Tagebücher
Die Tagebucheinträge sind nach der Gesamtzahl der Sitzungen beider Gruppen strukturiert. Jedes Buch erzählt eine durchgehende Geschichte aus der jeweiligen Sichtweise des Charakters, der es geschrieben hat.
Gemeinsam ergeben diese Bücher die Zusammenfassung aller Ereignisse der Kampagne.
Sitzung 90
Doch zu dem Gespräch kam es nicht, denn die anderen hielten es für wichtiger, zunächst einmal Melody aufzusuchen und nachzusehen, ob es geklappt hatte und um Ral’s Versprechen einzulösen, ihr Angstrum vorzustellen. Also machte ich gute Miene zum idiotischen Spiel und sagte nichts. Wer weiß, vielleicht würde ja zumindest ein wenig Amüsantes herauskommen. Und immerhin hatte ich mittlerweile gelernt, dass Melody eine wohl nicht ganz untalentierte Divination Magierin war, das mochte noch wichtig werden. Gleichzeitig ärgerte ich mich, dass man mir das nicht gleich gesagt hatte und stattdessen bei dem vagen “mächtige Magierin” belassen hatten. Warum musste man hier eigentlich jedem immer alles aus der Nase ziehen? Außer Krathus vielleicht, der dagegen schon wieder zu offenherzig mit seinen Informationen war … nun, jedenfalls brachten wir Angstrum ein wenig Etikette im Umgang mit Frauen bei, wovon ich allerdings bezweifelte, dass er die wirklich verstehen würde.
Ral ging zuerst hinein, um mit Melody zu sprechen. Wenig später kam er heraus, mit einer tatsächlich wiederhergestellten Melody im Schlepptau. Nun, mit der Variation, dass ihre Flügel nun strahlend weiß, schon fast engelsartig waren. Das Aufeinandertreffen zwischen Angstrum und Melody war tatsächlich recht amüsant, zumal Melody sich erst einmal überschwänglich bei „ihrem Schüler” Garret bedankte, was Angstrums Gesicht ausgesprochen lang werden ließ. Nicht zuletzt wegen einiger doch sehr dick aufgetragener Geschichten von Ralkarion zog aber letzten Endes der Bugbear mit Melody in die Nacht. Ich sah den beiden kopfschüttelnd hinterher. Für eine mächtige Magierin war sie doch reichlich naiv, auf so etwas hereinzufallen …
Obgleich es schon recht spät war, wurde beschlossen, noch bei Lafayette vorbeizuschauen. Ich hatte nichts dagegen, den Tag mit etwas Produktiven zu beenden. Das hieß natürlich zunächst bei Birch vorbeizuschauen, um das Tor öffnen zu lassen. Einmal mehr war dieser sturzbetrunken und natürlich sofort wieder mit anzüglichen Kommentaren bei der Sache. Kaum zu glauben, dass ich mich vor gar nicht so langer Zeit selbst mit diesem Ekel betrunken hatte … aber er war nunmal ein notwendiges Übel. Nach ein wenig Überzeugungsarbeit, in deren Zuge wir feststellten, dass Garrets Rücktritt wohl schon die Runde gemacht hatte, ließ er uns hinein. Obwohl wir mit ihm rechneten, erwischte Bing Ralkarion dann doch unerwartet, er war einmal mehr zum spielen aufgelegt. Von seinen Launen wissend beachteten wir ihn nicht weiter, doch Krathus schien dem Tier zu misstrauen, was in Rachegelüste umschlug, als der Panther seine Duftmarke an seiner Rüstung setzte. Ralkarion bereinigte sie mit einem Zauber, den ich schon öfter bei ihm gesehen hatte, doch auch das schien Krathus nicht recht zu sein, so dass er sich sofort wieder etwas Dreck auf die Rüstung schaufelte. Einer inneren Eigebung folgend streckte ich die Hand aus und wiederholte die Bewegungen, die ich schon öfter bei Ral gesehen hatte. Sehr zu meinem Vergnügen funktionierte es auch bei mir. Das lange Gesicht des Kobolds war ein Bonus.
Instinktiv steuerten wir auf den Nebeneingang zu, wo uns ein sichtlich unbegeisterter Lafayette in Empfang nahm. Ich genoss sein Missfallen, er hatte es sich redlich verdient, achtete aber darauf, dass nicht zu offen zu zeigen – ein dankbarer Lafayette war wichtiger als meine persönlichen Vorlieben. Leider hielt sich seine Dankbarkeit in Grenzen – die Nachricht, dass sein Hausarrest beendet war sorgte gerade einmal dafür, dass er uns nicht herauswarf und anhörte, was wir von ihm wollten. Der erste Teil des Gesprächs bestand mehr oder weniger darin, dass er sich über die neuen Machtverhältnisse in Zoica beschwerte. Das letzte Mal, dass Zoica unter der Herrschaft eines Drachen stand, hatte es nicht gut geendet und war schon währenddessen nicht all zu gut gewesen. Nahm man Posetine’s bisherigen Regierungsstil und Al’Charas Einstellung, so hatte er damit vermutlich Recht – auch diesmal würde die Bevölkerung wohl nicht unbedingt gut davonkommen. Nur bezweifelte ich, dass es ihm darum ging, statt um die Erweiterung seiner eigenen Machtfülle. Letzten Endes war es mir egal – keinen von beiden wollte ich auf dem Thron von Zoica sehen, aber Garret war nunmal abgetreten, Arem war wohl kaum der Typ für einen Putsch und weitere akzeptable Kandidaten waren mir nicht bekannt. Also würden wir mit den Karten spielen müssen, die uns gegeben waren. Durchaus eine Herausforderung. Ich mochte Herausforderungen.
Ich wurde in meinen Gedanken unterbrochen, als Lafayette sich Krathus Rüstung zu wand und das Mithril als in Mon Mithral geschmiedet identifizierte. Interessant. Kannten wir damit einen Lieferanten und weiteren Verbündeten des Großen Roten? Aber laut Krathus Aussage war diese leichte Rüstung etwas Besonderes gewesen, also konnte sie genau so gut gestohlen sein. Also wohl ein weiterer Punkt auf unserer sich rapide erweiterten Reiseroute. Dennoch, die Aussicht, entweder einen Mithrillieferanten für die Stadt zu gewinnen oder aber einen Verbündeten Shadars zu entlarven und wenn möglich zu eliminieren war eine gute. Im Zuge dessen kam auch die Frage auf, ob die Zahlungen, die Cuu getätigt hatte, weitergeführt worden waren. Ich wusste nicht, wovon er redete, doch offenbar hatte es mannigfaltige Zahlungen von Cuu an diverse Orte gegeben. Ich seufzte innerlich. Mit einem etwas organisierterem Umsturz hätten wir davon vermutlich längst gewusst. Auf die Frage, wohin sie genau gingen, wusste Lafayette jedoch keine Antwort – alle seine Agenten, die er darauf angesetzt hatte, waren tot aufgefunden werden und er wollte daher nicht noch mehr schicken. Ich konnte mir den Kommentar nicht verkneifen, dass ich dann froh war, dass ich nie darauf angesetzt worden war. Seine Reaktion war recht aussagekräftig: Die Agenten wüssten, worauf sie sich einließen, Berufsrisiko halt. Was bedeutete, dass er sie nicht aus reiner Menschenliebe zurückhielt, sondern weil seine Ressourcen das nicht hergaben. Was ihn wiederum weniger hilfreich machte.
Dieser Eindruck verstärkte sich nur, als wir uns darum bemühten, Kapital aus seiner Befreiung zu schlagen. Ral wollte, dass er seine Kontakte dazu nutzte, nach Lia Ausschau zu halten. Auf Grund der eher vagen Hinweise, die wir hatten, stimmte er zu, einen einzelnen Agenten an den wahrscheinlichsten Aufenthaltsort zu schicken, doch mehrere Agenten loszuschicken blockte er vehement ab. Also waren seine Ressourcen tatsächlich stark reduziert oder aber er hatte damit anderes vor. Vermutlich Selbstsüchtigeres. Da im Verlauf des Gesprächs herausgekommen war, dass er auch in seiner Haft wohl durchaus Kontakte nach außen gepflegt hatte, versuchte ich mit einer Drohung nachzuhelfen – die Königin wäre wohl kaum erfreut darüber, zu erfahren, dass er ihren Hausarrest unterwandert hatte. Da das aber eher nach hinten losging, „entschuldigte” ich mich – immerhin ein Agent, auch wenn ich wenig Hoffnung hatte, dass er damit irgendetwas ausrichten würde. Das Wissen, ein Druckmittel gegen ihn in der Hand zu haben, war den Besuch immerhin bereits wert gewesen.
Im Zuge der Diskussion ob der Informationsbeschaffung kam das Gespräch noch auf Marco, an dem Lafayette wie üblich kein gutes Haar ließ. Er hielte sich Kindersklaven, wäre gegen Arkanisten, aber schickte sie jetzt selber auf die Akademie und so weiter und so fort. Innerlich gähnte ich. Natürlich vertraute ich Marco keinen Deut weiter als Lafayette, ich hielt ihn sogar für gefährlicher – das aber vor allem deshalb, weil er cleverer war. Im Vergleich der beiden Männer kam mir Lafayette immer wieder wie ein kleines Kind vor, dass versuchte, mit dem Spielzeug des erwachsenen Marco zu spielen und sich dabei regelmäßig die Finger klemmte.
Nach unserer Visite war es Zeit, zum Compound zurückzukehren. Ein kurzer Zwischenstop bei Gereon, um wegen der Zahlungen nachzufragen, brachte nur wenig Nutzbares – auch er wusste nicht, wohin die Zahlungen gingen, er hatte immer nur den Wagen mit Gold bereitgestellt, der dann abgeholt worden war. Einmal hatte er aber immerhin eine kleine Gestalt gesehen, die um den Wagen herumgeschlichen war. Ein geringer Anhaltspunkt, aber immerhin – ich beschloss, die Wachen am nächsten Morgen zu befragen, ob sie mehr dazu wussten, dann begab ich mich zur Ruhe.
Leider war die Befragung am nächsten Morgen nicht von Erfolg gekrönt, keine hatte etwas gesehen. Ich stattete dem Quartiermeister noch einen kurzen Besuch ab, um meine Rüstung abzuholen. Die Färbung war gelungen, doch beim Anpassen hatte er geschlampt, sie saß immer noch nicht richtig. Vermutlich würde ich erst wieder eine gut sitzende Rüstung haben, wenn wir nach Ravengrove kommen sollten … nun ja, zumindest schränkte sie die Bewegungsfreiheit nicht mehr so ein wie vorher.
Ich setzte mich an den Frühstückstisch, wo wenig später die anderen hinzustießen. Krathus war sichtlich verstört und stank nach faulem Ei, während Ralkarion dazu erklärte, er habe Krathus gestern Nacht aufgeklärt. Krathus hatte allerdings wohl noch immer nichts verstanden, was mich nicht wunderte, aber enorm amüsierte. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie Ralkarion wortreich um den heißen Brei herumgeredet hatte und Krathus jedes einzelne Wort für sich aufgenommen hatte, ohne den Sinn zu verstehen. Nachdem ich den Teller magisch auffing, den Ralkarion an die Wand donnern wollte, bemühte ich mich meinerseits um Aufklärung, wenn auch auf die knappe Tour. Letzten Endes war es unwichtig, ob Krathus das Prinzip der Fortpflanzung verstand, aber es konnte für Erheiterung sorgen, sollten wir einmal auf einen ihm zugetanen weiblichen Kobold treffen und ich würde mich nicht wieder mit Fragen zu Stelzen herumärgern müssen. Oder vielleicht doch, man würde sehen.
Erst danach wurde das Gespräch wieder wirklich interessant. Ralkarion deutete etwas von einem Plan mit den Spinnen an. Er zierte sich ein wenig, doch ich hatte wenig Lust auf weitere Geheimnisse und auf sanften Druck rückte er schließlich damit heraus, dass er Kontakt mit den Spinnen aufgenommen hatte und am kommenden Tag mit ihnen darüber verhandeln wollte, uns in Bezug auf die pilgernden Kobolde zu unterstützen. Ein guter Plan, doch er wollte es bei der Informationsbeschaffung belassen – eine vertane Chance. Was nützte uns die Information, dass Kobolde den Nexus entdeckt hatten, wenn diese Kobolde die Information frei weitergeben konnten? Nein, es war sicherer die Spinnen als Attentäter einsetzen zu lassen. Verfressen, wie sie waren würde das wohl kaum Verdacht erregen. Auch der Zeitpunkt war gut gewählt, die Spinnen hatten sich vorerst aus Zoica’s Umland zurückgezogen und suchten neue Gebiete. Und selbst gesetzt den Fall, dass die Spinnen ein zu großes Ärgernis würden: Sie waren mehr ein in Schach gehaltener Feind denn ein Verbündeter. Wenn die Kobolde und Spinnen sich gegenseitig ausmerzten, wäre dies für uns ein Gewinn – beide Seiten würden geschwächt und die Gefahr der Entdeckung des Nexus in Azoicstrum wäre um ein vielfaches geringer.
Doch natürlich passte das Ralkarion und Garret nicht. Garret schlug vor, man könne die Spinnen ja nur auf die Kobolde ansetzen, die in Richtung Azoicstrum zögen. Während ich es begrüßte, dass er die Möglichkeit eines gewaltsamen Einsatzes der Spinnen nicht gänzlich ausschloss, so war dies keine Option. Früher oder später würde jemand bemerken, dass immer nur Kobolde verschwänden, die in eine bestimmte Richtung unterwegs waren und eins und eins zusammenzählen. Nein, wenn das Manöver Erfolg haben wollte, musste es sich gegen alle Kobolde richten. Da Krathus meiner Sichtweise zustimmte, waren wir mal wieder in einer Pattsituation angelangt. Nun, wir würden sehen. Das Treffen war erst morgen. Ich würde beobachten, wie die Spinnen reagierten – und im Zweifelsfall war Ralkarion ja nicht der Einzige, der mit ihnen sprechen konnte.
Nach dem Frühstück brachen auf, um zu Marco zu gehen, jedoch nicht ohne Krathus eingeschärft zu haben, dass er dort seine Klappe zu halten habe. Wenngleich dieser ständig seinen Sitz wechselte, war es nicht all zu schwer, einem seiner Kinder diesen zu entlocken, einmal mehr ein leerstehendes Gebäude, von denen es in Zoica noch immer recht viele gab. Angesichts seiner unzweifelhaften Fähigkeiten erhoffte ich mir von ihm deutlich mehr als von Marco und wurde nicht enttäuscht. Ich hoffe nur, dass wir im Gegenzug nicht zu viel preis gaben, ich wollte diesem Mann nicht eine Information zu viel geben, die er später möglicherweise gegen uns verwenden könnte. Doch ohne ein Mindestmaß an Kooperation war er nun einmal recht verschlossen. Unpraktisch, aber nachvollziehbar.
Zunächst einmal erfuhren wir von ihm, dass es offenbar Gardis gewesen war, der Cuu’s Goldzahlungen ablieferte, recht beträchtliche Summen noch dazu. Ich musste einmal mehr an Lafayette denken und wie stümperhaft er sich im Vergleich zu Marco verhielt. Gleichzeitig ein Dilemma: Marco war zweifelsohne die wertvollere Quelle, doch Lafayette war leichter zu durchschauen und damit zu kontrollieren. Gleichzeitig standen sie in Konkurrenz zueinander und konnten sich gegenseitig nicht riechen, was Marco ebenfalls überdeutlich klar machte. Vielleicht lag hier auch eine Chance begraben.
Und dann ließ er sprichwörtlich eine Bombe platzen. Er erwähnte, dass er aus der „Alten Welt” kam – Mocny, vor seiner Zerstörung vor tausenden von Jahren. Offenbar war Marco bei dieser Explosion zwischen zwei Phasen gewesen, ein Zauber mit dem die Leute dort trotz ihrer Abneigung gegen Arkanisten experimentiert hatten, und existierte seither in einer Art eingefrorenem Zustand – er alterte nicht. Mocny hingegen beschriebe er als ein Land, indem es nur noch Schatten gab, die zwar existierten, aber nicht mehr lebten. Schatten? Moment. War es möglich, dass … ich würde es hm zeigen müssen, ein reines Nachfragen würde nicht den gewünschten Effekt haben. Marco genau beobachtend, ließ ich eine Illusion eines jener Schattenwesen entstehen, die Gudden regelmäßig beschworen hatte. Die Reaktion war umwerfend. Noch nie zuvor hatte ich Marco überrascht gesehen, doch er schien ehrlich überrascht davon und fragte sogar, was wir davon wüssten und ob wir es gesehen hätten. Ich beobachtete ihn weiter sehr genau, als Ralkarion vorsichtig von einer mächtigen, magischen Quelle berichtete, die von dem Großen Roten benutzt worden war, um Mocny zu vernichten. Er schien davon tatsächlich nichts zu wissen, doch das musste nichts heißen – Leute lesen war nie meine Stärke gewesen und jetzt noch weniger. Den Verdacht, den ich hegte, wurde damit zwar nicht bestätigt, aber ganz beiseite legen konnte ich ihn dennoch nicht.
Das weitere Gespräch verlief dann wieder in deutlich bekannteren Bahnen. Ironischerweise hatte er ähnliche Vorbehalte gegen die neue Regierung wie Lafayette, wenn auch gänzlich andere Gründe dafür. Und er wiederholte einige der Vorwürfe, die auch ich schon Garret gemacht hatte, auch wenn ich bezweifelte, dass das irgendetwas bei dem Halbling ändern würde – auch er war klug genug, Marco nicht zu vertrauen. Deutlich interessanter wurde es dann, als Ralkarion bei seiner Aussage packte, er wolle nur das Beste bei Zoica und ihn nach dem Aufenthaltsort von Lia befragte, schließlich sei es unbedingt im Interesse von Zoica, sie zu finden. Und tatsächlich – er wusste, dass sie sich erst vor kurzem eine zeitlang in Westerfell niedergelassen hatte.
Bisher ließ sich dieses Gespräch gut an. Ich begann mich zu fragen, ob auch ich ihm noch ein paar Fragen stellen sollte – in Vorbereitung darauf begann ich durchzugehen, welche Informationen ich ihm im Gegenzug weitergeben könnte und welche nicht …
Sitzung 90
So schleppte ich Angstrum mit uns. Während des Weges durch die Stadt verfolgten uns eine Wache und natürlich eines von Marco’s Kindern. Doch ich kannte Städte. Ihre Winkel, Gassen, Abkürzungen. Wir ließen die beiden schnell hinter uns. Wobei es sich nicht vermeiden lassen würde, dass die kleinen Vöglein trotzdem unseren Weg preisgaben. Ich wusste wie so etwas lief. Nich erst durch die Erlebnisse in Zoica. Man konnte jede Stadt nennen und überall war es das Gleiche. Zoica, Ailamere – es spielte keine Rolle. Für einen Moment verlor ich mich in den Gedanken meiner Vergangenheit. Als ich kurz zu Angstrum blickte, den ich hier durch die Straßen zurrte, unterdrückte ich sie jedoch wieder. Typischer weise war die Tür von Chrylax’ Haus nicht verschlossen. Nach den Ereignissen damals auf dem Marktplatz würde hier sowieso kaum jemand freiwillig einkehren wollen.
Bevor wir überschwänglich dazu Melody trotten würde, wollte ich aber Sicherheit, dass der Wunsch auch funktioniert hatte. Die anderen blieben mit dem Bugbear im Hauptraum. Mein Weg führte in den Garten. Melody war kaum willens sich groß mit irgendwas oder irgendwem auseinander zu setzen. Der Schock saß tief. Ich verstand das. Es brauchte ein wenig Überzeugungsarbeit, bis sie mich in ihr „Nest“ ließ. Ich traute meinen Augen kaum … sie war tatsächlich zurückverwandelt worden. Aber darüber hinaus optisch noch ansprechender. In Angstrums Kopf war ein abweichendes Bild gewesen, als er den Wunsch aussprach. Ein Ideal seiner Vorstellung. Silbern bis golden gefärbte Flügel, weiße lange Haare und Augen, die den Eindruck vermittelten sie würden gar ganz fein leuchten. Nebst Angstrums persönlicher Vorliebe für andere Körperteile … Konnte es ihm nicht verdenken.
Es dauerte, bis sie bereit war sich im Spiegel zu betrachten. Länger noch, bis sie nachvollzog, dass dies keine Illusion war. Ich stellte den nervigen Angstrum als eine selbstlose aufopfernde Person dar. Melody konnte kaum glauben was sie sah und hörte. Bei letzterem ging es mir ähnlich. Doch es war nicht zu seinem, sondern ihrem Wohl. Heute konnte eine Seele auf den Weg der Heilung gebracht werden. Wenn schon nicht meine, dann doch ihre. Das daraufhin folgende Zusammentreffen war wider erwartend positiv. Obgleich einer kleinen Verwechslung, da sie zunächst Garret für ihren Helfer hielt. Scheinbar hatte sie kein Problem mit Angstrums Optik. Und übereifrig, nachdem er von ihr akzeptiert worden zu schien, machten sich die beiden sogleich auf in die Nacht. Seine Art zu feiern würde Melody wohl erst lernen müssen. Vielleicht stutzte sie ihn aber auch ein wenig zurecht. Es blieb abzuwarten wie sich ihre Geschichte entwickeln würde.
Obgleich der Abend fortgeschritten war, so lag das Anwesen von Lafayette direkt nebenan. Wir hatten noch mit ihm zu reden. Wieso sollten wir also warten. Wissend um den benötigten Schlüssel besuchten wir Birch. Zu unserem Leidwesen war er wie immer um diese Zeit angetrunken und wartete auf Damenbesuch. Ava’s Abendkleid weckte da zunächst falsche Erwartungen. Für einen Moment überlegte ich mir daraus einen größeren Spaß zu erlauben, beließ es aber beim Geschäftlichen. Einen suggestiven Zauber wirkend überzeugte ihn davon uns Zugang zu Lafayette’s Anwesen zu verschaffen. Als Birch sich wieder seinen nächtlichen Tätigkeiten hingeben wollte sprach Krathus noch eine kurze Phrase. Ich hatte so etwas schon einmal gehört. Dann war der Gute stocknüchtern, in seinem Pyjama auf den Straßen von Zoica bei Nacht. Seiner Reaktion nach zu urteilen traf der Begriff Verwirrung es nicht annähernd. Er hatte seine Schuldigkeit getan und stolperte zurück nach Hause.
Kurz darauf warf sich eine schattenhafte Gestalt auf mich. Bing hatte sich schon auf die Lauer gelegt. Der Panther war erstaunlich freudig drauf, fast wie eine Hauskatze. Ein bisschen hinter den Ohren kraulen half dem Gewicht zu entkommen. Hätte es besser wissen müssen was einen hier erwartete, dennoch saß ein kleiner Schreck fest. Krathus misstraute dem, im Vergleich zu ihm selbst, riesigen Tier etwas. Bing schien ihn hingegen recht interessant zu finden. Und markierte ihn direkt mal zur Freude der restlichen Anwesenden mit einer Duftmarke. Hätte es so gelassen, wenn wir nicht mit Lafayette sprechen wollten. Aber wir konnten da kaum mit dem unwiderstehlichen Geruch von Pantherurin auftauchen. Bing verzog sich enttäuscht wieder in die Dunkelheit, nachdem niemand mit ihr spielen wollte. Krathus schwor indes Rache. Ich wunderte mich, ob dies eine rückwirkende Duftmarke zur Folge haben würde, während ich meine magischen Fähigkeiten nutze ihn zu säubern.
Lafayette öffnete uns, war aber kaum glücklich uns zu sehen. Das erste war ein abfälliger Kommentar. Doch die Aussicht von seinem Hausarrest befreit zu werden machte ihn willens zuzuhören. Die Nachricht, dass wir uns für ihn eingesetzt hatten nahm er dann positiv auf. Er war sichtlich unzufrieden mit der neuen Königin. Angeblich hatte er im besten Interesse der Stadt gehandelt, als er sie unter seine „Fittiche“ nehmen wollte. Der Einfluss der Dame Therion hingegen weckte wohl nicht das Verhaltensmuster, was er sich vorstellte. Es hatte ja schon einmal einen Drachen gegeben, der hier herrschte und sich für das Größte zwischen Himmel und Erde hielt. Diese Sorge verstand ich. Doch insgesamt mussten wir abwarten wie sich die Dinge entwickeln würden. Garret hatte seine Beteiligung an der Regierung aufgegeben – jedoch war sie bereits verflogen, noch bevor er dies aktiv tat. Vertane Chancen. Etwas an das man sich in dieser Gruppe gewöhnen musste.
Auf die von Cuu herausgesagten Zahlungen angesprochen wusste er ein wenig was zu erzählen. Zumindest das sie stattfanden, regelmäßig. Aber nicht wohin. Scheinbar hatte er dies auch versucht herauszufinden, aber seine Agenten kamen stets als tote Körper zurück zu ihm. Weitere wollte er nicht opfern. Dies war also auch für ihn ein Geheimnis. Gereon machte die Zahlungen stets fertig. So gab er uns dies als Hinweis.
Lafayette’s Blick wanderte mitunter zu unserem neuen Gruppenmitglied. Speziell seine Rüstung interessierte ihn. Wenn er einen Blick auf das eingravierte Siegel werfen dürfte wollte er uns mehr dazu sagen. Krathus davon zu überzeugen ihm Teile der Rüstung kurz auszuhändigen blieb aber schwer. Zuletzt fügte er sich. Es stellte sich heraus, dass diese Rüstung vom Zwergenschmiedemeister Thorin Mingus hergestellt worden war, welcher in Mon Mithral sein Werk verrichtete. Angeblich gab es dort wo Krathus seine Rüstung hatte mitgehen lassen größtenteils nur sehr gewichtige. Diese eine leichte war etwas Besonderes. Doch blieb die Frage offen, wie sie in den Besitz Shadar’s gelang. Kam es ein Abkommen zwischen den Zwergen und dem Drachen? War es eine Beute? Über drei Ecken eine Auftragsarbeit? Es stellten sich immer neue Fragen. Wären sie gar alliierte, was würde das für die Zukunft bedeuten …
Unser Gastgeber hatte aber noch mehr zu bemängeln. Auf das Thema Marco angesprochen warf er ein wie scheinheilig dieser war. Gegen die Einführung von Wissen und Magie stellend nutzte er nicht nur selber welche, sondern vielmehr sandte er seine Vöglein auch auf die Akademie. In der Tat hatte er sich energisch uns gegenüber geäußert was die erneute Errichtung einer Akademie der magischen Künste anging. Ich erinnerte mich gut daran. Jetzt schlug er trotzdem daraus seinen Nutzen. Aber Lafayette war kein Deut besser als Marco. Er hatte auch jeden Vorteil für sich ausgespielt. Ich nahm alles mit einer gewissen Gleichgültigkeit entgegen.
Im Zuge dessen, dass wir ihm die Freiheit wiedergaben schlossen wir noch einen Deal. Er würde sich nach Lia Therion umhören. Es machte direkt den Eindruck, als ob er gar nicht so abgeschnitten von der Aussenwelt gewesen war, wie er zunächst behauptete. Agenten würden sich auf den Weg nach Ark’Therion machen. Er würde uns wissen lassen, sobald diese Informationen eingeholt hätten. Und wir stellten sicher, dass wir dann auch keine Terminplanung brauchen würden. Sein alles Verhaltensmuster kam schon etwas arg schnell zum Vorschein, dem musste gleich einmal Einhalt geboten werden. Mit dieser Vereinbarung machten wir uns wieder auf den Weg. Obgleich nicht ganz freiwillig. Eigentlich hatte ich vor noch mehr zu erfahren, aber meine Gefährten waren nicht unbedingt sehr diplomatisch gewesen. Was ihn verstimmt hatte. Beim nächsten Besuch auf dem Markt würde ich Knebel erwerben.
Die Nacht kam immer näher. Gereon konnten wir aber noch befragen, schließlich war der Compound auch das Nachtlager für die Meisten von uns. Ich hatte später noch andere Pläne, aber das war persönlicher Natur. So weckten wir Gereon und befragten ihn zu den Geldlieferungen, die er im Auftrag Cuu’s abfertigte. Viel gab es aber nicht herauszufinden. Er wusste kaum mehr als die Menge die er in regelmäßigen Abständen fertigzumachen hatte. Sie wurde von ihm in der Nacht dann in einem der Karren vom Compound verstaut. Am nächsten Tag war dieser dann weg. Einmal hatte er eine ziemlich kleine Gestalt dabei beobachtet. Aber erkennen konnte er sie nicht. Auch wollte er sich nicht den Ärger Cuu’s auf sich ziehen zu viele Fragen zu stellen. Ich dachte unwillkürlich an Gardis. Doch dieser war ein Agent Landerson’s. Orks? Ich war mir unschlüssig. Zumal die Karren wohl nicht immer dasselbe Ziel hatten. Hier erfuhren wir aber nicht mehr.
Vor der Nachtruhe, und vor allem weil sie weniger Schlaf benötigte, wollte Ava sich bei den Wochen umhören. Vielleicht hatten die etwas mitbekommen. Ein Versuch konnte nicht schaden. Die anderen gingen Richtung ihrer Unterkünfte. Ich hingegen machte mich auf den Weg den Compound zu verlassen. Meine nächtlichen Pläne sahen anderes vor. Dafür erntete ich merkwürdige Blicke.
Endlich war ich allein. Mir spukte schon die ganze Zeit eine Idee im Hinterkopf. Sie war nicht ohne Risiko und konnte die Dinge auch verschlimmern. Die jüngsten Ereignisse betrachtend konnten wir uns aber nicht erlauben mögliche dienliche Quellen auszuschlagen. Die Uhrzeit bedenkend war mir klar, dass mein Vorhaben etwas kostspieliger werden würde. Einen Händler für Geflügel aufsuchend holte ich diesen aus dem Bett. Einen Tiefling zur Nachtzeit vor der Tür stehen zu sehen führte zu dem mir wohl bekannten typischen Verhaltensmuster, dass ich Zeit eines Lebens gewohnt war. Man kam sich stets vor, als sei ein Teufel aus den neun Höllen persönlich an die Tür getreten und forderte eine Seele ein. Der wahre Fluch war kaum unsere Blutlinie, sondern eher die daraus resultierende Reaktion. Dennoch vermochte ich dem Händler für einige Silber ein Huhn abzukaufen. Ich legte nich etwas drauf, was ihn noch irritierter zurückließ, als es meine Anwesenheit bereits getan hatte. Schließlich brabbelte er noch was von Blutopfern und Ritualen, die er nicht unterstützen würde. Vielleicht hätte ich ihn mitschleifen sollen in die Kanalisation …
Dort angekommen suchte ich den Ort auf, wo ich Veklani zuletzt traf. Eigentlich war das Federvieh als Geschenk für ihn gedacht, um Verhandlungen zu ermöglichen. Aber alles was ich vorfand war diese hungernde Spinne. Deutlich kleiner. Sie verstand mich wohl, dachte ich. Jedoch war sie mehr auf das gackernde Ding in dem kleinen Käfig fixiert, als auf mich. Würde ich es ihr geben und sie Veklani rufen, dann bräuchte ich noch ein weiteres Huhn. Ich sorgte also vor. Sagt ihr ich käme gleich wieder und besuchte den rassistischen Händler erneut. Dieser war so erschrocken, wie beim ersten Besuch. Was stimmte nur nicht mit diesen Leuten? Er handelte gar ein Gold für ein zweites Huhn heraus. Ich hatte wahrlich keine Lust mich lange mit ihm zu beschäftigen und gab es ihm. Das zweite Huhn verpackte ich gut verschnürt aber human an meinem Rücken.
In der Hoffnung mein Ziel damit zu erreichen überließ ich der Spinne nun eines der beiden. Sie machte sich sofort über das arme glucksende Tier her. Aber es half alles nichts. Dann tappte das achtbeinige Etwas auf etwas, das einem Schild ähnelte. Es waren Zeiten. Offenbar für die Ankunft von Veklani. Ich hatte mir also eine Audienz für den morgigen Tag gesichert. Ein Fortschritt. Hoffentlich würde ich das aushandeln können, was mir im Geiste vorschwebte. Damit verließ ich den Untergrund und machte mich auf den Weg zu Razora. Vielleicht wäre ihr nach etwas Gesellschaft heute Abend. Ich konnte sie allemal gebrauchen. Abseits von den anderen.
Am ehemaligen Hextor Compound angekommen überkam mich ein merkwürdiger schwefliger Geruch. Es knirschte unter meinen Füßen. Hier lagen Eierschalen von dutzenden, vielleicht hunderten von Eiern. Plattgetreten, oder gegen Objekte geworfen. Aus Razora’s Zelt hörte ich ihre aufgebrachte Stimme. Scheinbar regte sie sich über Krathus auf. War er hierfür verantwortlich? Wieso würde er sowas machen? Mir fiel das Huhn auf meinem Rücken ein. Nur der Vorsicht halber verwandelte ich es in eine Katze. Razora sollte nicht denken, dass ich mit diesem Unfug etwas zu tun hatte. Ich wollte abschalten, nicht mehr Stress haben. So betrat ich ihr Zelt und bereute es schon kurz danach.
Krathus hatte ihr die ganzen Eier hingelegt, weil er missverstanden hatte was sie ihm zu vermitteln versuchte. Scheinbar sollte er sich jemanden suchen und, wie Kobolde das anscheinend tun, Nachwuchs in Form von Eiern machen. Doch unser Gehirnakrobat von einem Kobold hatte keinen blassen Dunst, was die Aussage bedeutete. Stattdessen hinterließ er ihr das ganze Zelt voller Eiern. Was sie ein wenig arg aufregte. Die Situation wurde kaum besser, als sie die Katze auf meinem Rücken bemerkte. Bevor sie auf komische Gedanken kam, spielte ch mit offenen Karten und sagte ihr, dass es ein Huhn war – für einen anderen Zweck. Und dass ich bloß nicht ins Kreuzfeuer geraten wollte mit dem Vieh direkt aufzutauchen. Wie man es macht, macht man es aber falsch. Sie war so in Rage, dass ich in die Sache mit reingezogen wurde. Nicht nur, dass ich mich nützlich machen sollte die Schweinerei – die eigentlich sie veranstaltet hatte – zu säubern. Nein. Zu allem Überfluss sollte ich Krathus gefälligst erklären wie das mit der Fortpflanzung läuft. Was hatte ich denn mit dem Schuppenvieh zu tun?
In ihrem Zustand war kaum ein vernünftiges Wort zu reden. Auf einen flapsigen Kommentar beim Rausgehen hin bekam ich noch ein Ei an den Hinterkopf geworfen. Draussen überlegte ich kurz und steckte nochmal den Kopf hinein. Es brauchte nur einen gesäuselten magisch angehauchten Satz, um heute Nacht doch noch etwas Frieden zu bekommen. Aber es misslang. Auf meinem Weg zurück zum Compound reinigte ich sodann magisch was mir möglich war … und schwor Krathus Rache …
Ich besorgte mir eine Handvoll Eier aus der Küche, ging direkt zu Krathus’ Zimmer und hämmerte ihn aus dem Schlaf. Nachdem ich ihm die Dinger für jede seiner Schandtaten und meiner Leiden um die nicht vorhanden Ohren gehauen hatte setzten wir uns zusammen. Versuchend das Missverständnis zwischen ihm und seiner Adoptivmutter aufzuklären und ihn über den Sachverhalt der Fortpflanzung ins Bild zu setzen verging dann noch etwas Zeit. Das Thema wurde arg abwegig, da es den Anschein machte, dass Kobolde ihre Geschlechtsorgane „Stelzen“ nannten und sie gar zwei besaßen? Meine Verwirrung war groß. Davon hatte ich noch ie gehört. Es kostete einige Mühen dieses wirre Gespräch zu führen und meinen Punkt rüberzubringen. Und ehrlicherweise bezweifelte ich, dass viel bei ihm hängen blieb. Mit Ausnahme des Eidotters auf seinen Schuppen. Und so zog ich mich schließlich in meinen eigenen Raum zurück.
Der nächste Morgen brach an. Das Huhn war versorgt und zu Lorilla gegeben. Nett wie sie war, würde sie auf es aufpassen, bis ich es abholen würde. Dann schloss ich mich den anderen beim Frühstück an. Es gab Speck und … Eier. Mir verging direkt der Hunger. Es stellte sich auch heraus, dass bereits eine Diskussion zu der nächtlichen Aktion in Krathus’ Zimmer stattgefunden hatte. Ava war sichtlich amüsiert. Stellte ihrerseits einiges klar. Ob es der Kobold nun verstanden hatte blieb weiterhin ein Mysterium. Irgendwie nickte er immer, als ob er verstand und machte dann doch das Gegenteil. Wäre er doch nur weiblich gewesen, dann wären er und Garret das perfekte Gespann.
Das Gespräch am Tisch ging dann noch in weiteres unliebsames Territorium. Meine Aktion mit den Ungolspinnen wollte ich zunächst für mich behalten, musste dann aber auf Druck mit der Sprache rausrücken. Ava war ganz begeistert von der Idee. Die könnten dann ja die Kobolde einfach fressen gehen. Ich widersprach heftig. Das war nicht die Idee. Zumindest jene, von der ich mich zuvor gelöst hatte. Denn den bösartigen Gedanken hatte ich bereits gehabt. Nein, sie sollten lediglich Informationen über die Bewegungen der Kobolde sammeln und uns mitteilen. Schließlich verbreiteten sich diese Spinnen schneller als jedes Gerücht im Untergrund von Ailamere. Wer weiß wo sie schon überall saßen. Garret war zu meinem Erstaunen der gleichen Ansicht. Krathus hatte scheinbar für seine eigene Art so wenig Mitgefühl, dass es ihm egal war. Sie wären ja aktuell unsere Feinde. Waren sie das? Oder selbst nur Handlanger unter der Peitsche eines Unterdrückers? Wir hatten doch zwei Experten von Revolutionen am Tisch sitzen, dachte ich in mich hämisch hinein, da sollte uns doch ein besserer Weg einfallen. Schließlich verblieb es bei der Informationssammlungsidee. Ava schien damit nicht zufrieden. Erstaunt war ich nicht mehr. Aber mein Misstrauen wuchs.
Nachdem dies alles geklärt war, wollten wir dann den unliebsamen Besuch bei Marco angehen. Es dauerte nicht lange bis wir eines seiner eingespannten Kinder fanden und ein Treffen vereinbaren konnten. Es war wieder einmal eine der wechselnden leeren Gebäude. Ich mochte ihn nicht. Ich mochte nicht wofür er stand, ich mochte nicht wie er seine Ziele erreichte, ich mochte nicht wen er dafür manipulierte. Aber wenn ich meine persönlichen Gefühle beiseite schob, dann war er eine nutzbringende Quelle. Und ich versuchte wirklich, dass dies funktionierte. Einfach weil es musste.
Marco redete viel, aber sagte wenig. Dennoch kamen ein paar brauchbare Informationen dabei herum. So zum Beispiel, dass in der Tat Gardis für die Goldtransfers verantwortlich war. Das heißt Bargle war definitiv ein Aspekt in dieser Rechnung. Der gleiche Bargle, zu dem wir Gardis entsandten bezüglich Verhandlungen. Diesmal aber ohne Goldlieferung. Das konnte ja nur gut enden …
Auch erfuhren wir, dass Marco aus Mocny stammte. Aus dem alten Mocny. Es war verrückt, doch scheinbar war er während des Blightening vor hunderten Jahren anwesend. Er selber war, obgleich seien Landsleute bekanntlich keine Arkanisten mochten, eben ein solcher. Und zu jener Zeit experimentierte er mit einem Zauber, mit dem man die Realität oder Phase verschob. Aufgrund dessen, so vermutete er, zog ihn das Blightening zurück. Aber nicht gänzlich. Er scheint seither in einer Zwischenform zu existieren. Halb ätherisch und vom Alterungsprozess entbunden. Eine Illusion von etwas, dass dieser Gudden machte, während die anderen in der Parallelen Welt waren überraschte ihn sogar. Erinnerte ihn an das, was in Mocny geschehen war.
Ich wunderte mich derweil was er alles gesehen haben mochte über all diese Zeit … was er alles an Fäden gesponnen hatte in all dieser Zeit! Sicherlich hatte er mein Mitglied für den Verlust seiner Heimat, aber keinesfalls mein Vertrauen. Jetzt weniger denn zuvor.
Nichtsdestotrotz gab ich ihm Hinweise auf das, was geschehen war. Erwähnte gar eine Vorrichtung arkaner Natur, die für die Zerstörung Mocny’s verwendet wurde. Gleichermaßen versuchte ich damit herauszufinden, ob er der „graue Mann“ war, über den wir gehört hatten. Es wäre durchaus eine logische Überlegung. Doch es machte den Anschein, als wusste er nichts von der Quelle der Katastrophe – und auch nicht, dass Shadar mit der Zerstörung seiner Heimat zu tun hatte. Er schien auch nicht viel übrig zu haben für Drachen im Allgemeinen. Ebenso war die neue Königin ihm ein Dorn im Auge. Seine Meinung dazu ließ er Garret auch deutlich wissen.
Ihm nicht zu viel berichtend, aber klarmachend, dass die Zukunft Zoica’s mit ihr zu tun habe, befragten wir ihn nach Lia. Tatsächlich wusste er wo sie sich aufgehalten hatte. Sie war in Ark’Therion gewesen, dann aber nach Westerfell gereist. Dort hatte sie sogar eine Weile gelebt. Das verwunderte mich. Und Westerfell … das hörte sich bekannt an. Harrington kam daher. Wir hatten eine grobe Ahnung wo dieser Ort liegen musste.
Wieviele Informationen würden wir ihm noch preisgeben müssen, um einigermaßen weiterführende Anhaltspunkte zu erhalten … ?
Sitzung 89
Es war später Abend geworden und wir waren noch immer dabei herauszufinden, wie wir vorgehen sollten. Vor uns lag ein stark bemanntes und schwer bewaffnetes Camp. Aber niemand von uns hatte genug taktische Erfahrung, um einen guten Plan vorzulegen. Immer wieder hallten die Worte des Drachen in meinem Kopf nach, dass eine Aufladung verbraucht werden müsse. Es galt doch so viele Ziele zu erreichen und sie mit einem Wunsch zu vollenden wäre ein Segen gewesen. Einen potentiell zu verschwenden wollte ich vermeiden.
Leeroy kam mit der Idee unsere Ringe zu verwenden. Beinahe hätte ich diese vergessen. Wir könnten uns in Gestalt eines Ettin als Anhänger von Bargle ausgeben. Gorok würde sich mit uns an die Tore stellen und dann … ja was dann? Dieser Orb sei angeblich in dem Zelt mit dem Anführer. Er müsste hinauskommen, dann hätte Fin noch einmal die Chance einzudringen und sie zu entwenden. Um das zu erreichen müssten wir aber schon etwas brauchbares vorzubringen haben.Suchten wi nach Hilfe, würden wir Informationen anbieten, gar so tun als ob wir den großen Roten im Namen Bargle’s unterstützen wollten?
Schließlich lenkte Gorok ein. Unsere Diskussionen waren ihm schon früher zu ausschweifend gewesen. Seiner Idee nach sollten wir einfach alle in das Camp schleichen. Sowohl Fin, wie auch ich konnten dafür gemeinsam Sorge tragen uns alle unsichtbar zu machen. Und waren wir erst einmal drin würden wir schon sehen was geschieht. Im Zweifel würden wir eben einen Wunsch opfern. Was aber war, wenn – und die Erwähnung jener Person ließ mich nicht los – der Cheftaktiker Urso für alle Eventualitäten vorbereitet wäre. Fragend blickte ich zu Fin und versicherte mich, dass er wirklich nicht entdeckt worden war. Niemand hätte ihn bemerkt beteuerte er. Lediglich eines der Tiere sei kurz unruhig gewesen in seiner Nähe.
Die anderen schienen Stück für Stück Gorok’s Plan für sinnvoll zu erachten. Ob meiner es gewesen war wusste ich ja nicht einmal selbst. Irgendwas müsste heute Nacht aber noch geschehen, denn bereits morgen würden sie weiterreisen. Dann wach, scheinbar beritten und in voller Kampfmontur. Noch läge das Überraschungsmoment auf unserer Seite. So etwas lernten wir nicht im Orden. Die Magie zu beherrschen ja, jedoch waren Infiltrationstaktiken eher etwas, dass man in den Geschichtsbüchern vergangener Zeiten grob nachlesen konnte. Leeroy und Fin machten eher den Eindruck damit Erfahrungswerte zu haben. Da sich beide für den gemeinsamen Einstieg in das Camp aussprachen folgte ich ihrer Einschätzung.
So machten wir uns bereit. Constassina schien keinerlei Hilfe zu sein. Ihre Präsenz im Camp würde scheinbar eine direkte Verbindung zu Loganar ermöglichen, was dieser verhindern wollte. Leonard sollte nichts ins Kreuzfeuer geraten und verblieb mit Sorin’s Tier am Waldrand. Sorin selber würde aufgrund des Lärms seiner schweren Rüstung auch ausserhalb der Palisade warten und sich bereit halten, falls etwas schief ginge. Fin wollte die vorausgehen. Er würde zur Hinterseite des Zeltes gehen, während wir vorne hineinschlüpfen sollten. Vielleicht käme er ja ohne weitere Probleme direkt an die uns nur grob beschriebene Kugel. Ob wir wohl so viel Glück hätten? Ich hoffte es.
Der Weg war nicht allzu weit. Fin verbarg am Waldrand sein Äußeres auf magische weise als Kobold. Irgendwie sah es amüsant aus. Gemeinsam erreichten wir die Palisaden. Und offenbar bemerkte uns niemand beim Eindringen. Fin ging wie besprochen voraus. Wir warteten einen Moment bevor wir unseren Weg durch den Vordereingang des Zeltes nahmen. Das war dann auch der Moment in dem alles anders verlief als erhofft. Als der Plan sich in seine Bestandteile auflöste.
Urso war nicht länger in dem Zelt. Dafür fanden wir dort einen etwas eigenartig bewaffneten Kobold mit einem Banner, um welches etwas magisches schwebte. Es war schwarz und kugelförmig, aber doch nicht wonach wir auf der suche waren? Nein, es sollte eine greifbare Kugel sein, diese war es nicht. Fin und Gorok machte sich sogleich daran sich auf den Kobold zu stürzen. Wir würden eine Menge Lärm machen. Es hieß so schnell es geht hier wieder hinaus zu kommen. Der Anhänger des großen Roten hatte auf einer Kiste gesessen und ich vermutete darin den gesuchten Inhalt. Ich nutzte meine Magie um sowohl das Schloss, wie auch unseren Fend anzugreifen. Nur mit letzterem hatte ich jedoch Erfolg. Die Truhe gab nicht nach.
Derweil brüllte das kleine rotgefärbte und in Metall gehüllte Wesen ein paar Befehle. Das Camp würde nun ganz sicher aktiv werden. Damit wären wir jeden Moment gänzlich umzingelt. In einem Anflug von Panik kroch ich durch die Hinterseite des Zeltes, blickte auf die dahinter liegenden Lagerstätten und gab meine Zurückhaltung auf. Es ging um Leben und Tod. Sie würden uns kaum mit Gnade begegnen, nachdem wir hier als offenkundige Feinde hineingestampft kamen. So setzte ich eine meiner mächtigsten Fähigkeiten ein … zumindest wollte ich es. Sie verpuffte ohne Wirkung. Irgendetwas hatte das Wirken des Zaubers unterbrochen. Ein Gegenzauber? Doch wie? Ich sah niemanden, spürte lediglich die Wirkung.
Derweil war auch Sorin zu uns gestossen. Er stand an meiner Seite in Verteidigungshaltung. Drinnen waren weiterhin Kampfgeräusche zu hören. Dann preschten aus den Lagerstätten die restlichen Kämpfer des Camps. Beritten und in voller Montur. Hinter ihnen tauchte eine humanoide Gestalt auf. Sie gab Befehle und forderte eine klares Vorgehen beim Angriff auf uns. Das musste Urso gewesen sein. Seinen Anweisungen nach gab es ein Team, dass sich speziell mit meiner Beseitigung beschäftigen sollte, da ich zu gefährlich wäre. Ich schluckte, mein Herz raste, die Angst lähmte mich fast. Was in Sekunden geschah kam mir wie Minuten vor. Meine Gedanken überschlugen sich und ich haderte auch mit meinen Empfindungen kein unnötiges Leid verursachen zu wollen. Aber ich wusste doch bereits, dass es um Leben und Tod ging … Was Gorok so leicht tat, fiel mir sogar im Angesicht des Verlusts meines eigenen Lebens schwer: Leben nehmen.
Wir kämpften eine Weile. Je länger es dauerte, desto schlechter wurden unsere Chancen dies zu überstehen. Leeroy sah extrem mitgenommen aus und ich stand nur noch auf meinen Beinen, da Sorin unablässig mit seinen eigentümlichen Fischgräten an mir rieb, welche eine heilende Wirkung auf meine Wunden zu haben schienen. Aufgrund meiner Unfähigkeit die Situation wirklich zu verarbeiten fiel es mir zudem schwer die Konzentration auf meine Zauber aufrecht zu erhalten. Zwar vergingen einige der Kobolde in den Flammen, aber nie konnte ich den flammenden Schutzwall aufrecht erhalten.
Plötzlich schoss Fin an mir vorbei. Das Blut an seiner Kleidung machte deutlich wie mitgenommen er bereits war. Doch unbeirrt manövrierte er zwischen uns und den feindlichen Kämpfern hindurch, direkt auf Urso zusteuernd. In der Zwischenzeit sah ich Leeroy zu Boden gehen. Die Panik stieg an. Fin machte seinen Weg bis vor Urso. Und wie immer ihm das gelungen war … doch er löste den Rucksack von dessen Rücken, griff hinein und holte eine schwarze Kugel hinaus. Gleichzeitig mit der Berührung jeder Kugel entlud sich eine Energie, die einen nahestehenden Kobold direkt tötete, einen weiteren wegschleuderte und auch Fin ins Wanken brachte. Er hatte sie tatsächlich!
Wir versuchten den Kreis zu verkleinern, unsere Position zu verbessern. Aber es waren zu viele. Die Lage schien aussichtslos, obgleich Gorok es geschafft hatte den besonders hartnäckigen Kobold zu Fall zu bringen und ich mir im Zuge eines querschießenden Gedankens dessen Banner griff. Ich hoffte darauf, dass Fin uns jeden Moment wegwünschte. Dann sah ich jedoch, wie er niedergestreckt wurde. Die Kugel rollte aus seiner Hand. Das durfte nicht wahr sein … so durfte es nicht enden …
Sorin reagierte daraufhin. Was immer er in seiner Beschwörung anrief ließ einen Schimmer um Fin erscheinen. Vermochte dies ihn zu retten? Und in der Umkehr uns? Dann traf mich ein heftiger Hieb, der Schmerz war überbordend. Das Gleichgewicht verlierend schoss der Boden rasend schnell auf mich zu und mein Bewusstsein schwand.