Wir holten die beiden Dank Garret’s Spezialgetränk erstaunlich schnell ein. Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob es sinnvoll war das Zeug einem Pferd einzuflößen. Noch dazu DIESEM Pferd. Es bekam zuvor ja schon fast einen Herzinfarkt beim Vertreiben der Fliegen mit seinem Schweif.
Als wir gleichauf waren machte Ava keine Anstalten das Tempo zu drosseln. Auf meine Frage was sie hier vorhabe und ob ihr klar sei welches Chaos sie hinterlassen hatte blieb sie stur wie ein Ochse. Das kannte ich ja bereits. Nun fing sie gar an mir Vorwürfe zu machen. Die Situation eskalierte schneller, als ich das wollte. Und irgendwann war der Punkt erreicht an dem sie auch tatsächlich anhielt. Mitte auf dem Weg zum Hort Belaxarim’s standen wir voreinander und brüllten uns an. Keine Ahnung wie lange. Vorhaltungen und Vorwürfe waren der Kern. Wobei sie mich immer wütender machte mit ihrer Auslegung von Begebenheiten. Sogar solchen, wo sie nicht einmal anwesend war. Die Tatsache, dass sie mir auch kaum Raum ließ einen Satz sauber beenden, um Dinge richtigzustellen, kotzte mich einfach nur noch an.
Alles was man seit ihrer Rückkehr bekam war missmutiges auftreten, Überreaktionen und Wut, mit einem eingeschmissenem Anflug von sadistischem Sarkasmus – welchen ich wenigstens noch tolerieren konnte. Auch wenn ich mir nie sicher war, wodurch dieser Wesenszug ausgelöst wurde. Natürlich traute ich ihr nicht. Wie auch. Sie war wie ausgetauscht seit dieser Parallelwelt-Geschichte. Es gab auch keine Erklärungen. Ein konstantes „Weiß ich nicht“ war jedenfalls keinesfalls beruhigender.
So oder so … für jemanden, der behauptete das große Ganze im Blick zu haben schien es ihr ziemlich egal zu sein, was sie mit der Aktion in Ailamere im schlimmsten Fall ausgelöst hatte. Mehr noch klangen die Vorwürfe meines angeblichen Egoismus aus ihren Mund verdammt hohl, nachdem sie in ihrer wirren Argumentation den Ihren überdeutlich machte. Und das, nachdem ich seit jeher hinter dem Scheiß der anderen hatte hinterher räumen müssen, um geradezubiegen was sonst zu verhängnisvollen Situationen geführt hätte. Wollte sie nicht gerade erst die Ungolspinnen zu ihren Zwecken auf Todeskurs schicken und damit Mundi potentiell missmutig stimmen? Brillanter Einfall. Oder einfach ohne mich zu meiner Schwester losziehen zu wollen … extrem hilfreich. Alles, was ich getan hatte war immer mit dem Blick nach vorne. Sicherzustellen, dass es allen gut ging. Dafür angefeindet zu werden … ich kochte vor Wut. Es half auch nicht, dass ich den Eindruck gewann nur ein Werkzeug für sie zu sein. Das hatte ich ich bereits hinter mich gebracht mit einer anderen Person und es brauchte keine Fortsetzung.
Und als die Stimmung ihren Siedepunkt weit überschritten hatte verstummte sie plötzlich einfach. Gerade als ich dabei war ihr ungefiltert meine Gedanken an den Kopf zu werfen. Da stand sie und starrte ins Leere. Jegliche Ansprache war vergebens. Ich schnippte direkt vor ihrem Gesicht, doch sie blieb regungslos. Auf meine Frage, ob alles ok sei folgte lediglich Stille. Dann erkannte ich ein Leuchten von der Seite. Es war … eine weitere Ava!? Gänzlich in Licht gehüllt erschien ein Abbild ihrer Selbst und ging auf sie zu. Avals Blick war starr auf die Erscheinung gerichtet. Schließlich ergriff die Gestalt ihre Hand, gab eine sanfte Berührung über ihre Wange. Was bei den neun Höllen ging hier vor sich? Die Erscheinung löste sich auf während gleichermaßen eine Art von goldenen Linien sich über Ava’s Arm ausbreiteten und scheinbar bis in den Nacken hochliefen. Sie schien für einen Moment Schmerzen zu haben. Zuletzt zog ich eine goldene Strähne durch ihr Haar.
Wir waren alle sprachlos. Meine Wut war keines Wegs gemildert, aber ich verdrängte sie zunächst so gut es ging. Sie hingegen wirkte völlig ruhig. Und total verwirrt. Wie immer konnte sie natürlich nicht sagen was geschehen war … welch Überraschung. Zugleich war sie aber auch nicht mehr fähig oder willens die Situation weiter zu „diskutieren“.
So berieten wir stattdessen abseits des Weges was nun geschehen sollte. Weiter zum Hort, oder doch zurück nach Ailamere? Ich hatte Jashier gesagt er solle sich bedeckt halten und auf meine Rückkehr warten, auch wenn diese sich hinziehen mochte. Er würde nichts dummes tun, denn er wusste was auf dem Spiel stand. Also konnten wir genauso gut dem vorgezogenen Plan Foamwave zu finden folgen. Auch wenn mich das mit gemischten Gefühlen zurückließ. Wir hatten keinen Plan für danach. Hier konjugierten so viele Aspekte meines Lebens. Alles zu meiner Vergangenheit und was dies für meine Zukunft bedeuten würde. Zum Greifen nahe, aber so verworren und zerbrechlich. Alles nur wegen eines Winks des Schicksals. Es wurde zunehmend schwerer einen klaren Kopf zu bewahren. Ich sehnte mich nach der Freundin, die ich einst in Ava sah. Jene, die sie vor ihrem extra-planaren Erlebnisses war. Jene, die verstanden hätte …
Es half alles nichts. Wir sattelten auf. Garret übernahm die Zügel, da ich einfach zu erledigt war. Auf dem Weg nutzte ich die Gelegenheit mal wieder einen Blick in unser Nachrichtenbuch zu werfen. Man sagt ja ein Unglück kommt selten allein. Wer immer das sagte untertrieb in der Wahl seiner Worte immens – zumindest wenn es um diese Gruppe von Reisenden ging. Der Zinnsoldat hatte eine Nachricht erhalten, die scheinbar an uns gerichtet war. Sie kam, so behauptete er, mit einem fliegenden Huhn … ? Ein Brief von dem Barden Pesh, in dem er klarmachte entführt worden zu sein. Jemand verlangte Lösegeld. Um was mussten wir uns noch alles kümmern? Scheinbar konnte ein Kontakt über Amastacia hergestellt werden. Das Wiederrum machte mir Hoffnung auf eine schnelle Lösung. Doch es würde uns einige Zeit kosten den Weg dorthin auf uns zu nehmen. Wären wir erst einmal zurück, dann mussten wir noch ein paar Dinge klären. Hätten wir genug Zeit bis die Frist verstrich? Vielleicht sollten wir einen Boten zu ihr entsenden, um schonmal alles in die Wege zu leiten? Ich wischte die Gedanken beiseite. In diesem Moment konnten wir es nicht ändern. Morgen wäre noch früh genug. Bis dahin hätten sich andere Ereignisse abgespielt, die vielleicht für mehr Geistesklarheit sorgten.
Am Rande bemerkte Krathus noch an, dass er sein Equipment wohl gestohlen hatte. Ich konnte meinen Sarkasmus kaum zügeln. So wie der rumgedruckst hatte war das so sicher wie der Feueratem eines roten Drachen. Doch scheinbar hatte er es nicht von irgendwem entwendet, sondern einem Offizier. Na großartig. Das hieß da draussen rannte irgendwo ein Kobold mit einer Mordswut umher, der seinen Scheiß wiederhaben wollte. Logothil war weitläufig, daher hoffte ich einfach, dass derjenige uns nie begegnen würde. Doch bei unserem Glück … Pesh’s Brief wanderte mir wieder durch den Kopf. Wir ziehen Unheil einfach an. Egal wie gut die Intention. Es war, als gäbe es da eine weitere Macht im Universum, die irgendwie unser Schicksal mit einer gehässigen Freude durch jeden noch so kleinen Scheißhaufen ziehen wollen würde …
Wir hatten indes beschlossen nicht gemeinsam am Hort anzukommen. Auch gerade im Bezug dazu, dass Krathus und Ava potentiell gesucht werden könnten. Es war unklar wie Foamwave war, ob sie mehr nach unserem Vater kam, oder wie sie reagieren würde. Den ersten Kontakt sollte sie daher nicht unbedingt mit mir haben. Garret war eine gute Wahl dafür. Er könnte Informationen einholen. Sich ein wenig mit ihr unterhalten. Und damit er ein wenig Reputation hatte schlug ich Ava als Begleitung vor. Es käme besser an, wenn er in weiblicher Begleitung auftauchte. Sie war nicht davon überzeugt. Ehrlicherweise war ich es auch nicht gänzlich, aber ich wusste was bei Garret manchmal so passieren konnte. Und obgleich noch viele Fragen offen waren und mein Blutdruck weiterhin ein allzeit Hoch verbuchte, hatte ich seit der Begegnung mit der Lichtgestalt Ava’s ein verändertes Bauchgefühl ihr gegenüber. Sie würde ihn im Zweifel schon unterstützen.
Krathus und ich würden eher als scheue Reisende ankommen. Als Krathus dann seiner Verkleidung mehr Ausdruck durch Stelzen gab war ich verwirrt. Stelzen? Hatten wir nich gerade erst ein Thema … Moment. Er poliert seine Stelzen und er hat zwei. War er wirklich so ein Hornochse? Es verschlug mir die Sprache, als mir klar wurde wie abwegig die Kommunikation mit dem Kobold gewesen war. Gleichermaßen ergab es ein wenig mehr Sinn. Auch wenn noch ein Puzzleteil fehlte, um die Stelzensituation gänzlich ins Licht zu rücken.
Die halbe Portion und ich kamen ein ganzes Stück nach Ava und Garret an. Wir buchten lediglich ein reguläres Zimmer. Krathus machte viel Wind um die Kosten, ich zahlte es einfach. Hoffentlich hatte Garret’s Verhalten nicht zu sehr auf ihn abgefärbt. Laut der Erzählung hatten beide schon Revolutionen hinter sich. Wenn er jetzt noch so knausrig wäre könnte das zum Problem werden. Ich machte es mir im Gartenbereich der Schänke gemütlich. Mehr als abwarten konnte ich jetzt eh nicht mehr tun. Es gab mir Zeit meine Gedanken zu ordnen. Aus der Ferne beobachtete ich eine Junggesellinnenparty. Es verwunderte mich wie in Rachwood so etwas ablaufen würde. Doch ich vermutete es gäbe zum Alkohol auch eine Menge gebrochener Knochen.
Derweil hatte Krathus probiert sich unrechtmäßig über das Essen herzumachen. Es gab ein kurzes Wortgefecht in der Ferne. Erst verschwand er in den Innenbereich. Ich folgte ihm kurz. Er wurde nicht nur beim Stehlen von Essen, sondern auch beim Wirken von Zaubern ertappt und verwarnt. Das konnte doch wirklich nicht wahr sein. Wir sollten uns bedeckt halten. Krathus ging zunächst nach oben ins Zimmer. Ich ließ mich wieder auf der Terrasse nieder.
Derweil hatte sich Garret scheinbar erfolgreich an die Damen der Runde gemacht. Was wohl auf Ava’s überzeugende Show zurückzuführen war, in der sie ihn wild beschimpfte. Obgleich mir der volle Zusammenhang entgangen war, hatte es den Anschein, als ob Garret dadurch in die Lage versetzt wurde Informationen bei den Gästen einzuholen. Ava war derweil nach drinnen verschwunden und bald auch folgte Garret.
Einige Zeit später tauchte Krathus erneut auf und versuchte es wiederum. Selten hatte ich ein plumperes Verhalten erlebt. Als ob das Wegdrehen des Kopfes ausreichend gewesen wäre, dass sie seine Statur nicht mehr wahrnahmen. Er wurde offen zurückgewiesen. Dann kam er erbost zu meinem Tisch. Beklagend über die Preise für’s Essen und mit einer Nachricht, dass die anderen oben warten würden. Derweil fingen weiter vorne am Buffet Augenpaare zu uns zu wandern. Es gab einen murmelnden Austausch durch den bedienenden Kobold und dieses eigenartige Vogelwesen. Ein leiser Abgang kam nicht in Frage.
Noch in Krathus’ Satz schoss ich hoch und fauchte ihn an, dass ich nicht immer für ihn zahlen würde. Dann ging ich mit wutentbrannten Schritten ins Innere des Anwesens. Die Reaktion darauf war amüsant. Zum Einen war Gelächter zu vernehmen und zum Anderen hatten die feiernden Mädels heute schon ähnliches gesehen. Ich grinste wissend in mich hinein. Garret hatte ja wohl einen ähnlichen Fettnapf erwischt – auch wenn dieser Absicht und durchaus hilfreich war. Krathus folgte still.
Ein kurzer Informationsaustausch folgte. Garret und Ava hatten nicht nur das volle Tourpaket als … Paar gebucht – wäre ich nicht so in Gedanken bezüglich meiner Schwester gewesen, dann hätte ich wohl meine helle Freude gehabt mich darüber auszulassen –, sondern auch die Option ein privates Treffen mit dem Drachen zu organisieren. Offenbar war Foamwave bei ihm, so dass dies eine gute Gelegenheit war dann mit ihr in Kontakt zu treten. So hieß es weiter warten für Krathus und mich.
Ich wunderte mich noch, dass er die ganze Zeit am Fenster gestanden hatte. Aber als Ava dann den Raum verlassen hatte war klar wieso. Noch bevor ich intervenieren konnte verschwand der dumpfe Kobold auf magische Weise und tauchte kurz nach mit einem ganzen Batzen Essen wieder auf. Sie hatten ihn schon die ganze Zeit unter Beobachtung. Wie konnte er nur glauben damit durchzukommen? Wieder jaulte er mir wegen der aus seiner Sicht horrenden Preise was vor, bevor er begann gierig alles in sich hineinzuschlingen. Zu viel, zu schnell. So kam es wie es kommen musste, nämlich oben wieder heraus. Wenn sie ihn sich zur Brust nehmen würden, wollte ich nicht dabei sein. Was sagte Razora … Kinder müssten ihre eigenen Fehler machen. So ließ ich ihn in seiner Schande allein. Dachte ich. Im Rausgehen bemerkte ich wie er das erbrochene wieder zu sich nahm. Mein Würgreflex war hart am Limit. Die Tür zuziehend wartete ich im Gang auf die anderen.
Es dauerte einige Zeit. Erstaunlicherweise war bisher noch kein Mitarbeiter erschienen sich mit Krathus auseinanderzusetzen. Dann tauchten die anderen beiden auf. Wir versammelten uns in ihrem Zimmer, damit wir ungestört blieben. Es gab einiges zu Verdauen nicht nur für den Kobold.
Zunächst erzählten sie, dass offenbar die Gruppe um diese Halbelfe Layara dem Drachen Belaxarim geholfen hatte. Pluspunkt für uns. In Ailamere gab es einige Artefakte aus Mocny im Auktionshaus. Das war nicht völlig ungewöhnlich, aber definitiv interessant. Und Narchessa hatte scheinbar Bücher aus Oclusar erworben. Etwa im Anschluss an die Zerstörung? Was hatte sie vor? Ein wenig in mich rein fluchend war aber auch klar, dass ich keinen Wert darauf legte dies wirklich herauszufinden.
Schlussendlich kamen wir ans Eingemachte. Foamwave war wirklich hier. Sie arbeitete hier wohl schon eine ganze Weile und machte den Tourguide. Hatte es sie nach meiner Abreise aus Ailamere hierher verschlagen? Ich kannte Tivoney vom Sehen, doch einen Tiefling hatte ich noch nie am Hafen gesehen. Sie war mindestens so angewidert von Narchessa wie ich es war. Das gefiel mir gut, es war ein positives Zeichen. Angeblich sei unser Vater tot. Auch das empfand ich ansatzweise als positiv. Doch zu gern hätte ich ihn Rede und Antwort stehen lassen für seien Taten. Laut Ava hätte sie auch nicht viel von ihm gehalten, doch Garret erwähnte, dass sie in dem Bezug etwas verheimlichen, oder vielleicht sogar lügen würde. Wäre sie ihm zugetan könnte dies Probleme bedeuten. Offenbar war er auch der Quartiermeister von Mad Dog Maddoc. Ein verfluchter Pirat … wirklich? Aber es machte klar, warum das Schiff Wavecrest hieß. Mir kam Ocanar’s Wortwahl in den Kopf. Er sagte sie sei auf dem Schiff. Hat sie also noch Kontakt dahin?
Und schließlich kam die nächste Information einem Vulkanausbruch gleich. Meine Mutter lebte noch. Stonearch war ihr Name. Sie hatte sich auf einer der Inseln in der Gegend niedergelassen. Ich hatte davon gehört … „the Points“. Eine Region in der Maddoc operieren sollte. Aber ohne genaue Kenntnisse der Gewässer oder Koordinaten würde man dort ewig suchen müssen, wenn man jemanden ausfindig machen wollte. Foamwave musste den Ort kennen, da sie laut der Aussage der beiden für sie sorgte.
Ich war fassungslos über diese Offenbarungen. Was sollte nun geschehen? Es gab noch immer Lücken zu füllen. Gab ich mich zu erkennen könnte sie das gefährden. Sofern wir überhaupt ähnliche Ansichten hatten. Sie von hier wegzubringen stand aufgrund der Existenz meiner Mutter ausser Frage. Oder waren sie hier eh sicher genug? Ich wusste nicht mehr was ich denken oder fühlen sollte. Gleichzeitig machte ich mir Sorgen um meinen Ziehvater. Es war alles zu viel auf einmal für den Moment …