Tagebuch: Ralkarion
Sitzung 110
Krathus kehrte irgendwann zurück und erzählte er wäre bei Razora gewesen. Natürlich war er dort und mir schwante bereits übles. Jedesmal nach einem seiner Besuche war der nächste von mir gespickt mit Katastrophen gewesen. Ich wunderte mich, ob ich es wohl schaffen würde ihm ungesehen den Hals umzudrehen …
Doch diesen Gedanken zu folgen, musste ich für später aufheben. Zunächst ging es weiter um unsere Planung, besonders wie wir mit den Yuan-ti umgehen würden. Ihnen eine Demonstration unserer Macht zu geben, schien zunächst in weite Ferne gerückt, da wir die Armschienen nicht aufladen konnten. Doch stellte sich dann heraus, dass meine Bindung an den Nexus offenbar auch auf eine hohe Entfernung wirksam war. Es sponnen sich einige wirre Ideen, wie wir mit einer speziellen Verwandlungsmagie aus einem von uns zur besagten Verdeutlichung unserer Stärke einen Drachen machen konnten. Viel zu verlieren hatten wir mit dieser Idee auch nicht mehr. Aber spätestens dann und dort würden wir sicher wieder Shadar’s Aufmerksamkeit erringen.
Ava vernahm plötzlich nebenan Geräusche. Jemand schien dort zu räumen. So ging sie hinüber, während wir anderen lauschten. Es war ein wenig eigenartig was wir hörten. Scheinbar viele Leute, die sinnlos aneinander gereihte Sätze von sich gaben. Nach einiger Zeit gab unsere Elfe ein klares verbales Zeichen, in dem sie nach uns verlangte. Natürlich musste Krathus direkt und ohne nachzudenken den Kopf rausstrecken. Das Beste was Ava einfiel war nun ihn mit „Cuu“ anzusprechen. Sogleich zog ich die Tür komplett auf und schob den überraschten Krathus heraus. Das war mehr eine Impulshandlung denn gut überlegt, da wir ja ungesehen bleiben sollten und so verdammte ich innerlich diese Tat auch gleich wieder. Wieso konnte sich keiner von ihnen in Zurückhaltung üben, wenn wir unentdeckt bleiben sollten … ?
Das wirre „Gespräch“ ging weiter. Zwischenzeitlich lief mir dann ein kalter Schauer über den Rücken. Eine der Stimmen klang verflucht nach Harkis. Garret hatte dies erstaunlicherweise überhaupt nicht realisiert. Aber er hatte ja auch nichts von dem durch Harkis Gesagten realisiert, als dieser noch mit uns reiste.
Das merkwürdige Zusammentreffen endete schließlich. Ava berichtete von einer Kreatur, die sie als Imperial Nightingale beschrieb. Nur dunkel kam meine Erinnerung an die Erzählung von einem ähnlichen Wesen namens Suna hervor, von der Garret berichtet hatte und welche später mit Harkis mitgezogen war. Dieser nebenan kramende Vogel war wohl dabei gewesen im Compound alles mitgehen zu lassen, was nicht angenagelt war. Die Yuan-ti waren ja noch dreister, als ich es während meiner Jugendtage war.
Wir schoben dieses Ereignis aber erst einmal beiseite. Da Ava zuvor Krathus Rüstung zum Schmied gebracht hatte und dieser bis morgen an jener zu arbeiten hatte, mussten wir noch einiges an Zeit rumbringen. Ava selbst war davon scheinbar etwas besessen sich den diebischen Jungmagiern anzunehmen. Auf kurz oder lang müsste man isch derer annehmen, aber dafür unsere Tarnung zu riskieren hielt ich im Moment für fragwürdig. Sie war aber der Ansicht, dass wir verkleidet sicherlich ohne Probleme durch die Stadt kämen. Ich war skeptisch.
Wir warteten etwas, nachdem sie kurzerhand losgezogen war, im Theater nach etwas Brauchbarem zu suchen. Bei ihrer Rückkehr stand sie mit eher fragwürdigen Kostümen vor uns. Garret steckte sich in eine ärmliches Bauerngewand und nutzte eine recht stumpfe Illusion eines Bouquets, das er vor sein Gesicht hielt. Wenn das nicht wieder der wandelnde Busch war …
Krathus erhielt eine Königsgewandung. Berücksichtigte man seine irrigen Vorstellungen über den Bau eines Hortes und einhergehende Machtphantasien, dann war dies keinesfalls förderlich ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Mir wurde eine rudimentäre Uniform einer Stadtwache ausgehändigt. Wobei der Helm weder aus Metall war noch über meine Hörner zu ziehen ging. Etwas rohe Gewalt führte dann dazu, dass besagte Hörner einfach durch den Papphelm stießen. Es war lächerlich.
Da es an Theaterschminke fehlte, um unser Äußeres final anzupassen, war die ganze Aktion mit der Kostümierung irgendwie komplett nutzlos gewesen. So griffen wir doch wieder zu meinem Unsichtbarkeitszauber.
Schon kurz nachdem wir ausgezogen waren, um in der Akademie mit unseren Nachforschungen zu beginnen, trafen wir auf Marco. Dieser Gab einen Hinweis auf den Freedom Fighter Squad – dem Gruppierungsnamen, unter welchem Garret seine „Revolution“ durchgezogen hatte. Scheinbar war diese Vereinigung wieder, oder erneut am Werke. Und dazu auch noch an exakt dem Ort, wo wir Derrin angetroffen hatten. Also machten wir uns auf den Weg dorthin, um zu ermitteln, was diese Leute nun wieder vorhatten.
Als wir angekommen waren lösten wir einen neu installierten Spinnenalarm aus und fanden uns vor der mit Runen bedeckten Geheimtür wieder. Ava löste die Magie auf und ich wunderte mich darüber, wo sie das gelernt hatte. Sie schritt direkt hinein. Nachdem eine andere Stimme zu hören war und sich Ava etwas merkwürdig verhielt und die vor uns stehende Person, welche sich ihr gegenüber als Steffge vorstellte, wie einen Freund behandelte, schritt ich ein. Es machte den Eindruck, als sei sie verzaubert worden. Die Unsichtbarkeit auflösend durchbrach ich diesen, woraufhin sie wenig erfreut recht rabiat mit dem Sonderling umging.
Diese Leute hatten sich irgendwie in den Kopf gesetzt den Squad am Leben zu erhalten und sich zugleich mit magischen Mitteln zu bereichern. Da sie aufgrund eines fehlgeleiteten Kodex nur dem Initiator der Revolution zusprachen diese Gruppe aufzulösen trat nun Garret hervor und tat genau dies. Ava sorgte dann mit deutlichen Worten dafür, dass ihnen klar war sich nicht erneut danebenzubenehmen.
Gleichermaßen erfuhren wir, dass sie hier eine Art Logikrätsel zu lösen, dass sie von einem Yuan-ti Abgesandten erhalten hatten. Uns schwante nichts Gutes. So sandten wir diese Möchtegernhelfer hinfort und wandten uns der Yuan-ti-Teufelei zu. Wobei ich zugeben musste, dass es ein ziemlich fesselndes Rätsel war, dass ich nur schwerlich unbeachtet lassen konnte. Sehr zum Missfallen der anderen, die laufend versuchten meine Konzentration zu stören. Es war lästig. Zumindest Krathus half mir. Schlussendlich wusste ich gar nicht wieso ich so fasziniert davon war, doch es kostete Ava einige Mühen uns dazu zu bewegen aufzuhören.
Wir kamen überein, dass wir was immer das hier war unter Verschluss halten sollten. Es mochte etwas herbeirufen können, zumindest ergab das meine magische Analyse. Vielleicht ein Portal, oder ein Monstrum? Die Spielchen dieser Schlangen waren perfide genug mit allem rechnen zu müssen. Den Ort abdichten und bewachen zu lassen war daher nun das Ziel.
Ava blieb zurück, während wir zu Posetine aufbrachen. Vor dem Zugang zur Kanalisation saß erneut Marco. Er bemerkte uns, was mich wenig überraschte. Dann begann er uns zu belehren, dass dies bloß wegen dem erneuten Aufbau der Akademie passieren konnte. Doch da irrte er, denn eigentlich war es nur wegen der Absetzung Cuu’s möglich. Ich hatte wirklich genug von warf ihm vor, dass sein ganzes Gehabe sich für die Bewohner einzusetzen Unsinn war, da er sich nie selber einer Sache annahm. Seine Reaktion war, dass er uns ja darauf hingewiesen habe und er sich nicht in Gefahr bringen konnte. Wenn ihm etwas zustieße, würde sich ja niemand mehr um die Leute kümmern können. Es klang nach Ausreden. Jedenfalls merkte er noch an, dass wenn sich uns der Sinn des Rätsels entzog, ja der ursprüngliche Überbringer mehr wissen könnte. Nicht unbedingt die wertvollste Information die er je teilte.
Er zog ab und wir weiter zu Posetine. Sie gewährte uns eine ununterbrochene Bewachung des Ortes durch vertrauensvolle Wachposten. Da nunmehr der erneuerte Unsichtbarkeitszauber aber zeitlich an seine Grenzen stieß, gingen wir in unser Zimmer. Ob meiner Erschöpfung konnte ich nicht uns alle drei erneut verhüllen, weswegen Garret und Krathus im Compound verbleiben, während ich loszog Ava abzuholen.
Als ich ankam war die Wache erstaunlicherweise schon vor Ort. Ava hingegen war verschwunden. Ich bemerkte jedoch, dass die Konfiguration des Rätsels sich verändert hatte. Nach all dem Gemaule, was ich mir anhören durfte bezüglich meiner Versuche das Rätsel zu lösen, hatte sie es ganz offensichtlich jetzt selbst probiert. Ich grinste in mich hinein. Und war kurz darauf wieder davon angezogen. Es dauerte einige Zeit, bis ich mich final davon löste und mich zurück auf den Weg zum Compound machte. Meine Gedanken kreisten den ganzen Weg zurück eine Lösung zu finden.
Sitzung 109
Im weiteren Verlauf besprochen wir mit Posetine was als nächstes zu tun wäre. Die Ernennung zu „Rittern“ Zoica’s war skurril und hörte sich zunächst so an, als würden wir gegebenenfalls an die Seitenlinie verbannt werden. Doch scheinbar war dies nicht der Fall. Wir fügten stattdessen die bisher zusammengetragenen Ideen zu einem erweiterten Plan zusammen. Endlich kam etwas Organisation in das Chaos – eine angenehme Abwechslung. Dabei zeigte die Herrscherin aber noch mehr von ihrem veränderten Verhalten. Sie argumentierte mit mehr Weitblick und taktischer. Die Erklärung woher diese Wandlung gekommen war nährte sogleich meine zuvor verspürte Paranoia.
Marco wurde in den letzten Wochen zu einem engen Berater. Er war mir noch immer suspekt und die Tatsache, dass es ihm möglich war sich in die Gedankenprozesse der Führung von Zoica einzuklinken war zumindest fragwürdig.
Was die Yuan-ti anging, so propagierte Posetine einen neuen Ansatz. Obgleich diese im Bunde mit Shadar standen, taten sie dies nur aus eigennützigen Gründen. Wenn wir es durch eine Machtdemonstration unsererseits schaffen würden ihre „Loyalität“ abzuwerben, dann würden sie zu nützlichen Verbündeten werden – und sei es nur temporär. Dieser Plan war gefährlich. Genauso gut könnten sie ein dreifaches Spiel spielen und uns in einem kritischen Moment hintergehen. Eine bessere Option hatten wir in diesem Moment jedoch auch nicht anzubieten.
Sie ergänzte, dass wenn wir schon dabei wären die Yuan-ti aufzusuchen, dann wäre ein kurzer Abstecher nach Llachlun auch sinnvoll. Im Falle eines Aufmarsches Shadar’s käme dieser dort vorbei. Sollte es zu einem Bündnis dieser beiden Parteien kommen, wäre dies höchst negativ. An unserer Seite jedoch hätten wir zugleich Zugriff auf deren Ressourcen und handwerkliches Geschick. Die Kampfkraft Zoica’s zu verstärken war ein dringlicher Umstand.
Das also sollte der Plan sein. Den Nexus in Azoicstrum in unsere Kontrolle bringen, mit Llachlun verhandeln und die Yuan-ti auf unsere Seite ziehen. Beim letzten Punkt zog sich mir der Magen zusammen. Meine Erfahrungen mir Harkis zeichneten kein positives Bild für die Zukunft. Ihr Verrat war vorbestimmt, das spürte ich. So wie die Dinge aber standen mussten wir es dennoch versuchen.
Eine kleine Anmerkung wurde zudem zu einem größeren Thema. Da wir eher spartanisch in den ehemaligen Zimmern der Dienerschaft des Compounds lebten, war es die Meinung der Herrscherin, dass wir standesgemäßer residieren sollten. Nicht unbedingt heimlich und auch irgendwie unnötig. Krathus war sofort von dieser Idee angetan. Seit Tagen ließ er schon durchblicken, dass er sich gerne einen eigenen „Hort“ erschaffen wolle. Die Eigenheiten seiner Abstammung musste ich wohl lernen zu akzeptieren, denn es ihm auszureden war keine Option. So durften wir uns bei Gelegenheit einen frei wählbaren Ort in Zoica aussuchen, wo wir in Zukunft leben sollten.
Im Anschluss an dieses Thema brachen wir auf. Posetine hatte direkt wieder vergessen, dass unsere Gruppe inkognito reiste. So forderte sie uns auf beim Gehen die nächsten Gäste hereinzuschicken. Da Ava die Einzige von uns war, die nicht aktuell im Kubus sein sollte konnte zumindest sie offen herumlaufen. Den Rest von uns machte ich wieder unsichtbar. Wobei Ava mit einer neuen und sehr nützlichen Fähigkeit aufwartete uns scheinbar trotz der Unsichtbarkeit sehen zu können. Unser erstes Ziel war es Angstrum zu finden, da er die Kontrolle über den Nexus aufgeben musste. Gleichermaßen bedurfte es vieler Worte Krathus davon zu überzeugen nicht einkaufen zu gehen oder Razora zu besuchen. Es war ermüdend die Tatsache in seinen Kopf hämmern zu müssen, dass wir uns so ungesehen wie möglich zu bewegen hatten.
Im Gang fanden wir dann die nächsten Besucher vor. Marco und Lafayette standen beziehungsweise saßen in gewohnt voneinander angewiderter Haltung gegenüber zueinander. Ob all der Dinge, die passiert waren, war wohl das Schlimmste für sie zusammenarbeiten zu müssen. Im Grunde war es belustigend und doch schwang auch das ungute Gefühl mit, was jeder von beiden wohl versuchen würde aus ihrer Position rauszuholen. Lafayette hatte diesbezüglich wohl schon exakte Vorstellungen. Zumindest wenn man dem Blumenstrauß in seiner Hand nur einen weiteren Gedanken hinzufügte. Hatte er seine Lektion nicht beim ersten Mal gelernt? Wobei er es sich aber dennoch nicht nehmen ließ Ava anzugraben. So wirklich clever erschien er mir in diesem Moment nicht mehr.
Ich hoffte inständig, dass wir unbemerkt an den beiden vorbeikommen würden. Krathus hatte sich völlig unnötig eine Verkleidung übergeworfen, die zu allem Überfluss auch noch Stelzen beinhaltete. Das Klacken bei jedem Schritt überspannte meine Nerven. Aber es machte dein Eindruck, als wenn die beiden Kontrahenten zu sehr aufeinander fokussiert gewesen waren, als das ihnen Irgendetwas anderes auffiel. Nicht einmal, als der Strauß plötzlich eher gerupft aussah.
Weil es unklar war, wie lange wir für das Aufspüren von Angstrum brauchten ging Ava zunächst allein los. Wir anderen warteten solange im Compound. Garret und ich hatten dort die wenig dankbare Aufgabe Krathus davon abzuhalten einfach loszumarschieren, um seine Mutter zu besuchen. Mir ging es da vom Verlangen her nicht anders, aber derzeit war es einfach keine gute Idee. Ava erzählte bei ihrer Rückkehr dann, dass Angstrum und Melody sich wohl irgendwo anders niedergelassen hatten. Wenn sie nicht mehr in Zoica waren, dann vielleicht in Azoicstrum? Er würde den Nexus kaum freiwillig den Rücken kehren. Wir fassten also den Plan dort nachzugucken.
Dann klopfte es plötzlich an der Tür. Als wir vorsichtig öffneten stand dort plötzlich diese merkwürdige Taube Meta aus dem Kubus vor uns. Wie sie uns gefunden hatte, war beunruhigend und es stellte sich die Frage, ob somit Shadar bereist Bescheid wusste. Ihr Ansinnen war es aber lediglich uns die Gewinne aus dem Rätselspiel zukommen zu lassen. Garret entschied sich den Flügel in das Theater des Compounds zu wünschen. Was mit Calas’ Statue passieren sollte, das müsste er selbst entscheiden. Dann schlugen wir den Weg zu Chrylax’ Haus ein. Da er in der Akademie tätig war würden wir den Teleportzirkel zur Abwechslung einmal ohne feurige Gefahr nutzen können.
Erneut unsichtbar schritten wir durch die Stadt. Das einzig Auffällige waren zwei Jugendliche, die gerade mit den Händen voller Edelsteine aus einem Juweliergeschäft spazierten, nachdem es dort einen Knall gegeben hatte. Der Besitzer schien davon keine Notiz zu nehmen. Doch das war nichts worum wir uns derzeit kümmern konnten.
Der Teleport nach Azoicstrum verlief ohne Schwierigkeiten. Vor Ort angekommen landeten wir aber nicht wie erwartet in Angstrum’s Turm. Vielmehr sah hier alles nach einem gigantischen Vogelnest aus. Alles war aus Zweigen jedweder Dicke gebaut. Und als wir schlussendlich den Bugbear und Melody in intimer Position vorfanden, konnte man diesen Ort ohne Bedenken ein „Liebesnest“ nennen.
Wir vermittelten den beiden kurzerhand was unsere Absicht war. Dabei ging ich spezifisch auf die Gefahren für Leib und Leben der beiden ein, wenn Angstrum auf Dauer mit dem Nexus verbunden bliebe. Seinen gedanklichen Fokus zu erhalten war schon schwer, ihm aber den Nexus madig zu machen noch deutlich komplizierter. Seit er dessen Macht besaß war sein Leben deutlich besser verlaufen. Konnte es ihm daher kaum übel nehmen sich gegen die Aufgabe zu wehren. Er fühlte sich abhängig von ihm, um Melody weiterhin all die bisherigen Annehmlichkeiten bieten zu können. Dass sie ihn tatsächlich für die nervige Person liebte, die er war, kam für ihn überraschend. So stimmte er zu.
Um möglichst ungesehen fortzufahren, ließ Angstrum den in dieses Nest umgewandelte Turm zunächst in Richtung von Toeffel’s Haupthaus gleiten. Natürlich hatte er für diese „Umbauten“ den Nexus verwendet. Doch weit weniger auslaugend, als ich erwartet hatte. Gleichwohl zu viel, um im späteren Verlauf meine Armschiene zu laden. So fiel die Idee flach die Yuan-ti mit unserer eigenen Nexusmacht zu beschwichtigen. Der Bugbear brachte uns dann unsichtbar ins Innere und hinab zum Nexus selbst. Wobei er auf dem Weg scheinbar diverse neue Sicherheitseinrichtungen zu deaktivieren schien. Jetzt, da wir vor dem Nexus standen, war es Zeit, dass Angstrum die Kontrolle abgab. Doch wusste er zunächst nicht wie.
Die Bindung zu lösen erforderte, dass er Willens war diese aufzugeben. Und hier kam der Knackpunkt: Er war keineswegs überzeugt davon. Obgleich ich mit dem Gedanken gespielt hatte seine Gedanken zu beeinflussen nahm ich davon Abstand, nur um durch Melody überrascht zu werden, welche es stattdessen tat. So überredete sie ihn mit magischer Unterstützung uns die Kontrolle zu übergeben. Am Ende war es in tatsächlich das Beste für die zwei. Auch wenn keiner vorausahnen konnte, ob das die Bewohner Azoicstrum’s vor Repressalien bewahren würde.
Während wir warteten, dass Angstrum die Bindung aufgab und Krathus sein Banner auflud, nagelte ich Ava darauf fest endlich zu erzählen, was ihr Wiederfahren war. Seit ihrer Rückkehr wich sie schon mehrere Male dieser Frage aus, da wir ja unter Zeitdruck standen. Nun galt es aber mindestens eine Stunde totzuschlagen. Trotz der verfügbaren Zeit war sie aber eher schmallippig. Offenbar hatte der Zinnsoldat sie an einen Ort mitgenommen, wo es ihr gelang sich – bildlich gesprochen – wieder zusammenzusetzen. In der Tat hatte sie durch den Realitätswechsel etwas verloren. Nun, das war keine große Überraschung für mich. Den anteiligen Mangel ihrer Selbst hatte ich am eigenen Leib spüren dürfen. Hingegen war es wohl aber auch so, dass dies ein Part ihrer Persönlichkeit war, den sie Zeit ihres Lebens unterdrückt hatte.
Sie bekam allerdings die Möglichkeit sich wieder zu einen und war nun im Gleichgewicht. Es war nicht zu bestreiten, dass sie erneut verändert wiedergekommen war. Die inzwischen dritte Inkarnation Ava’s kennenzulernen war irritierend. Sie hatte bisher einen wilden Mix der beiden vorherigen Varianten gezeigt. Trotz allem war mir aber am Ende nicht klar, ob ich tatsächlich alles richtig verstanden hatte, was in ihrer Abwesenheit passiert war. Noch im Begriff ihre Geschichte zu verarbeiten brach sie aber meinen Verstand vollends, als sie sich für die zuletzt gemeinsam erlebten Wochen entschuldigte. Die Welt stand Kopf.
Umgekehrt erfragte sie was aus meinem Familientreffen geworden war. Sie bekam daraufhin die möglichst kurze, wenngleich nicht weniger prägnante Erzählung dieser weniger erfreulichen Ereignisse und ihrer Konsequenzen. In ihrem Gesicht spiegelte sich echtes Mitgefühl wider. Erst jetzt war mir bewusst geworden, wie mir das gefehlt hatte. Verwundert blieb ich mit diesem Gedanken zurück, da sich nun Angstrum zu Wort meldete. Scheinbar war die Bindung nunmehr ausgelöst worden.
Jetzt galt es den Nexus an uns zu binden. Die Macht des Nexus war unbestritten, die einhergehenden Gefahren aber auch. Wer immer sich verband würde auch eine Zielschreibe auf dem Rücken tragen. Natürlich wandte Angstrum ein, dass er kein Problem damit hätte sich erneut zu verbinden. Irgendwie fiel die Wahl dann aber zurück auf mich. Ich hätte wohl glücklicher über diese Entwicklung sein sollen, war es doch das was ich wollte, seit wir von dem Nexus wussten. Zu jener Zeit, ohne einen einzigen Gedanken an die Konsequenzen zu verschwenden. Vieles aber hatte sich seither verändert.
Mein Grund dies zu tun war unlängst nichtig geworden, dass darüber hinausragende Verlangen nach mehr Macht hatte mir meine leibliche Familie ausgetrieben und nicht zuletzt fürchtete ich meine gewählte Familie damit in Gefahr zu bringen. Doch welcher Idiot hatte sonst stumpf in sein Verderben rennen wollen, um diese Krise aufzuhalten? Nicht, dass ich allzu fest an einen Erfolg glaubte … so haderte ich.
Meine Hand war leicht ausgestreckt und ein Blick fiel über die Schulter hin zu der Wand, wo ich schon einmal einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte. Ava fing plötzlich an zu zaubern. Eine Reihe von großen fluffigen Kissen erschienen an besagter Wand. Ein leichtes Grinsen umfing mich, bevor das Stirnrunzeln anfing, da ich die Kissen als Illusion erkannte. Und das war der Moment in dem mich Krathus plötzlich schubste. So stolperte ich völlig überrascht gegen den Nexus, was die befürchtete Reaktion auslöste und mich mit einer Entladung magischer Energie quer durch den Raum schoss. Diesmal drehte ich mich um die eigene Achse. Während des kurzen Flugs sah ich noch Garret, der versuchte mich zu fangen, über dessen Kopf ich aber einfach hinweg rotierte. Direkt durch die illusionären Kissen und gegen die auch in diesem Fall kaum weniger harte Wand. Jeder Knochen im Leib tat mir weh, doch die Bindung war vollzogen.
Die Folge des Bindens schien aber auch zu sein, dass nun Blut aus meinen Augen lief. Nicht allzu viel und es stoppte auch immer bei einer gewissen Menge, doch es levitierte unterhalb des Augenlids. Wegwischen war ineffektiv. Wann immer ich aber einen Zauber wirkte, wurde aber in den Körper eingesogen, nur um im Anschluss wieder aufzutauchen. Die zugesprochene neue und eher martialische Optik war keinesfalls beruhigend. Angstrum hatte keine Wirkung wie diese verspürt. War es nicht schön etwa besonderes zu sein … !?
Unsere Aufgabe hier war nun erfüllt. In dem folgenden Gespräch mit dem Bugbear warnten wir noch vor potentiellem Ärger und das sie auf der Hut sein sollten. Dabei kam auch heraus, dass Angstrum die damals hierher pilgernden Kobolde gar nicht umgebracht hatte. Vielmehr hatte er sie gewarnt nicht näher zu kommen und dann weggeschickt. Leider aber auch ohne deren Erinnerung mittels des Nexus zu manipulieren. Wusste Shadar deswegen von diesem Nexus? Oder hatte er diese Information viel früher durch andere Quellen schon bezogen? Traf das Erstere zu, dann wäre dies ein wichtiger Hinweis auf seine tatsächliche Macht gewesen.
Beim Gehen fiel uns nun auf, dass wir nicht unbemerkt geblieben waren. Keiner hatte die Öffnung der Geheimtür wahrgenommen, doch im Eingang weit über uns stand nun Narach mit gezogener Waffe und äußerst ungehalten. Garret hatte ein Seil für uns hinuntergelassen. Melody flog mit Angstrum hinauf. Und als ich mich in Bewegung setzen wollte verschwamm kurz die Umwelt und wurde in tiefe Schatten getaucht, bevor ich mich nur eine Sekunde später sehr viel weiter oben am Seil hängend wiederfand. Irritiert nach unten blickend sah ich dann Krathus und Ava verschwinden. Das hatte ich schon einmal erleben dürfen, nur als unfreiwilliger Teilnehmer einer Racheaktion des kleinen schuppigen Teufels.
Narach zu erläutern, warum wir ohne Einladung hier waren, war ein Ding der Unmöglichkeit. Das Misstrauen gegenüber Magienutzern schwand damit auch nicht gerade. Doch seine feindliche Art war nicht amüsant. Nun pikste er mit seiner Waffe in meinen Rücken, damit ich mich beeilte. Sehr zu unser beider Überraschung hatte dies aber keinerlei physische Auswirkung. Gespürt hatte ich nichts und auch blutete der Einstichort nicht. Verwundert wiederholte er seine Tat, mit dem gleichen Ergebnis. Statt das es alle Beteiligten dabei beließen und wir einfach gingen, hatte sich nun Garret in den Kopf gesetzt seinerseits diesen Umstand zu „testen“. Der kleine Dreckskerl schoß mit einem Satz hinauf und verpasste mir doch allen Ernstes eine ordentliche Backpfeife. Von der in den Hieb gelegten Kraft kam aber nur wenig an, doch es tat nicht weniger weh.
Für einen Moment schoss die Wut hoch und ich formte schon den ersten Gedanken mich auf „affige“ Weise zu revanchieren, doch angesichts der Umgebung und der zu vermeidenden Aufmerksamkeit, nutzte ich den gleichen Zauber abgewandelt und machte aus der halben Portion einen Shrimp. Das Pärchen folgte und brachte uns wieder hinauf zu ihrem Nest. Krathus schien amüsiert über Garret’s neue Existenz. Ava beendete den Spaß dann aber, als sie ihn mit Wucht auf den Boden donnerte und die Verwandlung brach. Auf die Erzählung meiner „Unverwundbarkeit“ hin wollte sogleich Krathus auch mal zustechen. Genug war genug. Wieso wollte mich eigentlich jeder in Logothil stechen und bluten lassen!? Nach meinem Ausbruch über diesen nicht haltbaren Umstand kehrten wir schließlich nach Zoica zurück.
Nach dem Teleport sorgte ich wieder für ein unsichtbares Auftreten. Eine kurzerhand alarmierte Wache sah somit nur Ava, hatte aber zuvor mindestens zwei Stimmen gehört. Auf die Frage wer nun also noch hier wäre platzte es aus Garret heraus, dass er sein eigener Geist sei. Meine Hand war schon in der Bewegung zu meiner Stirn, konnte sie aber noch rechtzeitig stoppen, bevor auch ich Lärm erzeugt hätte. Im Versuch die Wache davon zu überzeugen, dass er jetzt aber doch nicht Garret sei, behauptete er Angstrum zu heißen. Es wurde von Cent zu Moment absurder. Die Wache trug, soweit wir sehen konnten, einfach beide Namen ein und ließ uns ziehen.
Der Weg führte uns zurück zum Compound. Auf diesem vernahmen wir aber Stimmen, die sich darüber freuten in Zukunft wohl für gar nichts mehr zahlen zu müssen. Ava fuhr herum und fand vor sich erneut zwei Jugendliche, scheinbar Studenten der Akademie. Aufgebracht über die Situation, dass sie Magie missbraucht hatten, um jemanden zu bestehlen wurden ihre Augen tiefschwarz, ihre goldenen Strähnen ebenso und sie schiss die beiden in deutlicher Art zusammen. Verängstigt zogen sie davon, versprechend dies nicht zu wiederholen. Ich war derweil völlig erstarrt, ob Ava’s Auftritt. Für einen Moment geisterten mir die Bilder von vor einigen Wochen im Kopf. Es wäre eine Lüge, wenn ich nicht zugab, verunsichert gewesen zu sein. Doch mit ihrer „Rückverwandlung“ fiel zunächst auch dieses Gefühl.
Kritischer war, dass keiner von uns bemerkt hatte, dass Marco an der Ecke saß und dies mitbekommen hatte. Sein nüchterner Kommentar ließ keinen Zweifel, dass er glaubte diesen Missbrauch vorhergesehen zu haben. Und man mochte erahnen, dass er damit ebenso eine indirekte Warnung in die Zukunft aussprach. Nach meinem Verständnis war es aber egal, ob jemand Magie nutzte oder ein Schwert, um seinen Willen durchzusetzen. Einen Verhaltenskodex brauchte beides. Wir zogen weiter, auch wenn mir ein weiterer von Marco’s Kommentaren Bauchschmerzen bereitete, der durchblicken ließ, dass er uns andere wahrgenommen hatte.
In unseren Räumen im Compound eingetroffen löste ich dann die Unsichtbarkeit, doch Krathus war verschwunden …
Sitzung 108
Lia dazu zu veranlassen nicht unbedingt hier und jetzt über alles zu reden erwies sich als ein Ding der Unmöglichkeit. Diese … Frau hatte in der Vergangenheit schon ein Desaster nach dem anderen ausgelöst und verstand es perfekt unüberlegt vorzupreschen. Es war lästig. Zumindest gelang es Qwe endlich aus dem Hörbereich heraus zu komplementieren. Danach erläuterte Lia dann kurz, dass es sich bei dem Inhalt des Buches – wie wir schon angenommen hatten – um eine von ihr zuvor erwähnte gesamte Bibliothek handelte. Der Schlüssel Shadar aufzuhalten wäre folglich irgendwo darin verborgen. Das waren gute Nachrichten. Mein Wunsch ihr mit dem besagten Buch eine überzuziehen war dagegen wohl weniger hilfreich, weswegen ich ihn versuchte zu unterdrücken.
Sie wollte, ohne nachzudenken, direkt aufbrechen, doch wir hatten unsere vermeintliche Tarnung zu verlieren. Das größte Plus war, dass wir als „aus dem Spiel genommen“ galten, ein Vorteil, den es so lange wie möglich zu bewahren galt. Leider war sie der Inbegriff eines Hausdrachen …
Mehr schlecht denn Recht kamen wir überein unsichtbar in den Compound zu schleichen. Der Zinnsoldat hatte Ava angekündigt. Und ich wollte mir erneut verbale Einläufe durch sie ersparen, nur weil ein Treffen nicht eingehalten wurde. Zuletzt war unser Verhältnis eh schon nicht das Beste gewesen – milde ausgedrückt. Zugleich verließ uns nunmehr Calas, was unsere Gruppenstärke immens schwächte. Ehrlicherweise blickte ich nicht sehr positiv in die Zukunft was diesen Austausch anging. Krathus hingegen schien aber bereits Feuer und Flamme. Lia ließ es sich nehmen den eh schon mitgenommenen Calas für sein Gehen einen Spruch zu drücken.
Als sie auch noch erfuhr, dass ihre Mutter hier sei, war sie schon beinahe zur Tür raus. Wir würden Al’Chara brauchen, da sie irgendeinen Schutzzauber auf den Zugang zur Bibliothek gelegt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt war nicht ein anerkennendes Wort zur zweimaligen Rettung „ihrer Hoheit“ ausgesprochen worden, oder zumindest eine entgegenkommendere Stimmlage. Nun stellte ich mir vor in Kürze zwei Therions in einem Raum zu haben. Ich überlegte, wie lange ich diesem Umstand wohl aushalten würde, bevor ich verzweifelt dem großen Roten die Treue schwören würde, nur damit dies endlich ein Ende hätte …
Nachdem wir uns von Calas verabschiedet hatten, setzten wir uns in Bewegung. Durch die Stadt zu gelangen war einfach, da um diese Zeit auch nicht mehr viel auf den Straßen los war. Der Compound hingegen war wider Erwarten belebt. Das Äußere war hell erleuchtet und es sah danach aus, als wäre eine Veranstaltung im Gange. Wir schlichen an den Wachen vorbei in den Innenhof. Die Kutschen begutachtend fanden sich bekannte Embleme auf diesen. Pashar, Lafayete und viele weitere bekannte Personen waren scheinbar einberufen worden. Krathus ließ uns derweil beinahe auffliegen, da er mit Lafayete’s Panther zu spielen begann.
Wir gelangten schlussendlich ins Hauptgebäude und schafften es bis zu unseren Räumen zu gelangen. Für den Moment würde uns hier niemand erwarten. Die Gelegenheit nutzend überprüfte ich zunächst erfolglos, ob Ava in ihrem Raum war. Jetzt galt es Al’Chara ausfindig zu machen. Lia wollte schon wieder einfach losmarschieren, doch konnten wir schließlich vereinbaren Garret unsichtbar loszuschicken, um ihre Mutter und Ava zu finden. Es dauerte einige Zeit bis der Halbling wieder zurückkehrte. Im Schlepptau hatte er dann auch die beiden Gesuchten. Ein leichter Schauer zog mir über den Rücken. Welche der beiden nun eintretenden „Damen“ dies verursachte war aber nicht zu differenzieren.
Anders als erwartet schien Ava anders. Es fehlte die martialische Kriegsbemalung und sie hatte definitiv neues Equipment. Besonders die Rüstung fiel ins Auge. Die goldenen Strähnen waren noch da. Auf die Nachfrage wie es ihr ergangen sei antwortete sie ruhig und der Gesichtsausdruck war beängstigend gelassen. Fast surreal wirkte ihre Frage nach dem Auffinden meiner Familie. War sie wieder sie selbst oder erneut jemand anders? Ich war verwirrt.
In einem Kurzabriss erfuhren wir, dass die Yuan-ti für das Ereignis im Compound verantwortliche zeigten. Scheinbar versuchten sie durch Diplomaten und Künstler, welche Garret als höchst suspekt einschätzte, hier Fuß zu fassen.
Indes hatte Al’Chara durch ihre bloße Präsenz den Raum erfüllt. Lia wollte übereifrig wie zuvor lospoltern, wurde aber von ihrer Mutter in die Schranken gewiesen. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt uns. So erläuterten wir so kurz es eben möglich war die Sachverhalte. Die Tatsache, dass Lia ein gutes Dutzend an Versuchen unternahm sich in dieses Gespräch einzuklinken und jedesmal die kalte Schulter Al’Chara’s zu spüren bekam war eine Genugtuung. Das Grinsen zu unterdrücken fiel mir daher schwer. Lady Therion war wenig begeistert über die Entscheidungen Cenereth’s. Mit all dem was wir nun wussten, war es aber gut möglich, dass sie andernfalls kaum mehr am Leben gewesen wäre und somit unsere Chance in die Bibliothek zu gelangen zunichte gemacht worden wären.
Nunmehr war dies ein Stichwort, bei dem Lia endlich dazu eingeladen wurde auch etwas beizutragen. Das schützende Siegel zum Eintritt in den Tessarakt hatte ihre Mutter wohl gesetzt, aber selbst nicht gewusst was sich dahinter verbarg. Mit allen relevanten Personen vereint an diesem Ort konnten wir aber nun hinein. Obgleich die Erklärungen gegenüber ihrer Mutter wo sich dieser Zugang befinden sollte bei uns eher Unverständnis auslöste. Aber kaum waren wir in das Buch eingesogen worden verdeutlichte sich das Gesagte.
Vor uns tat sich eine völlig absurde Phantasiewelt auf. Als hätte man alle Zuckerschockalbträume und Jahrmärkte zu einem Bildnis vereint. Für so einen abgefahrenen Trip hätte es normalerweise unfassbare Mengen Paddo gebraucht. Etwas entfernt befand sich ein von Wasser umgebener Turm, es regnete Süßigkeiten, Gnome sangen und tanzten nebenan, ein schillernder Regenbogen stand am Himmel und warum war der Boden so fluffig!? Alles hier drin schrie „Spielplatz der Prinzessin“. Lia’s Gesicht war mit einem mal leuchtend rot. Uns in ihre Kindheitsphantasien mitzunehmen war ihr sichtlich unangenehm. Gerade als ich dachte es könnte nach der Demütigung durch ihre Mutter nicht besser werden … es war glorreich und meine Mundwinkel taten bereits weh.
Im Wasser schwamm zudem eine überdimensionierte Haiflosse. Lia erläuterte kurz, dass es ungefährlich sei aber jemand den „Hai“ kraulen müsste, damit wir weitergehen konnten. Diese Ehre überließ ich nur zu gerne ihr selbst. Viel peinlicher konnte es kaum noch werden, was sich gut in ihrer nun devoten Art widerspiegelte. Wir machten uns auf zum Turm, wo sich angeblich der Zugang zur Bibliothek befinden würde. Es gab nichts, dass uns hier im Wege stand. Oben angekommen folgten wir in Lia’s persönliches Zimmer. Scheinbar ihr Rückzugsort innerhalb dieses Rückzugsortes. Kitschiger und klischeehafter ging es kaum. Wahrlich das Spielzimmer einer verwöhnten Prinzessin. Hier befand sich nunmehr auch der besagte Zugang. Eine winzige Tür, deren Siegel nun durch Al’Chara entfernt wurde und durch welche wir hindurchschritten, nachdem wir einen Verkleinerungstrank nahmen. Auch wenn Krathus nur wenig Interesse hatte eine Bibliothek zu besuchen.
Der Anblick war immens. Soweit das Auge reichte und in jedwede Richtung wurde diese Zwischenebene von vollen Bücherregalen durchzogen. Es mussten tausende Bücher sein, wenn nicht viel mehr. Wo sollten wir nur anfangen? Zufällig etwas herauszuziehen brachte nur wenig Nutzen. Jedes Buch hatte Querverweise auf andere Bücher. Cenereth hielt wohl nichts von einem linearen Schreibstil. Nach einiger Zeit fiel Ava wieder ein, dass sich im Buch der Blutmagie aber ein ähnlicher Verweis befunden hatte. Dies als Ausgangspunk nehmend begannen wir unsere Recherchen. Stunden um Stunden vergingen. Irgendwie wurden wir aber nicht müde und auch nicht hungrig. Die Konzentration blieb gleichsam intakt. Es war ein eigenartiges Gefühl. Krathus schien hier drinnen aber seine Probleme zu haben.
Wir wälzten Buch um Buch. Mit der Zeit erfuhren wir all die Details, die zum Bau der Nexi führten. Mehr noch aber erlangten wir Einsichten über deren Funktionsweisen. Final aber kam der wichtigste Aspekt: Hinweise auf den geplanten Aufstieg Shadar’s zu einer Gottheit. Scheinbar brauchte es dafür je fünf Kugeln eines jeden Nexus, um das Ritual zu starten. Wobei aber die Nexi selbst während dieser Zeit konstant mit Energie versorgte werden mussten. Das bedeutete, dass es möglich war den Aufstieg in der Tat zu verhindern oder zumindest so weit zu verzögern, bis eine endgültige Lösung gefunden war.
Wenn mein Zeitgefühl mich nicht trog und die Anzahl der gelesenen Bücher stimmte, dann waren wir inzwischen Monate hier drin, vielleicht sogar schon ein Jahr. Auch waren wir an einem toten Punkt angekommen. Cenereth hatte noch so viel hier zu stehen, dass sich aber unseres Verständnisses völlig entzog. Mit den gefundenen Antworten entschieden wir nun es gut sein zu lassen.
Beim Heraustreten rempelten einer den anderen an. Krathus stand obgleich seines frühzeitigen Verschwindens aus der Bibliothek direkt im Eingang. Ich stieß dafür mit Ava zusammen. Al’Chara blickte etwas ungläubig und hatte diesen unangenehmen Unterton, als sie danach fragte, wieso wir kaum eine Sekunde weg gewesen wären. Es war ein geniales Studierzimmer jenseits vom herkömmlichen zeitlichen Ablauf. Es war allerdings auch irritierend, dass wir trotz all der Zeit so fokussiert waren, dass wir keinerlei persönliche Gespräche geführt hatten. Und erst jetzt fiel mir auf wie unkompliziert unsere Zusammenarbeit da drin war. Besonders als Ava und ich allein da drin gewesen waren, nachdem Lia, Krathus und Garret über verschiedenste Zeiträume offenbar die Bibliothek verlassen hatten. Wir vermittelnde kurz unsere Eindrücke bevor wir entschieden Richtung Ausgang zu gehen. Doch bevor wir diesen Ort verließen teilten wir noch unsere Gedanken.
Was würden wir nun tun? Viele Informationen und Überlegungen flossen in die Diskussion ein. Mit all den neuen Details war es möglich die Gesamtsituation völlig neu zu bewerten, aber auch lose Enden zu verknüpfen. Trotzdem war es keine leichte Aufgabe einem angehenden Gott diesen Status abzuringen. Erst einmal brauchten wir einen Ausgangspunkt. Die Nexi ihrer Aufladungen zu berauben erkaufte uns Zeit und den einzig einfach kontrollierbaren hatten wir in Azoicstrum. Also kamen wir überein diesen in unsere Kontrolle zu bringen. Außerdem mussten wir noch eine Vereinbarung mit Mundi erfüllen. In der Zukunft könnte er sich als brauchbarere Alliierter erweisen, doch dazu müsste Lia wieder zu ihm zurückkehren. Egal wie ich zu ihr stand, aber es war nachvollziehbar, dass sie dies nicht als verlockend empfand.
Die Therion’s waren schon aus dem Buch geschlüpft als wir noch sprachen. Jetzt aber folgten auch wir.
Lia’s hochroter Kopf war noch existent. Und die Bitte, die sie nun aussprach, musste ihr wahrlich schwergefallen sein auszusprechen. Denn sie erbat, dass wir kein Sterbenswort über ihre Kindheitsphantasien mit anderen teilten. Die Demut stand ihr. Krathus, Garret und ich stimmten zu. Ava nutzte die Gelegenheit unbelastet in die Beziehung zu Lia hineingekommen zu sein im Gegenzug unser überlegtes Vorhaben Lia und Mundi wieder zueinander zu bringen aktiv zu verkaufen. Niemand verlangte von ihr dort zu verweilen, aber der potenzielle Nutzen Mundi’s zu helfen Shadar aufzuhalten war gegeben. Widerwillig schien sie dies zumindest nicht vollkommen abzulehnen.
Al’Chara wies darauf hin, dass es besser wäre Posetine einzuweihen. Schließlich sei sie die Herrscherin und vorenthaltene Informationen mochten einen negativen Ausgang auf die Ereignisse haben. Ich erläuterte ihr die Bedenken, die Cenereth hatte. Doch sie gab wiederum zu Bedenken, dass sie selbst diesen Fehler gemacht hatte, als sie uns nicht über alles informiert hatte. Vielleicht wären die Dinge dann anders ausgegangen. Wenn sich aber Posetine dazu entscheiden sollte sich ihrem Vater anzuschließen, oder gar von Macht besessen durchdrehen würde? Mir schwante übles, als ich darüber nachdachte welche Zerstörung sie über die Region bringen könnte beim Versuch Shadar aufzuhalten. Die beste Option die Nexi trocken laufen zu lassen war all ihre Quellen zum Versiegen zu bringen, was ein verbranntes Ödland zurücklassen würde.
Doch wurde uns ein Teil der Entscheidung abgenommen. Gerade als Lia im Begriff war sich die Beine zu vertreten, was wir vehement versuchten zu verhindern, da auch sie als tot galt, stand jetzt Posetine im Gang. Ihre Attitüde hatte sich in den von uns übersprungenen Wochen wieder stark verändert. Wenige Worte, dafür gezielt und fordernd. Sie wuchs mir etwas zu schnell in die Rolle einer Herrscherin, die sich nicht in die Karten blicken ließ. Es war kaum Überraschung in ihrem Gesicht, als sie uns sah. Aber sie verlangte zu erfahren was es mit diesem heimlichen Treffen auf sich hatte. Im Versuch nicht anzuecken, begann ich sorgsam meine Worte zu wählen, nur um vom gelangweilten Krathus direkt unterbrochen zu werden. So ließ er dem Wasserfall an Informationen ungehindert freien Lauf, während ich innerlich überlegte ihn zur Strafe ein paar Sekunden in die Bibliothek zu sperren.
Posetine nahm es völlig neutral auf. Ihre verbale Reaktion zum Abschluss suggerierten ihr Interesse an dem Gesagten, ihr Gesicht aber wirkte steinern. Sie ging mit den Worten, dass sie darüber nachdenken und uns morgen ihre Entscheidung mitteilen würde. Hatten wir soeben einen Kardinalfehler begannen?
Wir ließen den Abend ausklingen und hofften das Beste. Sehr zum Missfallen von Lia hieß es auch weiterhin erst einmal ungesehen zu bleiben. Am nächsten Tag ließ uns Posetine wissen, dass sie ihre Entscheidung getroffen hätte und wir sie aufzusuchen hatten. Im Zuge der Ereignisse und der Tatsache, dass wir uns zuvor als vertrauensvoll herausgestellt hatten ernannte sie uns nunmehr zu Champions in ihrem Namen. Wir erhielten goldene Drachenschuppen von ihr, die scheinbar über gewisse magische Eigenschaften verfügten.
Ich denke wir waren zunächst alle erleichtert, doch in mir trug ich einen Samen des Zweifels. Cenereth’s Worte hallten nach. Zwar hatte sie bisher keinen eklatanten Anlass gegeben an ihr zu zweifeln, aber ihr sich so schnell veränderndes Verhalten ließ mich mit einem mulmigen Gefühl zurück. War sie bereits dem Machthunger verfallen, spann sie gar eine Intrige sich selbst der Nexi zu bemächtigen? Nach all den erlebten Ränkespielen verblieb eine gewisse Paranoia ...