Tagebücher
Die Tagebucheinträge sind nach der Gesamtzahl der Sitzungen beider Gruppen strukturiert. Jedes Buch erzählt eine durchgehende Geschichte aus der jeweiligen Sichtweise des Charakters, der es geschrieben hat.
Gemeinsam ergeben diese Bücher die Zusammenfassung aller Ereignisse der Kampagne.
Sitzung 93
Fin und ich gingen ins Nebenzimmer, um etwas Ruhe zu haben. Das hier würde ohnehin schwierig werden, ich brauchte alle Konzentration, die ich bekommen konnte – schließlich hatte ich so etwas noch nie selbst durchgeführt, nur erfahren. Doch niemand hatte jemals etwas gelernt, ohne es zu versuchen und es war nicht gefährlich für ihn. Dennoch fühlte ich mich verpflichtet, ihm all dies vorher mitzuteilen. Er sollte wissen, worauf er sich einließ. Doch die Aussicht, jemanden aus seiner Crew wiederzufinden, war für ihn genug. Ich bat ihn, mir jemanden davon zu beschreiben und er beschrieb eine Gefährtin von einst. Natürlich wäre es einfacher gewesen, wenn ich sie gekannt hatte, aber ein solcher Zufall kam uns nicht zu Hilfe – die Großzügigkeit der vættr hatte Grenzen. So wies ich ihn an, sich hinzusetzen und trat hinter ihn, beugte mich hinab, griff an seine Schulter und sprach die Worte.
Einen kurzen Moment dachte ich, es hätte funktioniert. Ich spürte, wie seine Gedanken seinem Körper entfleuchten, doch nur für einen Augenblick. Ich war ein wenig enttäuscht, doch es wäre naiv gewesen, dass es sofort funktionieren würde. Ich nahm meine Hände von seiner Schulter und bat ihn um Verzeihung, doch Fin schien nicht enttäuscht. Im Gegenteil schien er froh, denn er hatte in diesem kurzen Moment, in dem er seinen Körper verlassen hatte, zumindest eine Richtung bekommen, in der sie war – nicht weit von hier, westlich. Ich kannte mich hier nicht besonders gut aus, aber vielleicht würden die anderen weiterhelfen können?
Als wir zurückkehrten, waren sie tief versunken in Besprechungen, wie der Wunsch genau formuliert werden musste. Ich hielt mich größtenteils zurück, da ich von solchen Dingen nicht viel verstand und darüber hinaus die Geschichte der Gruppe nicht kannte, doch ich war gerührt von ihrem Ansinnen, einer Familie zurückzugeben, was sie verloren hatte. Erst, als die Gespräche sich im Kreis zu drehen begannen, schlug ich vor, die Nachtruhe anzutreten – es würde ein ereignisreicher Tag werden. Es war besser, solche Tage gut ausgeschlafen zu beginnen. Sie stimmten zu, zuvor jedoch sprach Fin noch von seiner Ahnung. Wie erhofft, hatten die anderen eine Idee, wo es sein könnte – Road’s End, eine kleine Stadt auf der anderen Seite des Meeres. Es folgten noch ein paar weitere Privatgespräche, in dem ich mir leider einen Patzer erlaubte – ich hatte Layara ein Geschenk gemacht und sie direkt auf ihren eher fragilen Körper angesprochen, was sie offenbar hart traf. Das hatte nicht in meiner Absicht gelegen, ich hatte wieder einmal vergessen, wie die Leute hier um Angelegenheiten herumtanzten. So drückte ich ihr lediglich die kleine Bärenfigur aus Holz in die Hand und verschwand mit einem schuldbewussten Gewissen in mein Zimmer.
Die Ruhe währte jedoch nicht lange. Fin weckte mich schon kurze Zeit später, gemeinsam mit Beatrix und wir versammelten uns in meinem Zimmer. Beatrix hatte berichtet, dass einer ihrer „Mörder”, ein Zwerg namens Grimmalk, angekommen war. Das dies kein Zufall war, erschien mir eindeutig – es gab keine solchen Zufälle. Doch was es bedeuten mochte, darin war ich ebenso ratlos wie die anderen. Doch da sie und insbesondere Beatrix sehr nervös waren, bot ich an, ihnen zumindest für die Nacht Sicherheit zu geben. Ich stellte meinen gandr in die Mitte des Raums, der sich daraufhin in das vertraute Zelt verwandelte. Ich konnte nicht anders als mich zu Hause zu fühlen … diese beengten, gemauerten Räume behagten mir nicht, von den kleinen und viel zu weichen Betten ganz zu schweigen. Hier konnte ich mich wenigstens für diese Nacht der Illusion hingeben, draußen zu sein. Zufrieden rollte ich meinen Schlafsack aus, wies Kendra ihren Schlafplatz zu und schlief ein.
Am nächsten morgen ging ich zunächst mit Fin hinunter in den Frühstücksraum. Zwar würden wir alle an der Tour teilnehmen, doch da er und ich noch nicht offiziell mit der Gruppe in Verbindung gebracht worden waren und wir nicht wussten, was dieser Grimmalk vorhatte, erschien es klug, diese Erscheinung aufrecht zu erhalten. Auf der Tour erwartete uns dann eine weitere Überraschung – nach einer kurzen Einleitung und Vorstellung der Ailamere Drei entpuppte sich eine der Statuen als der lebende Grimmalk, der heute die Tour führen wurde. Ein Fakt, der insbesondere Beatrix, die hinter uns her räumte, sehr nervös machte. Ein Bild fügte sich zusammen. Grimmalk war eine jener Personen, die gerne übertrieb, das war sofort zu merken. Seine Geschichten von hunderten Kobolden, die sie heroisch bekämpft hätten. waren erlogen, doch sie machten die Geschichte zumindest interessanter und ich war solcherart Übertreibung von meinem Bruder gewohnt. Ich vermisste ihn. Die Tour selbst hingegen war eher enttäuschend. Pappfiguren und ungefährliche Konstrukte sorgten nicht gerade dafür, die Bedrohung eines Drachenhorts adäquat darzustellen, selbst der simulierte Drachenatem, der mich traf, war eher ein warmes Lüftchen und hätte mich offenbar nichtmal treffen sollen. Sicher, hier kamen auch Kinder durch, aber hätte man nicht eine Version für Erwachsene ersinnen können? Oder vergaß ich gerade nur wieder, dass die Leute hier für gewöhnlich deutlich weicher waren als in meiner Heimat und ich tat ihnen unrecht?
Schließlich erreichten wir den eigentlichen Hort. Nach einem kurzen Rundgang, bei dem ich nicht umhin kam zu bemerken, dass Layara sich die Tasche mit Schokoladentalern vollstopfte, sicher als Folge meines Kommentars von gestern, war die Tour vorbei und die anderen Teilnehmer verließen den Hort. Der Zwerg blieb, natürlich. Doch anders, als ich befürchtet hatte, war er nicht dort, um uns in unserem Vorhaben zu behindern, sondern eine Einladung von Narchessa auszusprechen – oder einer anderen Partei, die im Namen Narchessas handelte. Der Bezwinger eines dreki als Botenjunge … Narchessa musste tatsächlich Macht besitzen.
Nachdem auch er gegangen war, war es Zeit. Der Wunsch wurde gesprochen und tatsächlich verwandelte sich der Kobold Beatrix wieder zurück in den dreki Belaxarim, doch irgendetwas anderes ging schief – Layara fiel um, noch bleicher als sonst, und atmete nicht mehr. Ich tat alles, was ich konnte, doch ihre Wunde war von keiner mir bekannten Art. Sie starb mir unter den Händen weg, und ich konnte nichts dagegen tun. Die Rettung kam von Gorok, der geistesgegenwärtig auf Geräusche aus der gegenüberliegenden Wand reagiert hatte und dort einen kleinen dreki befreite, der nun auf Layara zugesprungen kam. Ich weiß nicht, was genau er tat, doch einen kurzen Moment später schlug Layara zu meiner Erleichterung aller anderen (insbesondere der von Leeroy) die Augen auf.
Nach einer kurzen Verschnaufpause, in der wir beobachten durften, wie die überglückliche Belaxarim ihre kleine Tochter Tamarax begrüßte, wurde das weitere Vorgehen besprochen. Selbst für einen dreki gab es hier Gefahren, insbesondere einen, der eigentlich tot war. Der Große Rote, wie die anderen ihn nannten, hatte offenbar das Ziel, andere Drachen zu beseitigen und die Ailamere Drei könnten beschließen, ihren Ruf als Drachentöter wieder herzustellen. Nahm man hinzu, dass Belaxarim nach eigener Aussage mehr Diplomatin als Kämpferin war – die Probleme ergaben sich von selbst. Nach einigem Hin und Her kamen wir daher zum Schluss, dass eine Vereinbarung mit den Ailamere Drei getroffen werden musste. Eine, die beinhaltete, dass die Existenz von Tamarax bis zum Erreichen des Erwachsenenalters geheim gehalten werden musste. Zunächst hatte Gorok in seiner liebenswert direkten Art dafür argumentiert, die Ailamere Drei zu töten, immerhin könnten wir einen von ihnen gleich hier alleine beseitigen. Sogar Layara hatte dem zugestimmt, eine Seite, die ich so nicht an ihr vermutet hätte. Ich hingegen hatte kein Interesse an sinnlosem Blutvergießen – niemand von uns besaß die Weitsicht, die Folgen unseres Handelns abzusehen. Die vættr hatten Grimmalk offensichtlich nicht geschickt, um uns in unserem Tun zu behindern, es gab derzeit keinen Grund, anzunehmen, dass sie es künftig tun würden.
Daraufhin verließen wir den Hort, um den Plan in die Tat umzusetzen. Ich durfte Zeuge der enormen Stärke der dreki werden, als Belaxarim einen gewaltigen Stein einfach so zur Seite rollte – selbst die iǫtunn in meiner Heimat hätten vermutlich ein wenig dabei geschwitzt. Während die Augen der Besucher von dem Drachen gebannt waren und die anderen mit Meister Ravel über das weitere Vorgehen sprachen, begleitete ich Gorok zur Kutsche, in der Grimmalk auf uns wartete, um ihm unseren Vorschlag zu unterbreiten. Als dieser den Drachen erblickte, erstarrte er einen Augenblick, dann schien er im Geiste Kontakt mit jemandem aufzunehmen. Wir mussten uns beeilen, ihm den Vorschlag zu unterbreiten. So schlug Belaxarim ihm vor, dass die Ailamere Drei sie in Ruhe lassen würden und sie im Gegenzug den Besuchern davon erzählen würde, wie sie sie in einem heroischen Kampf bezwungen hätten. Das schien dem Zwerg zu genügen, er gewann langsam an Fassung zurück und machte sogar Drohungen – ein Schauspiel für die Umstehenden, soviel war klar. Ich sah hinüber zu Layara – sie schien die Macht zu genießen, die sie gerade über den Zwerg besaß. Hatte ich sie falsch eingeschätzt? Gorok war in unserem draumr in Flammen gehüllt und hatte von einem Drachen gesprochen. So wie Layara mit verschränkten Armen neben Belaxarim stand – war sie gar die Gefahr, vor der ich schützen sollte? Nein, dass erschien mir unwahrscheinlich, die beiden verstand ein starkes Band. Ich musste mehr herausfinden, bevor der draumr Sinn ergeben würde.
Grimmalk hatte währenddessen wieder unsichtbar Kontakt zu jemandem aufgenommen, diesmal jedoch wirkte er dabei deutlich entspannter und ich hoffte, dass er eine Art Entwarnung gegeben hatte. Dann wiederholte er seine Einladung und gab uns zehn Minuten Zeit, darüber zu entscheiden, bevor er zur Kutsche zurück stiefelte. Fin und Layara waren aufgrund ihrer Abneigung gegenüber Narchessa strikt dagegen, Gorok hingegen war offen dafür und ich hoffte trotz der Gefahr auf Antworten und vielleicht sogar eine weitere Vision oder einen draumr. Wahres Wissen offenbarte sich schließlich nur selten ohne Gefahr und Entbehrungen, dass hatte ich während meines ersten Ritus schmerzhaft, aber endgültig gelernt. Letzten Endes gab Leeroys Stimme den Ausschlag, der aufgrund der involvierten Unsicherheiten dagegen votierte. Wir teilten Grimmalk unsere Entscheidung mit, der eher indifferent darauf reagierte und von einer verpassten Chance sprach – zumindest darin stimmte ich ihm zu, doch ich war mir sicher, dass sich die nächste offenbaren würde.
Unser weiteres Vorgehen sollte nun darin bestehen, in eine Stadt namens Zoica zu reisen. Ich war neugierig, hatte ich doch viel davon gehört. Natürlich würde das auch wieder beengte Räume bedeuten, doch bis dahin war ja etwas Zeit, an der frischen Lust und unter offenem Himmel zu reisen. Zuvor sollte noch ein Zwischenstop in Road’s End eingelegt werden, um nach Fin’s Freundin zu suchen.
Doch zuallererst galt es, sich für die Reise zu stärken – das Fleisch vom Grill duftete schon seit geraumer Zeit verlockend. Aus den Augenwinkeln konnte ich jedoch nicht anders, als schuldbewusst wahrzunehmen, wie Layara sich zusätzlich zu ihrer Portion ein paar Schokotaler in den Mund stopfte …
Sitzung 93
Nachdem Beatrix ging berieten wir noch einige Zeit wie wir den Wunsch wohl äußern sollten. Fin’s Wunsch uns „sicher“ aus dem Lager zu teleportieren schien ein Eigenleben entwickelt zu haben, dass mich besorgte. Schließlich waren wir in einer Krypta aufgetaucht – genauer in den dort vorhandenen Särgen. So ein Erlebnis wollten wir diesmal definitiv vermeiden. Nichts wäre schlimmer, als ihr oder Tamarax Leid zuzufügen. Besonders nachdem ich ihr solche Hoffnung machte. Das hätte ich mir nie verziehen.
Den Beginn unserer Bemühungen bekamen Astreth und Fin jedoch nicht mit. Sie hatte ihm angeboten mithilfe ihrer schamanistischen Magie gegebenenfalls einen Hinweis auf den Verbleib seiner Freunde geben zu können. Dabei blieben sie erst einmal ungestört. Nachdem wir das Für und Wider diskutiert den Wunsch in zwei aufzuteilen, nur um ganz sicher zu gehen, oder es bei einem sehr genau formulierten zu belassen kamen auch die zwei wieder zurück zu uns. Offenbar hatte Fin eine Art Eingebung erfahren in welcher Richtung sich einer seiner Gefährten aufhielt. Im Westen hatten wir zu suchen. Doch wo genau blieb unklar.
Ich wusste noch immer nicht genau was ich davon halten sollte verurteilte Verbrecher zu befreien. Aber Fin war mehr als loyal gewesen bisher, er hatte mein Vertrauen gewonnen. Und so hoffte ich, dass ihm zu helfen eine gerechte Sache sein würde. Alles hätte er uns erzählen können wie es zu den Verhaftungen kam, doch er erzählte die Wahrheit über sich und seine Gruppe. Und von dem was er sagte waren es keine schlechten Leute. Ja, sie raubten andere aus, jedoch nur jene großen Reichtums. Und sie gaben es laut seiner Erzählung Bedürftigeren. Im Orden gab es keine Armut. Doch die Straßen von Ailamere waren voll davon. Es beeindruckte mich, dass sich jemand für diese Personen einsetzte.
Meine abschweifenden Gedanken sammelnd versuchten wir nun zu fünft den finalen Satzbau unseres Wunsches zusammenzubauen. War ich schon paranoid? Jeder Vorschlag wurde mehrfach von mir unter die Lupe genommen. Die Stunden kamen mir wie Tage vor. Am Ende einigten wir uns auf einen Wortlaut, der nur recht wenig Spielraum belassen würde, dass etwas falsch liefe. Zumindest redete ich es mir selbst ein. Mehr Pragmatismus kam da von Gorok und Astreth, die meinten wir hätten ja in jedem Fall noch einen Wunsch übrig mögliche Fehler zu beheben. Das mochte sein, aber mein Inneres verkrampfte bei dem Gedanken, dass wir vielleicht eines Tages auf diese Magie angewiesen wären und sie im Falle eines Fehlers am morgigen Tag dann nicht mehr hätten. Zu mächtig war diese schattenhafte Kugel.
Wir tauschten noch einige Informationen und Geschichten aus, bevor es Zeit wurde die Nachtruhe anzustreben. Fin interessierte sich unter Anderem für meine Herkunft und unseren Glauben. Es war schön eine so offene Gemeinschaft zu haben. Auch wenn ich selbst nicht gerne über gewisse Themen sprach. Während wir versuchten ein Monster aufzuhalten, hatten die Ereignisse in Ailamere meine eigenen Dämonen wiedererweckt. Seither plagten mich jene Erinnerungen kontinuierlich. Ich glaube Gorok spürte dies aktiver, als jeder andere bisher. Auch wenn seine Art damit umzugehen beziehungsweise mich aufzubauen eher großer Natur war. Er hatte eine gewisse Einfachheit im Betrachten von Dingen. Ich wunderte mich, ob ich diese auch einmal haben würde.
In der Nacht weckte mich Astreth. Beatrix war zu Fin ins Zimmer gekommen. Geradezu panisch. Wir versammelten uns leise bei ihm und lauschten dem was ihr widerfahren war. Ein Zwerg war gegen späten Abend noch hier eingekehrt. Grimmalk von den Ailamere 3. Mir stockte der Atem. Diese Leute waren für das Unglück im Hort verantwortlich. Mehr noch arbeiteten sie für Narchessa. Es war schwer vorstellbar, dass sein Erscheinen hier und heute ein Zufall war. Beatrix war sichtlich mitgenommen. Sie fürchtete sich, dass ihr Geheimnis herausgekommen war. In ihrer jetzigen Gestalt war sie nicht im Stande sich gegen solch ein Individuum zu verteidigen. Aber woher sollte er es wissen können? Wir versuchten sie zu beruhigen. Es war das Beste sie würde keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen und normal ihren Tätigkeiten nachgehen. Ich drückte sie fest und versprach, dass alles gut gehen würde. Überzeugt war ich aber selbst nicht, aber was außer hoffen bliebe schon übrig …
Sie ging. Wir waren uns noch unsicher, ob er eventuell wegen uns hier war. So bot Astreth an einen Schutzzauber zu wirken, der verhindern würde, dass uns jemand in der Nacht überraschen würde. Dafür mussten wir jedoch alle in einem Zimmer verweilen. Fin bot mir sein Bett an. Astreth hätte wohl eh lieber draußen kampiert und machte es sich neben den anderen auf dem Boden gemütlich. Es war eine recht ungewöhnliche Situation. Dann übermannte mich der Schlaf.
Am nächsten Morgen war alles vorerst in bester Ordnung. Wir besprachen uns kurz wie wir im Frühstückssaal und später auf der Tour erscheinen würden. Astreth und Fin waren offiziell noch nicht mit uns in Verbindung gebracht worden hofften wir. So konnten wir in zwei Gruppen agieren und im Zweifel eines unvorhergesehenen Ereignisses eine Überraschung parat halten. Das klang vernünftig. Die beiden gingen zuerst hinunter, wir würden etwas später folgen. Ich genoss die Möglichkeit mich hier einmal richtig frisch zu machen. Die Tage unter freiem Himmel überwogen zuletzt jene mit festen Wänden und sanitären Einrichtungen.
Im Frühstückssaal verteilten wir uns nunmehr an zwei Tischen. Foamwave sorgte für musikalische Untermalung, während Beatrix bediente. Tivoney war besonders auffällig zurecht gemacht. Es unterstrich ihre natürlichen hübschen Züge, wenngleich ein wenig überzogen an gewissen Stellen. So war ihre Optik beim letzten Mal zumindest nicht. Wir aßen in aller Ruhe. Es geschah weiter nicht ungewöhnliches. Danach wurde zur Tour ausgerufen.
Auch hier getrennt erscheinend standen wir nun vor Meister Ravel. Er machte wie zuvor schon die Einführung. Zusätzlich mussten allerdings auch Formulare ausgefüllt werden, die Besucher – wenn sie denn etwas beschädigten – in Regress nehmen sollten. Das war wohl eine Reaktion auf Gorok’s letzten Besuch. Zugegeben hatte er die Tour etwas ernster genommen, als sie ausgelegt war. Aber noch etwas weiteres war anders. Snek war hier, aber Foamwave fehlte. Sie sollte doch aber die Tour führen. Schon kurz darauf zeigte sich wieso. Als die Statuen der Ailamere 3 im ersten Raum vorgestellt wurden fing die des Zwerges sich an zu bewegen. Als besondere Überraschung führte diesmal Grimmalk persönlich durch die Tour. Eine Besonderheit, auf die ich nur allzu gerne verzichtet hätte. Hinter uns bemerkte ich Beatrix, welche sich scheinbar auch unwohl fühlte mit dieser Entwicklung.
Grimmalk stellte sich und seine Gruppe als Helden dar. Alles was sie hier taten war aus seiner Perspektive heroisch. Sie kamen um ein Monster zu beseitigen. Seine Worte wählte er besonders brutal und schilderte jeglichen „Erfolg“ im Kampf mit detailgetreuen Beschreibungen. Es war widerwärtig. Es verärgerte mich. So sehr, dass es mir schwer fiel mich zu kontrollieren. Mehrmals spürte ich wie meine Hände immer wärmer wurden, kurz davor meine Magie zu entfachen und dem wahren Monster hier zu geben was es verdiente. Astreth fand alles zunächst noch amüsant. Doch je länger die Tour dauerte, desto enttäuschter war sie von den quasi nicht vorhandenen „Herausforderungen“. Sie sah so ziemlich alles voraus, was Grimmalk’s übertriebene Darstellungen ihres ach so fordernden Kampfes völlig negierte. Sehr zu seinem Missfallen. Fin war erstaunlich ruhig, ebenso Leeroy. Gorok ließ sich hingegen durch nichts aus der Ruhe bringen. Schien aber immens enttäuscht darüber zu sein mit den gepolsterten Übungswaffen agieren zu müssen. Es war nicht davon auszugehen, dass er etwaige Beschädigungen hätte bezahlen können. So blieb er sehr sanft im Umgang mit dem Interieur. Obgleich meines verkrampften Körpers war dies durchaus ein wenig amüsant.
Die Tour neigte sich dem Ende, als wir den oberen Bereich erreichten. Den eigentlichen Hort. Die Kammer, in der auch in einem Verschlag Tamarax’ Überreste lagen. Zu diesem Zeitpunkt was Astreth zu Tode gelangweilt. Die Aufforderung sich am Schatz zu bedienen schien ihr fremd. Der Zwerg erläuterte ihr, dass es ja darum ginge den Schatz zu erhalten. Ich erinnerte mich an die Süßigkeit im Inneren dieser Goldmünzen und verwies darauf. Das gefiel ihr eher. Leider plagte mich auch der Kommentar des Vortages über meine Statur. Und aus der Freude über eine leckere Kleinigkeit wurde ein fester Griff zu zwei vollen Händen. Grimmalk gab derweil Autogramme an restlichen Tourgänger. Warum genau weiß ich nicht, aber mir kam die Idee seine Unterschrift zu haben könnte sich einmal als nützlich erweisen. Doch mir gegenüber lehnte er ab. Die restlichen Tourgänger verließen nun gut unterhalten den Bereich durch den Ausgang. Uns wies er an zu bleiben.
Meine Anspannung wuchs. Aber zeitgleich waren wir fünf gegen einen. Würde er irgendetwas aggressives unternehmen wollen, dann wäre vermutlich Gorok so schnell mit der Axt, dass es danach nur noch die Befriedigung darüber gäbe, dass dieser protzige Mörderzwerg niemals wieder jemandem Schaden zufügen könnte. Der Schreck über meine eigenen Gedanken war deutlich dumpfer gewesen, als noch vor einiger Zeit. So sprach der arrogante Zwerg. Er wäre angewiesen worden eine Einladung zu übermitteln. Wir wüssten schon von wem. Und es gäbe ein Angebot, dass uns unterbreiten werden sollte. Wir hätten einige Bedenkzeit. Er würde draußen in seiner Kutsche warten.
Mir fiel ein Stein vom Herzen, dass dies kein Hinterhalt war. Noch mehr, dass es nichts mit Beatrix zu tun hatte. Diese kam wieder, nach dem uns Grimmalk verlassen hatte. Unsicherheit und Hoffnung waren gepaart in ihrem Gesicht. Innerlich erging es mir genauso. Zu lange sollten wir uns jetzt nicht hier aufhalten, das wäre verdächtig. Ausserdem gab es einen klaren Plan was es zu erreichen galt. Fin holte die Kugel hervor und ich reichte ihm das Pergament mit unserem Wunsch. Mein Blick zog von Beatrix zu Fin. Wir waren bereit. So sprach er die Worte …
„Ich wünsche mir die sofortige und vollständige Wiederherstellung von Belaxarim und Tamarax in diesem Hort, wie sie direkt vor dem Erscheinen der Ailamere 3 am Hort waren, unter Beibehaltung ihrer bis heute gemachten individuellen Erinnerungen und inklusive des Transfers von ausschließlich Tamarax Seele in ihren wiederhergestellten Körper.“
Ich hörte das letzte Wort … dann wurde es dunkel. Ich schien in völliger Schwärze zu treiben, gänzlich allein. War ich … tot? Aus der Dunkelheit erschien plötzlich Tamarax. Sie berührte mich und ein ein Licht durchfuhr mich. Dann öffnete ich die Augen. Alle Augen lagen auf mir. Leeroy und Astreth knieten neben mir, ich sah noch wie ein schwaches leuchten von Astreth’s Händen ausging. Mir direkt ins Gesicht schauend war aber etwas viel wichtigeres. Tamarax! Und aus dem Augenwinkel vermochte ich die Gestalt einer gigantischen Kreatur wahrzunehmen. Belaxarim! Es hatte wirklich geklappt. Überschwänglich umklammerte ich den Drachenwelpen. Es waren mehr als nur Freudentränen, dass wir diese Familie hatten wieder zusammenführen können. Es war auch das Wissen nicht mehr diese Ungewissheit in mir zu tragen. Es waren die angestauten Anstrengungen final hierher gekommen zu sein. Es war wegen der Auflösung eines viele Jahre zuvor begonnenen Geheimnisses.
Jetzt spürte ich auch Leeroy’s Umarmung, der sich viel mehr Sorgen gemacht zu haben schien, als ich bisher annahm. Mein Blick suchte Fin, der sich im Hintergrund hielt. Um Atem ringend erschien es eher wie ein Hauchen meiner Dankbarkeit. Es gab keinen Zweifel mehr daran was meine Meinung über ihn war. Für jemanden, den wir erst so kurz kannten, stand mein Vertrauen in ihn unerschütterlich fest.
Ich kann nicht sagen, dass ich den Ausdruck eines Drachen deuten könnte, aber in diesem Moment war ich sicher. Belaxarim war überglücklich. Da war aber noch mehr. Eine spürbare Veränderung in mir. Ausserhalb dessen, dass Tamarax’ Seele nun nicht mehr präsent war – was mich wundern ließ, ob ich die Anwesenheit nicht doch vermissen würde. Etwas war anders … aber ich konnte es noch nicht greifen. Was jedoch ebensowenig greifbar war, war mein Anhänger. Als ich die Schlaufe hervorzog war die Drachenkralle verschwunden. Fast neckend zeigte mir Tamarax all ihre Klauen in Vollständigkeit.
Ob der Freude mussten wir nun aber noch etwas wichtigeres klären. Belaxarim war zurück. Doch die Ailamere 3 hatten sich ihren Ruf als Drachentöter erarbeitet. Was würde passieren, wenn sie nun erneut nach ihrem Leben trachten würden? Belaxarim machte klar, dass sie keine Kämpferin sei. Ihre Talente waren eher diplomatischer Natur. Ihr Drachenatem würde sicherlich wirkungsvoll sein, aber darüber hinaus gab es nicht viel das sie tun konnte. Verstecken ginge nicht, woanders ihren Hort errichten sei auch schwer ob der anderen Drachen in den restlichen Regionen. Auch würde das plötzliche auftauchen von ihr gegebenenfalls den großen Roten auf sie aufmerksam machen. Er hatte schon andere Drachen beseitigt. Wir diskutierten die Optionen und kamen zu dem Ergebnis, dass ein Deal mit dem Ailamere 3 die vorerst einzig brauchbare Option sei. Natürlich sollte die Anwesenheit von Tamarax auf Dauer geheim bleiben müssen.
Zu unserer Überraschung schob Belaxarim fast mühelos einen gigantischen Stein beiseite, der uns ins Tageslicht führte. Nun standen wir draußen. Und schnell waren die Blicke der Besucher und hier arbeitenden Personen auf den Drachen gerichtet. Nur Snek ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, sondern schien seine technischen Zeichnungen seiner Drachenstatuette mit dem Original abzugleichen. Meister Ravel wurde verdeutlicht, dass Beatrix nun nicht länger für ihn arbeiten würde. Angesichts der vor ihm stehenden Präsenz nahm er es wie zu erwarten auf. Derweil ging Gorok zur Kutsche von Grimmalk. Wir hätten unsererseits ein Angebot zu unterbreiten. Widerwillig kam der Zwerg hervor und erstarrte sofort, als er Belaxarim in voller Größe vor sich sah.
Er aktivierte irgendein Objekt in seiner Hand und wirkte einige Sekunden völlig abwesend. Danach mussten wir ihm erst einmal erläutern, dass er nichts zu befürchten habe … für den Moment. Belaxarim hätte einige Worte mit ihm zu wechseln. Seine Waffe und den Schild fest umklammernd trat er vor. Die Menge beäugte uns. Die blanke Panik in seinem Gesicht war eine Genugtuung, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte. Er würde viel zu gut dabei wegkommen, doch dieser Moment jetzt gerade entschädigte für vieles. Dann begann Belaxarim ihr Schauspiel. Sie bat um Gnade und einen Deal mit den Ailamere 3, den großen Bezwingern. Grimmalk war sichtlich irritiert. Sie wolle hier nur in Ruhe leben und auch weiterhin die Geschichten der mächtigen Helden, die ihren Hort einnahmen erzählen. Wieder aktivierte er das Objekt. Kurze darauf willigte er in übertriebener Weise ein. Machte gar Drohgebärden. Ich verstand erst, als ich die Leute drum herum besah. Auch wenn ihre Vorstellung nicht wirklich überzeugend auf uns wirkte, so tat sie es jedoch auf die Massen.
Ob des Angebots von Narchessa, das scheinbar von einer dritten Partei ausging, lehnten wir dann ab. Wir hatten ein Objekt großer Begehrlichkeit in unserem Besitz und unsere Feinde wussten wo wir zu finden wären. Es war völlig unklar, ob dies nicht in Zusammenhang stand. Astreth und Gorok waren dafür trotzdem einzuwilligen. Fin schien eine ebenso große Abneigung gegen Narchessa zu empfinden wie ich. Leeroy wankte zunächst. Aber das Argument der Unkenntnis über die Vorgänge gab den letzten Ruck zu Ablehnung. Grimmalk war es egal. Es wäre ja unsere Entscheidung eine Chance wegzuwerfen. Das sagend wusste er aber selber nicht worum es sich handelte.
Unser Plan war schnell gefasst. Wir brauchten wieder mehr Informationen, zuletzt war von der anderen Gruppe nicht viel übermittelt worden. Daher war Zoica wieder als Ziel geplant. Und mit der Reiseroute nach Westen konnten wir gleichermaßen direkt einem Anhaltspunkt was Fin’s Gefährten anging folgen. Mit dem Ende der Tour war es aber auch bereits Mittag. Das Essen schien für alle sehr verlockend zu sein, was zu dem Entschluss führte dies als eine Feier anzusehen. Belaxarim wirkte zufrieden mit dem Ausgang. Wer jetzt die Tour machte würde einen gänzlich anderen Eindruck weitervermitteln. Sie hätte die Sicherheit zu wissen, dass die Ailamere 3 die Füße still halten würden und gleichzeitig würde ihre bloße Präsenz auch ihren Hort langsam wieder füllen.
Ich ergriff die Möglichkeit mir etwas vom Grill zu nehmen. Dann nagte wieder dieser Kommentar Astreth’s in meinem Kopf. So begann ich eine zweite Portion auf den Teller zu schaufeln. Tivoney stand gerade neben mir. Sie schien enttäuscht. Auf meine Frage hin meinte sie, dass sie gehofft hatte, dass sie Grimmalk auffiele. Sie wollte eher mit diesem aufgeblasenen Zwerg zusammen sein, als hier zu arbeiten. Ich empfand das letztere als kleinere Übel. Als sie meine Portion bemerkte war sie ihrerseits neugierig. So erzählte ich ihr, dass man mir nahegelegt hätte etwas „stabiler“ zu werden. Sie winkte ab und rückte mein Verständnis der Situation etwas gerade. Der Vergleichswert der Person, die es sagte zu der Person die ich sei wäre falsch. So schob ich die zweite Portion wieder zurück. Griff dafür aber nachdem sie sich abwandte nochmal zu einem Schokotaler.
Sitzung 92
Im weiteren Gespräch erwies sich Marco als ausgesprochen kooperativ. Hellhörig wurden wir, als er erwähnte, dass Azoicstrum nach dem Vorbild von Westerfell erbaut worden war – und das Marco wusste, dass Arcalys dort irgendein Projekt verfolgt hatte. Mein Misstrauen verstärkte sich sofort wieder und ich ließ zum Test einige Fragen zu diesem Projekt vom Stapel, doch schien es, als würde er tatsächlich nichts vom Nexus dort wissen. Gut. Es gab also Grenzen von dem, was er tatsächlich wusste. Vielleicht war es einmal Zeit, diese Grenzen auszutesten.
Zunächst fragte ich ihn, was er von Ravengrove wusste. Seine Antwort war recht vage, genaues schien er nicht zu wissen – doch allein der Fakt, DAS er etwas zu Ravengrove zu sagen wusste, war schon Beweis seiner Reichweite. Ich hatte schließlich selbst leidvoll erleben müssen, wie geheimnistuerisch mein Volk dort war. Versuchsweise fragte ich ihn auch nach Arina, doch von ihr wusste er nichts. Nun ja, es wäre zu einfach gewesen, mal davon abgesehen, dass ich der Info gerade wohl ohnehin nicht hätte folgen können. Es gab wichtigeres zu tun – Horden grölender Rachwoodler, die aus Langeweile weitere Teile Zoica’s zu Ruinen zerlegten und Untote Armeen, die einfielen zogen vor meinem Geist vorbei.
Testweise fragte ich ihn auch nach Garret’s Meister – ich erwartete nicht, dass er etwas wüsste, immerhin kam Garret von einem anderen Kontinent, aber als Testballon war es einen Versuch wert. Erwartungsgemäß wusste er tatsächlich nichts weiter.
Wir verließen sein Versteck und machten uns auf dem Weg zu den Spinnen. Der initialen Analyse des Plans und seiner Möglichkeiten war ein Moment des Ärgers ob des Weiteren Alleingangs von Ralkarion gefolgt. Ich hatte gehofft, dass er nach seiner Erfahrung bei der Rettung Razora’s klüger geworden sei – bei Gelegenheit mussten wir das ansprechen.
Das Gespräch mit der Spinne war allerdings nur wenig produktiv, zu abgelenkt war sie vom potentiellen „Essen” Krathus in der Nähe. Nachdem sie mehrfach wiederholt hatte, dass ein Abkommen, bei dem mehr zu Fressen für sie herauskam, uninteressant sei, beschloss ich, dass Ralkarion und Garret ihre Chance mit ihrem Plan gehabt hatte und es nun Zeit für Krathus und meinen war. In einem Versuch, beide Pläne miteinander zu vereinen, bot ich der Spinne an, dass sie ein paar von den Kobolden essen dürfe und uns dann berichten solle, wo sie die Kobolde essen dürfe. Natürlich besaß Ralkarion nicht die Zurückhaltung, erstmal zu sehen wie sich die Situation entwickelte sondern widersprach sofort aufs Heftigste. Die Spinnen würden die Skelette an Mundi liefern und damit seine Armee vergrößern. Mochte ja sein, aber es war ja nicht so, als würden die Spinnen jetzt nichts liefern würden – Hügelriesen kamen mir in den Sinn. Einmal abgesehen davon, dass es vielleicht kurzfristig Mundi’s Armee stärken, langfristig aber schwächen würde, wenn die Kobolde und möglicherweise der Rote einen Krieg gegen die Spinnen begannen. Die Spinne hatte jedoch ohnehin primär verstanden, dass sie einen Kobold essen dürfe und war wieder auf Krathus fixiert. Als wir sie wieder von dieser Idee abgebracht hatten und ich das Angebot wiederholt hatte, tat sich ein weiteres Problem auf: Die wenigstens Spinnen konnten sprechen, ausschließlich Ungol und Mundi, der “Urvater”, hatten wohl die Fähigkeit dazu. Das machte die Idee von Spinneninformanten noch absurder, aber vielleicht könnte man mit Ungol sprechen? Tatsächlich bejahte Veklani dies, Ungol habe die Fähigkeit, mit jemandem mit telepathischen Fähigkeiten Kontakt aufzunehmen. Was in dieser Gruppe ausschließlich Ralkarion war. Dürfte ihm gefallen, der Einzige zu sein, der mit ihr verhandeln konnte, ohne störenden Einfluss. Was vermutlich war, wie er mich sah, sein „Alles, was mit dir zu tun hat, beunruhigt mich”, klang mir noch in den Ohren. Nun, er würde sich dran gewöhnen müssen, dass ich nicht länger ja und amen zu allen seinen Plänen sagen würde.
Was er davon hielt, machte er direkt im Anschluss an das Gespräch deutlich, als er mich dafür anmachte, ich hätte mich nicht an „den” Plan gehalten, die Tatsache völlig ignorierend, dass es ein Unentschieden zwischen beiden Plänen gegeben hatte und ich ihm eine Chance gegeben hatte, zuerst seinen Plan umzusetzen. Ich biss mir auf die Zunge und schluckte den aufwallenden Ärger hinunter, auch wenn ich ihm am liebsten an den Kopf geworfen hätte, dass er sich dann halt seine Alleingänge sparen sollte und einfach mal im Vorfeld abklären müsste, was er vorhat und sich davon erwartet. Stattdessen erinnerte ich ihn nur kühl daran, dass es nicht den einen Plan gegeben hatte und ich der Situation entsprechend reagiert hatte, da die Spinne sich nicht interessiert hatte. Schien ihn wiederum nicht zu interessieren. So sei es denn.
Auf dieses eher unerfreuliches Treffen folgend machten wir uns zu Chrylax auf, um endlich einmal nach Azoicstrum aufzubrechen, nachdem ich Garret und Ralkarion noch mit Mühe und Not ausgeredet hatte, zuerst Mundi aufzubrechen. Einmal abgesehen davon, dass ich nicht so recht verstand, warum wir die Nachricht unterbrechen würden – Arem hatte bereits Erfahrung damit, mit ihm zu verhandeln und könnte das genauso gut tun – war Azoicstrum nur einen Teleport entfernt und würde sich deutlich schneller erledigen lassen. Unterwegs sammelten wir noch Angstrum von der Akademie ein, wir benötigten ihn für unser Vorhaben. Wie üblich hatte niemand so recht Lust, als erster hinunterzugehen und sich den obligatorischen Feuerball einzufangen, also schickten wir Krathus vor. Der Kobold stellte sich allerdings erstaunlich geschickt an und versteckte sich rechtzeitig hinter seinem Schild, so dass ihm kein Härchen gekrümmt wurde. Ob er sich damit allerdings einen Gefallen getan hatte, durfte angezweifelt werden, denn Chrylax war davon gleichermaßen verblüfft wie begeistert und bestand darauf, dass Krathus sich morgen als Testsubjekt zum Dienst meldete. Selbst, als wir bereits im Zirkel standen und er ihn aktivierte, hatte er kaum Augen für etwas anderes als den Kobold.
Die Konsequenzen davon wurden auch uns schnell klar. Denn als wir teleportierten und Krathus plötzlich in den Armen einer halbnackten Frau tanzte, war klar, dass dies nicht Azoicstrum war. Stattdessen schienen wir in eine Art … vulgäres Fest geraten zu sein, dass in dieser von Lagerfeuern erleuchteten Höhle stattfand. Wie wir von der Dame erfuhren, handelte es sich dabei um Modron’s Pleasure Domes … ein Bordell in Ailamere, wie Ralkarion erklärte. Welch Zufall … und natürlich argumentierte Ralkarion sofort dafür, dass wir dann ja auch hier nach seiner Schwester suchen könnten. Innerlich stöhnte ich auf. Es war ja nicht so, als ob es drängende Probleme gäbe. Aber ich wusste auch, wie sinnlos eine Diesbezügliche Diskussion mit ihm sein würde, so stimmte ich zu, hoffend, dass das Ganze schnell über die Bühne gehen würde.
Für das Fest benötigte es einen goldenen Armreif als Beweis des Eintritts, den wir natürlich nicht hatten. Die anderen begannen sofort, sich diese mit illusionärer Magie zu erschaffen. Auch ich tat dies zunächst, doch lies es dann sein. Die Dame war bereits nach oben unterwegs und sie hatte gesehen, dass wir keine Armreife hatten. Einem Echtheitstest würden sie ebenfalls nicht standhalten, mal ganz davon abgesehen, dass der Zauber permanent neu gezaubert werden müsste. Ehrlichkeit würde uns hier weitaus besser dienen, mit ein wenig Zurückhaltung. Apropos Zurückhaltung … ich sah mit Angstrum an, der noch immer in seiner … unsittlichen neuen Gestalt herumstand und bat ihn daraufhin, sich in den Zirkel zurückzustellen. Nachdem ich ihm noch einschärfte, sich die Symbole zu merken, die Chrylax eingestellt hatte, um diesen Ort zu erreichen, schickte ich ihn per Kommando zurück.
Keine Sekunde zu früh, denn im nächsten Moment kam eine recht … merkwürdige Erscheinung auf uns zu. Ein ausgesprochen lila Tiefling, dessen Kleidungsstil mit dem Wort extravagant kaum Rechnung getragen war. Er stellte sich als Modron, der Besitzer dieses Etablissements, vor und schien von unserer Anwesenheit eher amüsiert als verärgert zu sein, wir hätten jederzeit die Möglichkeit, den Eintritt zu bezahlen. Obwohl er mich noch zu Beginn auf eine Art begutachtet und angesprochen hatte, die mir gar nicht gefiel, wurden meine Fragen nach dem wie viel anschließend schlicht ignoriert, denn heute war der Tag von Krathus’ Fans. Er schien ganz vernarrt in ihn zu sein und bat uns in sein Büro. Ohne große Wahl folgten wir ihm dorthin. Dort bot er uns an, den Eintritt zu erlassen, wenn er Krathus „malen” dürfe, woraufhin wir einwilligten. Darüber hinaus brachte Ralkarion in Erfahrung, dass eine Tiefling, auf den Ralkarion’s Beschreibung passte, in Belaraxim’s Hort als Tourguide arbeitete (der Hort eines Drachen, der vor langer Zeit von den Ailamere Drei getötet worden war). Daraufhin fragte Modron, ob er jetzt Krathus „malen” dürfe. Ich erwartete, dass Ralkarion ablehnen würde, doch aus irgendeinem Grund war der in Bezug auf seine Schwester so ungeduldige Tiefling plötzlich sehr geduldig. Darauf angesprochen erntete ich nur ein lapidares „Er hat gesagt, es dauert nicht lange”. Ich hatte keine Lust mehr, ihm zu widersprechen und der Schaden, den dieser Umweg anrichten mochte, war wohl ohnehin kaum noch zu verhindern, also machte ich das Beste aus der Situation. Ich hatte lange abstinent gelebt und die Getränke gingen für uns aufs Haus. Während Krathus also seine Show mit Modron abzog, probierte ich mich einmal daran. Mein ungeübter Körper machte das natürlich nicht all zu lange mit und ein Whiskey aus Garret’s Heimatbrauerei gab mir fast den Rest. Angenehm umnebelt stiegen alte Erinnerungen hoch, alte Verhaltensweisen. Nicht klar denkend, gab ich mich ihnen hin, amüsierte mich sogar dabei. Erzählte Ral, wie traurig ich sei, wenn er traurig war. Einen kurzen Moment war ich mir unsicher, ob ich wirklich dankbar war, als Krathus mich schlagartig ausnüchterte. Dann kamen die Kopfschmerzen und ich befand, dass ich eindeutig nicht dankbar war. Mit meinem schmerzenden Kopf beschäftigt, machten mich die anderen darauf aufmerksam, dass mich ein Halbork beobachtete. Warum nicht, offenbar hatten wir ja Zeit, die anderen schienen sich gerade erst häuslich einzurichten. Ich ging auf ihn zu. Offenbar hatte meine Spezies seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und er fragte mich, wo ich herkam. Seine Reaktion auf meine Antwort überraschte mich: Er hätte eher auf Notherhall getippt. Ein Halbork, der mehr über die unterschiedlichen Elfen wusste. Interessant. Erst jetzt fiel mir auf, dass er die andere Hälfte elfischer Abstammung war. Er lud mich zu einem kleinen Frage–Antwort–Spielchen ein. Ralkarion zog mich vorher allerdings beiseite. Er hatte Vronwe, wie sich der Halbork vorgestellt hatte, als einen der Ailamere Drei erkannt, also jemand Gefährliches. Ich überlegte kurz. In der Tat, doch mitten in den Pleasure Domes würde vermutlich nichts passieren. Und mehr über einen Drachentöter herauszufinden, konnte von großem Nutzen sein, wenn man bedachte, was unsere eigentliche, wenn auch pausierte Mission bedachte. Ich versicherte ihm, dass ich ihm nichts von Relevanz über uns erzählen würde. Da die anderen aber nun recht gerne gehen wollten, sagte ich ihnen, dass sie das ruhig tun könnten. Sie konnten ja schon einmal alles vorbereiten, damit es schnell weitergehen würde. Da Krathus bei mir bleiben wollte, wäre es auch kein Problem sie aufzuspüren.
Ich setzte mich wieder zu Vronwe. Das Gespräch war kurz, aber ausgesprochen interessant. Zunächst drehte es sich um Ravengrove und Notherhall. Ravengrove sei das Schattenreich, Notherhall das der Feen. Nicht unpassend. Interessanter war jedoch, dass er sagte, sein Vater habe in Ravengrove gelebt – ich hatte noch nie von einem Außenseiter gehört, der länger als sein Heilungsprozess es erforderte bleiben durfte, geschweige denn dort leben. Während die Tatsache an sich mich nur wenig überraschte – die Elfen meiner Heimat waren vernarrt in ihre beschissene Heimlichtuerei –, so war es dennoch ungewöhnlich. Auf irgendeine Art erschien es mir wichtig, ohne, dass ich genau zu sagen mochte, warum. Außerdem fragte Vronwe, ob die Leute in Ravengrove glücklich sein. Ich bedacht meine eigene Art, über Ravengrove zu denken, die meines Lehrers, Capra, Edria, die ganze verdammte Heimlichtuerei und antwortete mit nein. Ich konnte es mir zumindest nicht vorstellen.
Meine Fragen hingegen schienen ihn abwechseln zu ärgern und traurig zu machen. So antwortete er eher genervt, dass er und seine beiden Kumpane Kroft und Grimmalk Belaraxim tatsächlich getötet hatten allerdings das nicht der Auftrag war und sie sie eigentlich nur bestehlen wollten. Also in der Tat ein mächtiger Mann. Ich beschloss, einen Vorstoß zu wagen und fragte ihn, ob er glücklich sei, für Narchessa zu arbeiten. Seine Reaktion bestand darin, dass er sehr heftig darauf hinwies, dass er nur mit seinen Freunden arbeiten würde. Interessant – eine tiefe Loyalität empfand er wohl nicht … Doch nun nahm Vronwe seinen Abschied. Er wirkte … unglücklich? Genau vermochte ich es nicht zu sagen, doch das war auch nicht weiter wichtig.
Krathus wirkte seinen Zauber und wir folgten der ermittelten Position, die zu meiner Überraschung nicht der Marktplatz war, den Ralkarion genannt hatte, sondern eine kleine Hütte. Dort drin fanden wir Ralkarion und Garret in Begleitung mit einem Katzenwesen vor, der uns als sein Ziehvater Jashier vorgestellt wurde und dessen Avancen ich mich zunächst erwehren musste. Meine anfängliche Amüsiertheit ob seines Spitznamens für Ralkarion – Ralli – wich allerdings schlagartig, als ich erfuhr, was die drei besprochen hatten. Statt sich wenigstens einmal mit der Gruppe abzusprechen, war Ralkarion mal wieder vorgeprescht und hatte Jashier von dem Zirkel erzählt und dass wir möglicherweise die Waisen, die Jashier versammelt hatte, herausschmuggeln konnten. Ich bemühte mich, meinen erneut aufkeimenden Ärger herunterzuschlucken. Schon wieder ein Alleingang. Schon wieder etwas, was er nicht für nötig befand, vorher zu erzählen. Es gelang mir nicht ganz, die Aggressivität aus meiner Stimme zu verbannen, als ich auf unsere eigentlichen Probleme hinwies und darauf, dass es schwierig werden dürfte, Kinder in ein Bordell zu bekommen. Sein arrogantes Hinwegwischen meiner Einwände machte es nicht besser.
Im Gegenteil begann ich mehr und mehr, die Kontrolle über meine Wut zu verlieren, bis sie zu einem schwarzen Glühen herangewachsen war. Ohne ein Wort zu sagen, verließ ich die Hütte, knallte die Tür hinter mir zu und machte mich fast rennend auf den Weg zu den Dragonlair Tours. Du magst Alleingänge, Gehörnter? Dann mach deinen Scheiß halt alleine und ich kümmere mich um den eigentlichen Plan.
Es reichte. Erst Krathus, der mit dem Geheimnis um seine Mithrilrüstung nicht herausrücken wollte. Schön, alleine nicht weiter wichtig, wenn man außer Acht ließ, das er sie von dem verfluchten Großen Roten gestohlen hatte und ich ihm keine Sekunde abkaufte, dass das die ganze Geschichte war. Dann Garret, der ohne jede strategische Überlegung oder Rücksprache die Herrschaft und damit alle Ressourcen an den größenwahnsinnigen und gleichzeitig völlig unerfahrenen Abkömmling eines roten Drachens mit Götterkomplex und der senilen Frau eines Massenmörders abgab. Und dann Ralkarion. Der sich jedes Wort aus der Nase ziehen ließ. Der zu feige oder zu bequem war, Krathus die Wahrheit über ihn und seine Mutter zu erzählen. Der seine Pläne immer erst offenbarte, wenn er schon Fakten geschaffen hatte und offenbar erwartete, dass wir ihm freudig folgten. Der bei einem Gleichstand in der Abstimmung seine Version des Plans als die einzig gültige wahrnahm.
Ihr schafft gerne Fakten, Ralkarion und Garret? Gut, dann mache ich das jetzt auch. Wenn ihr so arbeiten wollt, ich kann das auch. Ich würde seine verdammte Schwester zu ihm bringen, damit das zumindest abgeschlossen wäre. Und wenn er dann irgendwann in einer kleinen Hütte mit seinen Waisen und seiner Schwester saß, während um ihn herum die Welt brannte, dann würde ich da sein, um es ihm unter die Nase zu reiben.
Unterwegs musste ich mehrmals anhalten und nach dem Weg fragen. Auch wenn ich dabei auf keinen Widerstand stieß, so holte mich Krathus unterwegs ein und fragte recht eingeschüchtert, was denn los sei. Ich war nicht in der Stimmung, dem kleinen Kobold alles lang und breit darzulegen, immerhin war er Teil des Problems, so verkürzte ich sinngemäß darauf, dass jeder immer egoistisch seinen eigenen Scheiß machen würde und es mich ankotzte, immer ausgeschlossen zu werden. Eine Übersteigerung? Sicherlich, aber ich hatte keinen Nerv für Nuancen mehr.
Angekommen bei der Tour buchten wir eine Kutsche. 10 Gold erschienen mir sehr viel, aber ich bezahlte einfach. As Krathus in Erfahrung brachte, dass die Kutsche erst in zwei bis drei Stunden auftauchen würde, stachelte das den gerade abflauenden Zorn wieder an. Krathus beschwor sein Reittier, doch ich musste mich abreagieren. Irgendetwas in mir regte sich und als ich die gelangweilte Angestellte aufforderte, uns dann das Geld zurückzugeben, spürte ich, wie sich die Adern in meinem Gesicht hervortaten. Was die Dame sichtlich entsetzte und als würde sie um ihr Leben fürchten, schmiss sie uns das Silber zurück. Ich hatte weder Muße, nachzufragen wieviel die Strecke an sich eigentlich kostete, noch nachzuzählen, sondern stieg einfach auf und befahl Krathus, aufzubrechen. Irgendetwas rann meine Wangen herab. Tränen? Warum das? Ich führte meine Finger dorthin und besah sie sich. Tränen, sicher, aber aus Blut. Interessant.
Den ersten Teil des Weges verbachten wir schweigend. Als meine Wut allmählich von einem schwarzen Glühen zu einem Lagerfeuer heruntergebrannt war, fragte ich Krathus nicht eben freundlich, ob er eigentlich wirklich so dämlich war, wie er tat, oder ob das nur eine Maskerade war. Was habe er zu verbergen? Ein recht eingeschüchterter Kobold erzählte mir daraufhin, dass er eigentlich gar kein Paladin war, sondern nur ein einfacher Bannerträger. Er und sein Freund Slip hatten eine bescheuerte Wette abgeschlossen, wer etwas vom Offizier klauen konnte. Sein Freund war seitdem verschwunden, doch er war mit der Rüstung entkommen. Na wunderbar. Er war also nicht einfach nur ein entlaufener Paladin, sondern hatte einen Offizier dieser offenbar recht mächtigen Garde verärgert. Die Tatsache, dass es bereits recht lange her war ließ zwar hoffen, dass der Offizier nicht mehr aktiv nach ihm suchte, doch manche Mächtige waren sehr hartnäckig, wenn es um ihren Besitz ging. Ich würde von nun an noch öfter über meine Schulter gucken. Ein Teil von mir wollte die Wut neu entfachen darüber, dass der Kobold das bis jetzt für sich behalten hatte, doch allmählich begann der rationale Teil wieder Oberhand zu gewinnen. Ich biss daher einmal wieder auf meine Zunge und konzentrierte mich auf die Tatsache, dass ich jetzt immerhin davon wusste. Und anders als die anderen hatte ich kein Problem damit, innerhalb der Gruppe Informationen zu teilen.
Nach einiger Zeit tauchte hinter und ein Pferd auf, dass zwei Gestalten mit sich trug. Ich konnte mir denken, wer das war. Ich konnte allerdings nicht sagen, dass ich darüber erfreut war. Eine Predigt wie alles, was sie täten ja völlig richtig und moralisch sei und ich ja nur übertreiben würde und rücksichtslos sei konnte ich jetzt wirklich nicht gebrauchen.