• Freitag, 31. Januar 2025 20:07

Sitzung 20

Anarath
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Garret und Harkis waren schon früh aufgebrochen, so aßen Carook und ich unser Frühstück in aller Stille. Nur die typischen Umgebungsgeräusche der Taverne im Hintergrund. Ein wenig genoß ich diese Form der Ruhe. Zuletzt gab es ohne Unterlass Probleme, Dinge zu besprechen oder Leben in Gefahr zu bringen. Der Tag heute würde eine Menge Erholung bieten.
 
Gut genährt machten wir beide uns auf den Weg. Garret hatte mir vor seinem Aufbruch noch Geld dagelassen, um ein paar Vorräte zu erwerben. Denn für den Fall, dass unsere kleine Infiltrationsmission schief gehen sollte, würden wir schnell die Stadt verlassen müssen.
 
Auf dem Weg zum Markt aber überkam mich der Wunsch nochmal mit Lafayette sprechen zu wollen. Es gab da noch Dinge, die ich ihn privat fragen wollte. Carook schien keine Einwände zu haben. Zu unserem Leidwesen aber blieb das Tor verschlossen. Klopfen, Brüllen. Nichts half die Aufmerksamkeit des Hausherren zu gewinnen. Sofern er denn anwesend wäre. Das Personal aber hätte doch wenigstens reagieren müssen. In mir kam die Frage auf, wie diese Person überhaupt Geschäfte ausüben kann, wenn man sich ihm nur durch Glück mitteilen konnte.
 
Da meine durchaus lauten Versuche hineinzugelangen nahe Stadtwachen alarmierten, setzten wir uns unauffällig in Bewegung. Der Marktplatz befand sich gleich in der Nähe. Sowohl auf dem Weg zu Lafayette, als auch zum Markt schien uns stetig jemand zu folgen. Carook hatte eines von Marco’s Vöglein entdeckt und machte keinen Hehl darum, was er davon hielt. Ein Griff zum Boden, eine schnelle Drehung und ein gezielter Wurf. Schon schrie das vom Stein getroffene Kind auf und rannte davon. Ich gewann den Eindruck, dass mein Gefährte ein gewisses Vergnügen daran hatte.
 
Der Marktplatz war heute anders als sonst. Wo sonst viele Stände waren, gab es nun viel Platz. Sie alle waren etwas gewichen. So bildete sich eine Art Loch, in dessen Mitte jedoch ein Tisch stand. Auf hm gab es nur einen großen Topf. Ein Mann dahinter. In meiner Neugier wollte ich den Grund erfahren und trat näher. Schon nach den ersten Schritten in seine Richtung stieg ein widerlicher Geruch in meine Nase. Der Topf war voll mit Kot. Während meines Gespräches mit ihm fielen sowohl ein neuer Haufen Kot in den Topf. Aus heiterem Himmel. Das erinnerte mich an mein Erlebnis vom Vortag. Unschön.
 
Auch eine Münze folgte, welche der Mann aber voller Erwartung in der Luft abfing. Mehr musste ich nicht wissen. Eigenartiges ging hier vor. Aber nach dem Erlebnis von neulich hatte ich nur wenig Lust weiter darüber nachzudenken. So widmete ich mich dem Einkauf. Vorräte, Verbandsmaterial, ein wenig Ausrüstung. Irgendwie hatte Carook den Sinn der Aktion nicht verstanden, weswegen er noch einmal darauf hingewiesen werden musste ebenfalls ein paar Dinge zu erwerben. Schlussendlich hatte er ja offenbar genug Gold, um für sich selbst zu sorgen.
 
Doch die Kommunikation mit den Händlern stellte sich als etwas schwierig heraus. In seiner einschüchternden Plattengestalt griff Carook einfach alles, was er benötigte. Sehr zum Missfallen des Händlers, der eine Entlohnung erwartete. Ich sah mir das Treiben aus einiger Entfernung an. Es war belustigend, wie der Standbesitzer versuchte Carook zum Reden zu bekommen. Das Schauspiel hatte allerdings abrupt ein Ende, nachdem er einen Preis artikuliert hatte. Carook bezahlte ohne eine Miene zu verziehen. Das Gesicht des Händlers war mit widersprüchlichen Emotionen gefüllt. Wut, Überraschung und Gier - nachdem er den prallen Geldbeutel Carook’s sah.
 
Unser Anliegen hier war erledigt. Es folgte lediglich ein weiterer Zwischenfall mit einem Kind, welches von Carook einen Apfel an den Kopf geworfen bekam. Mit vollen Taschen machten wir uns wieder auf den Weg. Ich schlug eine Stadttour vor und Carook hatte keine Widerworte. So verbrachten wir den Großteil des Tages damit, Zoica zu erkunden. Wobei allerdings nichts besonderes auffiel. Dafür hatte ich aber gute Schleichwege durch die Gassen ausfindig machen können.
 
Obgleich es später wurde, würden de anderen beiden noch nicht zurück sein. Das Üben de Theaterstücks würde dauern. Besonders, da sie es so kurzfristig hatten einstudieren müssen. So überließ ich es Carook wohin wir als nächstes gingen, schlug aber das Badehaus vor. Stumm starrte er mich an. Solange, bis ich ihm sagte, er solle einfach in die Richtung gehen, wenn er Lust drauf hätte und ich würde dann folgen. Das funktionierte. Es war wie am Vortag. Die Echse ließ ihren Kriegshammer nicht in der Umkleide, die Leute starrten und beide hatten wir Spaß mit meinem erzeugten Wellenbad. Ein entspannter Tag näherte sich dem Ende.
 
Gegen Abend versammelten wir uns alle wieder in der Taverne. Beim Abendessen folgte eine Besprechung zum morgigen Vorgehen. Dies war das erste Mal, dass Carook von dem Theaterstück erfuhr. Wir hielten ihn allerdings im Ungewissen über unsere wahren Beweggründe. Irgendwie schien ihn das sogar mal zu interessieren. So sehr sogar, dass er im Verlauf des Abends noch seinen Tabard reinigen ließ, um am Folgetag angemessen gekleidet erscheinen zu können. Während seiner Abwesenheit klärten wir dann nur noch die letzten eher geheimen Details, bevor es zur Nachtruhe überging. Viel könnte schiefgehen, daher galt es möglichst ausgeruht zu sein.
 
Dem Erwachen des neuen Tages folgte die übliche Morgenroutine. Wir ließen uns Zeit, es musste nicht gehetzt werden. Gegen späten Vormittag ging es dann los. Es war abgesprochen worden, dass wir die Schauspieler abholen würden. Doch unser Hextorbegleiter sollte nichts von Derrin oder gar Chrylax erfahren. Letzteren würde er wohl ohne zu zögern versuchen zu beseitigen. Wir warteten etwas abseits, während Garret zum Haus des Professors ging. Erstaunlicherweise brauchte er länger, als wir annahmen. Gemeinsam mit Tarovo und Gorok zogen wir weiter gen Cuu’s Compound.
 
Der Halbling nahm mich aber nochmal zur Seite und übergab mir ein Buch. Offenkundig kam es von Chrylax, weswegen ich zunächst mit etwas Arkanem gerechnet hatte. Beim Aufschlagen stellte es sich aber als leer heraus. Garret machte ein Geheimnis drum, sagte er würde es später erläutern. Sicher bloß ein blöder Scherz von ihm. Vielleicht fand er es lustig, dass mein Rucksack schwerer wurde.
 
Wir erreichten gemütlich schlendernd den Vorplatz zu Cuu’s Compound. Tarovo machte zwar Stress, da er fürchtete die Aufführung könnte scheitern, aber wir anderen waren nicht aus der Ruhe zu bringen - zumindest äußerlich. Innerlich machte ich mir allerlei Gedanken darüber, was alles schief gehen könnte. Schließlich wäre ich es, der sich heimlich durch das best geschützte Anwesen in ganz Zoica zu schleichen hatte. Meine Überlegungen wurden jäh unterbrochen, als uns Marco ins Auge fiel.
 
Hier auf dem Platz stand er und fütterte eine ganze Schar Vögel, die ein einer Traube um ihn herum standen. Als ich kurz in Gorok’s übergoßen Schatten verschwand, nutzte ich einen Zauber, um meine Stimme zu verstärken. Hatte gehofft die Vögel mit einem Brüllen zu erschrecken. Am Ende war ich der Erschrockene. Denn statt in Panik davonzufliegen starrten sie mich alle mit einem mal an, samt Marco. Dann machte er eine Handbewegung, woraufhin die Vögel begannen wegzufliegen, nur um einige Sekunden später sich in Luft aufzulösen. Es war eine Illusion gewesen.
 
Marco näherte sich uns nun. Wie zu erwarten wusste er so einiges über Tarovo und Gorok. Auch über unsere Beteiligung am Stück. Ebenso machte er eine Andeutung über Cuu’s Compound. Er schien zu ahnen, was unsere wahre Absicht war und nutzte dies uns um einen Gefallen der Informationsbeschaffung zu bitten. Er wolle wissen, ob es Tür zwei oder drei sei. Wir würden es verstehen, wenn wir es sähen.
 
Ganz beiläufig wunderte er sich auch über unsere Verwunderung was seinen Illusionszauber anging, fügte dabei an, dass es ja sonst nichts zu füttern gäbe, da alle Tiere aus der Stadt verschwunden seien. Verdammt noch eins. Jetzt da er das sagte fiel es uns erst auf. Keine Hunde, Katzen, Vögel. Nichts. Und Derrin erzählte, dass Leroy verschwunden war. Doch das war ein Geheimnis für einen anderen Tag. Wir blieben uneindeutig gegenüber Marco. Dann setzten wir unseren Weg fort.
 
Relativ problemlos kamen wir in den Compound. Obgleich die Halboger, die Cuu als Wachen einsetzte fast schon zu wenig Grips hatten. Unsere Gruppe wurde in einen großen Theatersaal im Hauptanwesen geführt. Weiterer Zugang war beschränkt. Tarovo fing gleich an die Generalprobe zu starten. Somit waren alle schwer in ihrer Tätigkeiten involviert. Ich hatte derweil etwas Zeit zur Hand. Musste dabei aber die mehr oder minder aufmerksamen Augen unserer Halbogerwache meiden.
 
Dank eines Entdeckungszaubers hatte ich einige Magie ausfindig machen können. Sowohl hinter einer Wand des Theaters, aus deren Richtung ab und an auch merkwürdige Geräusche drangen, wie auch die Balkone oberhalb der Sitzreihen betreffend. Hier war offensichtlich ein Schutzzauber aktiv. Mir gelang es unbemerkt durch den Haupteingang des Theaters zu treten. Aber schon zwei Räume weiter stieß ich auf die nächste Wache. Mit der Ausrede die Toilette gesucht zu haben wurde ich zurückeskortiert. Hier folgte ein eindeutiger Verweis auf einen Eimer im Hinterzimmer.
 
Zunächst würde ich abwarten müssen. Sobald das Stück losging hätte ich die Gelegenheit mich etwas freier bewegen zu können. Es galt sich an den Plan zu halten. So verging einige Zeit, in welcher die Truppe ihr Stück zu Ende probte.
 
Der späte Nachmittag brach an. Nun fing der Saal sich an zu füllen. Es schienen Alls Rekruten von Cuu zu sein. Mit ihren gleichen Haarschnitte und der typischen Bekleidung war es schwer Einen vom Anderen zu unterscheiden. Zu guter Letzt traten ein grimmig wirkender Mann und eine unglaublich attraktive Frau auf den mittleren Balkon. Doch die wirkliche Überraschung folgte, als auf dem Vordersten eine Gestalt erschien, mit der keiner gerechnet hatte. Wohl bekleidet und ein nur schwer zu lesender Gesichtsausdruck waren zwei deutliche Merkmale. Das Auffälligste aber war, dass es sich um einen Kobold handelte. Meine Verwirrung nahm drastisch zu. Ein Kobold in Zoica. Womöglich Cuu selbst? Sie meiden das Sonnenlicht. Darum hatte ihn niemand zuvor gesehen?
 
Während ich noch am Überlegen war, trat Tarovo bereits auf die Bühne und kündigte das Stück an. Nun war ich an der Reihe. Versteckt vor den neugierigen Augen unserer persönlichen Wache verbarg ich meine Präsenz mit einem magischen Spruch. Ein nettes Mal atmete ich tief durch, dann trat ich heraus. Leise ging ich vor aller Augen die Bühnenkonstruktion hinab und direkt durch den mittleren Gang. Rekruten überall um mich herum, doch keiner vermochte mich zu sehen.
 
Auch wenn ich für die Augen aller Anderen unsichtbar war, musste ich dennoch extrem vorsichtig sein. Keine auffälligen Geräusche durfte ich machen, Türen durften sich nicht von Geisterhand öffnen und erst recht durfte ich nicht versehentlich in jemanden hineinrennen. Dementsprechend vorsichtig ging ich nun also vor.
 
Mein erster Weg führte mich direkt in den Raum hinter dem Theater. Jenem, aus dem ich ein magisches Leuchten vernommen hatte. Und beinahe war es auch direkt das Ende der Reise. Nur durch unglaubliches Glück hatten die Personen im Inneren nicht bemerkt, wie sich die Tür öffnete. In der Dunkelheit des Raumes konnte ich dank meines Dämonenblutes dennoch sehen. Eine riesige Maschine war hier am Werk. Leitungen führten hinein und hinaus. Sie diente dem erhitzen von Wasser, vermutete ich. Wenngleich imposant, war viel interessanter, wer diese Maschine bediente. Mehrere weitere Kobolde waren hier tätig. Höchst eigenartig.
 
Um nicht doch entdeckt zu werden hielt ich mich aber auch nicht lange hier auf, wobei ich aber die Bereiche um die Eingangshalle mied. Zuvor hatte ich lediglich Geräusche vernommen, die auf Übungsräume schließen ließen. Es ging weiter. Große Badesäle, Unterkünfte für Personal, die Küche. Soweit nichts besonderes, bis ich eine Tür zu einer Art Kapelle öffnete. Hinter dem Altar stand eine Statue, die aber keinen der bekannten Götter zeigte. Eine reptilartige, fast menschlich wirkende Kreatur mit Flügeln. Berücksichtigte man, dass hier Kobolde lebten, dann schien das Anbeten eines Drachen logisch. Doch dies war keiner. Oder doch?
 
Leider fehlte mir die Zeit für genauere Untersuchungen. Tarovo’s Stück würde knapp eine Stunde dauern, daher hieß es sich zu beeilen. Fast die Hälfte war schon rum. Jetzt war das Obergeschoss an der Reihe. Oben angekommen erwartete mich ein langer Gang. Keine Türen gingen ab. Doch ganz am Ende führten Gänge nach links und rechts. Gerade zu hing ein Spiegel. Der Aufbau war höchst irritierend. Kaum hatte ich mich für den linken Gang entschieden und war einige Schritte gelaufen, bereute ich meine Entscheidung bereits. Überall hingen Spiegel. Leider sah ich nun mein Spiegelbild in ihnen.
 
Irgendetwas hob meine Magie auf. Besorgt ging ich weiter. Nur zwei Türen gab es in diesem Gang. Hinter einer waren Stimmen zu hören. Die Andere hatte einen aufwendig verzierten Türschlägel in Form eines Drachenkopfes … welcher sich bewegte, mich zu verfolgen schien. Sicherlich war etwas wertvolles dahinter, aber ich wollte nichts riskieren. Wir aufgegriffen zu werden war zu gefährlich. So folgte ich dem verbliebenden Gang. In der Ferne waren auch hier Stimmen zu hören. Vermutlich aus dem Theatersaal der darunter lag.
 
Dann fuhr ich herum. Jemand war wohl soeben die Treppen hinaufgeeilt. Das Geräusch kam schnell näher, war aber weder schwerfällig, noch der Lautstärke einer gerüsteten Wache entsprechend. Hoffend, dass ich also nicht auf mich aufmerksam gemacht hatte verschwand ich in einen menschenleeren Raum. Horchend und abwartend, dass die Person nicht nur einmal, sondern zweimal vorbeikam. Sie musste wieder gehen, andernfalls hätte ich den Weg nicht fortsetzen können.
 
Etwas Zeit verging und mein Glück verließ mich nicht. Erneut hörte ich die Schritte der Person vorbeiziehen. Jetzt machte ich mich auf in den letzten Bereich, den ich erkunden könnte. Und zugleich auch den gefährlichsten. Dieser Gang beherbergte die Zugänge zu den Balkonen. Nicht wissend, ob sich inzwischen jemand auf ihm befand, schlich ich am Ersten vorbei. Dann den Zweiten. Dann den Dritten. Ich atmete erleichtert auf. Hier hinten fand ich allerdings nicht viel mehr, als zuvor auch schon. Einen Badesaal und Gemächer. Pompös ausgestattet. Aus einem waren auch Stimme zu vernehmen, daher mied ich dieses. Vielmehr konnte ich mir aber sowieso nicht ansehen. Es gab noch Räumlichkeiten, doch das Stück näherte sich seinem Ende. Und ich musste auch noch zurücklaufen.
 
Was war ich, mutig oder dumm? Keine Ahnung, aber noch war ich sichtbar. Doch aufgrund meines vorherigen Erfolgs, hatte ich vor mich so wieder zurückzuschleichen. Balkon drei verlief ohne Zwischenfälle. Balkon zwei hingegen … Der grimmige Mann auf jenem hatte wohl etwas vernommen. Er sprang auf und blickte auf den Gang hinaus. Mir ist unbegreiflich wie, doch ich schaffte es mich so gegen die Wand hinter dem Vorhang zum Balkon zu pressen, dass er mich übersah. Als er sich wieder gesetzt hatte, versuchte ich es erneut. Wieder sprang er auf. Erneut kuschelte ich mit der Wand und hoffte auf das Beste. Es war deutlich geworden, dass er von einer fremden Anwesenheit wusste. Mit gezückter Waffe befahl er ich solle mich zeigen.
 
Den Atem anhaltend strafte ich ihn mit Stille. In meiner Panik entließ ich einen stillen Zauber, der mich wieder verhüllte. Nur einige Sekunden später rannte er wie ein Wilder den Gang hinaus in die Richtung, in die ich auch musste. Als er fort war, wollte ich mich erneut in Bewegung setzen. Dabei rannte ich fast in die Frau, die ich zuvor auf dem gleichen Balkon hatte Platznehmen sehen. Sie rannte nun heraus, fast in mich hinein. Doch in die Richtung der Gemächer. Mir ist unklar wieso ich das tat, doch ich folgte ihr. Offenbar war die Person auf dem dritten Balkon nicht auf sie aufmerksam geworden. Das verdankten wir wohl Tarovo’s ausgezeichnetem Stück.
 
Ihr Ziel war das leere Gemach. Sie schloss nicht einmal die Tür hinter sich. Rannte zielstrebig auf einen ins freie führende Balkon zu. Sie hatte doch wohl nicht vor zu springen? Ich schloss noch eilig die Tür, bevor ich eilig hinterher sprintete. Gerade bevor sie ein Bein auf der Balustrade hatte griff ich zu und zog sie mit meinem Körpergewicht zurück. Sofort löste ich den Zauber und erklärte mich. Sie war zunächst sichtlich erschrocken. Dies hielt aber nur einige Augenblicke an, bevor sie mir klarmachte, dass sie hier heraus muss. Ich solle sie nicht aufhalten. Ganz offenbar war sie gegen ihren Willen hier.
 
Vermutlich wäre es besser gewesen sie einfach ihr Ding machen zu lassen, mich umzudrehen und in Sicherheit zu marschieren. Aber ich tat es nicht. Das Gegenteil war der Fall. Stattdessen machte ich ihr klar, dass sie mit mir fliehen könnte. Irritiert nahm sie meinen Zimmerschlüssel zur Taverne entgegen. Sobald wir draussen wären, so erklärte ich ihr, sollte sie zur Taverne gelangen, da auf mich warten und niemanden aufmachen, der nicht das soeben abgemachte Klopfzeichen nutzte. Ich versprach nachdrücklich ihr zu helfen.
 
Für den Augenblick müsste sie mir einfach vertrauen. Besonders bei dem, was nun folgen würde. Um heraus zu gelangen nutzte ich meine zuvor schon angewandte Magie. Diesmal jedoch auf uns beide gerichtet. Unsere Umrisse verschwanden. Wir waren unsichtbar - auch füreinander. Kurz stutzend fiel mir ein, wie kompliziert es wäre, wenn wir versuchten mit dem ausladenden Kleid herausschleichen zu wollen. Als ich daraufhin erwähnte, dass eine etwas weniger unpraktische Kleidung besser wäre, hörte ich ein reißendes Geräusch. Sie hatte beherzt an ihr Ballkleid gepackt und die pompösen Beinbekleidung schlicht heruntergerissen. Ich fischte kurzerhand nach ihrem unsichtbaren Arm, ergriff ihn und zog sie mit mir in Richtung Ausgang.
 
Der dritte Balkon war nunmehr unsere erste Hürde auf dem Weg nach draussen. Wie wurde aus einer relativ einfachen Spähmission nur so ein vertrackter Rettungseinsatz, der unser aller Leben gefährdete?