• Freitag, 31. Januar 2025 07:14

Sitzung 108

Anarath
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Lia dazu zu veranlassen nicht unbedingt hier und jetzt über alles zu reden erwies sich als ein Ding der Unmöglichkeit. Diese … Frau hatte in der Vergangenheit schon ein Desaster nach dem anderen ausgelöst und verstand es perfekt unüberlegt vorzupreschen. Es war lästig. Zumindest gelang es Qwe endlich aus dem Hörbereich heraus zu komplementieren. Danach erläuterte Lia dann kurz, dass es sich bei dem Inhalt des Buches – wie wir schon angenommen hatten – um eine von ihr zuvor erwähnte gesamte Bibliothek handelte. Der Schlüssel Shadar aufzuhalten wäre folglich irgendwo darin verborgen. Das waren gute Nachrichten. Mein Wunsch ihr mit dem besagten Buch eine überzuziehen war dagegen wohl weniger hilfreich, weswegen ich ihn versuchte zu unterdrücken.

Sie wollte, ohne nachzudenken, direkt aufbrechen, doch wir hatten unsere vermeintliche Tarnung zu verlieren. Das größte Plus war, dass wir als „aus dem Spiel genommen“ galten, ein Vorteil, den es so lange wie möglich zu bewahren galt. Leider war sie der Inbegriff eines Hausdrachen …

Mehr schlecht denn Recht kamen wir überein unsichtbar in den Compound zu schleichen. Der Zinnsoldat hatte Ava angekündigt. Und ich wollte mir erneut verbale Einläufe durch sie ersparen, nur weil ein Treffen nicht eingehalten wurde. Zuletzt war unser Verhältnis eh schon nicht das Beste gewesen – milde ausgedrückt. Zugleich verließ uns nunmehr Calas, was unsere Gruppenstärke immens schwächte. Ehrlicherweise blickte ich nicht sehr positiv in die Zukunft was diesen Austausch anging. Krathus hingegen schien aber bereits Feuer und Flamme. Lia ließ es sich nehmen den eh schon mitgenommenen Calas für sein Gehen einen Spruch zu drücken.

Als sie auch noch erfuhr, dass ihre Mutter hier sei, war sie schon beinahe zur Tür raus. Wir würden Al’Chara brauchen, da sie irgendeinen Schutzzauber auf den Zugang zur Bibliothek gelegt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt war nicht ein anerkennendes Wort zur zweimaligen Rettung „ihrer Hoheit“ ausgesprochen worden, oder zumindest eine entgegenkommendere Stimmlage. Nun stellte ich mir vor in Kürze zwei Therions in einem Raum zu haben. Ich überlegte, wie lange ich diesem Umstand wohl aushalten würde, bevor ich verzweifelt dem großen Roten die Treue schwören würde, nur damit dies endlich ein Ende hätte …

Nachdem wir uns von Calas verabschiedet hatten, setzten wir uns in Bewegung. Durch die Stadt zu gelangen war einfach, da um diese Zeit auch nicht mehr viel auf den Straßen los war. Der Compound hingegen war wider Erwarten belebt. Das Äußere war hell erleuchtet und es sah danach aus, als wäre eine Veranstaltung im Gange. Wir schlichen an den Wachen vorbei in den Innenhof. Die Kutschen begutachtend fanden sich bekannte Embleme auf diesen. Pashar, Lafayete und viele weitere bekannte Personen waren scheinbar einberufen worden. Krathus ließ uns derweil beinahe auffliegen, da er mit Lafayete’s Panther zu spielen begann.

Wir gelangten schlussendlich ins Hauptgebäude und schafften es bis zu unseren Räumen zu gelangen. Für den Moment würde uns hier niemand erwarten. Die Gelegenheit nutzend überprüfte ich zunächst erfolglos, ob Ava in ihrem Raum war. Jetzt galt es Al’Chara ausfindig zu machen. Lia wollte schon wieder einfach losmarschieren, doch konnten wir schließlich vereinbaren Garret unsichtbar loszuschicken, um ihre Mutter und Ava zu finden. Es dauerte einige Zeit bis der Halbling wieder zurückkehrte. Im Schlepptau hatte er dann auch die beiden Gesuchten. Ein leichter Schauer zog mir über den Rücken. Welche der beiden nun eintretenden „Damen“ dies verursachte war aber nicht zu differenzieren.

Anders als erwartet schien Ava anders. Es fehlte die martialische Kriegsbemalung und sie hatte definitiv neues Equipment. Besonders die Rüstung fiel ins Auge. Die goldenen Strähnen waren noch da. Auf die Nachfrage wie es ihr ergangen sei antwortete sie ruhig und der Gesichtsausdruck war beängstigend gelassen. Fast surreal wirkte ihre Frage nach dem Auffinden meiner Familie. War sie wieder sie selbst oder erneut jemand anders? Ich war verwirrt.

In einem Kurzabriss erfuhren wir, dass die Yuan-ti für das Ereignis im Compound verantwortliche zeigten. Scheinbar versuchten sie durch Diplomaten und Künstler, welche Garret als höchst suspekt einschätzte, hier Fuß zu fassen.

Indes hatte Al’Chara durch ihre bloße Präsenz den Raum erfüllt. Lia wollte übereifrig wie zuvor lospoltern, wurde aber von ihrer Mutter in die Schranken gewiesen. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt uns. So erläuterten wir so kurz es eben möglich war die Sachverhalte. Die Tatsache, dass Lia ein gutes Dutzend an Versuchen unternahm sich in dieses Gespräch einzuklinken und jedesmal die kalte Schulter Al’Chara’s zu spüren bekam war eine Genugtuung. Das Grinsen zu unterdrücken fiel mir daher schwer. Lady Therion war wenig begeistert über die Entscheidungen Cenereth’s. Mit all dem was wir nun wussten, war es aber gut möglich, dass sie andernfalls kaum mehr am Leben gewesen wäre und somit unsere Chance in die Bibliothek zu gelangen zunichte gemacht worden wären.

Nunmehr war dies ein Stichwort, bei dem Lia endlich dazu eingeladen wurde auch etwas beizutragen. Das schützende Siegel zum Eintritt in den Tessarakt hatte ihre Mutter wohl gesetzt, aber selbst nicht gewusst was sich dahinter verbarg. Mit allen relevanten Personen vereint an diesem Ort konnten wir aber nun hinein. Obgleich die Erklärungen gegenüber ihrer Mutter wo sich dieser Zugang befinden sollte bei uns eher Unverständnis auslöste. Aber kaum waren wir in das Buch eingesogen worden verdeutlichte sich das Gesagte.

Vor uns tat sich eine völlig absurde Phantasiewelt auf. Als hätte man alle Zuckerschockalbträume und Jahrmärkte zu einem Bildnis vereint. Für so einen abgefahrenen Trip hätte es normalerweise unfassbare Mengen Paddo gebraucht. Etwas entfernt befand sich ein von Wasser umgebener Turm, es regnete Süßigkeiten, Gnome sangen und tanzten nebenan, ein schillernder Regenbogen stand am Himmel und warum war der Boden so fluffig!? Alles hier drin schrie „Spielplatz der Prinzessin“. Lia’s Gesicht war mit einem mal leuchtend rot. Uns in ihre Kindheitsphantasien mitzunehmen war ihr sichtlich unangenehm. Gerade als ich dachte es könnte nach der Demütigung durch ihre Mutter nicht besser werden … es war glorreich und meine Mundwinkel taten bereits weh.

Im Wasser schwamm zudem eine überdimensionierte Haiflosse. Lia erläuterte kurz, dass es ungefährlich sei aber jemand den „Hai“ kraulen müsste, damit wir weitergehen konnten. Diese Ehre überließ ich nur zu gerne ihr selbst. Viel peinlicher konnte es kaum noch werden, was sich gut in ihrer nun devoten Art widerspiegelte. Wir machten uns auf zum Turm, wo sich angeblich der Zugang zur Bibliothek befinden würde. Es gab nichts, dass uns hier im Wege stand. Oben angekommen folgten wir in Lia’s persönliches Zimmer. Scheinbar ihr Rückzugsort innerhalb dieses Rückzugsortes. Kitschiger und klischeehafter ging es kaum. Wahrlich das Spielzimmer einer verwöhnten Prinzessin. Hier befand sich nunmehr auch der besagte Zugang. Eine winzige Tür, deren Siegel nun durch Al’Chara entfernt wurde und durch welche wir hindurchschritten, nachdem wir einen Verkleinerungstrank nahmen. Auch wenn Krathus nur wenig Interesse hatte eine Bibliothek zu besuchen.

Der Anblick war immens. Soweit das Auge reichte und in jedwede Richtung wurde diese Zwischenebene von vollen Bücherregalen durchzogen. Es mussten tausende Bücher sein, wenn nicht viel mehr. Wo sollten wir nur anfangen? Zufällig etwas herauszuziehen brachte nur wenig Nutzen. Jedes Buch hatte Querverweise auf andere Bücher. Cenereth hielt wohl nichts von einem linearen Schreibstil. Nach einiger Zeit fiel Ava wieder ein, dass sich im Buch der Blutmagie aber ein ähnlicher Verweis befunden hatte. Dies als Ausgangspunk nehmend begannen wir unsere Recherchen. Stunden um Stunden vergingen. Irgendwie wurden wir aber nicht müde und auch nicht hungrig. Die Konzentration blieb gleichsam intakt. Es war ein eigenartiges Gefühl. Krathus schien hier drinnen aber seine Probleme zu haben.

Wir wälzten Buch um Buch. Mit der Zeit erfuhren wir all die Details, die zum Bau der Nexi führten. Mehr noch aber erlangten wir Einsichten über deren Funktionsweisen. Final aber kam der wichtigste Aspekt: Hinweise auf den geplanten Aufstieg Shadar’s zu einer Gottheit. Scheinbar brauchte es dafür je fünf Kugeln eines jeden Nexus, um das Ritual zu starten. Wobei aber die Nexi selbst während dieser Zeit konstant mit Energie versorgte werden mussten. Das bedeutete, dass es möglich war den Aufstieg in der Tat zu verhindern oder zumindest so weit zu verzögern, bis eine endgültige Lösung gefunden war.

Wenn mein Zeitgefühl mich nicht trog und die Anzahl der gelesenen Bücher stimmte, dann waren wir inzwischen Monate hier drin, vielleicht sogar schon ein Jahr. Auch waren wir an einem toten Punkt angekommen. Cenereth hatte noch so viel hier zu stehen, dass sich aber unseres Verständnisses völlig entzog. Mit den gefundenen Antworten entschieden wir nun es gut sein zu lassen.

Beim Heraustreten rempelten einer den anderen an. Krathus stand obgleich seines frühzeitigen Verschwindens aus der Bibliothek direkt im Eingang. Ich stieß dafür mit Ava zusammen. Al’Chara blickte etwas ungläubig und hatte diesen unangenehmen Unterton, als sie danach fragte, wieso wir kaum eine Sekunde weg gewesen wären. Es war ein geniales Studierzimmer jenseits vom herkömmlichen zeitlichen Ablauf. Es war allerdings auch irritierend, dass wir trotz all der Zeit so fokussiert waren, dass wir keinerlei persönliche Gespräche geführt hatten. Und erst jetzt fiel mir auf wie unkompliziert unsere Zusammenarbeit da drin war. Besonders als Ava und ich allein da drin gewesen waren, nachdem Lia, Krathus und Garret über verschiedenste Zeiträume offenbar die Bibliothek verlassen hatten. Wir vermittelnde kurz unsere Eindrücke bevor wir entschieden Richtung Ausgang zu gehen. Doch bevor wir diesen Ort verließen teilten wir noch unsere Gedanken.

Was würden wir nun tun? Viele Informationen und Überlegungen flossen in die Diskussion ein. Mit all den neuen Details war es möglich die Gesamtsituation völlig neu zu bewerten, aber auch lose Enden zu verknüpfen. Trotzdem war es keine leichte Aufgabe einem angehenden Gott diesen Status abzuringen. Erst einmal brauchten wir einen Ausgangspunkt. Die Nexi ihrer Aufladungen zu berauben erkaufte uns Zeit und den einzig einfach kontrollierbaren hatten wir in Azoicstrum. Also kamen wir überein diesen in unsere Kontrolle zu bringen. Außerdem mussten wir noch eine Vereinbarung mit Mundi erfüllen. In der Zukunft könnte er sich als brauchbarere Alliierter erweisen, doch dazu müsste Lia wieder zu ihm zurückkehren. Egal wie ich zu ihr stand, aber es war nachvollziehbar, dass sie dies nicht als verlockend empfand.

Die Therion’s waren schon aus dem Buch geschlüpft als wir noch sprachen. Jetzt aber folgten auch wir.

Lia’s hochroter Kopf war noch existent. Und die Bitte, die sie nun aussprach, musste ihr wahrlich schwergefallen sein auszusprechen. Denn sie erbat, dass wir kein Sterbenswort über ihre Kindheitsphantasien mit anderen teilten. Die Demut stand ihr. Krathus, Garret und ich stimmten zu. Ava nutzte die Gelegenheit unbelastet in die Beziehung zu Lia hineingekommen zu sein im Gegenzug unser überlegtes Vorhaben Lia und Mundi wieder zueinander zu bringen aktiv zu verkaufen. Niemand verlangte von ihr dort zu verweilen, aber der potenzielle Nutzen Mundi’s zu helfen Shadar aufzuhalten war gegeben. Widerwillig schien sie dies zumindest nicht vollkommen abzulehnen.

Al’Chara wies darauf hin, dass es besser wäre Posetine einzuweihen. Schließlich sei sie die Herrscherin und vorenthaltene Informationen mochten einen negativen Ausgang auf die Ereignisse haben. Ich erläuterte ihr die Bedenken, die Cenereth hatte. Doch sie gab wiederum zu Bedenken, dass sie selbst diesen Fehler gemacht hatte, als sie uns nicht über alles informiert hatte. Vielleicht wären die Dinge dann anders ausgegangen. Wenn sich aber Posetine dazu entscheiden sollte sich ihrem Vater anzuschließen, oder gar von Macht besessen durchdrehen würde? Mir schwante übles, als ich darüber nachdachte welche Zerstörung sie über die Region bringen könnte beim Versuch Shadar aufzuhalten. Die beste Option die Nexi trocken laufen zu lassen war all ihre Quellen zum Versiegen zu bringen, was ein verbranntes Ödland zurücklassen würde.

Doch wurde uns ein Teil der Entscheidung abgenommen. Gerade als Lia im Begriff war sich die Beine zu vertreten, was wir vehement versuchten zu verhindern, da auch sie als tot galt, stand jetzt Posetine im Gang. Ihre Attitüde hatte sich in den von uns übersprungenen Wochen wieder stark verändert. Wenige Worte, dafür gezielt und fordernd. Sie wuchs mir etwas zu schnell in die Rolle einer Herrscherin, die sich nicht in die Karten blicken ließ. Es war kaum Überraschung in ihrem Gesicht, als sie uns sah. Aber sie verlangte zu erfahren was es mit diesem heimlichen Treffen auf sich hatte. Im Versuch nicht anzuecken, begann ich sorgsam meine Worte zu wählen, nur um vom gelangweilten Krathus direkt unterbrochen zu werden. So ließ er dem Wasserfall an Informationen ungehindert freien Lauf, während ich innerlich überlegte ihn zur Strafe ein paar Sekunden in die Bibliothek zu sperren.

Posetine nahm es völlig neutral auf. Ihre verbale Reaktion zum Abschluss suggerierten ihr Interesse an dem Gesagten, ihr Gesicht aber wirkte steinern. Sie ging mit den Worten, dass sie darüber nachdenken und uns morgen ihre Entscheidung mitteilen würde. Hatten wir soeben einen Kardinalfehler begannen?

Wir ließen den Abend ausklingen und hofften das Beste. Sehr zum Missfallen von Lia hieß es auch weiterhin erst einmal ungesehen zu bleiben. Am nächsten Tag ließ uns Posetine wissen, dass sie ihre Entscheidung getroffen hätte und wir sie aufzusuchen hatten. Im Zuge der Ereignisse und der Tatsache, dass wir uns zuvor als vertrauensvoll herausgestellt hatten ernannte sie uns nunmehr zu Champions in ihrem Namen. Wir erhielten goldene Drachenschuppen von ihr, die scheinbar über gewisse magische Eigenschaften verfügten.

Ich denke wir waren zunächst alle erleichtert, doch in mir trug ich einen Samen des Zweifels. Cenereth’s Worte hallten nach. Zwar hatte sie bisher keinen eklatanten Anlass gegeben an ihr zu zweifeln, aber ihr sich so schnell veränderndes Verhalten ließ mich mit einem mulmigen Gefühl zurück. War sie bereits dem Machthunger verfallen, spann sie gar eine Intrige sich selbst der Nexi zu bemächtigen? Nach all den erlebten Ränkespielen verblieb eine gewisse Paranoia ...