Tagebücher
Die Tagebucheinträge sind nach der Gesamtzahl der Sitzungen beider Gruppen strukturiert. Jedes Buch erzählt eine durchgehende Geschichte aus der jeweiligen Sichtweise des Charakters, der es geschrieben hat.
Gemeinsam ergeben diese Bücher die Zusammenfassung aller Ereignisse der Kampagne.
Sitzung 85
Krathus hatte sich bereits mit Tiago ausgetauscht, wenn auch nicht unterhalten, was den Sphärenmeister enorm irritierte. Verständlich, die wenigstens Herrscher oder zumindest hochgestellten Persönlichkeiten waren normalerweise daran gewöhnt, dass man ohne ein Zeichen der Unterwürfigkeit auf eine Reaktion wartete. Ich ging daher sofort nach der harten Landung (die Trage kippte uns schlicht aus) auf das Knie und schrie innerlich weiter. Wir waren auf auf Gedeih und Verderb davon abhängig, dass Krathus nichts Dummes tat oder sagte. denn als “Sklaven” waren wir nicht in der Lage, viel oder überhaupt zu sprechen. Ral versuchte es dennoch. Mir stockte der Atem… was tat der Kerl da? Das war vielleicht mutig, aber dumm. Und Dummheit tötete. Und dann bekam ich Angst, als Krathus enthüllte, dass sein Banner noch immer von der grünen Kugel umschwirrt wurde. Tiago begann sofort einen Zauber zu wirken, den ich in einem Moment der Klarheit als dem Zweck dienend erkannte, Nexusenergie zu identifizieren (was ich Ral, der meine Blicke gedeutet hatte, mental mitteilte) und uns daraufhin prompt fragte, ob er” einen fünften gebaut habe. Krathus wand sich ein wenig unter der Frage und niemand von uns konnte helfen…
Zu unserem Glück war Tiago, nach seiner Aussage der letzte König der Naga, aber wohl in Plauderlaune, jedenfalls gewährte er nach einem kurzen Austausch Krathus und seinen Sklaven einen Besuch beim Nexus und Ocanar, dem Allsehenden. Die innere Stimme schrie noch lauter. Hätte er nicht erstmal um ein Quartier für die Nacht bitten können? Das hätte uns die Gelegenheit verschafft, unser weiteres Vorgehen aufeinander abzustimmen, statt weiter blind durch die Gegend zu stolpern. Darunter mischte sich Wut. Ich hatte wirklich keine Lust, wegen der Unaufmerksamkeit des Kobolds hier zu sterben.
Während Krathus mit Tiago auf der Trage recht gemütlich hinüber zum Nexus schwebte (der in dem Gebäude neben dem Tunneleingang untergebracht war), wurden wir schlicht hinüber geschleudert. Ich sah noch, dass Ral versuchte, irgendetwas zu zaubern, vermutlich um unseren Aufprall zu lindern, doch es gelang ihm nicht und wir landeten recht unsanft. Insbesondere Ral wirkte ausgesprochen mitgenommen, woraufhin Krathus ihn magisch wieder aufpäppelte - und damit offenbar den Nexus wieder auflud. Nebenbei erfuhren wir, dass der Nexus gerade wohl nahezu erschöpft war aufgrund der geführten Schlachten. Interessant. Die Diener des Großen Roten würden dann wesentlich schwächer sein. In meinem Kopf begannen sich sofort Pläne zu bilden für Ablenkungsmanöver, die die Nexusenergie aufzehrten und dann mit den Hauptstreitkräften (sobald wir dann mal welche hätten) zuzuschlagen… so sehr ich die ganze Situation hier hasste, so sehr liebte ich doch diese neue Klarheit der Gedanken.
In Gedanken versunken bemerkte ich fast zu spät, dass sich vor mir im Boden ein großes Auge aufgetan hatte und mich anstarrte. Ich umging es, doch es folgte mir sowohl mit Blicken als auch physisch. Als ich es daraufhin näher untersuchte, merkte ich nur kurz eine Art Stoß im Rücken - und ich trat auf das Auge, dass melodramatisch aufschrie. Ungünstig, denn das machte einen der Beholderkin auf mich aufmerksam, der nun rasend schnell auf mich zukam. Ich wusste, wie die “Spiele” dieser Wesen aussahen und hatte wenig Lust, dieses Schicksal zu erleiden, aber mir blieb wohl kaum etwas anderes übrig - wir hatten beklagenswert wenige Optionen. Ich überlegte. Wie würde ein Sklave wohl reagieren? Ich beschloss, meine Schritte zu beschleunigen, dabei aber auf keinen Fall an Krathus vorbei zu gehen. Vielleicht würde der Beholderkin ja vom “Augenfolterer” ablassen, doch ein Blick über die Schulter machte mir deutlich, das das nicht funktionieren würde. Warum auch, ich war Sklave, ich war Freiwild und so bereitete ich mich auf das Spiel der Beholderkin vor.
Allerdings kam mir Krathus zuvor, der darum bat, dass die Strafe auf ihn umgelenkt werden möge. Verflucht, was tat der Kerl da? Ich hatte ja auch wenig Lust, zum Spielzeug zu werden, aber wir hätten noch größere Probleme, wenn unsere Tarnung aufflog. Erneut zur Untätigkeit verdammt, tröstete ich mich mit dem Gedanken, dass Krathus es sich durch seine Aktionen durchaus verdient hatte.
Nach diesem Zwischenfall betraten wir den Nexus. Das Gebilde sah von innen dem Herz der Wut verblüffend ähnlich, auch wenn es deutlich heller gehalten war - logisch, bei der weißen Kugel, die in der Mitte schwebte und tatsächlich fast leer war. Davor schwebte ein halb vergammelter Beholder, Ocanar der Allsehende, wie ich richtig vermutete. Die Steinfiguren draußen in Erinnerung habend wandte ich sicherheitshalber meinen Blick von ihm ab, dann begrüßte uns eine Stimme in unserem Kopf, deren Klang allein bereits so mächtig war, dass ich erstarrte, unfähig, auch nur einen Muskel zu rühren. Er begrüßte die Pilger und schickte nach kurzer Zeit Tiago heraus. Unglücklicherweise sah Juntos das als Einladung, Ocanar angreifen zu wollen. Ein völlig idiotischer Zug, der unsere Zeit hier enorm verkomplizieren würde, um es harmlos auszudrücken. Selbst wenn es ihm gelingen sollte, diesen Beholder mit einer Nexuskugel als Auge zu töten, wären wir daraufhin mitten in Feindesland, von hunderten umringt, dessen Chef wir gerade getötet hätten. Das durfte ich auf keinen Fall zulassen. Einem plötzlichen Instinkt folgend riss ich meinen Arm nach oben, woraufhin rötliche Energiefäden auf Juntos zuschossen und ihn mitten in der Bewegung einfroren. Dem magischen Angriff von Ocanar widerstand er, doch Ocanar machte deutlich, dass es nur ein Warnschuss gewesen sei.
Ab hier wurde es interessant, denn das nun folgende Gespräch entwickelte sich völlig anders, als ich es erwartet hätte. Zunächst einmal ließ er durchblicken, dass er wusste, dass Krathus nicht wirklich ein Pilger war. Was mich zuerst erschreckte - er hatte unsere Tarnung durchschaut und wir aren ihm hilflos ausgeliefert -, wandelte sich bereits in der nächsten Sekunde in Zuversicht, als er erkennen ließ, dass er noch weitere Details aus unserem Leben kannte und den Beinamen “der Allsehende” wohl zurecht trug. Das hieß für mich zwei Dinge: entweder, unsere Taten waren bisher zu chaotisch gewesen, um eine klare Präferenz für oder gegen den großen Roten zu erkennen, was wir ausnutzen könnten. Oder aber - ich wagte es kaum zu denken - er war ebenfalls kein Freund des großen Roten und damit ein potentieller Alliierter. Der Feind deines Feindes… dann durchfuhr ein scharfer Schmerz meinen Arm - der Zauber hatte aufgehört zu wirken, aber offenbar einen Preis in Blut gefordert. Die Verletzung war aber nicht schlimm, das spürte ich, und so konzentrierte ich mich erstmal auf das vor uns liegende. Wir musste um jeden Preis unsere Karten richtig ausspielen. Glücklicherweise hatte Ral Juntos mittlerweile ebenfalls magisch unter Kontrolle gebracht - im entscheidenden Moment hatte er also das Richtig getan, wir konnten es nicht riskieren, dass dieser Wilde mit seinen unbedachten Handlungen unser Leben in Gefahr brachte.
Immerhin hieß das auch, dass wir die Farce des Sklavendaseins nicht länger aufrecht erhalten mussten und nicht mehr Krathus ausgeliefert waren, ein befreiendes Gefühl. Und meine kühnsten Erwartungen wurden wahr: Ocanar bot uns an - nun, ehrlich gesagt müsste man sagen, dass er es uns in seiner aufgeblasenen Arroganz (eine Schwäche, die man ausnutzen konnte) befahl. Selten war es jedoch so einfach, einem Befehl zu folgen, da er als Gegenleistung für Razora, die Schonung der Hextor, die hierhin unterwegs waren und durch ihre Magie den Nexus füllen würden und dem zur Verfügung stellen eines Telekinese-Lehrers für die Akademie in Zoica nur verlangte, dass wir den Großen Roten töteten. Nicht, dass ich das nicht sowieso vorgehabt hätte - solange er lebte, wäre auch unser Leben in Gefahr. Und ich hatte vor, zu überleben.
Während die Details ausgehandelt wurden, schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. Dieses Wesen hatte bewiesen, dass es praktisch alles, was geschah, sah. Möglicherweise konnten wir uns das zunutze machen? Ral hatte offenbar denselben Gedanken, denn er fragte nach Informationen zu seiner Familie. Im Austausch gegen einen Drachenknochen bekam er dazu tatsächlich einiges genannt, unter anderem Name und Ort seiner kürzlich entdeckten Schwester: Foamwave, auf dem Schiff eines Mad Dog Maddoc. Darüber hinaus lernte er auf schmerzhafte Weise, dass es nicht klug war, einen derart mächtigen Beholder in seiner Macht anzuzweifeln…
Ich hatte leider kaum etwas anzubieten - das Buch war für die Information, die ich haben wollte, nicht wichtig genug, schließlich wusste ich noch gar nicht, ob die Suche etwas Nutzbares zu Tage fördern würde. Doch ich hatte schon vorher den Gedanken gehabt, dass Ocanar vielleicht allsehend, aber nicht allwissend war. Möglicherweise konnte ich ihn bei seiner Neugier packen? Ich bot ihm daher den Brief meines Mentors Kaldore an. Ich hatte keine Verwendung mehr für dieses Stück Papier eines Reiseberichts, dass ich damals aus einer hoffnungslos naiven Geste aus mitgenommen hatte, aber vielleicht konnte ich dadurch an relevante Informationen kommen. Er war zwar wenig begeistert davon, dass ich ihm nicht sagen wollte, was in dem Brief stand, doch er ließ sich auf den Tausch ein. Zwar bekam ich nur wenig zurück, die genauen Worte waren “Frag doch mal die Baroness, was sie mit ihren Opfern tut.”, doch für ein wertloses Stück Papier war das ein durchaus fairer Tausch - aus meiner Sicht zumindest. Es schien also, als hätte die Baroness die Finger im Spiel. Gut. Das hieß, an meiner Theorie um Arinas Verschwinden und das damit verbundene Schweigen könnte etwas dran sein. Außerdem hatte ich jetzt zumindest einen kleinen Anhaltspunkt.
Schließlich wurden wir nach draußen eskortiert, wo wir die mittlerweile freigelassene Razora sahen, die den Berg aus Versteinerten hinaufkletterte. Von Ral darauf angesprochen, sagte sie, dass ihr gesagt wurde, dass wenn sie es schaffen würde, alle frei wären. Anders gesagt, selbst wenn Razora versteinerte, wenn sie es schaffen würde, den Berg innerhalb der Zeit zu erklimmen, hätten wir so einige starke Kämpfer zur Verfügung, die uns etwas schuldeten. Ein Leben gegen deutlich mehr. Ein kleiner Preis. Ich hoffte sehr, dass auch Ral es so sehen würde und nicht aus irgendeiner dummen, romantischen Regung heraus alles verdarb, doch auf Ral war verlass und er ließ sie weiter klettern.
Tatsächlich schaffte Razora es, den Gipfel zu erreichen. Wie vermutlich zu erwarten versteinerte sie dort, doch die Beholderkin hielten Wort und ließen die anderen Gefangenen frei. So viele Alliierte an einem Tag - es war ein erstaunlich guter Tag geworden. Schon im nächsten Moment musste ich Ral und Garret davon abhalten, den Haufen hinaufzuklettern und Razora herunterzuholen. Nicht nur, dass beide nicht kräftig genug waren, sie zu stemmen, es war auch zu gefährlich. Garret war noch immer Zoicas Herrscher, Ralkarion hatte sich mehr als einmal als unverzichtbar erwiesen. Es wäre besser, wenn einer der Ex-Gefangenen sie holte - sie waren stärker und sollten sie ebenfalls versteinern, wäre der Verlust deutlich geringer.
Letzten Endes ließ es sich noch besser lösen - Krathus lenkte die offenbar eher minderbemittelten Beholderkin ab, so dass Ralkarion die Statue von Razora mit magischen Mitteln herunterholen konnte. Gut. Ral würde mental stabil bleiben und wir hatten niemanden sinnlos geopfert. Mit dem Ring wurde Razora entsteinert, wobei aber Ral seine Kontrolle von Juntos heben musste, der davon nicht begeistert war und seine Schwester anwies, Ral eine Ohrfeige zu verpassen. Razora tat dies - dann verpasste sie zu Krathus Erstaunen Ral eine dicken Kuss auf die Stirn. Krathus verlangte zu wissen, was das bedeuten würde und nun musste ich grinsen - ich freute mich schon darauf, zu sehen, wie sich Ral und Razora vor Krathus wanden, um ihm alles zu erklären.
Fürs Erste musste ich aber darauf warten, denn der Sphärenmeister holte Krathus ab, um dessen Banner aufzuladen, offenbar eine notwendige Maßnahme, um den Tunnel unbeschadet zu durchqueren. Ral sprach mich in der Zwischenzeit auf meine noch blutende Hand an. Richtig, ich hatte es schon fast vergessen. Ich konzentrierte ich auf die Heilung - es gelang schon etwas besser als noch letzte Nacht, aber ich würde noch etwas üben müssen. Ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren, dass ich dazu möglicherweise bald Gelegenheit bekäme, wo wir doch mit einem Haufen tumber Krieger durch die Gegend reisten, wenn Razora und Juntos repräsentativ waren.
Ral hingegen war erneut irritiert und fragte, was ich da gemacht habe. Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich mich geheilt habe, aber nicht genau wisse, wie genau ich das getan hatte. Es war Ral deutlich anzusehen, dass er noch viele Fragen hatte, doch die mussten warten, denn Krathus kam zurück und signalisierte damit, dass der Zeitpunkt zum Aufbruch gekommen war. Mit einem Rest Misstrauen betrat ich gemeinsam mit den anderen die Höhle, aber tatsächlich nahmen die Würmer vor dem Banner reißaus und wir erreichten ohne Verluste das andere Ende der sehr langen Höhle.
Dort schlugen wir ein Nachtlager auf und diskutierten mit Razora und Juntos das weitere Vorgehen und die Unterbringung ihres Volkes. Glücklicherweise sahen auch sie ein, dass sie in unserer Schuld standen, was es sehr einfach machte, sie davon zu überzeugen, ihre Kampfkraft in den Dienst Zoicas zu stellen. Weniger einfach war die Frage, wo sie untergebracht werden sollten. Rachwood war im Falle eines Angriffs zu weit entfernt, doch in Zoica wollten sie nicht leben. Auch Garrets Vorschlag einer Zeltstadt wurde abgelehnt, da Bären dort nicht Winterschlaf halten könnte. Ich war leicht genervt - seit wann waren Bären solch zarte Geschöpfe. Dann kam Shrum auf das Tapet, aus meiner Sicht eigentlich die ideale Lösung - es war von Goblins überrannt, aber darüber freuten sich die Krieger eher und in der Nähe gab es ein Waldstück, in dem es bestimmt auch Bären gab. Ungünstigerweise waren diese wohl mit den Orcs in der Nähe verbündet, zu denen Zoica bereits Diplomaten geschickt hatte. So sehr ich auch Juntos anschließende Einschätzung teilte, dass man manchmal nunmal Opfer bringen musste für das große Ganze, so war ich noch nicht überzeugt, dass es in diesem Fall nötig war. Und sinnloses Opfern schwächte uns nur unnötig. Nicht akzeptabel, da wir ohnehin schon keine besonders starke Position hatten. So fiel die Wahl letzten Endes darauf, sie in Absprache mit den Bugbears in Azoicstrum unterzubringen. Zumindest interessant, möglicherweise würden sie auch die Kampfkraft der Bugbears steigern können.
Nachdem dies entschieden war, besprachen Ral, Garret, Krathus und ich die allgemeine Lage und was es brauchen würde, Zoica intakt zu halten und zu stärken. Im selben Zug diskutierten wir das nächste Ziel. Ral wollte unbedingt auf die Suche nach seiner Schwester gehen und Garret unterstützte ihn dabei. Ich machte mein Missfallen gegenüber diesem Plan deutlich - zum aktuellen Zeitpunkt wäre das eine große zeitliche Ablenkung, die möglicherweise fatale Folgen für unseren Kampf gegen den Großen Roten haben könnte. Ich wies Ral daraufhin, was die Konsequenzen dafür sein konnten - mit erstaunlich geringem Effekt, ich hätte nicht gedacht, dass er das überhaupt in Betracht ziehen würde, doch offenbar war auch er zu Opfern bereit bereit. Gut. Daraufhin erzählte ich ihm von meiner Suche nach Arina. Wie sie als hoffnungslos romantische Suche begann, doch von der ich mir nun vielmehr erhoffte, einen Hebel zu bekommen, Ravengrove auf unserer Seite in diesen Kampf reinzuziehen. Ich erzählte auch, dass ich noch nicht vorhatte, dafür große Ablenkungen in Kauf zu nehmen, da ich im Gegensatz zu ihm meine Emotionen diesbezüglich im Griff hatte. Das führte allerdings nur dazu, dass er mich auf mein verändertes Verhalten und seine Verwirrung diesbezüglich ansprach. Dann stellte er die Frage, wer jetzt vor ihm stünde. Eine gute Frage, genau wusste ich das selber noch nicht. Ich wusste nur, dass ich endlich das Kind Ava zurückgelassen hatte und erwachsen geworden war. Meine Gedanken waren seit der Rückkehr von einer fantastischen Klarheit, und ich fühlte mich freier als je zuvor. So antwortete ich ihm, dass ich vermutlich einfach klüger und erfahrener geworden war. Natürlich befriedigte ihn diese Antwort nicht, doch mehr konnte ich ihm ja nicht einmal selber sagen, er würde also damit leben müssen.
Immerhin kamen wir überein, dass wir erstmal über Ostracitoren nach Zoica gehen würden und dann die Verhandlungen mit den Bugbears führen würden, alles weitere würde die Zukunft zeigen müssen …
Sitzung 85
Tatsächlich handelte es sich bei der Kreatur um Tiago. Ava reagierte prompt und kniete nieder. Erst jetzt war dieser Gedanke auch mir gekommen und so tat ich es ihr gleich. Zu sehr in Gedanken, ob unseren potentiellen Dahinscheidens. Zunächst testete er scheinbar Krathus, ob dieser wirklich der war, den er vorgab zu sein. Ein Anhänger Shadar Logoth’s. In einer was umständlichen Begrüßung, die definitiv zu häufig den Namen des Drachens beinhaltete, wurden mehrere Dinge klar. Tiago war gesprächig, offenbar der letzte König der Naga – so behauptete er – und Krathus’ kleine Schummelei hielt dem Test stand. Ausgehend von der erheblichen Anzahl der hier durch die Luft geisternden Augenviecher ersparte uns dies erst einmal das vorschnelle Ableben. Es war aber offenkundig, dass die Mitteilung der Kobold reise mit Sklaven bereits die Runde gemacht hatte. Ich wunderte mich, ob ein Herold sich auch dem Test hätte unterziehen müssen. Trotzdem behagte mir der Gedanke nicht dem kleinen Naivling ausgeliefert zu sein.
Während sich der Kobold und die Schlange unterhielten kam das Thema der Nexi auf, besonders des hier vorhandenen. In einem Seitenkommentar erwähnte Tiago, dass die Hextor damit in Verbindung stünden. Ich wollte mehr wissen. Nahm all meinen Mut zusammen und biss mir zugleich ob meiner notwendigen Unterwürfigkeit auf die Zunge. Dann bat ich Krathus um Erlaubnis eine Frage stellen zu dürfen. Die Scharade musste bestehen bleiben … was half es. Aber irgendwann bekäme er das zurück. Mit der Erlaubnis und der an Tiago gestellten Nachfrage seitens Krathus stellte sich heraus, dass dieser Nexus göttliche Energie sammelt. Wann immer die Hextor ihre Magie nutzten floß ein Teil direkt hier herein. Grandios. Die Metallbüchsen, die nun auch in Zoica hockten, halfen noch dabei Shadar mit Energie zu versorgen. Ganz beiläufig.
Dann kam es zu einigiger Verwirrung wegen der grünen Energie an Krathus’ Banner. Tiago zauberte offen, doch konnte ich mir keinen Reim darauf machen. Ava hingegen machte Anstalten, als ob sie etwas wahrgenommen hatte. In aller Stille setzte ich einen Kommunikationszauber ab. Sie bestätigte die Vermutung. Scheinbar hatte Tiago die Natur der Magie aufgedeckt. Ob das gut oder schlecht war brauchten wir nicht überdenken. Er schien recht begeistert. Wollte mehr wissen. Ob der Meister einen neuen Nexus erschaffen hätte. Was Krathus etwas forsch bejahte. Und sich gleich noch als eine neue Form von Pilger darstellte. Starten wir den Tag doch einfach mal mit noch mehr Lügen. War so die ganze Geschichte in dieser merkwürdigen Parallelwelt auch abgelaufen?
Jedenfalls hatte es den Effekt, dass wir zum Herrscher gebracht werden sollten. Ein wenig zu erfreut über diese Aussage wollte Tiago direkt los. Hieß das … Ocanar? Für einen Moment stockte mir der Atem. Tiago stürzte sich die Klippe hinab und schwamm zum anderen Ufer. Krathus bekam das Privileg auf magische weise durch die Luft hinüber zu schweben. Wir hingegen sollten wieder in die Gondel steigen. Hatten auch nur einer von uns an einen so angenehmen Flug wie zuvor gehofft, war diese Hoffnung mit dem Betreten der letzten Person sofort dahin. Mit einem heftigen Schubs schoss die Gondel mit uns an Bord durch die Luft. Offenbar war unser ehemaliger „Flugbegleiter“ diesmal weniger interessiert daran uns heile auf die andere Seite zu bringen. Würden wir so aufschlagen, könnte das im Zweifel tödlich enden. Ich versuchte die Gondel mit einem Zauber unter Kontrolle zu kriegen. Aber irgendwie gelang es nicht. Als ich gerade dabei war etwas anderes zu probieren bemerkte ich das Augenvieh und nachblickend. Es grinste. Sehr breit.
Der Aufschlag würde uns ereilen. So viel war gewiss. Und mit einem fast gelangweilten Gesichtsausdruck verharrte mein Blick bis zu jenem Moment auf diesem Sadisten. Es blieb nicht zu tun. Obgleich die anderen sich scheinbar alle einen Halt suchten. Der Aufprall war so schmerzhaft wie befürchtet. Da war sicher was gebrochen. Krathus aber nahm sich unserer, oder eher besonders meiner, geschundenen Gestalt an. Tiago fand das höchst erfreulich, würde es doch dabei helfen den Nexus zu füllen.
Nun, da wir wieder Richtung Höhle gekommen waren, war auch der Haufen Statuen besser zu erkennen. Ein ganzer Berg voller humanoider, die scheinbar alle versucht hatten etwas zu erklimmen und/oder etwas ergreifen wollten. Es waren so viele. Ein bizarrer Anblick. Und nicht zuletzt wo wir die Option besaßen ihnen zu helfen. Doch es würde ewig dauern alle aus ihrem steinernen Gefängnis zu befreien. Doch ganz sicher nicht unter Aufsicht dieser vielen Augen an diesem Ort.
Tiago ließ uns folgen. Die gigantische augenförmige Kuppel wäre unser Ziel und wir gingen direkt darauf zu. Mittendrin war Ava aus meinem Blickfeld verschwunden. Sie war etwas weiter zurück und schien sich für ein aus dem Boden blickendes Auge zu interessieren. Jetzt war wirklich nicht die Zeit damit rumzuspielen. Aber von Spielen konnte keine rede sein. Sie trat drauf, was sofort die Aufmerksamkeit eines dieser fliegenden Augen auf sich zog. Es kam direkt auf sie zu. Krathus informierend holte er die Info ein, dass Ava wohl etwas zu erwarten habe. Aufgrund eines Missverständnisses auf Tiago’s Seite wurde Krathus zweite Anfrage dann fehlinterpretiert. Das Auge konzentriere seinen Angriff nun auf ihn statt auf Ava. Ich hoffte inständig, dass wir nicht dauerhaft mit solchen Situationen hier zu tun haben würden. Wir waren nicht mal in einen richtigen Kampf verwickelt und hatten schon Blessuren davongetragen. Bei dem Tempo wäre bald nicht mehr viel von uns übrig. Ich versuchte meine Gedanken zu zerstreuen.
Das Gebäude vor uns war wahrlich eine riesige Kuppel, aber ohne ersichtlichen Eingang. Bis sich die Schlange einem bestimmten Punkt näherte. Dann öffnete es sich wie das Lid eines Auges. Im Inneren fand sich eine große Leere. Nur zwei Dinge gab es hier. Zum einen eine große Kugel mit einem kläglichen Rest an weißer Substanz. Definitiv ein Nexus! Daneben schwebte ein ziemlich zugerichtetes Augenvieh, dass starr in jenen Nexus blickte. Ihm fehlten einige der kleinen Augententakel und auch sonst wirkte es, als habe es einen harten Kampf hinter sich gebracht. Das zentrale Auge gar fehlte. An dessen Stelle prangte jedoch eine Nexussphäre. Mochte es auch wenig sehen, so konnte es sich wohl zumindest viel wünschen. Nur seine Heilung wohl nicht? Eigenartig.
Dieses verrottende Etwas war also Ocanar. Vielleicht hätten wir doch gute Chancen uns seiner zu entledigen. Doch zu welchem Preis. Hier kämen wir kaum lebend hinaus. Es sei denn … wir würden den Nexus einsetzen. Doch war Tiago nicht der Sphärenmeister? Und dann blieb da trotzdem noch das prall gefüllte Auge Ocanars. Wenn hier irgendwas schief ginge, wären wir nicht mehr als eine Randbemerkung der Geschichte. Ich hatte so viele Fragen, die sich gerade erst auftaten. Hier zu sterben war keine Option! Schöner Mut machender Gedanke, gefolgt von einiger beißenden Kälte in meinem Körper. Ich seufzte in mich hinein.
Tiago verließ uns und Ocanar begann sich nun uns zu widmen. Sein Blick blieb starr auf den Nexus gerichtet, sein Mund bewegte sich nicht. Aber eine Begrüßung hallte durch meinen Kopf. Mein Blick verzerrte sich und ich konnte kaum das Gleichgewicht halten. Den anderen schien es ähnlich zu gehen. Mein Körper wollte einfach nicht mehr reagieren. Kurz zuvor war mein Blick noch bei Juntos gewesen, welcher sich scheinbar auf einen Angriff vorbereiten wollte. Doch auch er rührte sich nun nicht mehr. „Es wäre besser es bliebe so“ dachte ich.
Ocanar donnerte weiter in unseren Köpfen. In wenigen Worten ließ er uns wissen, dass er sich genau im Klaren darüber sei wer wir sind und was wir wollten. Ob meines Gedankens, dass dies dann wohl das Ende der Reise markieren würde, folgte hingegen eine überraschende Wendung. Zunächst konnte ich mich zunächst wieder bewegen, der Blick klarte sich. Und zum Anderen machte er klar, dass der Nexus nicht voll genug sei, um Krathus Banner aufzuladen. Doch noch erstaunlicher war was er dann verlangte. Wir sollten für ihn Shadar Logoth töten. Das war keine kleine Überraschung. Scheinbar hatte der Drache Ocanar zwangsverpflichtet und ihm den ersichtlichen Schaden zugefügt. Ocanar war ein Gefangener, ein Spielball eines mächtigeren Wesens. Das Gefühl kannten wir.
Als er plötzlich direkt vor Krathus teleportierte hatten offenbar alle inzwischen das lähmende Donnern in ihren Köpfen unter Kontrolle gebracht. Sehr zu unserem Leidwesen. Jetzt war Ocanar nah. Und Juntos voller Tatendrang seinen scheinbaren taktischen Vorteil zu nutzen. Es war wie ein Münzwurf in meinem Kopf. Eher eine spontane Reaktion, denn eine wohl durchdachte. Würde Juntos angreifen, dann wäre die Kacke am dampfen. Doch ich wollte unsere Chancen definitiv erhöht wissen. So machte ich einen Zauber bereit …
Dann setzte Juntos sich in Bewegung und blieb einfach mitten in dieser stehen. Ava hatte irgendeinen Zauber angewandt, der ihn an Ort und Stelle hielt. Innerlich atmete ich erleichtert auf und ließ meine vorbereitete Energie verpuffen. Die Apokalypse dieser Gruppe war für einen weiteren Moment aufgehalten worden. So dachte ich. Ocanar jedoch ließ ein gleißendes Licht durch ein sich soeben gebildetes Loch in der Kuppeldecke kommen und richtete dessen Strahl auf Juntos. Es geschah nichts. Doch er warnte uns beim nächsten Mal würde er nicht so gnädig sein und einen wirklich mächtigen Zauber wirken. Obgleich Juntos wirkte, als habe ihn etwas durch Mark und Bein erschüttert brauchten wir Sicherheit. Ich erklärte ihm er solle ruhig bleiben, unser Ziel würden wir so nicht erreichen können. Glaubte ich wirklich er würde dem Folge leisten? Natürlich nicht, also setzte ich dem Ganzen einen Kontrollzauber oben drauf. Es wirkte. Seine Pulsschlagader am Hals war zwar kurz vor dem Bersten, aber er tat wie ihm befohlen wurde.
Nun war es Zeit mehr in Erfahrung zu bringen. Es gab einen Auftrag und dafür sollte es etwas im Gegenzug geben. Ocanar war … nun sagen wir, für unsere Verhältnisse war er erstaunlich normal. Ein verrottender Betrachter, Herrscher über eine ganze Region und definitiv nicht unser Freund, war gesprächsbereiter und zugleich weniger exzentrisch, als so manch ein Humanoid, dem wir begegnet waren. In meiner Erinnerung kam das Bild eines mumifizierten Zauberers hoch. Würden wir tun, was er verlangte, so ließe er Razora frei und würde unseren stärksten Alliierten nicht verkrüppelt zurücklassen. Damit spielte er auf die Hextor Legionen an, die gerade im Begriff waren auf Iris zu marschieren. Unser mächtigster Verbündeter waren diese … Leute. Sagte der „Allsehende“. Mein Blick fuhr wohl eher aus Gewohnheit in Garrets Richtung, als mir bewusst wurde was das hieße. Wir wollten mehr und leierten ihm zudem einen Betrachter für unsere Akademie aus den Tentakeln. Wobei es wohl eher in seinem, denn unserem Interesse lag dieses Angebot zu unterbreiten. Chrylax und ein Betrachter in Zoica.
Innerlich vorstellend wie ich meinen Kopf gegen die Wand schlug dachte ich nur „da braucht’s keine Untoten oder Drachen mehr vor den Toren, die Zerstörung kriegen wir ganz alleine hin“. Der Weg zu den neun Höllen ist mit guten Absichten gepflastert.
Ocanar freute sich diebisch, als wir den Deal eingingen. Er hasste Shadar, er hasste die Kobolde – welche er immer hofieren musste. Letztere würde er wohl demnächst auch mal ausbluten lassen. Doch würde er? Ich testete eine Theorie und gab zu bedenken, dass ein solches Verhalten sicherlich Shadar auf Ocanar aufmerksam machen würde. Die Folgen dürften wenig erfreulich sein, denn scheinbar hatte Ocanar schon das erste Mal dem Roten nicht viel entgegenzusetzen. Das nächste woran ich mich dann erinnere waren immense Kopfschmerzen und Dreck in meinem Gesicht. Telekinetisch schlug es mich zuerst gegen die Außenwand der sehr ausgedehnten Kuppel und dann auf den darunter befindlichen Boden. Mir tat so ziemlich jeder Teil meines Körpers weh, doch ich war sicher, dass ich einen Nerv bei Ocanar getroffen hatte.
Er mochte sich für so großartig halten, wie er wollte. So mächtig er auch sei, er war was das anging kaum weniger als wir. Einem mächtigeren Geschöpf untertan. Keinen Kobold würde er anrühren. Schwer zu sagen, ob es bloße Wut oder auch Angst war, die jene Reaktion bei ihm hervorrief. Dafür hatte ich gerade zu viel mit dem Zusammenkratzen von Kraft zum wieder aufstehen zu tun. Eines aber war klar: Ich hatte panische Angst. Hätte es zuvor den Deal nicht gegeben, dann wäre die Wand das kleinste meiner Probleme gewesen. Nichtsdestotrotz ergaben sich hier auch Chancen. Ocanar machte kein Geheimnis um sein umfassendes Wissen. Davon wollte ich Gebrauch machen. Und Ava scheinbar ebenso.
Ich wollte wissen wo meine Schwester sei und wie sie hieße. Er verlangte dafür eine Gegenleistung. „Was würde ihn wohl interessieren!?“ ging es mir durch den Kopf, als ich meine Hand in den zimmervollen Beutel steckte. Dann erspürte ich etwas. Auf den Kommentar hin, dass er von mir schonmal einen Vorgeschmack auf unseren Deal bekäme lachte er nur lautstark. Doch als ich ihm einen Drachenknochen entgegen hielt verschwand dieses Lachen in einer Mikrosekunde. Geradezu geifernd danach willigte er ein. Die Information, die ich erhielt war aber anders als erhofft. Ich wusste nun meine Schwester hieß Foamwave. Aber sie sei derzeit auf Mad Dog Maddoc’s Schiff, der Wavecrest. Ein paar Dinge machten nun „Klick“ in meinem Kopf. Es fügten sich einige vorherige Informationen zusammen und ein mulmiges Gefühl erhob sich in mir. Üble Voraussichten.
Ava hatte indes ihren Handel abgeschlossen. Eine mir bisher unbekannte Schriftrolle – nun ja, wir waren nicht unbedingt die engsten Freunde bisher gewesen – gegen Informationen über eine Arina. Ihre Freundin, die sie seit geraumer Zeit suchte. Die Antwort Ocanar’s war schmal. Da er dem unbekannten Inhalt der Schriftrolle nicht Ballzuviel Vertrauen entgegenbrachte, trotzdem neugierig genug war zu erfahren was drin stand, gab es zumindest diesen Satz: Ava solle diese Frage lieber der Baroness stellen, was diese mit ihren Opfern täte. Für uns eine super kryptische Aussage. Doch Ava schien damit vollauf zufrieden. Ich war mir nicht sicher, ob ihre kühle Reaktion darauf positiv zu werten war. Klang das doch eher nach einem unerwünschten Ergebnis für den Verbleib ihrer Freundin. Aus dieser andersartigen Ava wollte mir noch nichts zu recht klar werden. Und es beunruhigte mich. Wir hatten schon einmal einen Weggefährten, der sich eigentümlich verhielt. Doch wem machte ich etwas vor … ich reiste mit Garret und Krathus. Und hier neben mir stand noch ein mutierte Elf, der mich all meine Konzentration kostete unter Kontrolle zu halten damit er uns nicht alle sofort ins Grab zu schicken würde durch seine angestaute Wut. Dennoch …
Ocanar hatte indes Lust sich die Zeit anderweitig zu vertreiben. Razora sei frei, so sagte er. Gleichzeitig vernahmen wir einen Schrei. Ganz ähnlich war es als ich damals Juntos aus dem Stein holte. Doch draussen gab es mehr Lärm. Der Betrachter kündigte ein Event an. Das konnte ja nicht Gutes bedeuten. Wir begaben uns nach draußen und tatsächlich war Razora frei – gerade im Begriff den Haufen Steinstatuen zu erklettern. Wir wussten was dies hieß. Ocanar war nicht gerade subtil gewesen. An der Spitze würde sie versteinern. So setzte ich einen Zauber, rief sie in Gedanken, sagte ihr inne zu halten. Sie reagierte prompt und erstaunt. Ich lief näher und machte klar, dass sie frei sei und da runter kommen könnte. Doch ihr hatte man gesagt, dass alle Gefangenen frei währen und gehen könnten, wenn sie es schaffte die Spitze in der Zeit zu erreichen. Fassungslos starrte ich sie an, wie sie mich fragte was sie tun solle. All diese Leute aus Rachwood gegen Razora. Ich konnte, nein vielmehr wollte ich diese Entscheidung nicht treffen … Wie könnte ich sie jetzt aufgeben, nach allem was wir für ihre Rettung getan hatten. Ocanar hatte wahrlich Sinn für bösartigen Humor.
Meine Schultern wurden schlaff, die Arme baumelten an mir herunter. Der Blick verblieb auf ihr. Hinter mir machte sich allerdings Ava dafür stark, dass bei einem Erfolg mehr Verbündete zur Verfügung stünden und feuerte sie an. Innerlich schrie ich laut auf. Dann spürte ich aber den Ring weder bewusst an meinem Finger. Es würde Hoffnung geben sie zu befreien. Auf die eine oder andere Weise. Währenddessen setzte Razora ihren Weg fort, merkte aber klettern war zu ineffizient auf diesem Grund und setzte zu einem mächtigen Sprung an. Es gelang, sie stand triumphierend in nur wenigen Sekunden auf der Spitze … wo sie erneut versteinerte. Doch scheinbar hatte sie es tatsächlich geschafft diesen „Wettbewerb“ zu gewinnen. Ocanar wies an alle Gefangenen freizulassen und sie fortan nicht mehr mit ihnen zu „spielen“. Die Massen an Augenviechern da draussen war geradezu geschockt. Und obgleich er seine Gefangenen freilassen musste gab es da dieses hämische Lachen Ocanar’s in unseren Hinterköpfen.
Wissend um die Tatsache, dass er zuhörte gab es da nun den Rückweg zu klären. Wie erwartet hatte dies einen neuen Deal zur Folge. Wir könnten alle die Höhle nutzen, doch das würde deutlich teurer werden, als die kleinen Deals von vorhin. Ava war schon kurz davor das Buch anzubieten. Doch ein Bauchgefühl sagte mir, dass wir dieses lieber bei uns behalten sollten. Also zog ich das einzig Nützliche aus meiner Tasche, dass wohl wertvoll genug wäre. Ich haderte allerdings auch hier mit mir. Den Kessel mit Leerenenergie, den die drei mitgebracht hatten, an Ocanar zu geben war wohl auch nur eine bedingt gute Idee. Doch das Buch schien mir fataler. Ocanar willigte ein und zog es zu sich in die Kuppel. Doch scheinbar widersetzte sich der Kessel zeitweise? Was konnte die Leerenenergie bewirken gegen Ocanar oder die Nexusenergie? Diese Fragen mussten nun aber warten. Wir mussten von hier weg und das so bald wie möglich. Der Betrachter konnte jetzt jederzeit uns den Rückweg offenbaren.
Im Versuch Razora von dem Steinhaufen zu bekommen war mein erster Impuls mit ein paar anderen hochzuklettern und sie runter zu tragen. Ava intervenierte. Wir wären kaum in der Lage sie zu stemmen, oder gar nicht zu versteinern dort oben. Innerlich fluchte ich, versuchte dann aber mit telekinetischer Magie mein Glück. Der Bereich war übersät mit Augenviechern. Eines von ihnen erblickte mich bei dem Versuch, was wohl scheinbar meinen Zauber konterkarierte. Es war zum verrückt werden. Sie würde nicht hierbleiben. NIEMALS!
Dann hatte Krathus mit seiner chaotischen Art eine hilfreiche Idee. Er rief aus heiterem Himmel „Schaut, das Lama ist wieder da“. Woraufhin alle Augenviecher sofort abgelenkt waren und in eine von ihm gedeutete Richtung blickten. Als ich gerade dabei war Razora mit letzten verbleibenden magischen Kräften herunterzuholen versagte die Ablenkung. Woraufhin der Kobold schließlich einfach in eine andere Richtung zeigte wo das Lama nun sei. Scheinbar waren diese Dinger nicht sonderlich helle hinter ihrem Primärauge. Sie fielen erneut herein. Er hatte damit genug Zeit erkauft, dass ich sie herunter bekam und Ava den Ring einsetzte sie zu entsteinern. Ich atmete erleichtert auf. Derweil entließ ich Juntos aus meinem Bann, nachdem ich ihm sagte er solle sich zusammenreißen und es mir nicht übel nehmen. Die Folge war, dass er seiner Schwester direkt im Anschluss auftrug mir eine zu verpassen. Was sie anstandslos tat … und mir gleich darauf einen dicken Kuss aufdrückte. Sichtlich zu Krathus Verwunderung – und ich denke auch zu Juntos’.
Wir versammelten die ehemaligen Gefangenen. Dann kam Tiago mit etwas in der Hand angerauscht und begab sich ins Innere der Kuppel. Erneut hallte seine Stimme in unseren Köpfen. Wir sollten wohl auch kommen. So standen wir ein weiteres Mal vor Ocanar und dem Nexus von Iris. Was wir da aber zu sehen bekamen war verblüffend. Tiago versuchte eine geladene Sphäre zurück in den Nexus zu leiten. Ein nicht unerheblicher Teil ging dabei verloren. Scheinbar war das keine Prozedur die so gedacht war. Doch der Nexus hatte eine deutlich annehmbarere Füllung. Ocanar ließ uns nunmehr wissen, dass nun klar sei war wieso der Preis für unsere Rückreise erheblich war. Krathus sollte nun sein Banner aufladen lassen. In einer Stunde wäre es fertig. Wir seien solange hier drin aber nicht willkommen.
Versammelt vor der Kuppel legten wir eine kleine Rast ein. Wir informierten die Rachwood’ler über die Ereignisse ihrer Freilassung. Sie hatten ob des verlorenen Gemetzels und der Einkerkerung hier einen eher gebrochenen Geist. Erst einmal in Freiheit würde sich das sicherlich wieder geben. Diese Leute waren nicht gerade weichlich. Ich wunderte mich nur, ob ich mich jemals von alledem erholen würde. Die Erkenntnisse der letzten Zeit waren ein Gewittersturm an Scheiße, der mich gefühlt unter sich begrub. Ocanar’s Befehl Shadar zu töten war ein schlechter Witz. Die Macht, der wir hier in Iris schon gegenüber standen war extrem. Wir hatten alliierte, die sich nicht scheuten ob ihrer Überzeugung eine Stadt mit Frauen und Kindern über die Klinge springen zu lassen – dass die Untoten angreifen würden schien ihnen egal. Hatte der Halbling nicht auch eine Stadt in den Händen einer Drachenbrut gelassen, die vermeintlich ein halber Shadar ist? Und dann war da meine eigene Familie … Nimmt man es genau, dann hätte ich kaum mehr gelitten, wenn ich in Ailamere geblieben wäre. Oder … ich schaute zu Garret, als er nicht hinguckte, ich IHM nie begegnet wäre. Ehrlicherweise waren es am Ende waren aber meine Entscheidungen, die mich hierher getragen hatten.
Einst wollte ich nur meinem „Gefängnis“ entfliehen, meinen Weg durch diese Welt ohne Bürden gehen, mächtiger werden um eine letzte Schuld zu begleichen – eines Tages. Es hat sich so vieles verändert. Meine Gedanken kreisten noch eine Weile. Was mich erstaunlich glücklich machte war Razora zu beobachten, wie sie sich um die ihren kümmerte. Als mich der Gedanke ereilte, dass ich sie in Sicherheit wissen wollen würde, musste ich über mich selbst lachen. Als ob diese Frau jemals auf sicher spielen würde. „Sag dem Regen, dass er nicht nass sein solle.“
Die Stunde verging und Krathus durfte sein Banner holen gehen. Ocanar machte klar, dass damit alles getan wäre und wir nun gehen sollten. Sollte das aufgeladene Banner schon die sichere Rückkehr durch den wurmverseuchten Tunnel sein? Wir testeten uns voran. Die Würmer verkrochen sich voller Panik, als Krathus auch nur in ihre Nähe kam. So zogen wir davon. Mit wesentlich mehr, als wir erhofft hatten.
Juntos gab auf dem Weg noch Hinweise zum Bärenvolk das Jenseits von Rachwood lebte. Ursula und ihr Stamm waren wohl ziemlich angesehen in den Kriegerkreisen von Rachwood. Dies ließ er uns wissen, als wir über eine Bleibe für diese Heimatlosen sprachen. Zoica und die Umgebung wurden abgelehnt. Aber die Idee mit den Bugbears sich einen Ort zu teilen fanden sie Wiederrum gar nicht so schlecht. Die seien ähnlich hoch angesehen als Krieger.
Derweil ließ ich Arem und Chrylax wissen, dass ein Betrachter auf dem Weg ist die Akademie zu ergänzen. Vielmehr schrieb ich aber auch der mir bisher noch nie persönlich vorgestellten Halbelfe Layara wegen Hinweisen zu meiner Schwester. Ihre Gruppe war zuletzt in Ailamere. Wer weiß was sie dort in Erfahrung gebracht hatten.
Wir rasteten vor dem Höhleneingang, als wir diesen verließen. Es gab ein paar Ideen was nun geschehen sollte. Auf jeden Fall führte der Weg über das Portal in Ostracitoren nach Zoica. Dann sollte mit Angstrum bzw. Toefel gesprochen werden, was die Unterbringung der Rachwood’ler anging. Garret müsste vielleicht auch mal wieder einen Blick in „seine“ Stadt werfen. Wer weiß was der Zinnsoldat, oder Posetine so taten. Aber für mich gab es einen starken Drang nach Ailamere zurückzukehren. In diese verfluchte Stadt. Ava versuchte ihre Suche nach Arina als Ansatz dafür zu nehmen, dass ich mich um die „unwichtigeren“ Dinge später kümmern könnte – so wie sie auch. Kann nicht sagen, dass ich ihr zustimmen konnte. Insbesondere aufgrund dessen, wie sie sich zuletzt verhielt. Und dann ergriff mich ein Gedanke, während ich in das Lagerfeuer starrte. Nach all den Erlebnissen hier … vielleicht könnte man einfach einen weiteren Pakt schließen, lediglich mit einem anderen Teufel …
Sitzung 84
Teil 1 - Parallelwelt
Auf dem Weg nach oben, endlich dem aufdringlichen Wirt entkommen, hielt ich nach Krathus Ausschau - der Kobold hatte den Tisch bereits früher verlassen. Ich sah ihn nicht, doch die Antwort dafür bekam ich später. Zuerst warteten einige wie erwartet schlaflose Stunden auf mich. Krathus Kommentar beschäftigte mich noch immer, denn er hatte Recht. Was Gudden betraf, war ich immer noch der Meinung, es wäre das Beste, ihn hier zurückzulassen - wobei ich das Wort “Beste” in dem Kontext kaum verwenden mochte, denn es war eine furchtbare Option. Vermutlich war es das, was mich endgültig zu der Entscheidung brachte, Ral zu holen, sobald wir wieder zurück waren. Das es ein Fehler war, ihn gehen zu lassen, war mir schon länger klar, ich würde nicht auch noch ohne ihn nach Iris gehen, wenn niemand von uns Ahnung hatte, wie man mit einem Nexus umging. Was hatten wir uns überhaupt dabei gedacht? Den Rest der Zeit kreisten meine Gedanken dann wieder vor allem um Schuldgefühle Gudden und Monta gegenüber.
Mitten in der Nacht klopfte es plötzlich. Ich erschrak, doch im nächsten Moment wurde mir klar, dass das dumm war. Die Wachen Itius würden sicher nicht höflich anklopfen, um uns mitzunehmen und in der Tat stellte sich der nächtliche Besucher als Krathus heraus. Er teilte mir mit, er sei unterwegs gewesen und habe herausgefunden, dass Gudden tatsächlich lebend bei Itiu gefangen gehalten wurde. Wenig überraschend, aber doch gut zu wissen, dass er noch lebte. Weitaus verblüffender war, dass Krathus in Erfahrung gebracht hatte, dass sich morgen gegen Mittag eine Menschenmenge vor Itius Anwesen versammeln würde. Ich konnte mir zwar keinen Reim darauf machen, warum das geschah, aber Krathus schlug vor, das zu unserem Vorteil zu nutzen, Garret hätte schon zugestimmt. Nicht begeistert von dem Plan, weil es unser Hauptproblem von Guddens Rückkehr nicht löste, aber hin- und hergerissen zwischen dem was ich für richtig und was ich für nötig hielt und dann auch noch um Garrets volltrunkenen Zustand wissend, stimmte ich zumindest zu, das morgen früh noch zu besprechen.
Da mir die Ruhe ohnehin enteilte, ging ich beim ersten Licht des Morgens hinunter in die Schankstube, um dort auf Garret und Krathus zu warten. Die Schankstube war für die Uhrzeit ungewöhnlich beschäftigt. Neugierig, was dazu führte, lauschte ich den Gesprächen an den Nebentischen - um im nächsten Moment war dieselbe kalte Wut da, die mich schon am Steinzirkel gepackt hatte. Krathus hatte mitnichten nur „aufgeschnappt”, dass es eine Versammlung geben sollte - er hatte sie als der Abgesandte initiiert! Reichte es nicht, dass schon Garret mich belogen hatte? Jetzt auch noch er? Von ihm und seiner naiven Art, in der er leider auch das eine oder andere Geheimnis sorglos ausplapperte, hätte ich am wenigsten erwartet, mein Vertrauen derart zu missbrauchen. Als Garret wenig später nach unten kam, merkte er diesmal immerhin sofort, dass etwas nicht stimmte. Darauf angesprochen, wies ich ihn auf die Gespräche an den Tischen hin, woraufhin er es mit einem Scherz zu seiner eigenen Revolution versuchte. Vermutlich meinte er es nur gut, aber in meiner Wut wollte ich davon nun wirklich nichts hören, jedoch gab es mir eine Idee, wie man Krathus vielleicht zu Verstand bringen konnte. Als dieser wenig später herunterkam, fauchte ich ihn nur an, sich hinzusetzen, dann wendete ich mich an Garret und sagte ihm, er solle Krathus einmal von den Folgen seiner eigenen Revolution berichten. Krathus hatte die ganze Zeit schon eher an Garret gehangen, es wäre sicher effektiver, wenn es von ihm kam.
Dass das eine dumme Idee war, hätte mir vorher klar sein müssen, denn natürlich fing Garret erstmal davon an, dass es ja gut sei, dass der alte Herrscher weg sei. All der Mist, der danach passiert war, allen voran die Hextor, die allein durch ihre Anwesenheit Zoica in Gefahr brachten, kam ihm gar nicht in den Sinn. Ich musste ihn also auf alles hinweisen. Nicht unbedingt ein Vergnügen, erinnerte es doch auch mich noch einmal daran, was dort alles los war - armer Arem, während der eigentliche Herrscher Zoicas sich in der Welt herumtrieb, hatte er dort kein leichtes Los. Fast schon erwartungsgemäß war der Effekt gering, Krathus verteidigte sein Vorgehen weiterhin und hielt es für die beste Chance, Gudden herauszuholen. Hatte er mir denn so gar nicht zugehört? Als auch Garret milde Begeisterung für den Plan ausdrückte, knallte ich meinen Kopf nun doch auf den Tisch. Was musste ich noch tun, um hier ernst genommen zu werden?
Nun gut, es brachte ganz offensichtlich nichts, den beiden die Beschissenheit unserer Lage klarzumachen, also galt es, das Ganze so unblutig wie möglich über die Bühne zu bringen. Was wir danach mit dem Bugbear tun würden, müssten wir dann sehen, Krathus hatte uns keine Wahl gelassen und sein vorschnelles Handeln noch dazu nur wenige Optionen. Doch einfach im Aufruhr unbemerkt verschwinden? Was würde Itiu der Menge wohl erzählen, wenn ihr geliebter, aber von ihm gehasster Abgesandter nicht auftauchte, hmm? Geheimgang? Keine Option, da auch dies mit einem Nichtauftauchen des Abgesandten einherging. Krathus versteigerte sich gar zu der Aussage, Gudden können ja eventuell bemerken, was draußen los sei und dann vielleicht irgendwie sein Echo… oh man. So recht zu einem Ergebnis kamen wir nicht, doch ich wurde des Diskutierens mit zwei Steinblöcken langsam überdrüssig und so schlug ich vor, erstmal nach Monta Kren zu sehen. Wir erreichten die Hütte unbehelligt und obwohl es noch früh war, öffnete er uns. Sein Anblick ließ mich zeitweise alles vergessen, was vorgefallen war und ich empfand nur noch Mitleid. Ein gebrochener Mann, keine Frage. Ich wollte ihm erneut mein Mitleid aussprechen, ihn trösten, doch Garret kam mir zuvor und fragte erstmal, wann er denn fertig sei. Verständlicherweise etwas angefressen eröffnete er uns, dass die Vorbereitungen bis zum Nachmittag abgeschlossen sein müssten, es jedoch die Komplikation gab, dass er uns am selben Ort zurückbringen müsste, an dem wir hergekommen waren, der Höhle der Spinnen. Endlich zu Wort kommend, legte ich ihm die Hand auf die Schulter und fragte ihn, ob er seine Tochter beerdigen wolle. Kurz überlegte er, dann nickte er, es sei Zeit, loszulassen. Er erzählte von einem kleinen Hain ein paar Stunden außerhalb von Oclusar, der glücklicherweise sogar einigermaßen auf dem Weg lag. Unseren Zeitplan vergessend, sagte ich ihm zu, dass wir da sein würden, dieses Mal mit Reittieren.
Daraufhin gingen wir wieder und es wurde Zeit, die „Planung”, wenn man es denn so nennen durfte, fortzusetzen. Nach langem Hin und Her beschlossen wir, dass Krathus seinen Auftritt als Abgesandter hinlegen sollte und wir uns die Ablenkung nutzend in der Zwischenzeit davonstehlen würden, um Gudden zu befreien. Wie gut mir das in meinem ausgelaugten Zustand gelingen würde, würden wir wohl dann feststellen… Jedenfalls verbrachten wir den Rest der Zeit damit, Krathus dabei zuzusehen, wie er murmelnd seinen Auftritt plante und für uns selbst Verkleidungen zu organisieren, damit wir nicht sofort erkannt würden, dann war es Zeit.
Mit einem mulmigen Gefühl ging ich mit den beiden und wie es schien nahezu allen Bewohnern Oclusars den Berg hinauf zu Itius Anwesen. Es hatte sich bereits eine erkleckliche Masse dort versammelt, allerdings hatte Itiu auch deutlich mehr Wachen als sonst abgestellt. Krathus hatte sich fürs Erste verkleidet, damit wir die Lage sondieren konnten, doch als Itiu selbst vor das Tor trat, im Hintergrund bewacht von Shruc, war Krathus Auftritt gekommen. Itiu begann zu sprechen, doch er kam nicht allzuweit - als sich Krathus in seiner Rolle als der Abgesandte zu erkennen gab, hingen die Leute an seinen Lippen, einer nahm ihn gar auf seine Schultern und sah dabei aus, als wäre ihm dadurch eine unheimliche Ehre zuteil gekommen, nicht etwa so, als ob einfach nur ein kleiner Kobold auf seinen Schultern säße. Ich musste zugeben, die Lichtshow, die Krathus abbrannte war ziemlich beeindruckend - besonders das Banner leistete ihm gute Dienste, indem er mit ihm den Vorhof begrünte. Kurz fürchtete ich, dass die Ablenkung für Garret und mich nicht funktionieren würde, denn Olerian raste plötzlich aus irgendeinem Grund wie wild davon und in die Burg hinein, doch ich konnte mich jetzt nicht darum kümmern, wir hatten eine andere Aufgabe. Während Krathus von Frieden und Leben sprach und Itiu ganz offensichtlich vor Wut schäumte, aber völlig machtlos war, die Situation zu ändern, begannen Garret und ich, uns an den Rand der Versammlung zu begeben.
Dort erwartete uns dann die nächste Überraschung - Gudden schien es irgendwie geschafft zu haben, sich selbst zu befreien und stand neben uns. Er befahl uns, sich bereit zumachen und ging dann mit uns im Schlepptau geradewegs zu Krathus. Die Leute machten dem „Leibwächter des Abgesandten” bereitwillig Platz und auf Itius Gesicht war nun auch Fassungslosigkeit zu lesen, dass Gudden frei war.
Dann ging plötzlich alles sehr schnell. Gudden nahm Krathus auf die Schulter, dann offenbarte er eine Nexuskugel unter seinem Umhang und wünschte sich ein Portal zurück in unsere Welt. Krathus war praktisch sofort in dem Portal verschwunden, reflexartig seiner Anweisung folgend nutzten ich und Garret Gudden als Sprungbrett, um ebenfalls durchs Portal zu springen. Erst mitten im Sprung schoß mir plötzlich durch den Kopf, was wir dieser Welt und zumindest einigen Bewohnern gerade alles antaten, doch da war es bereits zu spät. Dunkelheit umfing mich, dann plötzlich ein rasender Schmerz. Dann verlor ich das Bewusstsein…
Teil 2 - Zurück in Logothil
Ich wachte auf. Gras unter meinem Körper. Nicht überall. Eine Decke unter meinem Kopf. Garret? Krathus? Es war nicht kalt. Sie hatten sie wohl selber nicht gebraucht. Gute alte Sentimentalität. Wie lange ich wohl bewusstlos gewesen war? Moment. Stimmen. Drei. Nein. Vier. Garret und Krathus, klar. Ral! Gut. Das ersparte uns einen Umweg. War ich überrascht? Nicht wirklich, er hatte bereits bewiesen, dass er auf sich aufpassen konnte. Die fünfte Stimme war unbekannt. Männlich. Leicht aggressiver Unterton.
Das alles schoss mir im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf. Trotz meiner körperlichen Erschöpfung war mein Kopf so klar wie schon lange nicht mehr und ich genoss das Gefühl. Mit derselben Klarheit beschloss ich, noch einen Moment liegen zu bleiben und schlafend zu stellen. Ich wollte erstmal ein Gefühl für diesen “Juntos” bekommen, während er sich von mir unbeobachtet fühlte. So bemerkte ich, dass der aggressive Unterton wohl eher angeboren oder antrainiert war. Erinnerte mich an Razora.
Meine Gefährten waren wohl gerade in den letzten Zügen unseres Berichts über unseren Ausflug in die Parallelwelt, jedenfalls tadelte Ral gerade Garret und Krathus für ihr unüberlegtes Handeln. Ich beschloss, dass ich genug gespielt hatte, von Juntos schien keine Gefahr auszugehen und so öffnete ich die Augen und erwähnte, dass Nachdenken nicht unbedingt die Stärke dieser Gruppe sei.
Sie schienen erfreut, mich wieder auf den Beinen zu sehen, auch wenn Ralkarion sich offenbar einen etwas herzlicheren Empfang gewünscht hätte. Nun, man konnte nicht jeden glücklich machen. Er würde akzeptieren müssen, dass ich froh war, dass er zurück war, ohne dass ich ihm um den Hals fiel und wir hatten größere Probleme als uns über eine Wiedervereinigung zu freuen. Iris lag direkt vor uns und mit Ral zurück hatten wir unseren „Experten” für die Nexi zurück. Er erwähnte nebenbei, dass er auch Taya und Snurba getroffen hatte. Problem oder Chance? Ich verstaute diesen Gedanken für später. Fürs Erste ging es darum, nach Iris zu gelangen. Auch Juntos, tatsächlich der Bruder von Razora und irgendwie dadurch Krathus Onkel, hatte genau wie Ral ein gesteigertes Interesse daran, dorthin zu gelangen, denn Razora lebte noch und war zusammen mit vielen anderen des Dorfes dorthin verschleppt worden. Ich lächelte in mich hinein. Die Legionen aus Iris mochten Juntos’ Volk und Rachwood problemlos besiegt haben mochten, doch indem sie sie gefangen nahmen und in ihrer Stadt einsperrten, hatten sie uns unbewusst eine große Menge an Alliierten in ihrer eigenen Stadt verschafft. Sofern sie diesbezüglich keinen absolut sicheren Plan hatten und sollte es uns gelingen, sie zu befreien, stiegen unsere Chancen, für unser Vorhaben und auch für Zoica viele Unterstützer zu gewinnen. Und die würden wir brauchen.
Doch wir hatten nichtsdestotrotz noch immer viel zu wenige Informationen, was uns im und jenseits des Tunnels erwartete. Juntos fragte, was das Problem genau sei und einem plötzlichen Instinkt folgend öffnete ich meine Handfläche in einer etwas umständlichen Drehung - und über meiner Hand erschien plötzlich ein magisch erzeugtes, nahezu perfektes Abbild eines Wurms. Ich war ähnlich überrascht wie die anderen, freute mich jedoch über diese durchaus nützliche Fähigkeit. Es gab einige mehr oder weniger taugliche Ideen, ich schlug vor, einen der Würmer ans Tageslicht zu ziehen und dort zu erledigen, wo wir vermutlich im Vorteil wären. Ich hatte die Hoffnung, dass eine anschließende Untersuchung des Wurms möglicherweise Aufschluss über Zahl, Fähigkeiten und vor allem Schwachpunkte der Biester bringen und die Durchquerung erleichtern würde. Diese Idee wurde jedoch mit dem durchaus berechtigten Einwand überstimmt, dass ein Kampf so nahe an Iris ungewollte Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnte, Krathus hatte die Stadt in fünf Kilometern Entfernung ausgemacht, genauer gesagt den Nexus.
Schließlich schlug Ral vor, uns nach und nach als Gaswolke durch den Tunnel zu schicken. Diese Idee hatte Potential - wenn die Würmer sich nach Erschütterungen richteten, würden sie uns dadurch nicht bemerken. Ich wand jedoch ein, dass damit das Problem nicht gelöst sei, dass wir nicht wussten, was am anderen Ende auf uns wartete. Dennoch, wenn man eine Verbindung herstellen nach drüben könnte… ich dachte nach. Garret zuerst hinüberschicken? Nein, trotz allem war er noch der Herrscher von Zoica, die Stadt brauchte nicht noch mehr Instabilität. Ral? Wer sollte uns dann herüberbringen, nein. Krathus? Er war unser Link zu dem großen Roten, das mochte noch nützlich werden, er schied auch aus. Juntos? Möglich, aber er sah nach einem kräftigen Kämpfer aus, den wir noch brauchen würden, statt ihn sinnlos zu opfern. Mich selbst? Ebenfalls möglich, aber ich musste gestehen, dass auch ich wenig Lust hatte, sinnlos zu sterben. Jammerschade, dass Snurba nicht mehr hier war, er wäre der ideale Kandidat zum Ausspähen gewesen. Den letzten Gedanken sprach ich laut aus. Wie zu erwarten missfiel er Ral und Garret, aber wir hatten lange genug gangbare Möglichkeiten ausgeschlossen. Nun, es war vermutlich ohnehin nicht realistisch, umzukehren und den Kobold und Taya einzuholen.
Mittlerweile war es spät geworden und wir waren noch nicht viel weiter gekommen - wir hatten schlicht zu wenige Informationen. Da mein Körper sich mehr und mehr über die Strapazen der letzten Nacht und den heutigen Tag, schlug ich vor, sich auszuruhen. Es war mir nicht wohl dabei, in diesem Zustand mitten im Feindesland zu sein. Die anderen stimmten zu, doch da sie offenbar noch Gesprächsbedarf hatten, setzte ich mich etwas abseits, um meine Meditation zu beginnen.
Leider kam ich nicht weit, denn Garret unterbrach mich nach kurzer Zeit. Meine Frage, ob er sich unbedingt jetzt unterhalten müsse oder ob das warten könne, bis ich mich erholt hatte ignorierend, fragte er mich, ob alles in Ordnung war. Mir war klar, dass diese Frage nur ein Vorwand für ein beginnendes Gespräch war, doch ich war bereit, ihm entgegenzukommen und so antwortete ich wahrheitsgemäß, dass es mir hervorragend ginge, abgesehen von der Erschöpfung. Damit kam Garret dann auch zum Punkt: Er begann einmal mehr mit der Moral, dass man sie nicht verraten dürfe, nicht werden dürfe, was man jagt. Amüsierend von einem wie ihm, doch ich konnte ihm kaum böse sein, schließlich hatte ich bis vor kurzem noch selbst so gedacht. Und so bemühte ich mich zu erklären, dass es egoistisch wäre, die eigene Moral über das große Ganze zu stellen. Das ich meine Moralvorstellungen jederzeit hinten anstellen würde, wenn es bedeuten würde, dass ich dadurch echte Veränderung bewirken könnte. Ich gebe zu, ein Teil von mir wunderte sich selbst über die Worte, die ich sprach. Ich schien erwachsen geworden zu sein. Garret hingegen schienen die Worte eher noch mehr zu verunsichern und er begann sich sogar, für seine Rolle in meiner Gefühlswelt der vergangenen Tage zu entschuldigen. Noch vor ein paar Tagen hätte ich mich darüber sehr gefreut, doch jetzt unterbrach ich ihn. Er sollte sich nicht für etwas entschuldigen, was er offenbar aus Selbstschutz getan hatte. Lieber sollte er darüber nachdenken, warum er diesen Selbstschutz einer fremden gegenüber so bereitwillig aufgegeben hätte. Um ihn wenigstens ein bisschen zu stabilisieren, sagte ich ihm, dass ich ihm deswegen nicht länger böse war, vielmehr war ich dankbar für die Erfahrung, ich hatte offenbar viel aus ihr lernen können. Dann gab ich ihm unmissverständlich zu verstehen, dass ich jetzt Ruhe benötigte und er ging. Auf mich wirkte er noch immer leicht geknickt. Nun, er würde schon klar kommen, er hatte ein ziemlich dickes Fell diesbezüglich.
Am Ende meiner Wache, gegen Beginn des neuen Morgens, hörte ich plötzlich weitere Stimmen. In meiner Erinnerung kramend bestätigte sich der Verdacht, dass es möglicherweise Beholderkin wären, als sie von Barry sprachen. Ich begann, die anderen zu wecken, als sie uns bemerkten. Ral benötigte etwas mehr „Zuspruch” als die anderen, zu sehr lenkte ihn mein kleines Makeover aus der Nacht ab, doch auch er bemerkte schließlich die Beholderkin über uns. Ich fragte, was wir nun tun sollten und ließ vorsichtshalber meinen Bogen aus dem Nichts erscheinen, sollte es zu einem Kampf kommen - was ich nicht hoffte, damit könnten wir die Operation Iris vermutlich sofort abblasen. Die Beholderkin schienen jedoch kein gesteigertes Interesse an uns zu haben und machten Anstalten, weiterzuziehen - bis Ral etwas davon erzählte, dass wir Pilger seien. Dies schien Eindruck zu machen, wenn auch nicht unbedingt den besten - die Beholderkin wirkten etwas genervt und flogen zurück über den Berg, doch ihre Worte ließen erwarten, dass sie möglicherweise mit einem Transportmittel zurück kämen. Eile war also geboten statt einem wohldurchdachten Plan - wie originell. Natürlich war mir gar nicht wohl dabei, doch wir hatten keine andere Wahl. Zuerst musste ich die anderen einmal mehr von unbedeutenden Dingen wie meinem veränderten Äußeren und meinem nun verschwindenden und wiedererscheinenden Bogen abbringen. Dann beschlossen wir, dass Krathus erneut das Sprachrohr der Gruppe sein sollte, wir hingegen seine Wachen, ein Plan, der Juntos zwar nicht schmeckte, den er aber akzeptierte, nachdem wir ihm eingeschärft hatten, dass er drüben auf keinen Fall einfach drauflos schlagen durfte. Ich warf noch ein, dass wir Ral zu Krathus Herold machen sollten, damit er sprechen durfte - nicht, dass ich Krathus böse Absichten unterstellte, der Kleine war zu naiv dafür, doch er tendierte dazu, unüberlegte Dinge zu sagen. Darüber hinaus schärfte ich ihm noch ein, in seiner Rolle auf Rals Ratschläge statt auf Garrets zu hören - aus demselben Grund. Wir hatten keine Zeit, Garrets Gefühle zu schonen, er würde damit klarkommen müssen.
Doch wie kaum anders zu erwarten, hielt der Plan etwa 15 Minuten lang. Zu diesem Zeitpunkt nämlich erschien ein ausgewachsener Beholder mit einer Art Trage, die er vor uns fallen ließ und Krathus bedeutete, aufzusteigen. Direkt darauf begann er, Krathus ohne uns in die Lüfte zu befördern, in letzter Sekunde dachte Krathus daran, auch für uns Transport zu bestellen. Doch auf die Frage nach dem warum und ob wir Sklaven seien, antwortete er mit ja. Innerlich schrie ich auf. Das war es dann mit dem Plan. Niemand außer Krathus würde reden dürfen und man würde uns sicherlich nicht gestatten, mit Waffen herumzulaufen, möglicherweise würde die Geschichte sogar an unserer Bewaffnung scheitern. Bewaffnete Sklaven, wer hätte schon davon gehört? Wir würden innerhalb der Improvisation improvisieren müssen…
Während wir warteten, verstaute ich daher meine Kurzschwerter in meinem Rucksack. Vielleicht gelang es mir so, wenigstens den Anschein zu wahren. Wenig später erschien der Beholder erneut mit der Trage, aber ohne Krathus. Aus der Nähe betrachtet sahen wir, dass sie in der Mitte ein Auge hatte, dass sich aber offenbar schmerzfrei schloss, wenn man darauf trat. Eine Sicherheitseinrichtung? Hofften wir mal, dass es keine Absichten erkennen konnte. Auf dem Flug nach Oclusar wurde ich noch darüber aufgeklärt, dass die Idee mit dem Pilger daher kam, dass Krathus erklärte, dass die Paladine aus seinem Corps eine Pilgerreise zu den Nexi machen mussten und daher Gegenstände besaßen, die Nexusmagie erkennen konnten, allerdings funktionierten sie nur für Kobolde. Sofort dachte ich an den Nexus in Azoicstrum, der unseres Wissens nach bisher noch unerkannt war. Doch wenn Angstrum dessen Magie weiter so entfesselte und eine Legion von Kobolden nach ihm Ausschau hielten, konnte es nicht lange dauern, bis er entdeckt wurde. Das war nicht gut und definitiv ein Problem, um das sich gekümmert werden müsste. Wenn wir die vor uns liegende Aufgabe heile überstünden, war ein ernstes Gespräch mit Krathus fällig, er durfte uns nicht noch mehr dieser Informationen verheimlichen. Doch auch das musste erstmal verstaut werden für später.
Kurz darauf ließen wir das Gebirge hinter uns, der Tunnel wäre in der Tat ausgesprochen lang gewesen. Vor dem Tunnel sahen wir nicht nur eine große, steinerne Kuppel in Form eines Auges, sondern auch einen Haufen offenbar versteinerter Humanoide. Hier schien es also Verteidigungsmechanismen zu geben, die das auslösten - wir mussten dringend klüger sein als die Steinsäulen dort unten. Zu meinem Erschrecken jedoch landeten wir nicht dort, sondern flogen über den See direkt hinein in das auf eine Klippe gebaute Iris. Fantastisch. Eine Landung mitten im Feindgebiet ohne konkreten Plan. Ich sah unsere Chancen, die nach der Rückkehr von Ral und Juntos und seinem gefangenen Volk hier schon gewachsen waren, deutlich schrumpfen, zumal auf der Landeplattform nicht nur Krathus auf uns wartete, sondern auch eine Art Schlangenvieh mit drei Augen…