Tagebücher
Die Tagebucheinträge sind nach der Gesamtzahl der Sitzungen beider Gruppen strukturiert. Jedes Buch erzählt eine durchgehende Geschichte aus der jeweiligen Sichtweise des Charakters, der es geschrieben hat.
Gemeinsam ergeben diese Bücher die Zusammenfassung aller Ereignisse der Kampagne.
Sitzung 100
Fin, Astreth und Valaria wurden behandelt, aber mussten noch mindestens diesen Tag unter Beaufsichtigung bleiben. Das ließ uns zu viel Zeit unter Leuten verbringen, die Fin und mir Bauchschmerzen bereiteten. Einen anderen Weg gab es jedoch gerade nicht. Vielleicht hätte ich ob der Hilfe zufriedener sein müssen. Doch wie schüttelte man 50 Jahre horrende Erfahrungen einfach so ab? Es war mir unklar und daher unmöglich. Obgleich ich es schaffte mehr Ruhe in meine Gedanken einkehren zu lassen.
Die erzwungene Pause von unserer Reise nutzten wir zunächst einmal zur Informationsgewinnung. Joni war sehr daran interessiert uns in den Konflikt um Bargle und Notherhall einzubinden. Konstant gab es Angriffe und diese sollten gestoppt werden. Als nicht-Elfen schienen wir prädestiniert zu sein dies vollbringen zu können, da seine Leute stets angegriffen wurden. Zumindest würden Opfer auf beiden Seiten damit verhindert werden. Wenngleich wir anderes zu tun hatten war es doch etwas mit positivem Einfluss auf die Region. Meine ablehnende Haltung gegenüber den Vollblütern rechtfertigte schließlich keine Todesopfer. Wir stimmten also zu. Joni versprach noch eine Bezahlung für unsere Dienste, welche Fin für sich direkt ablehnte.
Im Grunde war mir das auch egal. Dann war da aber diese Gefühl, dass ich schon seit meines Erlebnisses mit Tamarax hatte. Etwas bisher noch unkontrolliertes verspürte ich im Inneren und einer Eingebung folgend bat ich um eine spezifische magische Komponente. Er gewährte sie, doch hatte sie zunächst angefertigt zu werden. Voraussichtlich stand sie also erst nach unserer Rückkehr zur Verfügung. Es enttäuschte mich. Wieso war ich bloß so ungeduldig? So kannte ich mich selbst kaum. Joni ging nachdem er unsere Zustimmung bekam und im Groben zusammengefasst hatte was er wusste. Als letzten Kommentar warf er noch einen sehr merkwürdigen Satz ein, mit dem er uns versicherte, dass es in Notherhall keine Monster gab. Das klang eigenartig.
Orks griffen in regelmäßigen Abständen Notherhall an. Die Verteidigung hielt bisher stand. Gleichermaßen war auffällig gewesen, dass die Angreifer eher junge Orks waren. Und dann gab es da noch neben den frontalen Angriffen einige eher hinterhältige Versuche einzudringen. Scheinbar ausgeführt von Assassinen. Die Elfen nahmen an, dass diese vorhatten ihre Anführerin umzubringen. Alles war bisher vereitelt worden. Es war verwunderlich wieso die Orks so besessen waren nach Notherhall zu gelangen. Besonders da sie stets versagten – nicht selten zu Lasten ihrer Leben. War es ein barbarischer Initiationsritus, oder steckte etwas anderes dahinter?
Als wir allein waren widmeten wir uns Valaria. Offenbar war sie nun Teil dieser Gruppe … zumindest für den Augenblick. Vermutlich wäre ich weniger hart in meinem Verhalten ihr gegenüber gewesen, wenn wir nicht ausgerechnet in einer Stadt voller Elfen gelandet wären. Verkrampft versuchte ich freundlich zu sein. Auf die Frage was sie überhaupt antrieb kam überraschend zutage, dass sie sich mit der Geschichte Logothil’s auseinandergesetzt hatte und dies in der Folge sie immer wieder auf Zusammenhänge mit Drachen stieß. Sie schien wirklich fasziniert von dem Thema. Ihrer Theorie nach war alles verknüpft mit deren Anwesenheit. So falsch lag sie da nicht. Als sie euphorisch erzählte riss mich das auch ein wenig mit. Lange Zeit hatte ich ebenso nach Hinweisen gesucht. Auch wenn dies aus anderen Gründen war.
Wir tauschten ein paar rudimentäre Informationen aus. Darunter auch was im Hort passiert war – was sichtlich ihr Interesse geweckt hatte. Richtig begierig auf Informationen war sie und entsprechend enttäuscht einen echten Drachen nun verpasst zu haben. Dazwischen machte sie auch klar, dass sie die Vorurteile ihrer Artgenossen gegenüber Mischlingen nicht teilte. Sie gar ablehnte. Das klang gut und schön, doch es blieb ein Rest Skepsis. Die Gesamtsituation war schlicht zu überfordernd, als dass es möglich war derzeit eine eingehende Bewertung ihrer Person vorzunehmen.
Die Resonanz auf ihren Heimatort war gemischt. Ich wusste nur zu gut von dem Bündnisbruch von Sylvanar. Fin hatte in ihr aber jemanden aus seiner Heimat gefunden. Und wie es aussah war Valaria die ehemalige Gruppierung um Fin durchaus bekannt. Sie sympathisierte mit ihnen. Ebenso freute sie sich mit uns reisen zu können. Besonders mit, laut ihrer Aussage, so attraktiven Gefährten. Verunsichert wandte ich meinen Blick ab, merkte aber wie mir das Blut ins Gesicht schoss ob ihrer schmeichelhaften Aussage.
Nach dem Gespräch stand uns der Tag offen. Fin hatte keine Lust die ganze Zeit im Zimmer zu verweilen. Wenn wir schon hier waren, dann konnten wir uns auch den Ort anschauen gehen. Leider war es Gorok verwehrt worden sich draußen zu zeigen. Als Halbork würde er eher nicht so positiv wahrgenommen werden, hatte Joni uns mitgeteilt. Es gefiel mir nicht ihn zurückzulassen, aber Gorok nahm es wie immer locker.
Notherhall hatte eine düstere Schönheit. Die Architektur war wunderschön. Allerdings war die Stadt viel kleiner als erwartet. Ihr Aufbau eher militärisch orientiert. Über allem hing ein Schleier des Zwielichts. Das Licht schien sich hier zu einem Punkt innerhalb der Stadt „hingezogen“ zu fühlen, was für ein nie zuvor gesehenes Farb- und Lichtspiel sorgte. Mysteriös und gleichermaßen faszinierend sah es aus. Die Einwohner waren eher ungewöhnlich gekleidet. Nicht einer lief ohne gewisse Anteile von Rüstung herum. Ein jeder war zumindest leicht bewaffnet. Das alles war wohl eine Folge von der direkten Nähe zu den eher unberechenbaren Anhängern von Bargle.
Auf unserem Weg durch die Stadt gerieten wir an einige aussergewöhnliche Spezies. Dafür, dass es keine Monster in der Stadt geben sollte wirkten diese Tiere schon monströs. Sie alle schienen aber keine Gefahr darzustellen, verhielten sich gar absonderlich normal obgleich ihres Aussehens. In der Mitte der Stadt befand sich eine Art riesiger Pavillon. Gerade waren zwei Anwohner damit beschäftigt einen Elefanten in die Mitte zu bringen. Es war erstaunlich ein solches Tier in diesen Breitengraden anzutreffen. Wo hatten sie es wohl her?
Auf einmal ertönte ein Gong, welcher die ganze Stadt mit seinem Klang umfing. Um uns herum holten die Bewohner etwas aus den Taschen und setzten es sich auf die Nase, fast wie Brillen. Wir erahnten, dass etwas geschehen sollte. Ich kniff die Augen zusammen, doch das plötzlich alles durchflutende Licht war zu grell. Es blendete für einen Augenblick. Nachdem es sich gelegt hatte schien alles wieder seinen normalen Gang zu nehmen. Doch der Elefant war verschwunden. An seiner Stelle stand nun ein riesiges grünes Etwas mit Tentakeln!? Verwandelten sie etwa herkömmliche Tiere in diese … Monster? Ein Anwohner erläuterte uns die Zusammenhänge, bestätigte dabei den Verdacht. Sie taten dies um gegen die Orks im Falle weiterer aggressiver Vorstöße aufzurüsten. Was für eine unglaubliche Quelle der Macht. Valaria schien mehr zu wissen. Sie erklärte, dass es sich dabei um ein Portal ins Fey Wild handeln müsse. Die Mächte die dort wirken seien unberechenbar.
Wir schlossen unsere Besichtigung des Ortes ab. Leider gab es nicht wirklich viel zu sehen. Die eher martialische Lebensweise hatte nur wenig Raum für normale Geschäfte oder Sehenswürdigkeiten gelassen.
Gorok hatte es sich derweil gutgehen lassen. Versorgt mit Wein und Essen war er trotz seines Hausarrestes bei guter Laune. Astreth hingegen war offenkundig weiterhin besorgt um die Abhängigkeit von Gorok zu seiner von Narchessa erhaltenen Waffe. Mir ging es da ganz genauso. Sie suchte das Gespräch mit ihm, um zu ermitteln ob die Waffe eine Gefahr für ihn oder uns sei. Erneut inspizierte sie diese genau, versuchte sogar eine Form des Kontakts herzustellen. Nachdem er uns neulich mitteilte, dass sie zu ihm sprechen würde war es sinnvoll und notwendig Antworten zu erhalten. Final war sie sich aber dann auch weiterhin unsicher. Es mochte sein, dass die gleichen Geister, die zu ihr sprechen, auch zu ihm Kontakt aufnahmen. Aber es wäre auf diesem Wege höchst ungewöhnlich gewesen. Gorok versicherte erneut nicht unter fremden Einfluss zu stehen. Er sähe es lediglich als effizienter an dem Ruf dieses Objektes zu folgen. Wirklich überzeugen konnte es mich nicht, so fürchtete ich mich weiterhin vor dem ersten Mal, wo wir die Ringe einsetzen würden …
Der Tag zog dahin und bald schon brach die Nacht an. Es war ruhig und erholsam. Speziell nach dem entbehrungsreichen Aufeinandertreffen mit Vronwe war dies sehr willkommen. Am Morgen kam schon bald Joni zu uns. Er erläuterte die letzten Details zu unserer Aufgabe. So also wo wir die Orks finden würden, wie auch eine Möglichkeit uns als die auszuweisen für die wir uns ausgaben. Statt aber eines Dekrets seiner Mutter übergab er uns seine Pfeife als Beweis mit. Orks würden ja nicht zwangsläufig lesen können, was Gorok eindringlich bestätigte. Reittiere gab es für uns keine, da jedes verfügbare Tier aktuell für die „Aufrüstung“ verwendet wurde. Das hieß also einen Fußmarsch von vier Tagen durch potentiell feindliches Gebiet. Ausgehend von der Wichtigkeit unserer Unternehmung hätte ich anderes erwartet. Bei einem potentiellen Scheitern, was hier wohl durchaus impliziert wurde, wollte man also keine Ressourcen verschwenden. Begaben wir uns hier auf einen Todesmarsch, oder war es bloß das typische Misstrauen von Elfen gegenüber Fremden? Es fiel mir schwer nicht eine gewisse Wut zu verspüren.
Es dauerte keinen halben Tag bis die anderen bemerkten, dass wir verfolgt wurden. Gorok sprach es direkt an. Suchte dann auch sogleich ein nahe liegendes Gebüsch auf in dem er augenscheinlich etwas vernommen hatte. Und tatsächlich erhielt er auf seine gestellte Anfrage eine Antwort. Eine weibliche Elfe, ein Ranger, trat heraus und befragte uns nach unseren Absichten. Wir erläuterten kurz was unser Auftrag war. Sie blieb für einen Moment skeptisch, bis ich eine typische Phrase von Joni verwendete. Daraufhin ließ sie uns mitten im Satz stehen und zog ohne weitere Worte ab. Ihr folgend trat nun um uns herum ein ganzes Kommando aus den Schatten und tat es ihr gleich.
Wir folgten dem genannten Weg noch eine ganze Weile. Die Wildnis hier hatte etwas Einzigartiges. Ich genoss die Schönheit der Natur in vollen Zügen.
Unterwegs unterhielten wir uns über einige Themen. Fin erzählte ein wenig von der Gruppe, mit der er schon seit den Zeiten in Sylvanar zusammen war. Sie waren alle Mischlinge und entsprechend war die Behandlung durch die Vollblüter gewesen. Sie nutzten dies sich zusammenzuraufen. So wie er es beschrieb machten sie eine Menge Blödsinn als Akt der Rebellion gegen diese unwürdige Behandlung. Während er dies berichtete wünschte ich mir die ganze Zeit auch solche Freunde gehabt zu haben … doch bei mir zuhause gab es neben mir niemanden der so war wie ich. Es klang beneidenswert sich als Gruppe gegen die Ungerechtigkeit zu stellen. Ursprünglich waren sie wohl zu fünft. Aber eine von ihnen verriet die Gruppe. Ich wunderte mich wieso jemand von unserer Art sowas tun würde. Schließlich wollte Sylvanar dann alle fremden Einflüsse entfernt wissen. So verließen die vier ihre Heimat und strebten Richtung Ailamere.
Astreth berichtete von ihrer spirituellen Verbindung zu den Geistern. Ich war überrascht zu erfahren, dass sie das wörtlich meinte. Geister von Verstorbenen, die in dieser Welt gebunden waren. Ihr war es möglich mit ihnen auf eine gewisse Art zu kommunizieren, ihre Kräfte zu nutzen. Das war beeindruckend. So erinnerte ich mich auch noch einmal an den Kampf mit Vronwe. Das war also was sie dort tat. Scheinbar war sie nicht weniger neugierig. Sie fragte nach meinem Glauben. Ich gestand, dass ich lange an gar nichts glauben konnte. Es schien mir ein Hohn zu sein, dass unser Orden Sirion gewidmet war – einem Gott des Wandels … und Feuers. Von Wandel war bei den Vollblütern aber nie etwas zu verspüren. Zuletzt überdachte ich aber die Lehren. So vieles war geschehen. Dinge, die absolut im Einklang mit dem standen, was mir einst vermittelt worden war. Ob dies auch meinen Glauben neu befeuern würde müsste die Zeit zeigen.
Der Tag verlief ansonsten unspektakulär, ebenso die erste Nacht. In der zweiten Nacht wurden wir von Valaria geweckt. Zwei Orks hatten sich wohl an Gorok vergreifen wollen, aber überlegten es sich scheinbar noch einmal. Wir sahen nur noch ihre Silhouetten in der Dunkelheit verschwinden. Von nun an war es wohl besser auf Astreth’s magischen Schutz zurückzugreifen, damit wir des Nächtens keine unliebsamen Überraschungen mehr erlitten. An Tag drei konnte man den Übergang zu den schwarzen Hügeln deutlich wahrnehmen. Das Gelände wurde in der Tat dunkler und dunkler. Fast sah es so aus, als ob sich ein Schleier mit vulkanischer Asche über alles gelegt hätte.
In der Ferne machten wir etwas Eigenartiges aus. Ein sonderbares Objekt bewegte sich schwebend, sehr schnell und im Zickzack huschend durch die Ebene. Es stellte sich als ein magisch kreiertes Auge heraus. Als es uns erblickte kam es näher, begutachtete jeden von uns ganz genau und machte dann Anstalten, dass wir ihm scheinbar folgen sollten. Sein Tempo hatte es zumindest an das unsrige angepasst. Wir wollten keinen Ärger, weswegen ein offenes Vorgehen wohl das Beste wäre. Wir folgten. Nach einiger Zeit kamen wir an eine Art Hochstand. Auf diesem befanden sich eine Liege und eine Form von Sonnenschirm. Die Liege war von einem dicklichen Ort besetzt. Gorok sprach zu ihm. Nachdem er unser Dasein erläutert hatte, bekamen wir die Aufforderung dem Auge bis zum Lager von Bargle zu folgen. Übergriffe hatten wir nicht zu befürchten solange wir dies taten. Dies einhaltend reisten wir weiter. Der Weg wurde konstant steiler.
An Tag vier erreichten wir den Mittelpunkt der schwarzen Hügel. Noch bevor wir das tatsächliche Lager sehen konnten gab es eine Begegnung mit einer mürrischen Orkfrau, die gerade Probleme mit ihrem Yak hatte. Astreth löste diese Wegblockade mit einem gezielten Hieb auf dessen Hintern. Ausgehend von den Umständen war dies eigentlich ganz amüsant.
Am Abend erreichten wir dann unser Ziel. Eine immense Ansammlung von Zelten. Sie waren in Schwarz und Rot gehalten mit einer weißen Hand als Symbol. Es mussten hunderte sein. Nur drei Orte stachen dabei hervor. Ein sehr großes Zelt, welches über allem anderen thronte. Dann eine Palisade, die auf einem Platz aufgestellt worden war. Und zuletzt ein großer Palisadenring, dessen Funktion sich mir genauso wenig erschloß, wie die einsam stehende Palisade. Die Orks im Umkreis betrachteten uns neugierig, aber keiner machte Anstalten uns anzugreifen. So folgten wir dem Auge hinein bis hin vor das große Zelt. Hier verpuffte unser Führer einfach. Ein Zeichen dafür, dass wir unser Ziel wohl erreicht hatten. Behaglich war mir keinesfalls. Bisher schien alles erstaunlich friedlich, doch wenn sich dies ändern sollte gab es kein Entkommen.
Gorok war wie gehabt nicht aus der Ruhe zu bringen und machte den Anfang beim Eintreten. Eine Orkfrau begrüßte uns. Zu unserer Überraschung wechselte sie in die Gemeinsprache, als ihr klar wurde, dass ausser dem Halbork vor ihr keiner ein Wort verstand. Während wir unser Anliegen vortrugen knüpfte sie weiter an einem zukünftigen Teppich. Überhaupt war es hier drin verhältnismäßig angenehm und bequem. Die Teppiche zu unseren Füßen hatten eine hohe Qualität. Nachdem sie im Bilde über unsere Absichten war sollten wir nunmehr Bargle the Infamous kennenlernen.
Nun wurde deutlich, dass sie wohl die Frau des Anführers war. Und die Art ihrer Kommunikation war sehr speziell. Sie rief nach ihm als „Bargle Longtooth the Vicious“. Dieser war aber derzeit mit einer Art Konkubine beschäftigt? Ein wildes Hin und Her entstand, dass mir innerlich schon ein Lachen abrang. Es wurde ganz klar deutlich wer in diesem Zelt die Hosen anhatte. Für einen Moment schienen die Sorgen wie weggeblasen zu sein. Aber schließlich mussten wir uns dem Anführer dieser Legionen erklären.
Er zupfte sich noch zurecht, als wir reinkamen. Sein Thron war ganz unzweifelhaft ein Drachenschädel. Zu gern hätte ich etwas Studienzeit damit zugebracht. Doch dafür warren wir nicht gekommen. Wir erläuterten ihm, dass sich Notherhall Frieden wünschte. Woraufhin er recht nüchtern darauf hinwies wie sie doch scheinbar den Kampf suchten. Es dauerte eine Weile diese „Logik“ zu verstehen. Kein reguläres Argument hatte funktioniert, da die allgemeine Ansicht der Orks war: Wer nicht kämpfen wolle, der ziehe halt auch keine Waffe. Er versicherte sie würden niemanden angreifen, der nicht bereit wäre zu kämpfen. Das Argument der Verteidigung ihrer Heimat schien er nur schwerlich nachvollziehen zu können. Astreth hatte zunächst versucht die Argumentation zu unterstützen, bis sie plötzlich eher provozierend wurde. Ich hatte mich schon weit aus dem Fenster gelehnt, was gerade noch so toleriert wurde. Sie schien aber den Bogen aus Bargle’s Sicht zu überspannen. So verwies er sie des Raumes.
Tatsächlich gab es gar keine Kriegserklärung der Orks. Es ging den jungen Orks nur darum zum Portal zu gelangen – obgleich ein paar Elfentrophäen ihnen auch Anerkennung brachten. Er war wohl selbst einst durch dieses getreten und schließlich in seiner jetzigen übermäßig kräftigen Gestalt herausgekommen. Seither versuchten es viele ihm gleichzutun. Nicht zuletzt in dem Glauben, sie könnten ihn eventuell im Nachgang herausfordern und besiegen. Gorok nahm dies zum Anlass schon fast zu einem Duell zu rufen. Er mochte sicher stark gewesen sein, aber die Gestalt von Bargle war in der Tat furchteinflößend. Dieses protzige zur Schaustellung von Stärke gefiel ihm aber. Selten fühlte ich mich falscher am Platz.
Auch machte Bargle klar, dass er den Orks nicht einfach Befehle erteilen könne. Es sei ein freies Volk und jeder entscheide für sich selbst. Mir kamen Zweifel ob dies vollumfänglich zutraf. Als Gesellschaft hatten sie ihn nicht umsonst als Führer auserkoren. Seine Stärke gab ihm Befugnisse, davon war ich überzeugt. Doch um überhaupt etwas bewirken zu können hielt es Gorok für sinnvoll uns ihren Respekt zu verdienen. In wenigen Sätzen handelten die beiden einen Kampf zur Belustigung der Massen und Beweiskraft unserer Stärke aus. Erschrocken über diesen Verlauf der Gespräche wusste ich nicht was ich denken sollte. Wieder würden wir in einen Kampf gezogen werden. Wieder gäbe es Opfer zu beklagen, dachte ich in mich hinein. Hätten diese verdammten Vollblüter ihre Arbeit nicht selbst machen können!?
Es gab von hier aus gar keine anderen Optionen mehr. Am nächsten Tag würden wir uns in einer Arena vorfinden. Scheinbar würden wir aber „nur“ gegen einige ziemlich gefährlich klingende Schlangenmonster antreten müssen. Ich hoffte Gorok wusste was er tat. Mehr noch hoffte ich, dass dies kein Vorwand war die Ringe zu benutzen.
Bevor wir gingen stellte sich im Übrigen noch heraus, dass der Drachenschädel keine im Kampf errungene Trophäe Bargle‘s war. Mit Drachen hätte er auch sonst nichts weiter zu tun. Und eine Gefahr von außen sah er nicht und sowieso interessierten sich die Orks nur für ihre angestammte Heimat hier in den schwarzen Hügeln. Zudem wurde Valaria aufgrund der Situation mit der Arena und eines Kommentars von ihr zu einem Duell herausgefordert. Sie wich aus, meinte eine Partie Schach wäre eher etwas für sie. Woraufhin Bargle zur Überraschung aller sofort einwilligte. Tatsächlich hatte er ein Schachbrett parat. Ich verfolgte das Spiel gespannt. Zug um Zug näherte sie sich dem Sieg, welchen sie ziemlich souverän dann auch für sich beanspruchte. Ich ertappte mich dabei darüber nachzudenken, dass sie eventuell doch keine so schlechte Ergänzung unserer Gruppe wäre. Zur Belohnung erhielt sie einen verzierten Trinkbecher aus Drachenknochen von Bargle. Es war ohne Frage ein beeindruckendes Geschenk.
Damit war aber auch alles gesagt worden. Bargle wollte sich wieder seiner vorangegangenen „Beschäftigung“ widmen und wir hatten vor das Nachtlager zu präparieren. Astreth sorgte dafür, dass wir zumindest in dieser Nacht sicher waren. Ihr Schutzzauber war etwas, dass mir stets ruhigere Nächte verschaffte. Ich nahm mir vor ihr mal zu sagen wie dankbar ich dafür war.
Draußen trat unversehens ein Ork an Astreth heran. Scheinbar forderte er sie zum Kampf heraus. Fälschlicherweise hatte er sie wohl auch für einen Mann gehalten. Als er dann von Gorok erfuhr, dass sie eine Frau war kam noch mehr Begeisterung in ihm auf. Wollte er sich etwa mit ihr … paaren? Es war etwas eigenartig seine Bemühungen zu beobachten. Um ihre Gunst zu erringen schlug er sich gar einen Stoßzahn heraus. Astreth lehnte ab. Doch war sie so freundlich ihm den Zahn wieder an den rechten Platz zu setzen. Dank heilender Magie funktionierte das sogar. Der Ork schien in seinem Stolz allerdings etwas verletzt, nicht zuletzt da er zu guter Letzt noch von seinen Kumpanen ausgelacht wurde. Ich war zwischen Mitleid und Amusement hin und her gerissen.
Am nächsten Morgen beobachteten wir wie immer wieder Orks zu Bargle ins Zelt gingen. Scheinbar berichteten sie von Erfolgen im Kampf, oder holten sich seinen „Segen“ für einen eben solchen. Der Einfluss auf die seinen war wie angenommen deutlich höher, als er das von sich gegeben hatte. Wenig später trat auch seine Frau vor unser magisches Zelt. Sie brachte die offizielle Einladung zu unserer verabredeten Prüfung der Stärke. Hierbei kam aber heraus, dass wir gegen Yuan-ti kämpfen würden. Das waren keine einfachen Tiere oder Monster. Mein Magen verkrampfte. Sie gehörten einer anderen Bevölkerungsgruppe an und wir wären nun gezwungen sie umzubringen … Doch niemand sonst schien damit ein Problem zu haben. Resignierend folgte ich zur Arena.
Rund herum war es prall gefüllt mit Orks, die dem Spektakel beiwohnen wollten. Bargle machte dann eine große Ankündigung und ließ durch seine Zweideutigkeit heftige Zweifel in mir aufkommen ob wir eine reelle Chance hatten. Dann öffnete er eine hölzerne Kiste, die er am Gürtel trug. Aus ihr heraus erschienen plötzlich fünf abgemagerte und mit Blut verschmierte Menschen, sowie eine sehr große Schlange direkt in deren Nähe. Der Kampf war direkt eröffnet worden. Die Menschen flehten um Gnade. Was für ein perverses Spiel war dies!? Ich rief ihnen zu, dass sie sich in Sicherheit bringen sollten und bannte die Schlange zunächst hinter eine flammende Wand.
Der Rest war sich auch unschlüssig was hier geschah und hielt sich zunächst zurück. Dann jedoch erkannte ich meinen Fehler. Kaum waren die Menschen in scheinbarere Sicherheit, da verwandelten sie sich aus dem Nichts in Schlangenwesen und griffen uns an. Die eben noch einfach nur große Schlange vor uns wandelte sich hingegen in ein fünfköpfiges Schlangenmoster. Es hallten noch die Worte Bargle’s zu mir, der sich darüber lustig zu machen schien wie auch wir auf diese Finte reingefallen waren. Mich packte die Wut. Wir kämpften erbittert, Fin war in echte Bedrängnis geraten und Gorok sah auch schon extrem mitgenommen aus. Schlussendlich konnten wir aber all unsere Gegner besiegen. Wobei ausgerechnet den finalen Streich ein zufällig aus der Menge stapfender Ork machte. Er brüllte noch etwas bevor er angerannt kam, das große fünfköpfige Etwas vor uns angriff, dieses schließlich zu Boden fiel und dabei den besagten Ort mit einer feurigen Explosion von den Füßen riss. Erschrocken blickte ich in seine Richtung, aber ihm war nicht mehr zu helfen.
Der Kampf war vorbei, aber Bargle hatte Schwierigkeiten einen Sieger zu ernennen. Machte er Witze!? Ich spürte wie sie seicht eine Flamme in meiner Handfläche bilden wollte, unterdrückte den Impuls aber. Ich verlor zunehmend in solchen Situationen die Beherrschung. Schließlich kam ihm eine Idee. Er stellte uns ein Rätsel. Aus seiner Box holte er drei weitere und reiht sie vor uns auf. Eine war aufgemacht, als würde sie einem König gehören müssen. Eine Weitere ähnelte eher einem steinernen Sarg. Die Letzte sah nach Bruchware aus. Dann stellte er seine Frage: „Welche Kiste von uns würde uns alle Wünsche erfüllen können?“ Während ich mir diese zumindest einmal genauer anschaute zog Astreth direkt an mir vorüber. Sie machte Halt vor Bargle und deutete direkt auf seine. Das ergab durchaus Sinn. Bargle stammelte etwas herum, bis er am Ende uns den Sieg zusprach. Offenbar hatte er nicht mit einer so prompten Lösung gerechnet.
Was würde nun als nächstes passieren? Würde noch eine Überraschung folgen, oder könnten wir den Konflikt bereinigen?
Intermezzo
Vorher: [siehe Part 2 - Arem]
Kurz darauf gingen auch wir in den Zirkel. Dann aktivierte sie den den Teleport.
Ich tauchte über einer Wasseroberfläche auf und fiel hinein. Scheinbar hatte ich das Ziel verfehlt. Unangenehm kalt war das Meerwasser, aber zum Glück ließ mich meine Magie auf demselbigen laufen. Nur ungern hätte ich zur Insel vor mir schwimmen müssen. Sie war soweit ich sehen konnte recht groß und hatte ein hohes Gebäude an der Landspitze zu stehen. Es ähnelte sehr den bekannten Orten der Zirkel. Ostracitoren war wohl das eingängigste Beispiel. Es schienen auch zwei Personen vor Ort zu sein, die scheinbar sich in der Gegend umsahen. Ausgehend davon, dass die eine Foamwave war nutzte ich ein magisches Licht, um auf mich aufmerksam zu machen. Es dauerte einen Moment bis sie es bemerkten und nochmal mehr, bis ich vor Ort angekommen war.
Neben meiner Schwester stand eine Art Konstrukt. Auf meine Frage hin was es mit dieser Maschine auf sich hatte warf sie mir ein unhöfliches Verhalten vor, er hätte schließlich auch Gefühle. Ich war irritiert. Dieser metallene Koloss war am Leben? Er stellte sich als ein Geschöpf namens Bretar heraus. Und offenbar fand es gefallen daran andere aufzuziehen, oder zumindest mich in diesem Moment. Es dauerte einen kleinen Moment bevor ich die Frage nach einer Losung als blöden Witz erkannte. Auf die Nachfrage nach einem Geschenk prokelte ich einen alten Buttermilchkeks aus Ostracitoren heraus. Den hatte ich total vergessen … und so richtig gesund sah er auch nicht mehr aus. Aber einer Maschine würde es kaum schaden können.
Foamwave informierte mich, dass das Haus unserer Mutter in der Nähe sei. So begannen wir zu gehen. Die Zeit nutzend fragte ich sie einige Dinge. So erfuhr ich, dass die Teleportzirkel in Ailamere und den Points schon seit geraumer Zeit in Benutzung waren. Als sie damals entdeckt wurden bestach man wohl einige Zauberer das Geheimnis um deren Benutzung preiszugeben. Es ist auch der Grund wieso Foamwave häufiger bei Modron arbeitet. Auf diese Weise hat sie stets Zugang.
Dass Mutter soweit abseits wohnte lag an Maddoc. Er galt als tot und versteckte sich hier. Als seine Frau war es also logisch, dass sie bei ihm war. Doch sie war in der Tat nicht an diesen Ort gebunden. Da sie uneingeweihte Personen nicht mit ihm in Verbindung bringen konnte besuchte sie Ailamere ab und an.
Als nächstes wurde es aber noch abstrus. Es erschien mir suspekt, dass meine Schwester zu Narchessa „Tante“ sagte. Doch war dies keinesfalls auf eine abstrakte Weise gemeint. Die irre Halbelfe war Maddoc’s Schwester und damit in der Tat UNSERE Tante … Ich spürte wieder so ein Pochen in der Schläfe.
Nachdem wir ein Stück gegangen waren wunderte ich mich über die Größe der Insel und deren Bewohner. Scheinbar hatte Maddoc alle Getreuen hierher geholt. Es gab ein Dorf samt eines kleines Hafens wo meine Mutter lebte. Hier siedelten gut 50 Besatzungsmitglieder – darunter einige Farmer. Von hier aus operierten sie aus den Schatten heraus, überfielen ab und an die Wohlhabenden und stiegen nachhaltig im Wohlstand.
Es prasselte alles wie ein Sperrfeuer von Langbögen auf mich hinab. Eine verrückte Information jagte die nächste.
Wir erreichten nach kurzer Zeit dann auch das besagte Dorf. Es herrschte geschäftiges Treiben und auf einem größeren Hügel stand ein durchaus ansehnliches Anwesen. Übermäßig junge Leute und dazu Männer waren hier zu finden. Obgleich es an den Konterparts auch nicht mangelte. Und erst recht nicht an verschiedenen Rassen. Darunter auch etwas, was ich nie zuvor sah. Eine Spezies, die Foamwave als Thri-Kreen identifizierte. Dieser spezielle Geselle hieß Thrakkid. Ich vergaß dabei nie, dass es sich hier um durchweg Piraten handelte.
Das Anwesen erreichend gingen wir auch sogleich hinein. Im Inneren wartete bereits eine Tieflingsfrau im gehobenen Alter. Mit eher zittriger Stimme fragte ich ob sie Stonearch sei. Was sie kühl bejahte. Sie machte keinen Hehl darum, dass sie mir nicht vertraute. Es galt zunächst Sicherheit zu haben, dass ich der bin, für den ich mich ausgab. Doch ich wurde gewarnt, dass mir die Mittel dafür nicht gefallen würden. Es gab keinen Grund nicht zuzustimmen. Die Informationen stimmten. Spätestens durch Ocanar war dies bestätigt worden.
Sie bat mich in einem der Zimmer Platz zu nehmen. Dann wurde ich mit einem Seil festgebunden. Nun war mir wirklich unbehaglich. Ich fragte mich was für ein Test das sein würde, besonders nachdem die Nachfrage kam wie gut ich mit Feuer umgehen könnte. Auf meinen Wissensstand hin geprüft antwortete ich wahrheitsgemäß damit, dass ich nichts von früher wusste. Was konnte man schon von einem damals etwa fünfjährigen erwarten …
Zuvor hatte sie schon mein Familienwappen erhalten. Doch das hätte ich auch irgendwann anders über unbekannte Wege erhalten können. Alle weiteren Details, die ich in Erfahrung bringen konnte reichten auch nicht aus. Der Test wurde vollzogen. Und in der Tat gefiel er mir keineswegs.
Verschnürt wie ich war sollte ich nun dieses angeblich magische Seil aktivieren, um damit meine Zugehörigkeit zur Familie zu beweisen. Irritation machte sich breit. Scheinbar war dies eines von den vielen Kleinigkeiten, die mein Vater selbst erschaffen hatte. Mit einigem spielten wir damals. Er hatte dafür ein Faible. Aber ja nicht nur dafür, wie wir wussten.
Aber wie zur Hölle sollte ich dieses mir unbekannte Objekt aktivieren? Dann spürte ich einen stechenden Schmerz. Foamwave war unlängst hinter mich getreten und stach nun mit einem Dolch in meinen Rücken. Das ging zu weit. Sie machten daraus eine zeitgebundene Aufgabe. Was für ein blödsinniger Test war das!? Ich hatte doch schon gesagt, dass ich nicht von früher wusste. Wieder ein Stich.
Ich versuchte mich zu konzentrieren und schlau aus alledem zu werden. Ich spürte die Magie in dem Seil. Wieder ein Stich. Ich versuchte mich an früher zu erinnern. Wieder ein Stich. Ich fragte verzweifelt nach dem Sinn. Wieder ein Stich. Mehr und mehr spürte ich die Wunden auf meinem Rücken. Es schien hoffnungslos.
Irgendwann kam tatsächlich eine Erinnerung hoch. Unsere „Spielzeuge“ wurden durch Namen aktiviert. Stonearch wurde hellhöriger, als ich dies von mir gab. Aber wenn das stimmte war es mir nicht möglich es zu aktivieren. Ich kannte meinem echten Namen nicht. Wieder ein Stich.
Sollte es so zu Ende gehen!? Hier vor meiner wiederentdeckten Familie und gleichermaßen von ihr dem Tod übergeben? Wieder ein Stich. Ein Gedanke kam auf. Bisher trugen sowohl mein Vater, wie auch meine Schwester einen Namen, der sich aus unseren Familiennamen zusammensetzte. Das war kein Zufall, oder doch? Wieder ein Stich.
Ich probierte allerlei Kombinationen aus. Keine Schien zufriedenstellend. Obgleich meine Mutter sichtbare Anzeichen dafür im Gesicht hatte, dass ich auf der richtigen Fährte war. Wieder ein Stich. Langsam fühlte ich mich schwächer und schwächer werden. Das Leben verließ mich mit jedem weiteren Stich ein Stück mehr. Das Blut rann an mir herunter. Wieder ein Stich. „Umgekommen bei einem dämlichen Ratespiel …“ ging es mir durch den Kopf.
Als ich schon begann das Bewusstsein zu verlieren gab ich eine letzte Kombination von mir: Waterfroth.
Plötzlich entzündete sich das Seil. Um mich herum loderten Flammen auf. Zu Anfang schienen sie mich noch nicht direkt zu tangieren. Dann aber spürte ich die Hitze und verlor schlussendlich das Bewusstsein über die einsetzenden Schmerzen …
Die nächste Erinnerung war, dass ich die Augen aufschlug und drei Personen um mich herum vernahm. Zu meiner Schwester und Mutter war nun auch ein Zwerg in einem sehr martialisch anmutenden Rollstuhl dazugekommen. Foamwave hatte mir Heilung zukommen lassen. Ich fühlte mich elend, aber die Wunden am Rücken waren zumindest wieder verschlossen. Nun brabbelte mich dieser Zwerg an. Als ich mich sachte aufrichtete und meinen Blick scharf stellte traute ich meinen Augen nicht. Es war wirklich Mad Dog Maddoc. Etwas kürzer als man ihn immer dargestellt hatte, da inzwischen seine Beine fehlten.
Mutter schaute deutlich sanfter drein. Meine Schwester war so kalt wie zuvor. Eine Form von Ava als meine Schwester. Das hätte auch besser laufen können. Derweil machte Maddoc klar, dass ich ja ganz offenbar Familienmitglied sei. Kaum des Stehens mächtig kam auch direkt die Frage, ob ich ein Schiff kommandieren konnte. Ich verneinte. Woraufhin er enttäuscht wirkte und meinte, dass Foamwave dann die nächste Runde wieder übernehmen müsste.
Ich erfuhr aber noch ein paar Dinge. So zum Beispiel, dass Maddoc dieses kriegerische Zusammentreffen als Bluff und Chance genutzt hatte. Er entledigte sich dabei Galfridius’ Herrschaft über Ailamere und verschwand selbst in den sagenumwobenen „Tod“. Von hier aus arbeitete er mit seiner Schwester zusammen. Sie hatte dabei die Position inne die Stadt Stück für Stück zu unterwandern und Galfridius’ Sohn Xanthiope, welcher den Thron danach bestieg, zu manipulieren.
Das Ganze wurde aus seiner Sicht nötig, da Galfridius’ Hass auf die Piraten zu groß geworden war. Selbst ein von Maddoc unterbreiteter Waffenstillstand wurde abgelehnt. Ich verstand durchaus wieso den Gesetzlosen kein Freifahrtschein erteilt wurde. Maddoc trug den Kommentar mit Fassung.
Auch wurde mir mitgeteilt, dass mein Vater Topwater unlängst das zeitliche gesegnet habe. Darüber war ich jetzt weniger unglücklich. Selbst Modoc hielt ihn für ein Monster. Obgleich ich mir nicht sicher war, dass es nicht auf beide zutraf.
Nachfragend zu den Ereignissen, die mich überhaupt als Kind in den Hafen von Ailamere führten hieß es, dass ich verloren ging bei der Schlacht. Offenbar versenkte Galfridius das Schiff auf dem ich war. Wie ich jedoch bis nach Ailamere kam ist unklar. Maddoc glaubte gar, dass seine Schwester damit zu tun gehabt habe. Warum sonst hätte ich für sie arbeiten müssen. Nur Leute, die ihr etwas schulden würden, wären an sie gebunden bis zur Abzahlung der Schuld. Doch das ergab nicht viel Sinn.
Wenn sie darin beteiligt war, dann hätte sie ja wissen müssen wer ich bin. Damit hätte sie bewusst eine Information vor meiner Mutter verborgen. Als besonders gnädig hatte ich sie auch nicht kennengelernt. Sie war skrupellos. Maddoc verteidigte diese Eigenschaft, da es nunmal dazugehöre die Kontrolle zu behalten.
Auf meine Nachfrage was es eigentlich mit diesem bescheidenen „Test“ auf sich hatte kam heraus, dass es wohl schon drei Personen vor mir gab, die probiert hatten sich als ihr Sohn auszugeben. Trotz allem wollte mir nicht so recht in den Kopf, dass sie auf diese Weise riskiert hatten ihren echten Sohn umzubringen. Mein Verständnis dafür hielt sich wahrlich in Grenzen.
Nunmehr hatte ich viel zu verdauen. Aber mir lag nicht viel daran mich weiter mit dem Piratenkönig zu unterhalten. Und Foamwave hatte mir gerade nicht genug Empathie. So bat ich meine Mutter zu einem privaten Gespräch. Sie hatte sich zuvor glücklich gezeigt tatsächlich ihren totgeglaubten Sohn wieder zu haben, so dass dem nichts im Wege stand.
So wirklich überzeugt von Narchessa zeigte sie sich aber dann im privaten Gespräch nicht. Sie sei ganz in Ordnung. Für mich hörte sich das ganz nach Zweifeln an. Meine gemachten Erfahrungen in Ailamere würden bei ihr vielleicht tauf offenere Ohren stoßen. Aber das wollte ich später noch einmal angehen.
Auf die Frage hin wie sie an Maddoc geriet wurde es noch einmal interessant. Nach der Flucht aus Cindercrest hörte Topwater von Ailamere und wie dort alles möglich sei. Nach seinem Fehlschlag wollte er hier erneut beginnen. Doch Mutter wollte nicht länger dabei zusehen, wie ihre Kinder gefährdet würden. So ersonnen sie einen Plan. Sie buchte einen Kurztrip und ließ an den richtigen Stellen der Stadt das Gerücht verlauten, dass sie viel Geld bei sich hätten. Tatsächlich sorgte dies dafür, dass sie während ihrer Schiffsreise von Piraten abgefangen wurden.
Unter ihnen befand sich Maddoc. Sie sorgte dann final dafür, dass Topwater über Bord ging. Maddoc selbst erledigte dies. Vermutlich war dies die einzig ehrenhafte Tat seines ganzen Lebens. Dieses Zusammentreffen war es auch, dass sie in Maddoc’s Arme trieb. Scheinbar war sie glücklich. Besser als zuvor war es allemal meinte sie.
Was Foamwave anging so war diese schon immer etwas Emotionskalt. Mutter vermutete, dass es etwas mit den „Behandlungen“ durch meinen Vater zu tun hatte. Sie zeigte sich aber froh darüber, dass ich wohl anders wäre. Scheinbar hatte ich diesbezüglich noch Glück gehabt. Wer weiß wie ich sonst auf den Straßen Ailamere’s agiert hätte. Und der Einfluss meines Ziehvaters war vermutlich auch nicht ohne Belang. Es freute sie auch zu hören, dass unsere Reisen in Logothil einem höheren Zweck dienten. Ich hielt es aber besser zunächst eher vage mit meinen Ausführungen zu sein, da nicht klar war was hier mit derlei Informationen über unsere Erlebnisse geschehen würde.
Nachdem nun so viele Dinge klargestellt werden konnten hätte ich mich wohl besser fühlen müssen. Aber es nagte schwer an mir in direkter Verbindung zu der Despotin im Untergrund zu stehen. Ich erkannte jedoch auch eine Sache dort direkt vor mir, die es lohnenswert gemacht hatte. Meine Mutter lebte. Mir dieses Faktes jetzt erst wirklich bewusst werdend konnte ich nunmehr auch meine Tränen nicht länger zurückhalten. Einen Schritt nach vorne machend folgte darauf eine Umarmung. Sie war wirklich real. Und offenbar war dies kein Verhalten, dass sie von ihrer Tochter gewohnt war, was sie im Gegenzug noch glücklicher stimmte. Ich umklammerte sie so fest, dass man hätte meinen können ich wollte nie mehr loslassen. In diesen Moment fühlte ich mich obgleich jeglicher fragwürdiger Umstände anders als je zuvor … das erste Mal in meinem Leben wirklich geborgen!
Sitzung 99
Ralkarion verschwand im Anschluss an unser Gespräch mit Krathus auf sein Zimmer, offenbar, um ihm ein paar Dinge beizubringen. Der Gehörnte schien seine „Vaterrolle” langsam anzunehmen, wenn auch widerwillig. Der Gedanke daran, wie dieses Gespräch verlaufen würde, entlockte mir ein Grinsen. Krathus hatte eine Art, das zu verstehen, was er verstehen wollte und wenngleich das bisweilen problematisch war, so war es in diesem Fall doch erheiternd.
Ich musste zugeben: Zu gern hätte ich Ralkarions hilflosen Gehversuchen als Vater gelauscht, doch ich hatte etwas anderes mit Garret zu besprechen. Mich umtrieb nach wie vor dieses … andere Ich. Die zweite Hälfte von mir? Ich wusste noch immer nicht, wie ich sie nennen sollte. Es hatte von ihrer Seite eine Kontaktaufnahme gegeben, soviel war klar. Und obgleich ich sie dafür hassen sollte, dass sie mich ein Jahrhundert eingesperrt hatte, fühlte ich mich im Gegenteil zu ihr hingezogen. Wenngleich unsere Situationen sich nicht unbedingt glichen, so hatte Garret ebenfalls ein anderes ich in sich, dass er zu kontaktieren versuchte. Darauf angesprochen, erklärte er mir seine Art der Meditation, mit der er es versuchte. Ich gab mir Mühe, aber es wollte nicht so recht klappen. Vielleicht mit mehr Übung?
So fanden uns Krathus und später Ralkarion wieder, Garret war mittlerweile eingeschlafen. Wie wir erfuhren, war Ralkarion noch einmal zu seiner Schwester gegangen und hatte ihr seine Identität offenbart und dabei einiges erfahren. Seine Schwester hatte offenbar ein gutes Verhältnis zu dieser Narchessa, nannte sie Tante. Was ihn zwar besorgte, aber auch seine Vorteile hatte, denn Foamwave hatte kurzerhand dafür gesorgt, dass sowohl er als auch sein Ziehvater sich nun frei in Ailamere bewegen konnten, schließlich gehörte er ja zur Familie, was Ralkarion allerdings nicht besonders zu gefallen schien, wo er diese Person doch so sehr hasste.
Der Tiefling schien heute seinen redseligen Abend, als nächstes wollte er ein Gespräch unter vier Augen mit mir führen. Da die anderen nichts dagegen hatten, war ich gewillt, mir anzuhören, was er zu sagen hatte, doch woher diese Angewohnheit kam, immer alles zu zweit besprechen zu wollen statt mit seinen Gefährten eine gemeinsamen Ansatz zu finden, wollte mir sich nicht so recht ergründen. Teile und herrsche? Nein … egal, was ich von ihm halten mochte, das war nicht seine Art.
Drüben angekommen holte der Tiefling eine Flasche Whiskey aus der Tasche. Diese Art von Gespräch also … dennoch, ich griff zu, selbst ohne Ralkarion hatte ich genug zu verarbeiten und ich konnte nicht wirklich behaupten, völlig von der Verwirrtheit des Tages befreit zu sein. Das Gespräch war lang, der Whiskey gut. Zwar bezweifelte ich, dass die Probleme ausgeräumt waren, aber zumindest konnten wir uns darauf verständigen, dass wir ein gemeinsames Ziel verfolgten, dass es wert war, zusammenzuarbeiten. Und er erwartete nicht, dass wir Freunde sein mussten, ebenfalls ein Erfolg. In Bezug auf die privaten Eskapaden hatte ich allerdings so meine Zweifel, dass wirklich etwas ankam, als er mir sagte, dass er es zu seiner Aufgabe machen würde, mir dabei zu helfen, Arina zu suchen. Innerlich stöhnte ich auf – er hatte offenbar nicht begriffen, dass das genau das war, was ich nicht wollte. Doch um des aufkommenden Friedens Willen hielt ich mich zurück und lehnte das Angebot lediglich entschieden ab. Die Nacht endete mit einer guten Menge an Whiskey, den ich allerdings erstaunlich gut vertrug.
Wie man am nächsten Morgen sah, hatte der Gehörnte damit mehr Schwierigkeiten, er war völlig verkatert. Nachdem Foamwave, die mittlerweile hinzugekommen war, ihm die Idee in den Kopf gesetzt hatte, bat er Krathus, ihn davon zu befreien. Sieh an, eine Person, die Einfluss auf ihn hatte. Krathus fragte ihn angesichts des eigentlich verständlichen Wunsches sichtlich irritiert, ob Ralkarion nicht die Konsequenzen seines Besäufnisses akzeptieren wollte. Vermutlich eine Nebenwirkung ihres Gesprächs von gestern, doch Ralkarion wollte davon nichts hören und so tat ihm ein verwirrter Krathus den Gefallen. Dann erlebte ich die erste große Überraschung des Tages.
Nachdem sie uns nach unseren Plänen fragte, plapperte der sonst so vorsichtige Ralkarion fröhlich aus dem Nähkästchen, ohne auf irgendwelche warnenden Blicke zu achten. Was dachte er sich dabei? Schwester hin oder her, er kannte diese Person nicht, wusste aber, dass sie eine gute Beziehung zu jemandem pflegte, den er abgrundtief hasste! Hatte sie ihn mit einem Bann belegt oder irgendwie unter ihr Kontrolle gebracht? Immerhin erfuhren wir so, dass sie bestens über die Teleportzirkel Bescheid wusste – und das ihre Mutter nur einen Teleport entfernt sei.
Und das war der Moment, in dem es wieder einmal aus dem Ruder lief. Trotz meiner Ansage des vorherigen Abends, trotz des Gesprächs, trotz allem wollte Ralkarion, dass wir jetzt erstmal zu seiner Mutter gingen. Mein Gegenargument, dass noch nie ein Teleport ins Unbekannte ohne Probleme geblieben war und sich unsere Pläne selten so entwickelten, wie wir das wollten, wischte er einfach beiseite. Es war ein Schlag in die Magengrube. Das Gespräch von gestern, war es nur eine Finte gewesen, um mich milde zu stimmen und er und Foamwave hatten es bereits geplant? Möglich wäre es, Ralkarion hatte ein Faible dafür, Pläne erst zu offenbaren, wenn sie bereits Gestalt angenommen hatten. Mir entging auch nicht, dass er bei dem Vorschlag vor allem mich ansah. Ich spürte erneut Wut in mir aufsteigen, doch sie machte schnell einer tiefen Resignation Platz. Immerhin hatte er sich diesmal nicht einfach in der Nacht aus dem Staub gemacht. Also schön, Gehörnter, mach dein Ding, ich werde darauf keine Rücksicht mehr nehmen. Und so sagte ich ihm, dass wenn er dorthin gehen würde, er es ohne mich tun würde und ich auch nicht auf ihn warten würde.
Nachdem er dennoch fest entschlossen war, begann ich eine Sachen zu packen, Krathus wollte mich offenbar begleiten. Irgendwie schien der Kobold einen Narren an mir gefressen zu haben, warum, wusste ich selber nicht. Garret schien deutlich unentschlossener zu sein. Gut, wenn er Ralkarion begleitete, standen die Chancen besser, dass Ralkarion lebend wiederkam, wenn etwas schiefgehen würde. Auch wenn sich Ralkarion mehr und mehr als unzuverlässig erwies, so war er noch immer unsere beste Chance, etwas gegen die Nexi zu tun. Doch zu allem Übel redete ihm Ralkarion ein, dass er uns zu Mundi begleiten müsse. Natürlich wäre Garret hilfreich, aber ich hatte diesbezüglich bereits eine andere Idee gehabt, die mir irgendwie gefiel.
Noch bevor wir uns auf den Weg nach unten machen konnten, wartete Foamwave mit einer weiteren Überraschung auf. Kurzerhand rief sie Belaxarim herbei, die sich bereit erklärte, uns auf ihrem Rücken nach Ailamere zu tragen – in gerade mal einer Stunde. Ich muss sagen, die Aussicht, auf einem Drachen zu reiten, hatte etwas für sich und so stiegen wir auf. Unterwegs erläuterte ich, dass ich vorhatte, bei der Rückkehr nach Zoica sofort zu Mundi weiterzureisen. Ral versuchte noch einmal, mich davon zu überzeugen, doch zu warten, aber nun war ich es, die seine Einwände ignorierte. Ich hatte stattdessen vor, Arem um Unterstützung zu ersuchen, auch er hatte schon mit den Untoten zu tun gehabt, dass sollte zum Vorteil gereichen.
Nach der etwas pompösen Landung, die Foamwave für ein Werbespektakel nutzte und Garret dazu, sich sein Essen nochmal durch den Kopf gehen zu lassen, gingen wir zu Modron und dem Teleportzirkel. Foamwave war dort ein gern gesehener Gast und auf Nennung eines Passwortes ließ man uns einfach herein. Foamwave und Ralkarion waren noch einmal losgegangen, um seinen Ziehvater abzuholen, er sollte mitkommen, auch wenn mir nicht einleuchtete, warum – hier drohte ihm offenbar keine Gefahr mehr. Aber wo wir ohnehin nach Zoica zurückkehrten, gab es auch keinen Grund, ihm das zu verwehren. Unten angekommen, stellte ich Garret ein letztes Mal vor die Wahl, ob er doch mit dem Tiefling gehen wolle, doch Ralkarion überzeugte ihn, mit uns mitzugehen. So sei es denn, Gehörnter, hoffen wir mal, dass der Trip wirklich so ereignislos läuft, wie du dir das vorstellst. Auch wenn diese Naivität nicht so recht zu dir passen will.
Der Teleport nach Zoica verlief recht ereignislos, wenn man von einem Fehltritt Garrets absah und wir machten uns mit Jashier im Geleit auf den Weg zum Compound. Ein Teil von mir freute sich tatsächlich darauf, Arem wiederzusehen, den Grund dafür vermochte ich nicht so recht zu benennen. Ich hatte ihn nur kurz kennengelernt, doch wirkte er wie jemand, der die Pflicht über das Persönliche stellte, was ihn nach den letzten Tagen mit Ralkarion zu einer willkommenen Abwechslung machte. Zu unserem Glück willigte er sehr bereitwillig ein, er müsse lediglich der Herrscherin (dafür verfluche ich dich, Garret) Bescheid geben. An der jammernden Wache vorbei betraten wir das Gewölbe vom letzten Mal, dass Posetines Hort werden sollte. Ich konnte meine Abscheu kaum unterdrücken … ein Thron war gebaut worden, die ersten Goldverzierungen bereits angebracht. Von all den notwendigen Dingen, die man damit hätte tun können, war dies das mit Sicherheit am wenigsten produktive. Arem sah dies offenbar ähnlich, doch ihm waren die Hände gebunden. Krathus hingegen nahm ein Angebot von Posetine dankend an und riss sich etwas Gold der Stadt unter den Nagel. Wenigstens darüber war ich nicht überrascht. Nach diesem unerfreulichen Ereignis holten wir uns Pferde aus den Stallungen und machten uns auf dem Weg zu Mundi.
Unterwegs klärte ich Arem über alles auf, was seit unserer Abreise nach Cindercrest geschehen war und stellte im Gegenzug ein paar Fragen. Mir war aufgefallen, dass ich fast nichts über diesen Mann wusste – das musste sich ändern, wenn wir öfter mit ihm zu tun hätten. So erzählte er, dass er aus einem Ort namens Szindazar unweit von Cindercrest komme, in der seine Art lebte. Und dann wurde es richtig interessant … offenbar hatten sie sich einem Wesen verschrieben, Szindaresh, und wurden von ihm mit Macht versorgt. Diese Macht nutzten sie, um in der Welt Unrecht auszumerzen und damit wiederum Szindaresh zu stärken. Interessanter oder beunruhigender war jedoch der Grund dafür: Szindaresh kämpfte offenbar auf einer anderen Ebene, dem Dreaming Dark, gegen dunkle Wesen. Auf meine Frage hin, ob diese genau wie Szindaresh auf diese Ebene Einfluss nehmen würden, sagte er nur vage, dass sie theoretisch nichts davon abhielt. Beunruhigend, es gab schon genug Gefahren. Vielleicht sollte ich mir das einmal ansehen.
Ehrlicherweise muss ich sagen, dass dieser Gedanke nicht ganz eigennützig war. Arem hatte darüber hinaus erwähnt, dass er wohl in der Lage wäre, über Träume oder ähnlich (ganz verstand ich es nicht) mit anderen Ebenen in Kontakt zu treten. Nachdem Garrets Meditation erfolglos verlaufen war – vielleicht konnte er mir bei meinem Problem helfen? Es war nur ein Nebengedanke, wichtiger war die Evaluation der Gefahr durch die Wesen aus dem Dreaming Dark, aber er war hartnäckig. Gerne hätte ich es schon in dieser Nacht ausprobiert, ob es helfen könnte, doch wir waren an den Ausläufern des Untotengebiets angelangt und wenngleich wir niemanden sahen, so fühlten wir doch, dass wir unter ständiger Beobachtung stünden. Unter solchen Bedingungen würde es warten müssen.
Nach einer unruhigen Nacht ritten wir weiter und kamen kurz darauf auf ein Skelettpferd zu, dass auf dem Weg stand. Merkwürdig, sicher, aber immerhin waren wir im Land der Untoten, was war da schon normal. Überraschender war, als uns eine Stimme vom Rücken des Pferdes begrüßte und nach unserem Anliegen befragte. Als wir es nannten, rief der Unsichtbare einen untoten Raben zu sich und ließ aus dem Sand zwei untote Spinnen samt Reiter auftauchen, die unserem Blick entgangen waren. Ich spannte mich innerlich an, doch zu unserem Glück eskortierten sie uns lediglich direkt zur Dreadspire und Mundi – wohin wir ohnehin wollten. Ein beeindruckender Turm, keine Frage, wenn er auch früher eindeutig höher gewesen war.
Wir ließen die Pferde zurück und folgten dem Reiter die Kette hinauf, wo uns tatsächlich Mundi höchstpersönlich erwartete. Wie sich im weiteren Verlauf herausstellte, hatte er einen Narren an Garret gefressen dafür, dass er ihn wiederbelebt hatte. Nach einem kurzen Vorgeplänkel um Gebiete und Territorialansprüche von unterseeischen Hexen kamen wir zur Sache und berichteten von dem Willen seines Bruders, Frieden zu schließen. Mundi wirkte allerdings eher unbeeindruckt, Mundo habe doch nur Angst, da er hohe Verluste erlitten habe. Auf die Frage, wovor, ließ er mich emporsteigen und zeigte mir seine Armee. Gut. Damit hatten wir einen ungefähren Eindruck von seiner Truppenstärke. Immerhin bestätigte er, dass Zoica nach dem Abzug der Hextor für ihn nicht mehr von Interesse sei – und offerierte seinerseits, mit seinen Untoten für die Verteidigung der Stadt zu sorgen. Garret war allerdings durch seine Erfahrung vorsichtiger geworden und lehnte das Angebot ab, ließ sich aber dennoch das Mal der Hextor entfernen – meiner Meinung nach ein kluger Schachzug. Überhaupt legte Garret bei diesem Gespräch ein erstaunliches Verhandlungsgeschick an den Tag, was mir durchaus Respekt abnötigte. Durch Garrets Vorlagen schaffte ich es, Mundi zur Einwilligung in eine vorübergehende Waffenruhe zwischen den Brüdern zu bringen, die sogar in einem gegenseitigen Frieden enden würde, wenn wir Mundi Lia zurückbrächten. Gesetzt den Fall natürlich, dass sich beide Brüder an das hielten, was sie versprachen, wovon ich nicht vollends überzeugt war. Die Verhandlungen zur Waffenruhe wurden erschwert durch Mundis Durst nach Rache an Lia und Mundo, jedoch auch dadurch erleichtert, dass Mundis Reich im Norden von einem wiederauferstandenen Sardak-Imperium bedroht wurde – Garrets Freund Harkis schien diesbezüglich ganze Arbeit geleistet zu haben. Mir sollte es Recht sein, es stellte sicher, dass die Untoten sich auch bei einer Waffenruhe nicht zu sehr ausbreiten würden und die Hextor fanden offenbar ohnehin ständig jemanden, mit dem sie Krieg führten. Lia zurückbringen dürfte allerdings keine leichte Aufgabe werden – Mundis Aussagen ließen erkennen, dass die Ehe der beiden nicht unbedingt von Liebe und gegenseitigem Respekt und Vertrauen gekennzeichnet war. Doch wenn das Wohlergehen einer einzigen Person geopfert werden musste, um das Land zu befrieden und möglicherweise sogar eine schlagfertige Allianz gegen den Roten auf den Weg zu bringen (auch wenn das eine noch weit entfernte Möglichkeit war), dann war es das wert. Der Gehörnte hätte sicher widersprochen, was mich dankbar sein ließ, dass er nicht hier war. Es machte die Dinge leichter.
Problematisch war allerdings, dass Mundi erkennen ließ, dass er nicht ewig auf die Auslieferung von Lia warten würde, was meinen Vorhaben kollidierte, die Gefahr aus Arems Erzählungen zu evaluieren, doch auch diesbezüglich gab es vielleicht eine Möglichkeit …