern oder zumindest so weit zu verzögern, bis eine endgültige Lösung gefunden war.
Wenn mein Zeitgefühl mich nicht trog und die Anzahl der gelesenen Bücher stimmte, dann waren wir inzwischen Monate hier drin, vielleicht sogar schon ein Jahr. Auch waren wir an einem toten Punkt angekommen. Cenereth hatte noch so viel hier zu stehen, dass sich aber unseres Verständnisses völlig entzog. Mit den gefundenen Antworten entschieden wir nun es gut sein zu lassen.
Beim Heraustreten rempelten einer den anderen an. Krathus stand obgleich seines frühzeitigen Verschwindens aus der Bibliothek direkt im Eingang. Ich stieß dafür mit Ava zusammen. Al’Chara blickte etwas ungläubig und hatte diesen unangenehmen Unterton, als sie danach fragte, wieso wir kaum eine Sekunde weg gewesen wären. Es war ein geniales Studierzimmer jenseits vom herkömmlichen zeitlichen Ablauf. Es war allerdings auch irritierend, dass wir trotz all der Zeit so fokussiert waren, dass wir keinerlei persönliche Gespräche geführt hatten. Und erst jetzt fiel mir auf wie unkompliziert unsere Zusammenarbeit da drin war. Besonders als Ava und ich allein da drin gewesen waren, nachdem Lia, Krathus und Garret über verschiedenste Zeiträume offenbar die Bibliothek verlassen hatten. Wir vermittelnde kurz unsere Eindrücke bevor wir entschieden Richtung Ausgang zu gehen. Doch bevor wir diesen Ort verließen teilten wir noch unsere Gedanken.
Was würden wir nun tun? Viele Informationen und Überlegungen flossen in die Diskussion ein. Mit all den neuen Details war es möglich die Gesamtsituation völlig neu zu bewerten, aber auch lose Enden zu verknüpfen. Trotzdem war es keine leichte Aufgabe einem angehenden Gott diesen Status abzuringen. Erst einmal brauchten wir einen Ausgangspunkt. Die Nexi ihrer Aufladungen zu berauben erkaufte uns Zeit und den einzig einfach kontrollierbaren hatten wir in Azoicstrum. Also kamen wir überein diesen in unsere Kontrolle zu bringen. Außerdem mussten wir noch eine Vereinbarung mit Mundi erfüllen. In der Zukunft könnte er sich als brauchbarere Alliierter erweisen, doch dazu müsste Lia wieder zu ihm zurückkehren. Egal wie ich zu ihr stand, aber es war nachvollziehbar, dass sie dies nicht als verlockend empfand.
Die Therion’s waren schon aus dem Buch geschlüpft als wir noch sprachen. Jetzt aber folgten auch wir.
Lia’s hochroter Kopf war noch existent. Und die Bitte, die sie nun aussprach, musste ihr wahrlich schwergefallen sein auszusprechen. Denn sie erbat, dass wir kein Sterbenswort über ihre Kindheitsphantasien mit anderen teilten. Die Demut stand ihr. Krathus, Garret und ich stimmten zu. Ava nutzte die Gelegenheit unbelastet in die Beziehung zu Lia hineingekommen zu sein im Gegenzug unser überlegtes Vorhaben Lia und Mundi wieder zueinander zu bringen aktiv zu verkaufen. Niemand verlangte von ihr dort zu verweilen, aber der potenzielle Nutzen Mundi’s zu helfen Shadar aufzuhalten war gegeben. Widerwillig schien sie dies zumindest nicht vollkommen abzulehnen.
Al’Chara wies darauf hin, dass es besser wäre Posetine einzuweihen. Schließlich sei sie die Herrscherin und vorenthaltene Informationen mochten einen negativen Ausgang auf die Ereignisse haben. Ich erläuterte ihr die Bedenken, die Cenereth hatte. Doch sie gab wiederum zu Bedenken, dass sie selbst diesen Fehler gemacht hatte, als sie uns nicht über alles informiert hatte. Vielleicht wären die Dinge dann anders ausgegangen. Wenn sich aber Posetine dazu entscheiden sollte sich ihrem Vater anzuschließen, oder gar von Macht besessen durchdrehen würde? Mir schwante übles, als ich darüber nachdachte welche Zerstörung sie über die Region bringen könnte beim Versuch Shadar aufzuhalten. Die beste Option die Nexi trocken laufen zu lassen war all ihre Quellen zum Versiegen zu bringen, was ein verbranntes Ödland zurücklassen würde.
Doch wurde uns ein Teil der Entscheidung abgenommen. Gerade als Lia im Begriff war sich die Beine zu vertreten, was wir vehement versuchten zu verhindern, da auch sie als tot galt, stand jetzt Posetine im Gang. Ihre Attitüde hatte sich in den von uns übersprungenen Wochen wieder stark verändert. Wenige Worte, dafür gezielt und fordernd. Sie wuchs mir etwas zu schnell in die Rolle einer Herrscherin, die sich nicht in die Karten blicken ließ. Es war kaum Überraschung in ihrem Gesicht, als sie uns sah. Aber sie verlangte zu erfahren was es mit diesem heimlichen Treffen auf sich hatte. Im Versuch nicht anzuecken, begann ich sorgsam meine Worte zu wählen, nur um vom gelangweilten Krathus direkt unterbrochen zu werden. So ließ er dem Wasserfall an Informationen ungehindert freien Lauf, während ich innerlich überlegte ihn zur Strafe ein paar Sekunden in die Bibliothek zu sperren.
Posetine nahm es völlig neutral auf. Ihre verbale Reaktion zum Abschluss suggerierten ihr Interesse an dem Gesagten, ihr Gesicht aber wirkte steinern. Sie ging mit den Worten, dass sie darüber nachdenken und uns morgen ihre Entscheidung mitteilen würde. Hatten wir soeben einen Kardinalfehler begannen?
Wir ließen den Abend ausklingen und hofften das Beste. Sehr zum Missfallen von Lia hieß es auch weiterhin erst einmal ungesehen zu bleiben. Am nächsten Tag ließ uns Posetine wissen, dass sie ihre Entscheidung getroffen hätte und wir sie aufzusuchen hatten. Im Zuge der Ereignisse und der Tatsache, dass wir uns zuvor als vertrauensvoll herausgestellt hatten ernannte sie uns nunmehr zu Champions in ihrem Namen. Wir erhielten goldene Drachenschuppen von ihr, die scheinbar über gewisse magische Eigenschaften verfügten.
Ich denke wir waren zunächst alle erleichtert, doch in mir trug ich einen Samen des Zweifels. Cenereth’s Worte hallten nach. Zwar hatte sie bisher keinen eklatanten Anlass gegeben an ihr zu zweifeln, aber ihr sich so schnell veränderndes Verhalten ließ mich mit einem mulmigen Gefühl zurück. War sie bereits dem Machthunger verfallen, spann sie gar eine Intrige sich selbst der Nexi zu bemächtigen? Nach all den erlebten Ränkespielen verblieb eine gewisse Paranoia ...