• Freitag, 31. Januar 2025 05:52

Sitzung 99

Tueddelig
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Ralkarion verschwand im Anschluss an unser Gespräch mit Krathus auf sein Zimmer, offenbar, um ihm ein paar Dinge beizubringen. Der Gehörnte schien seine „Vaterrolle” langsam anzunehmen, wenn auch widerwillig. Der Gedanke daran, wie dieses Gespräch verlaufen würde, entlockte mir ein Grinsen. Krathus hatte eine Art, das zu verstehen, was er verstehen wollte und wenngleich das bisweilen problematisch war, so war es in diesem Fall doch erheiternd.

Ich musste zugeben: Zu gern hätte ich Ralkarions hilflosen Gehversuchen als Vater gelauscht, doch ich hatte etwas anderes mit Garret zu besprechen. Mich umtrieb nach wie vor dieses … andere Ich. Die zweite Hälfte von mir? Ich wusste noch immer nicht, wie ich sie nennen sollte. Es hatte von ihrer Seite eine Kontaktaufnahme gegeben, soviel war klar. Und obgleich ich sie dafür hassen sollte, dass sie mich ein Jahrhundert eingesperrt hatte, fühlte ich mich im Gegenteil zu ihr hingezogen. Wenngleich unsere Situationen sich nicht unbedingt glichen, so hatte Garret ebenfalls ein anderes ich in sich, dass er zu kontaktieren versuchte. Darauf angesprochen, erklärte er mir seine Art der Meditation, mit der er es versuchte. Ich gab mir Mühe, aber es wollte nicht so recht klappen. Vielleicht mit mehr Übung?

So fanden uns Krathus und später Ralkarion wieder, Garret war mittlerweile eingeschlafen. Wie wir erfuhren, war Ralkarion noch einmal zu seiner Schwester gegangen und hatte ihr seine Identität offenbart und dabei einiges erfahren. Seine Schwester hatte offenbar ein gutes Verhältnis zu dieser Narchessa, nannte sie Tante. Was ihn zwar besorgte, aber auch seine Vorteile hatte, denn Foamwave hatte kurzerhand dafür gesorgt, dass sowohl er als auch sein Ziehvater sich nun frei in Ailamere bewegen konnten, schließlich gehörte er ja zur Familie, was Ralkarion allerdings nicht besonders zu gefallen schien, wo er diese Person doch so sehr hasste.

Der Tiefling schien heute seinen redseligen Abend, als nächstes wollte er ein Gespräch unter vier Augen mit mir führen. Da die anderen nichts dagegen hatten, war ich gewillt, mir anzuhören, was er zu sagen hatte, doch woher diese Angewohnheit kam, immer alles zu zweit besprechen zu wollen statt mit seinen Gefährten eine gemeinsamen Ansatz zu finden, wollte mir sich nicht so recht ergründen. Teile und herrsche? Nein … egal, was ich von ihm halten mochte, das war nicht seine Art.

Drüben angekommen holte der Tiefling eine Flasche Whiskey aus der Tasche. Diese Art von Gespräch also … dennoch, ich griff zu, selbst ohne Ralkarion hatte ich genug zu verarbeiten und ich konnte nicht wirklich behaupten, völlig von der Verwirrtheit des Tages befreit zu sein. Das Gespräch war lang, der Whiskey gut. Zwar bezweifelte ich, dass die Probleme ausgeräumt waren, aber zumindest konnten wir uns darauf verständigen, dass wir ein gemeinsames Ziel verfolgten, dass es wert war, zusammenzuarbeiten. Und er erwartete nicht, dass wir Freunde sein mussten, ebenfalls ein Erfolg. In Bezug auf die privaten Eskapaden hatte ich allerdings so meine Zweifel, dass wirklich etwas ankam, als er mir sagte, dass er es zu seiner Aufgabe machen würde, mir dabei zu helfen, Arina zu suchen. Innerlich stöhnte ich auf – er hatte offenbar nicht begriffen, dass das genau das war, was ich nicht wollte. Doch um des aufkommenden Friedens Willen hielt ich mich zurück und lehnte das Angebot lediglich entschieden ab. Die Nacht endete mit einer guten Menge an Whiskey, den ich allerdings erstaunlich gut vertrug.

Wie man am nächsten Morgen sah, hatte der Gehörnte damit mehr Schwierigkeiten, er war völlig verkatert. Nachdem Foamwave, die mittlerweile hinzugekommen war, ihm die Idee in den Kopf gesetzt hatte, bat er Krathus, ihn davon zu befreien. Sieh an, eine Person, die Einfluss auf ihn hatte. Krathus fragte ihn angesichts des eigentlich verständlichen Wunsches sichtlich irritiert, ob Ralkarion nicht die Konsequenzen seines Besäufnisses akzeptieren wollte. Vermutlich eine Nebenwirkung ihres Gesprächs von gestern, doch Ralkarion wollte davon nichts hören und so tat ihm ein verwirrter Krathus den Gefallen. Dann erlebte ich die erste große Überraschung des Tages.

Nachdem sie uns nach unseren Plänen fragte, plapperte der sonst so vorsichtige Ralkarion fröhlich aus dem Nähkästchen, ohne auf irgendwelche warnenden Blicke zu achten. Was dachte er sich dabei? Schwester hin oder her, er kannte diese Person nicht, wusste aber, dass sie eine gute Beziehung zu jemandem pflegte, den er abgrundtief hasste! Hatte sie ihn mit einem Bann belegt oder irgendwie unter ihr Kontrolle gebracht? Immerhin erfuhren wir so, dass sie bestens über die Teleportzirkel Bescheid wusste – und das ihre Mutter nur einen Teleport entfernt sei.

Und das war der Moment, in dem es wieder einmal aus dem Ruder lief. Trotz meiner Ansage des vorherigen Abends, trotz des Gesprächs, trotz allem wollte Ralkarion, dass wir jetzt erstmal zu seiner Mutter gingen. Mein Gegenargument, dass noch nie ein Teleport ins Unbekannte ohne Probleme geblieben war und sich unsere Pläne selten so entwickelten, wie wir das wollten, wischte er einfach beiseite. Es war ein Schlag in die Magengrube. Das Gespräch von gestern, war es nur eine Finte gewesen, um mich milde zu stimmen und er und Foamwave hatten es bereits geplant? Möglich wäre es, Ralkarion hatte ein Faible dafür, Pläne erst zu offenbaren, wenn sie bereits Gestalt angenommen hatten. Mir entging auch nicht, dass er bei dem Vorschlag vor allem mich ansah. Ich spürte erneut Wut in mir aufsteigen, doch sie machte schnell einer tiefen Resignation Platz. Immerhin hatte er sich diesmal nicht einfach in der Nacht aus dem Staub gemacht. Also schön, Gehörnter, mach dein Ding, ich werde darauf keine Rücksicht mehr nehmen. Und so sagte ich ihm, dass wenn er dorthin gehen würde, er es ohne mich tun würde und ich auch nicht auf ihn warten würde.

Nachdem er dennoch fest entschlossen war, begann ich eine Sachen zu packen, Krathus wollte mich offenbar begleiten. Irgendwie schien der Kobold einen Narren an mir gefressen zu haben, warum, wusste ich selber nicht. Garret schien deutlich unentschlossener zu sein. Gut, wenn er Ralkarion begleitete, standen die Chancen besser, dass Ralkarion lebend wiederkam, wenn etwas schiefgehen würde. Auch wenn sich Ralkarion mehr und mehr als unzuverlässig erwies, so war er noch immer unsere beste Chance, etwas gegen die Nexi zu tun. Doch zu allem Übel redete ihm Ralkarion ein, dass er uns zu Mundi begleiten müsse. Natürlich wäre Garret hilfreich, aber ich hatte diesbezüglich bereits eine andere Idee gehabt, die mir irgendwie gefiel.

Noch bevor wir uns auf den Weg nach unten machen konnten, wartete Foamwave mit einer weiteren Überraschung auf. Kurzerhand rief sie Belaxarim herbei, die sich bereit erklärte, uns auf ihrem Rücken nach Ailamere zu tragen – in gerade mal einer Stunde. Ich muss sagen, die Aussicht, auf einem Drachen zu reiten, hatte etwas für sich und so stiegen wir auf. Unterwegs erläuterte ich, dass ich vorhatte, bei der Rückkehr nach Zoica sofort zu Mundi weiterzureisen. Ral versuchte noch einmal, mich davon zu überzeugen, doch zu warten, aber nun war ich es, die seine Einwände ignorierte. Ich hatte stattdessen vor, Arem um Unterstützung zu ersuchen, auch er hatte schon mit den Untoten zu tun gehabt, dass sollte zum Vorteil gereichen.

Nach der etwas pompösen Landung, die Foamwave für ein Werbespektakel nutzte und Garret dazu, sich sein Essen nochmal durch den Kopf gehen zu lassen, gingen wir zu Modron und dem Teleportzirkel. Foamwave war dort ein gern gesehener Gast und auf Nennung eines Passwortes ließ man uns einfach herein. Foamwave und Ralkarion waren noch einmal losgegangen, um seinen Ziehvater abzuholen, er sollte mitkommen, auch wenn mir nicht einleuchtete, warum – hier drohte ihm offenbar keine Gefahr mehr. Aber wo wir ohnehin nach Zoica zurückkehrten, gab es auch keinen Grund, ihm das zu verwehren. Unten angekommen, stellte ich Garret ein letztes Mal vor die Wahl, ob er doch mit dem Tiefling gehen wolle, doch Ralkarion überzeugte ihn, mit uns mitzugehen. So sei es denn, Gehörnter, hoffen wir mal, dass der Trip wirklich so ereignislos läuft, wie du dir das vorstellst. Auch wenn diese Naivität nicht so recht zu dir passen will.

Der Teleport nach Zoica verlief recht ereignislos, wenn man von einem Fehltritt Garrets absah und wir machten uns mit Jashier im Geleit auf den Weg zum Compound. Ein Teil von mir freute sich tatsächlich darauf, Arem wiederzusehen, den Grund dafür vermochte ich nicht so recht zu benennen. Ich hatte ihn nur kurz kennengelernt, doch wirkte er wie jemand, der die Pflicht über das Persönliche stellte, was ihn nach den letzten Tagen mit Ralkarion zu einer willkommenen Abwechslung machte. Zu unserem Glück willigte er sehr bereitwillig ein, er müsse lediglich der Herrscherin (dafür verfluche ich dich, Garret) Bescheid geben. An der jammernden Wache vorbei betraten wir das Gewölbe vom letzten Mal, dass Posetines Hort werden sollte. Ich konnte meine Abscheu kaum unterdrücken … ein Thron war gebaut worden, die ersten Goldverzierungen bereits angebracht. Von all den notwendigen Dingen, die man damit hätte tun können, war dies das mit Sicherheit am wenigsten produktive. Arem sah dies offenbar ähnlich, doch ihm waren die Hände gebunden. Krathus hingegen nahm ein Angebot von Posetine dankend an und riss sich etwas Gold der Stadt unter den Nagel. Wenigstens darüber war ich nicht überrascht. Nach diesem unerfreulichen Ereignis holten wir uns Pferde aus den Stallungen und machten uns auf dem Weg zu Mundi.

Unterwegs klärte ich Arem über alles auf, was seit unserer Abreise nach Cindercrest geschehen war und stellte im Gegenzug ein paar Fragen. Mir war aufgefallen, dass ich fast nichts über diesen Mann wusste – das musste sich ändern, wenn wir öfter mit ihm zu tun hätten. So erzählte er, dass er aus einem Ort namens Szindazar unweit von Cindercrest komme, in der seine Art lebte. Und dann wurde es richtig interessant … offenbar hatten sie sich einem Wesen verschrieben, Szindaresh, und wurden von ihm mit Macht versorgt. Diese Macht nutzten sie, um in der Welt Unrecht auszumerzen und damit wiederum Szindaresh zu stärken. Interessanter oder beunruhigender war jedoch der Grund dafür: Szindaresh kämpfte offenbar auf einer anderen Ebene, dem Dreaming Dark, gegen dunkle Wesen. Auf meine Frage hin, ob diese genau wie Szindaresh auf diese Ebene Einfluss nehmen würden, sagte er nur vage, dass sie theoretisch nichts davon abhielt. Beunruhigend, es gab schon genug Gefahren. Vielleicht sollte ich mir das einmal ansehen.

Ehrlicherweise muss ich sagen, dass dieser Gedanke nicht ganz eigennützig war. Arem hatte darüber hinaus erwähnt, dass er wohl in der Lage wäre, über Träume oder ähnlich (ganz verstand ich es nicht) mit anderen Ebenen in Kontakt zu treten. Nachdem Garrets Meditation erfolglos verlaufen war – vielleicht konnte er mir bei meinem Problem helfen? Es war nur ein Nebengedanke, wichtiger war die Evaluation der Gefahr durch die Wesen aus dem Dreaming Dark, aber er war hartnäckig. Gerne hätte ich es schon in dieser Nacht ausprobiert, ob es helfen könnte, doch wir waren an den Ausläufern des Untotengebiets angelangt und wenngleich wir niemanden sahen, so fühlten wir doch, dass wir unter ständiger Beobachtung stünden. Unter solchen Bedingungen würde es warten müssen.

Nach einer unruhigen Nacht ritten wir weiter und kamen kurz darauf auf ein Skelettpferd zu, dass auf dem Weg stand. Merkwürdig, sicher, aber immerhin waren wir im Land der Untoten, was war da schon normal. Überraschender war, als uns eine Stimme vom Rücken des Pferdes begrüßte und nach unserem Anliegen befragte. Als wir es nannten, rief der Unsichtbare einen untoten Raben zu sich und ließ aus dem Sand zwei untote Spinnen samt Reiter auftauchen, die unserem Blick entgangen waren. Ich spannte mich innerlich an, doch zu unserem Glück eskortierten sie uns lediglich direkt zur Dreadspire und Mundi – wohin wir ohnehin wollten. Ein beeindruckender Turm, keine Frage, wenn er auch früher eindeutig höher gewesen war.

Wir ließen die Pferde zurück und folgten dem Reiter die Kette hinauf, wo uns tatsächlich Mundi höchstpersönlich erwartete. Wie sich im weiteren Verlauf herausstellte, hatte er einen Narren an Garret gefressen dafür, dass er ihn wiederbelebt hatte. Nach einem kurzen Vorgeplänkel um Gebiete und Territorialansprüche von unterseeischen Hexen kamen wir zur Sache und berichteten von dem Willen seines Bruders, Frieden zu schließen. Mundi wirkte allerdings eher unbeeindruckt, Mundo habe doch nur Angst, da er hohe Verluste erlitten habe. Auf die Frage, wovor, ließ er mich emporsteigen und zeigte mir seine Armee. Gut. Damit hatten wir einen ungefähren Eindruck von seiner Truppenstärke. Immerhin bestätigte er, dass Zoica nach dem Abzug der Hextor für ihn nicht mehr von Interesse sei – und offerierte seinerseits, mit seinen Untoten für die Verteidigung der Stadt zu sorgen. Garret war allerdings durch seine Erfahrung vorsichtiger geworden und lehnte das Angebot ab, ließ sich aber dennoch das Mal der Hextor entfernen – meiner Meinung nach ein kluger Schachzug. Überhaupt legte Garret bei diesem Gespräch ein erstaunliches Verhandlungsgeschick an den Tag, was mir durchaus Respekt abnötigte. Durch Garrets Vorlagen schaffte ich es, Mundi zur Einwilligung in eine vorübergehende Waffenruhe zwischen den Brüdern zu bringen, die sogar in einem gegenseitigen Frieden enden würde, wenn wir Mundi Lia zurückbrächten. Gesetzt den Fall natürlich, dass sich beide Brüder an das hielten, was sie versprachen, wovon ich nicht vollends überzeugt war. Die Verhandlungen zur Waffenruhe wurden erschwert durch Mundis Durst nach Rache an Lia und Mundo, jedoch auch dadurch erleichtert, dass Mundis Reich im Norden von einem wiederauferstandenen Sardak-Imperium bedroht wurde – Garrets Freund Harkis schien diesbezüglich ganze Arbeit geleistet zu haben. Mir sollte es Recht sein, es stellte sicher, dass die Untoten sich auch bei einer Waffenruhe nicht zu sehr ausbreiten würden und die Hextor fanden offenbar ohnehin ständig jemanden, mit dem sie Krieg führten. Lia zurückbringen dürfte allerdings keine leichte Aufgabe werden – Mundis Aussagen ließen erkennen, dass die Ehe der beiden nicht unbedingt von Liebe und gegenseitigem Respekt und Vertrauen gekennzeichnet war. Doch wenn das Wohlergehen einer einzigen Person geopfert werden musste, um das Land zu befrieden und möglicherweise sogar eine schlagfertige Allianz gegen den Roten auf den Weg zu bringen (auch wenn das eine noch weit entfernte Möglichkeit war), dann war es das wert. Der Gehörnte hätte sicher widersprochen, was mich dankbar sein ließ, dass er nicht hier war. Es machte die Dinge leichter.

Problematisch war allerdings, dass Mundi erkennen ließ, dass er nicht ewig auf die Auslieferung von Lia warten würde, was meinen Vorhaben kollidierte, die Gefahr aus Arems Erzählungen zu evaluieren, doch auch diesbezüglich gab es vielleicht eine Möglichkeit …