Tagebuch: Ralkarion
06
Februar
Tagebuch: Ralkarion
Sitzung 20
Garret und Harkis waren schon früh aufgebrochen, so aßen Carook und ich unser Frühstück in aller Stille. Nur die typischen Umgebungsgeräusche der Taverne im Hintergrund. Ein wenig genoß ich diese Form der Ruhe. Zuletzt gab es ohne Unterlass Probleme, Dinge zu besprechen oder Leben in Gefahr zu bringen. Der Tag heute würde eine Menge Erholung bieten.
Gut genährt machten wir beide uns auf den Weg. Garret hatte mir vor seinem Aufbruch noch Geld dagelassen, um ein paar Vorräte zu erwerben. Denn für den Fall, dass unsere kleine Infiltrationsmission schief gehen sollte, würden wir schnell die Stadt verlassen müssen.
Auf dem Weg zum Markt aber überkam mich der Wunsch nochmal mit Lafayette sprechen zu wollen. Es gab da noch Dinge, die ich ihn privat fragen wollte. Carook schien keine Einwände zu haben. Zu unserem Leidwesen aber blieb das Tor verschlossen. Klopfen, Brüllen. Nichts half die Aufmerksamkeit des Hausherren zu gewinnen. Sofern er denn anwesend wäre. Das Personal aber hätte doch wenigstens reagieren müssen. In mir kam die Frage auf, wie diese Person überhaupt Geschäfte ausüben kann, wenn man sich ihm nur durch Glück mitteilen konnte.
Da meine durchaus lauten Versuche hineinzugelangen nahe Stadtwachen alarmierten, setzten wir uns unauffällig in Bewegung. Der Marktplatz befand sich gleich in der Nähe. Sowohl auf dem Weg zu Lafayette, als auch zum Markt schien uns stetig jemand zu folgen. Carook hatte eines von Marco’s Vöglein entdeckt und machte keinen Hehl darum, was er davon hielt. Ein Griff zum Boden, eine schnelle Drehung und ein gezielter Wurf. Schon schrie das vom Stein getroffene Kind auf und rannte davon. Ich gewann den Eindruck, dass mein Gefährte ein gewisses Vergnügen daran hatte.
Der Marktplatz war heute anders als sonst. Wo sonst viele Stände waren, gab es nun viel Platz. Sie alle waren etwas gewichen. So bildete sich eine Art Loch, in dessen Mitte jedoch ein Tisch stand. Auf hm gab es nur einen großen Topf. Ein Mann dahinter. In meiner Neugier wollte ich den Grund erfahren und trat näher. Schon nach den ersten Schritten in seine Richtung stieg ein widerlicher Geruch in meine Nase. Der Topf war voll mit Kot. Während meines Gespräches mit ihm fielen sowohl ein neuer Haufen Kot in den Topf. Aus heiterem Himmel. Das erinnerte mich an mein Erlebnis vom Vortag. Unschön.
Auch eine Münze folgte, welche der Mann aber voller Erwartung in der Luft abfing. Mehr musste ich nicht wissen. Eigenartiges ging hier vor. Aber nach dem Erlebnis von neulich hatte ich nur wenig Lust weiter darüber nachzudenken. So widmete ich mich dem Einkauf. Vorräte, Verbandsmaterial, ein wenig Ausrüstung. Irgendwie hatte Carook den Sinn der Aktion nicht verstanden, weswegen er noch einmal darauf hingewiesen werden musste ebenfalls ein paar Dinge zu erwerben. Schlussendlich hatte er ja offenbar genug Gold, um für sich selbst zu sorgen.
Doch die Kommunikation mit den Händlern stellte sich als etwas schwierig heraus. In seiner einschüchternden Plattengestalt griff Carook einfach alles, was er benötigte. Sehr zum Missfallen des Händlers, der eine Entlohnung erwartete. Ich sah mir das Treiben aus einiger Entfernung an. Es war belustigend, wie der Standbesitzer versuchte Carook zum Reden zu bekommen. Das Schauspiel hatte allerdings abrupt ein Ende, nachdem er einen Preis artikuliert hatte. Carook bezahlte ohne eine Miene zu verziehen. Das Gesicht des Händlers war mit widersprüchlichen Emotionen gefüllt. Wut, Überraschung und Gier - nachdem er den prallen Geldbeutel Carook’s sah.
Unser Anliegen hier war erledigt. Es folgte lediglich ein weiterer Zwischenfall mit einem Kind, welches von Carook einen Apfel an den Kopf geworfen bekam. Mit vollen Taschen machten wir uns wieder auf den Weg. Ich schlug eine Stadttour vor und Carook hatte keine Widerworte. So verbrachten wir den Großteil des Tages damit, Zoica zu erkunden. Wobei allerdings nichts besonderes auffiel. Dafür hatte ich aber gute Schleichwege durch die Gassen ausfindig machen können.
Obgleich es später wurde, würden de anderen beiden noch nicht zurück sein. Das Üben de Theaterstücks würde dauern. Besonders, da sie es so kurzfristig hatten einstudieren müssen. So überließ ich es Carook wohin wir als nächstes gingen, schlug aber das Badehaus vor. Stumm starrte er mich an. Solange, bis ich ihm sagte, er solle einfach in die Richtung gehen, wenn er Lust drauf hätte und ich würde dann folgen. Das funktionierte. Es war wie am Vortag. Die Echse ließ ihren Kriegshammer nicht in der Umkleide, die Leute starrten und beide hatten wir Spaß mit meinem erzeugten Wellenbad. Ein entspannter Tag näherte sich dem Ende.
Gegen Abend versammelten wir uns alle wieder in der Taverne. Beim Abendessen folgte eine Besprechung zum morgigen Vorgehen. Dies war das erste Mal, dass Carook von dem Theaterstück erfuhr. Wir hielten ihn allerdings im Ungewissen über unsere wahren Beweggründe. Irgendwie schien ihn das sogar mal zu interessieren. So sehr sogar, dass er im Verlauf des Abends noch seinen Tabard reinigen ließ, um am Folgetag angemessen gekleidet erscheinen zu können. Während seiner Abwesenheit klärten wir dann nur noch die letzten eher geheimen Details, bevor es zur Nachtruhe überging. Viel könnte schiefgehen, daher galt es möglichst ausgeruht zu sein.
Dem Erwachen des neuen Tages folgte die übliche Morgenroutine. Wir ließen uns Zeit, es musste nicht gehetzt werden. Gegen späten Vormittag ging es dann los. Es war abgesprochen worden, dass wir die Schauspieler abholen würden. Doch unser Hextorbegleiter sollte nichts von Derrin oder gar Chrylax erfahren. Letzteren würde er wohl ohne zu zögern versuchen zu beseitigen. Wir warteten etwas abseits, während Garret zum Haus des Professors ging. Erstaunlicherweise brauchte er länger, als wir annahmen. Gemeinsam mit Tarovo und Gorok zogen wir weiter gen Cuu’s Compound.
Der Halbling nahm mich aber nochmal zur Seite und übergab mir ein Buch. Offenkundig kam es von Chrylax, weswegen ich zunächst mit etwas Arkanem gerechnet hatte. Beim Aufschlagen stellte es sich aber als leer heraus. Garret machte ein Geheimnis drum, sagte er würde es später erläutern. Sicher bloß ein blöder Scherz von ihm. Vielleicht fand er es lustig, dass mein Rucksack schwerer wurde.
Wir erreichten gemütlich schlendernd den Vorplatz zu Cuu’s Compound. Tarovo machte zwar Stress, da er fürchtete die Aufführung könnte scheitern, aber wir anderen waren nicht aus der Ruhe zu bringen - zumindest äußerlich. Innerlich machte ich mir allerlei Gedanken darüber, was alles schief gehen könnte. Schließlich wäre ich es, der sich heimlich durch das best geschützte Anwesen in ganz Zoica zu schleichen hatte. Meine Überlegungen wurden jäh unterbrochen, als uns Marco ins Auge fiel.
Hier auf dem Platz stand er und fütterte eine ganze Schar Vögel, die ein einer Traube um ihn herum standen. Als ich kurz in Gorok’s übergoßen Schatten verschwand, nutzte ich einen Zauber, um meine Stimme zu verstärken. Hatte gehofft die Vögel mit einem Brüllen zu erschrecken. Am Ende war ich der Erschrockene. Denn statt in Panik davonzufliegen starrten sie mich alle mit einem mal an, samt Marco. Dann machte er eine Handbewegung, woraufhin die Vögel begannen wegzufliegen, nur um einige Sekunden später sich in Luft aufzulösen. Es war eine Illusion gewesen.
Marco näherte sich uns nun. Wie zu erwarten wusste er so einiges über Tarovo und Gorok. Auch über unsere Beteiligung am Stück. Ebenso machte er eine Andeutung über Cuu’s Compound. Er schien zu ahnen, was unsere wahre Absicht war und nutzte dies uns um einen Gefallen der Informationsbeschaffung zu bitten. Er wolle wissen, ob es Tür zwei oder drei sei. Wir würden es verstehen, wenn wir es sähen.
Ganz beiläufig wunderte er sich auch über unsere Verwunderung was seinen Illusionszauber anging, fügte dabei an, dass es ja sonst nichts zu füttern gäbe, da alle Tiere aus der Stadt verschwunden seien. Verdammt noch eins. Jetzt da er das sagte fiel es uns erst auf. Keine Hunde, Katzen, Vögel. Nichts. Und Derrin erzählte, dass Leroy verschwunden war. Doch das war ein Geheimnis für einen anderen Tag. Wir blieben uneindeutig gegenüber Marco. Dann setzten wir unseren Weg fort.
Relativ problemlos kamen wir in den Compound. Obgleich die Halboger, die Cuu als Wachen einsetzte fast schon zu wenig Grips hatten. Unsere Gruppe wurde in einen großen Theatersaal im Hauptanwesen geführt. Weiterer Zugang war beschränkt. Tarovo fing gleich an die Generalprobe zu starten. Somit waren alle schwer in ihrer Tätigkeiten involviert. Ich hatte derweil etwas Zeit zur Hand. Musste dabei aber die mehr oder minder aufmerksamen Augen unserer Halbogerwache meiden.
Dank eines Entdeckungszaubers hatte ich einige Magie ausfindig machen können. Sowohl hinter einer Wand des Theaters, aus deren Richtung ab und an auch merkwürdige Geräusche drangen, wie auch die Balkone oberhalb der Sitzreihen betreffend. Hier war offensichtlich ein Schutzzauber aktiv. Mir gelang es unbemerkt durch den Haupteingang des Theaters zu treten. Aber schon zwei Räume weiter stieß ich auf die nächste Wache. Mit der Ausrede die Toilette gesucht zu haben wurde ich zurückeskortiert. Hier folgte ein eindeutiger Verweis auf einen Eimer im Hinterzimmer.
Zunächst würde ich abwarten müssen. Sobald das Stück losging hätte ich die Gelegenheit mich etwas freier bewegen zu können. Es galt sich an den Plan zu halten. So verging einige Zeit, in welcher die Truppe ihr Stück zu Ende probte.
Der späte Nachmittag brach an. Nun fing der Saal sich an zu füllen. Es schienen Alls Rekruten von Cuu zu sein. Mit ihren gleichen Haarschnitte und der typischen Bekleidung war es schwer Einen vom Anderen zu unterscheiden. Zu guter Letzt traten ein grimmig wirkender Mann und eine unglaublich attraktive Frau auf den mittleren Balkon. Doch die wirkliche Überraschung folgte, als auf dem Vordersten eine Gestalt erschien, mit der keiner gerechnet hatte. Wohl bekleidet und ein nur schwer zu lesender Gesichtsausdruck waren zwei deutliche Merkmale. Das Auffälligste aber war, dass es sich um einen Kobold handelte. Meine Verwirrung nahm drastisch zu. Ein Kobold in Zoica. Womöglich Cuu selbst? Sie meiden das Sonnenlicht. Darum hatte ihn niemand zuvor gesehen?
Während ich noch am Überlegen war, trat Tarovo bereits auf die Bühne und kündigte das Stück an. Nun war ich an der Reihe. Versteckt vor den neugierigen Augen unserer persönlichen Wache verbarg ich meine Präsenz mit einem magischen Spruch. Ein nettes Mal atmete ich tief durch, dann trat ich heraus. Leise ging ich vor aller Augen die Bühnenkonstruktion hinab und direkt durch den mittleren Gang. Rekruten überall um mich herum, doch keiner vermochte mich zu sehen.
Auch wenn ich für die Augen aller Anderen unsichtbar war, musste ich dennoch extrem vorsichtig sein. Keine auffälligen Geräusche durfte ich machen, Türen durften sich nicht von Geisterhand öffnen und erst recht durfte ich nicht versehentlich in jemanden hineinrennen. Dementsprechend vorsichtig ging ich nun also vor.
Mein erster Weg führte mich direkt in den Raum hinter dem Theater. Jenem, aus dem ich ein magisches Leuchten vernommen hatte. Und beinahe war es auch direkt das Ende der Reise. Nur durch unglaubliches Glück hatten die Personen im Inneren nicht bemerkt, wie sich die Tür öffnete. In der Dunkelheit des Raumes konnte ich dank meines Dämonenblutes dennoch sehen. Eine riesige Maschine war hier am Werk. Leitungen führten hinein und hinaus. Sie diente dem erhitzen von Wasser, vermutete ich. Wenngleich imposant, war viel interessanter, wer diese Maschine bediente. Mehrere weitere Kobolde waren hier tätig. Höchst eigenartig.
Um nicht doch entdeckt zu werden hielt ich mich aber auch nicht lange hier auf, wobei ich aber die Bereiche um die Eingangshalle mied. Zuvor hatte ich lediglich Geräusche vernommen, die auf Übungsräume schließen ließen. Es ging weiter. Große Badesäle, Unterkünfte für Personal, die Küche. Soweit nichts besonderes, bis ich eine Tür zu einer Art Kapelle öffnete. Hinter dem Altar stand eine Statue, die aber keinen der bekannten Götter zeigte. Eine reptilartige, fast menschlich wirkende Kreatur mit Flügeln. Berücksichtigte man, dass hier Kobolde lebten, dann schien das Anbeten eines Drachen logisch. Doch dies war keiner. Oder doch?
Leider fehlte mir die Zeit für genauere Untersuchungen. Tarovo’s Stück würde knapp eine Stunde dauern, daher hieß es sich zu beeilen. Fast die Hälfte war schon rum. Jetzt war das Obergeschoss an der Reihe. Oben angekommen erwartete mich ein langer Gang. Keine Türen gingen ab. Doch ganz am Ende führten Gänge nach links und rechts. Gerade zu hing ein Spiegel. Der Aufbau war höchst irritierend. Kaum hatte ich mich für den linken Gang entschieden und war einige Schritte gelaufen, bereute ich meine Entscheidung bereits. Überall hingen Spiegel. Leider sah ich nun mein Spiegelbild in ihnen.
Irgendetwas hob meine Magie auf. Besorgt ging ich weiter. Nur zwei Türen gab es in diesem Gang. Hinter einer waren Stimmen zu hören. Die Andere hatte einen aufwendig verzierten Türschlägel in Form eines Drachenkopfes … welcher sich bewegte, mich zu verfolgen schien. Sicherlich war etwas wertvolles dahinter, aber ich wollte nichts riskieren. Wir aufgegriffen zu werden war zu gefährlich. So folgte ich dem verbliebenden Gang. In der Ferne waren auch hier Stimmen zu hören. Vermutlich aus dem Theatersaal der darunter lag.
Dann fuhr ich herum. Jemand war wohl soeben die Treppen hinaufgeeilt. Das Geräusch kam schnell näher, war aber weder schwerfällig, noch der Lautstärke einer gerüsteten Wache entsprechend. Hoffend, dass ich also nicht auf mich aufmerksam gemacht hatte verschwand ich in einen menschenleeren Raum. Horchend und abwartend, dass die Person nicht nur einmal, sondern zweimal vorbeikam. Sie musste wieder gehen, andernfalls hätte ich den Weg nicht fortsetzen können.
Etwas Zeit verging und mein Glück verließ mich nicht. Erneut hörte ich die Schritte der Person vorbeiziehen. Jetzt machte ich mich auf in den letzten Bereich, den ich erkunden könnte. Und zugleich auch den gefährlichsten. Dieser Gang beherbergte die Zugänge zu den Balkonen. Nicht wissend, ob sich inzwischen jemand auf ihm befand, schlich ich am Ersten vorbei. Dann den Zweiten. Dann den Dritten. Ich atmete erleichtert auf. Hier hinten fand ich allerdings nicht viel mehr, als zuvor auch schon. Einen Badesaal und Gemächer. Pompös ausgestattet. Aus einem waren auch Stimme zu vernehmen, daher mied ich dieses. Vielmehr konnte ich mir aber sowieso nicht ansehen. Es gab noch Räumlichkeiten, doch das Stück näherte sich seinem Ende. Und ich musste auch noch zurücklaufen.
Was war ich, mutig oder dumm? Keine Ahnung, aber noch war ich sichtbar. Doch aufgrund meines vorherigen Erfolgs, hatte ich vor mich so wieder zurückzuschleichen. Balkon drei verlief ohne Zwischenfälle. Balkon zwei hingegen … Der grimmige Mann auf jenem hatte wohl etwas vernommen. Er sprang auf und blickte auf den Gang hinaus. Mir ist unbegreiflich wie, doch ich schaffte es mich so gegen die Wand hinter dem Vorhang zum Balkon zu pressen, dass er mich übersah. Als er sich wieder gesetzt hatte, versuchte ich es erneut. Wieder sprang er auf. Erneut kuschelte ich mit der Wand und hoffte auf das Beste. Es war deutlich geworden, dass er von einer fremden Anwesenheit wusste. Mit gezückter Waffe befahl er ich solle mich zeigen.
Den Atem anhaltend strafte ich ihn mit Stille. In meiner Panik entließ ich einen stillen Zauber, der mich wieder verhüllte. Nur einige Sekunden später rannte er wie ein Wilder den Gang hinaus in die Richtung, in die ich auch musste. Als er fort war, wollte ich mich erneut in Bewegung setzen. Dabei rannte ich fast in die Frau, die ich zuvor auf dem gleichen Balkon hatte Platznehmen sehen. Sie rannte nun heraus, fast in mich hinein. Doch in die Richtung der Gemächer. Mir ist unklar wieso ich das tat, doch ich folgte ihr. Offenbar war die Person auf dem dritten Balkon nicht auf sie aufmerksam geworden. Das verdankten wir wohl Tarovo’s ausgezeichnetem Stück.
Ihr Ziel war das leere Gemach. Sie schloss nicht einmal die Tür hinter sich. Rannte zielstrebig auf einen ins freie führende Balkon zu. Sie hatte doch wohl nicht vor zu springen? Ich schloss noch eilig die Tür, bevor ich eilig hinterher sprintete. Gerade bevor sie ein Bein auf der Balustrade hatte griff ich zu und zog sie mit meinem Körpergewicht zurück. Sofort löste ich den Zauber und erklärte mich. Sie war zunächst sichtlich erschrocken. Dies hielt aber nur einige Augenblicke an, bevor sie mir klarmachte, dass sie hier heraus muss. Ich solle sie nicht aufhalten. Ganz offenbar war sie gegen ihren Willen hier.
Vermutlich wäre es besser gewesen sie einfach ihr Ding machen zu lassen, mich umzudrehen und in Sicherheit zu marschieren. Aber ich tat es nicht. Das Gegenteil war der Fall. Stattdessen machte ich ihr klar, dass sie mit mir fliehen könnte. Irritiert nahm sie meinen Zimmerschlüssel zur Taverne entgegen. Sobald wir draussen wären, so erklärte ich ihr, sollte sie zur Taverne gelangen, da auf mich warten und niemanden aufmachen, der nicht das soeben abgemachte Klopfzeichen nutzte. Ich versprach nachdrücklich ihr zu helfen.
Für den Augenblick müsste sie mir einfach vertrauen. Besonders bei dem, was nun folgen würde. Um heraus zu gelangen nutzte ich meine zuvor schon angewandte Magie. Diesmal jedoch auf uns beide gerichtet. Unsere Umrisse verschwanden. Wir waren unsichtbar - auch füreinander. Kurz stutzend fiel mir ein, wie kompliziert es wäre, wenn wir versuchten mit dem ausladenden Kleid herausschleichen zu wollen. Als ich daraufhin erwähnte, dass eine etwas weniger unpraktische Kleidung besser wäre, hörte ich ein reißendes Geräusch. Sie hatte beherzt an ihr Ballkleid gepackt und die pompösen Beinbekleidung schlicht heruntergerissen. Ich fischte kurzerhand nach ihrem unsichtbaren Arm, ergriff ihn und zog sie mit mir in Richtung Ausgang.
Der dritte Balkon war nunmehr unsere erste Hürde auf dem Weg nach draussen. Wie wurde aus einer relativ einfachen Spähmission nur so ein vertrackter Rettungseinsatz, der unser aller Leben gefährdete?
25
Januar
Tagebuch: Ralkarion
Sitzung 18
Zoica lag vor uns. Eine beschwerliche Reise ging zu Ende. Am anstrengendsten waren die letzten Tage wohl aber für Carook. Nicht gänzlich unverdient, bedenkt man, was wir über die Hextor in Erfahrung gebracht haben. Auf der anderen Seite … er selber hatte nichts getan. Aber was soll’s. Ich freute mich auf ein warmes Bett. Zu viele Nächte in Sümpfen, Grasland, Wäldern. Da es bereits Abend war zogen wir direkt in Richtung der Taverne.
Eine warme Mahlzeit und Bier folgten. Zudem ein dringendes Bedürfnis unsere Situation neu zu überdenken. Es ist anders, als damals in Ailamere. Dort kannte ich jeden, wusste um die Verbindungen untereinander. Hier in Zoica führten wir Aufträge aus ohne zu wissen für was und wen genau. Ich mischte mich nie zu sehr in die Belange anderer ein, aber es gab Grenzen für das, was ich bereit war zu tun. Doch ohne Hintergrundwissen schien dies nicht einschätzbar zu sein. Leider reagierten meine Mitreisenden nicht sonderlich gut auf „lasst uns das später im Zimmer besprechen“.
Immer wieder kamen Themen, wie der Sprecherstab auf. Und natürlich war völlig unbemerkt einer von Marcos Spitzeln an uns herangeschlichen. Nachdem Garret sich dem Balg durch etwa Kupfer entledigt hatte, beendeten wir das Mahl und zogen uns auf unsere Zimmer zurück. Carook und ich bekamen je ein Einzelzimmer. Garret und Harkis teilten sich ein Doppelzimmer. Ohne unseren Hextor-Kollegen trafen wir uns im Doppelzimmer.
Es zog sich etwas hin, doch wir kamen überein etwas vorsichtiger zu agieren. Mehr Informationen über die Leute zu sammeln, mit denen oder für die wir arbeiteten. Und zunächst sollte auch der Auftrag für Lafayette bezüglich des Sprecherstabes dem Deal nach abgeschlossen werden. Sehr zu meinem Verdruss. Einen so mächtigen Gegenstand wollte ich behalten. Aber es stimmte schon, was die beiden sagten. Lafayette zu täuschen wäre uns vielleicht gelungen - aber für wie lange. Ihn uns zum Feind zu machen war derzeit eine schlechte Idee. In meinem Interesse stand auch, dass der Typ der einzige in Zoica war, der mit magischen Artefakten in Kontakt kam. Zumindest soweit wir wussten.
Dennoch kam die Idee auf, Lafayette's Anwesen einmal auszuspionieren. Harkis war die perfekte Wahl dafür. Durch seine Verwandlungskünste würde er unbemerkt eindringen können und Informationen sammeln. Morgen in aller Frühe sollte er losziehen. Um seine Erfolgschancen zu verbessern bot ich an ihn vor neugierigen Blicken schützen zu können. Er müsste nur vor seinem Aufbruch bei mir vorbeischauen. Es war beschlossen. Die Nacht brach herein und alle ruhten.
Zwar sprachen wir davon, den Plan früh umzusetzen, aber Harkis’ Verständnis von früh war jenseits von gut und böse. Es musste 5 Uhr gewesen sein, als er an meine Tür hämmerte. Für einen Moment kam da der Wunsch auf ihn mit nekrotischer Magie zu begrüßen, doch ich ließ davon ab. Zu allem Überfluss wurde Carook nebenan auch wach und machte sich bereit Harkis zu begleiten, wo immer dieser hingehen mochte. Das war nicht in unserem Sinne. Als er gerade dabei war seine Rüstung anzulegen, ließ ich Harkis unsichtbar werden. Er ging und Carook schien etwas irritiert zu sein seinen Abgang nicht mitbekommen zu haben. So legten wir beide uns wieder schlafen.
Ein kurzes Nickerchen später ging es zum Frühstück. Es dauerte nicht lange bevor Harkis von seiner Mission wiederkam. Er erzählte uns, dass er zwar in das Anwesen hineinkam, aber nichts ausfindig machen konnte. Dort, wo zuvor der Eingang zu Lafayette’s Arbeitszimmer war, fand er nur eine Wand. Recht enttäuschend. Aber nicht gänzlich ohne Information. Schließlich hieß dies, das Lafayette definitiv nennenswertes zu verbergen hatte, wenn er scheinbar Magie einsetzte, um es zu verstecken. Ansonsten gab nicht viel zu berichten. Wenn man mal von eine Gespräch mit dem Schoßtier Lafayettes’ absieht.
Harkis wirkte irgendwann genervt und machte uns daraufhin auf ein dumpfes Schreien aufmerksam, dass keinem von uns aufgefallen war. Es stellte sich heraus, dass in den Ställen ein Mann angebunden war. Und besser noch: Carook war der Übeltäter. Offenbar störte sich der Mann namens Winzeband an dem Gescheppert von Carook’s Rüstung heute in der Früh. Als er diesen zur Rede stellte reagierte Carook nicht - wie abzusehen war -, was eine Handgreiflichkeit Winzeband's zur Folge hatte. Das Endergebnis war harsch und rasch. Unsere Hextoreskorte verstand nur wenig Spaß. Wir befreiten den Mann und stellten Carook zur Rede. Also … wir redeten und er schaute belanglos drein. Ob es bei ihm ankam blieb zweifelhaft.
Jetzt ging es aber erst einmal um die Erfüllung unseres Auftrages. Doch wir konnten Carook nicht mitnehmen zu Lafayette. Leider sah er das völlig anders. Wir wurden ihn einfach nicht los. So trafen wir zu viert bei Lafayette ein. Nachdem uns Zugang gewährt wurde führte er uns in sein Arbeitszimmer. Jenes, das Harkis nicht hatte ausfindig machen können. Bevor wir aber anfingen über das Geschäftliche zu sprechen, baten wir unseren Auftraggeber unseren übereifrigen Begleiter vor die Tür zu schicken. Offenbar respektierte er widerwillig die Autorität des Hausherren. Immerhin etwas.
Den Bericht über Tundrin’s Wutausbruch fand Lafayette eher amüsant, gar gewollt. Stellte sich heraus, dass er sichergehen wollte, dass das Hextor-Artefakt nie verkauft würde. Ein wenig eigenartig, aber er bezahlte bereitwillig für die Erfüllung. Auch was den Auftrag bezüglich des Sprecherstabes anging war er höchst erfreut. Und zu unserer Überraschung wurden wir nicht nur bezahlt, sondern gleich mit einer weiteren Mission beauftragt.
! Wir sollten den Stab zu seinem neuen Bestimmungsort bringen. Tief in den Süden, nahe Kettlehall würde sich der eigentliche Auftraggeber befinden. Dieser hatte Lafayette angeheuert das Objekt zu beschaffen.
Lafayette gab uns eine konkrete Wegbeschreibung zu einem Ort der sich Boulderbane nannte. Knapp zwei Wochen würden wir unterwegs sein. Zudem warnte er uns auch vor, dass es am Abgabepunkt Beschützer gäbe. Diese sollten wir nicht angreifen. Wir waren alle etwas verwundert. Warum würden wir das tun wollen? Er grinste aber nur.
Garret wurde indes etwas forscher. Noch immer schien ihn das Thema mit Derrin nicht loszulassen. Wieso er von diesem Solo-Revolutzer so angetan war verstand ich nicht. Es schien auch nicht unbedingt sinnvoll sich mit so jemandem einzulassen. Aber dennoch befragte er nun Lafayette zu Derrin. Dieser stellte eine kryptische Gegenfrage. Über einen neuen Freund Derrin’s, der ein alter Knacker sei, welchen wir kennen würden. Irritiert dachten wir einige Minuten darauf rum. Meinte er etwa Chrylax? So war es. Und es sollte sich herausstellen, dass Pesh, Chrylax und Derrin zueinander gefunden hatten. Pesh sei zudem ein enger Freund Lafayette’s. So erfuhren wir, dass Chrylax ein altes Anwesen nahe des Marktes besaß. Dorthin hatte er Derrin und Pesh eingeladen.
Irgendwie war das alles eine merkwürdig verfangene Situation mit diesen Kontakten untereinander. Ein Spinnennetz war nichts dagegen. Wir beschlossen das Anwesen aufzusuchen. Aber diesmal konnte Carook wirklich nicht mitgehen. Jemand musste ihn ablenken. Da Harkis nichts mit Derrin zu tun hatte und sich zuvor im Wald von Sylvanar gut schlug auf unseren Plattenträger zu achten, schien er die logische Wahl. Nicht unbedingt zu seiner Freude. Durch eine kleine Lüge war es möglich Carook davon zu überzeugen Harkis zu begleiten, so dass Garret und ich uns auf den Weg machen konnten.
Es dauerte nur wenige Minuten von Lafayette zu Chrylax zu gelangen. Doch noch bevor wir hineingehen konnten wurde uns bewusst, dass wir verfolgt wurden. Ein junges Mädchen, wohl in Marco’s Auftrag, bespitzelte uns. Für einen Moment taten wir so, als würden wir uns uneins über unser Ziel sein. Dann nutzte ich meinen Zauber, um Nachrichten direkt einer andern Person zu übersenden. Mein Ziel war es sie für einen Moment zu erschrecken und zu verwirren, wen sie in ihren Gedanken meine Stimme vernahm. Das Ergebnis aber war ebenso verwirrend für mich, wie für sie.
Auf mein „Hey“ folgte ein sich irritiert umblickendes Mädchen, dass, ohne es zu wissen, mit ihrer verbalen Reaktion nach Marco fragend mir Antwortete. Marco nutzte Magie, um mit seinen Spitzeln in Kontakt zu bleiben? Das war in der Tat eine relevante Information. Gleichermaßen war sie verwirrt genug, dass wir den Moment nutzten in das Gebäude zu gelangen. Da wir nicht einfach eindringen wollten, klopften wir kurz. Das reichte aber bereits, um die Tür ins innere fallen zu lassen. Dieses Haus war ziemlich runtergekommen. Was nicht unbedingt verwunderlich war, bedenkt man, dass Chrylax die letzten 40 Jahre in einem Kerker verbrachte, wo sein Körper in eine halbe Mumie verwandelt wurde. Schnell stellten wir die Tür wieder auf und schauten uns etwas um.
Derrin kam kurz darauf in den Vorsaal und begrüßte uns. Es gab einige Neuigkeiten. Primär erläuterte er uns, wie er hierher kam, wie merkwürdig er den Alten fand, dass Pesh wieder unterwegs sei, dass seine Riesenratte Leroy verschwunden war und dass es nebenan weitere Gäste hätte. Eine Künstlertruppe. Wieso er sie hier aufnahm mussten wir nicht einmal fragen. Derrin und Garret waren in Sekundenschnelle wieder beim Thema Cuu stürzen zu wollen. Und diese Leute nebenan wären der erste Schritt dahin. Mir war das zu uninteressant. Stattdessen zog ich es vor Chrylax aufzusuchen und mich nach seinen Forschungen zu erkundigen.
Leider war er noch ganz am Anfang. Zwar schien sein Laboratorium bereits Form angenommen zu haben, aber es mangelte ihm an Zutaten. Sein Zauberbuch ausfindig zu machen war auch kein erfolgsversprechendes Ziel, weswegen er von vorne begann. In seinem Fall hieß dies den Zauber für eine magische feurig explodierende Kugel zu rekonstruieren. Nicht ganz der Start, den ich im Sinn gehabt hätte. Aber wer weiß, was unser fleischloser Freund in der Zukunft für uns parat haben könnte. Definitiv ein Kontakt, den ich als wertvoll erachtete. Besonders nachdem er mir von dem Teleporternetzwerk erzählte, welches alle wichtigen Punkte dieser Lande miteinander verband. Seinen Ursprung hatte es in der ehemaligen Akademie hier in Zoica. Wer weiß, wo sich weitere intakte Alkoven befanden. Es gab noch ein wenig Smalltalk, bevor ich wieder zurück zu Garret ging.
Dieser hatte sich bereits den Künstlern im Nebenraum vorgestellt. Es handelte sich um Schauspieler, die offenbar in Kürze ein Stück in Cuu’s Compound aufführen sollten. Im Herzen der Stadt, im Herzen von Cuu’s Machtzentrum. Grund genug für Derrin sich mit ihrer Hilfe versuchen zu wollen einzuschleichen. Garret war sofort angetan davon und es kotete ihn einige Überzeugungsarbeit, bis ich einwilligte mitzumachen. Er hatte schon Recht, dass ich es war der auf Informationsgewinnung bestanden hatte. Und hier ergab sich eine gute Gelegenheit. Ausserdem würde der Plan vorsehen, dass ich mich ungehindert umsehen könnte. Vielleicht wäre ich ja das Ein oder Andere entdecken oder gar einstecken können.
Die Schauspieler zu überzeugen mitzumachen war auch nochmal eine Aufgabe für sich. Tarovo, ein echter Exzentriker, war geradezu hin und weg, als die Idee aufkam seine Vorstellung um ein paar Leute und magische Tricks zu erweitern. Besonders, da die Frau aus der Runde gerade krank geworden war. Gorok war der Dritte. Er war ein Halbork, der durch seine Muskelmasse wirklich herausstach. Seine Anwesenheit in einer Schauspieltruppe war irgendwie fragwürdig, er schien hier nicht reinzupassen. Tarovo versuchte mich zunächst davon zu überzeugen, bei ihrem Rumgehampel auf der Bühne mitzumachen. Ich hingegen machte überdeutlich, was ich davon hielt, indem ich meine Stimme durch Magie verstärkte und ihm das „Nein“ seines Lebens in die Gehörgänge prügelte. Wider erwartend begeisterte ihn diese Zurschaustellung von magischen Potential nur noch mehr. Was er in höchst dramatischer Art verbal ausformulierte. Ein leichter Kopfschmerz setzte ein.
Es schien, als seien Garret und Derrin überzeugend gewesen. Die Truppe willigte ein uns unterstützen. Es waren noch zwei Tage bis zur Aufführung. Harkis wusste noch nichts von seinem Glück. Ihm hatte ich nämlich eine Rolle zukommen lassen, als ich bewusst erwähnte, dass er seine Gestalt verändern könnte. Und Garret musste seinen Auftritt noch proben. Für mich ging es um eine gescheite Zeitplanung. Alles in Allem, einiges an Arbeit, dass auf uns zukommen würde. Für heute sollte es das aber zunächst gewesen sein. Ich wollte noch auf den Markt und irgendwann hatten wir auch Harkis einzuweihen. Was dieser wohl gerade mit Carook anstellte? Bevor wir aus dem Haus konnten musste aber das neugierige Mädchen von vorhin abgelenkt werden. Sofern sie sich hier noch rumtrieb.
Derrin unterstützte uns, indem der eine Ablenkung vor dem Hauseingang startete. Währenddessen verschwanden Garret und ich durch ein Fenster auf der gegenüberliegenden Seite. Nächster Stopp war der Marktplatz. Mein erhofftes Ziel blieb hier aber unerfüllt. Ich brauchte noch eine Komponente für einen meiner Zauber. Teuer, aber nicht unbedingt selten. Von einem freundlichen Händler wurden wir dann auf das Handwerksviertel verwiesen. Als wir gerade auf dem Weg waren schaute mich Garret eigenartig an. Was zur Hölle... Ich hatte urplötzlich einen Haufen Kot auf dem Kopf. Nach mir war schon viel geschmissen worden in der Vergangenheit, aber hier noch nie. Und gemerkt hatte ich auch nichts. Mich umsehend erkannte ich etwas vom Himmel fallend. Ein erneuter Haufen. Ein beherzter Spruch auf meinen Kopf gewirkt reinigte mich direkt wieder. Aber unzufrieden war ich dennoch.
Plötzlich folgte dem Ganzen noch etwas. Ein Stück Metall. Offenbar kam da ein Goldstück vom Himmel gefallen. Ich ergriff es, leider aber nicht sehr unauffällig. Jemand rief es würde Gold regnen und schlagartig bildete sich eine Traube um mich. Jeder wollte das Gold sehen. Wie immer Garret es schaffte, aber er nahm mir das Goldstück unauffällig ab. So konnte ich die Leute davon überzeugen, dass ein Irrtum vorläge. Als die Menge sich auflöste gingen wir weiter. Er gab mir die Münze zurück. Ein Ork schien auf sie geprägt worden zu sein. Wieso regnet es hier Scheiße auf meinen Kopf und was sollte die Münze im Anschluss? Ehrlich gesagt war meine Laune nicht gut genug darüber nachzudenken.
Garret und ich erledigten unsere Einkäufe erfolgreich und kehrten dann in die Taverne zurück. Dort saß da bereits Harkis. Unser Druide wirkte extrem angespannt. Raunte uns an wo wir gewesen seien und wie genervt er von der Echse war. Offenbar hatte er Carook für den Vorfall mit dem im Stall angebundenen Mann wieder leiden lassen. Soweit, dass inzwischen Grünzeug auf der Plattenrüstung anfing zu sprießen - welches er gerade im Begriff war in seinem Zimmer zu entfernen. Erheiternder Gedanke. Es folgte ein kurzer Austausch von Informationen, um Harkis auf den neuen Stand zu bringen.
Als Carook wieder zu uns kam, konnte ich es mir nicht nehmen, auch nochmal in die Bresche zu schlagen. Ein stummer Zauber folgte. Seine Rüstung wurde dadurch an einer Stelle wieder schmutzig. Das Schmunzeln unterdrückend deutete ich mit ernster Miene darauf. „Du hast da noch was.“ Für einen Moment war es völlig still an unserem Tisch. Dann mit einem Mal erhob sich Carook, griff in der Bewegung seinen Kriegshammer und schlug ihn voller Wucht auf den Tisch, welcher unter der rohen Gewalt sofort zerbarst. Zum Glück hatte ich den Großteil meines Abendessens bereits gegessen. Alles drehte sich zu uns um. Lurk schaute wenig glücklich vom Tresen rüber. Ein kurzes Schnaufen drang durch den Plattenhelm. Dann setzte sich Carook wieder in Bewegung Richtung seines Zimmers. Es war nicht schwer zu erraten, dass Lurk den Tisch ersetzt haben wollte. Mein Schuldbewusstsein hielt sich aber in Grenzen.
Vielmehr wandte sich Lurk aber noch mit einem besorgten Gesichtsausdruck an uns. Inzwischen hatte er von seinem verlorenen Gast gehört - der Mann von heute morgen war natürlich sofort ausgezogen - und zu allem Überfluss zerstörte unser Hextorgefährte nun auch noch das Mobiliar. Er sollte gehen. Wir erklärten ihm, dass wir Carook vielleicht anderswo unterbringen könnten, wenn er das wolle. Aber er hört nicht auf uns, gegebenenfalls aber auf den Herren des Hauses. Lurk den Rücken stärkend gingen wir alle nach oben und konfrontierten Carook. Still wie immer vernahm er die Beschwerde und den Wunsch. Bedenkt man Lurk's improvisierte Kopfbedeckung mittels eines Topfes, viel es schwer währenddessen nicht amüsiert zu schauen. Stille folgte. Wir waren alle gespannt, was passieren würde. Überraschend zog unser Radaumacher dann einen Beutel hervor und gab ihn Lurk. Als dieser ihn öffnete, traute er seinen Augen kaum. Er war voller Edelsteine. Der Halbling schaute mit gierigem Blick hinein drehte sich um und machte deutlich, dass Carook so lange bleiben könne wie er wollte. Gut für ihn.
Harkis wirkte noch immer unzufrieden. Ich frage mich, ob zwischen den beiden noch mehr vorgefallen war am heutigen Tag. Um die Situation etwas zu entschärfen, schlug ich vor dem Geschundenen einen Abstecher ins lokale Badehaus zu spendieren. Zudem konnten dann Harkis und Garret in Ruhe mehr Details zu dem bevorstehenden Plan austauschen. Gesagt, getan. Der Ausflug war eine echte Erholung. Mein Begleiter quatschte mich nicht mit Belanglosigkeiten voll, das Bad war herrlich und auch wenn mein Zauber vorhin den vom Himmel gefallenen Mist entfernt hatte, so fühlte sich eine richtige Waschung deutlich besser an.
Gleichermaßen hatte ich ein wenig Spaß die Reaktion der Echse zu erleben, als ich mit einem einfachen Taschenspielerzauber die Wasseroberfläche sprudeln ließ. Wie angestochen sprang er aus dem Wasser. Dachte wohl im drohe Gefahr. Doch als er begriff was ich da tat, fand er es wider erwartend angenehm. Gut erholt machten wir uns im Anschluss wieder auf den Weg zur Taverne. Es folgte die Nachtruhe.
Am nächsten Morgen gab es eine kleine Absprache. Harkis und Garret würden sich mit den Schauspielern treffen. Derweil müsste ich auf Carook aufpassen. Lästig fürwahr, aber ich weiß nicht, wie lange ich den überkandidelten Tarovo ertragen könnte. Dann lieber stumme Stadttour. Den feurigen Blicken zwischen Harkis und Carook zu urteilen war dies für alle Beteiligten das Beste. Und so starteten wir in den neuen Tag …
04
Januar
Tagebuch: Ralkarion
Sitzung 16
Unser Zusammentreffen mit Wendall lief gut. Er erzählte uns von seinem Stamm und auch von unserem heimlichen Ziel: Dem Speaker Staff.
Erwähnte aber auch den Umstand, dass es „die Geißel“ gäbe, die im Dorf dem Häuptling den Rang versucht abzulaufen. Beschrieben als Ungetüm mit scharfen Krallen und aggressiv waren wir in Sorge.
Wir waren uns uneins, ob wir einfach ins Dorf gehen sollten - hoffend, dass sie uns nicht angreifen oder gar verspeisen würden.
Wendall blieb geduldig eine Weile vor Ort und erwartete unsere Entscheidung. Wurde aber zusehends nervös, da er langsam auch mal wieder Fische fangen muss.
Harkis und Garret schlugen vor das Dorf erst einmal auszukundschaften. Als Spinne und als Busch (*Facepalm Kritzelei*) getarnt zogen sie los.
Nach einiger Zeit kamen sie zurück, hatten aber nur wenig zu berichten. Es war nicht viel los vor Ort und eine Bestie, wie Wendall sie beschrieb, sahen sie auch nicht.
Wendall hatte genug vom Rumsitzen, da wir uns noch immer nicht einig waren. Ich schlug vor, eine Versammlung einzuberufen, in der wir uns erklären könnten. Er hatte zuvor von solch einem Ereignis erzählt - in Zusammenhang mit dem Stab.
Er stimmte zu, konnte aber nicht versprechen, dass wir unbehelligt ein- und ausgehen könnten. Auch hatte er noch seine Arbeit zu verrichten. Ohne Fang konnte er nur schwerlich zurückkehren.
Denn hungrig wären die Trolle ein Problem. Dann würden sie sicher uns essen wollen.
Garret sah darin kein Problem und schlug vor Wendall zu helfen genug zu fangen. Das Schauspiel, dass sich nun ergab war … irritierend. Der Halbling mimte den Köder an der Angel des Trolls.
Und so wurde er immer und immer wieder ins Wasser geworfen, wobei er jedesmal mit etwas wieder herauskam. Sei es ein Riesenegel, der an ihm haftete, oder tatsächlich Fische.
Am Ende hatten wir in Kombination mit einem Großteil unserer Rationen und einigen Pilzen, Beeren und Kräutern, die Harkis fand, genug Ressourcen, damit Garret daraus ein Mahl für den ganzen Stamm herstellen konnte.
Mit diesem Geschenk zogen wir los.
Wendall verschaffte uns Eintritt und tatsächlich beschwichtigte das Essen die Trolle genug, sich mit uns zusammenzusetzen. Ab hier lief es dann aber irgendwie aus dem Ruder.
Zunächst verstanden uns die Trolle nicht. Wendall durfte nicht übersetzen, da sein Status zu gering war. Und weigerte sich auch zuzugeben, dass er mit uns reden könnte. Da es ziemlich durcheinander lief, wurde der Speaker Staff bemüht. Wer ihn führt darf reden, die anderen nicht. Irgendwas schien merkwürdig, aber ich kam nicht drauf was.
Es gab keinen Konsens. Ein wenig meiner Magie half, das Kommunikationsproblem zu lösen. Der Stab wurde in ein nahegelegenes Zelt gebracht.
Wir aßen und sprachen miteinander. Als ein Huhn erschien, wirkten einige Trolle merkwürdig distanziert. Harkis sprach mit dem Federvieh und dabei stellte sich auch heraus, dass es sich bei der „Geißel“ um besagtes Huhn handelte. Die Trolle haben Angst vor einem Huhn ... Naja, alle bis auf den Häuptling.
Da es in der Nacht immer auf dem Stab sitzen würde, so sagte Wendall es, dachte ich mir, dass wir die Trolle vielleicht davon überzeugen könnten den Stab loszuwerden, weil das Huhn einen neuen verlangt.
Und so kam Eins zum Anderen. Also … ein Unglück zum Nächsten, um genau zu sein.
In meinem Bestreben den Häuptling davon zu überzeugen, dass das Huhn eine Gefahr und er es ernst nehmen sollte machten Harkis und ich Anstalten so zu tun, als würde das Huhn uns mitteilen was es will.
Da der Häuptling aber nicht daran glaubte, dass ein Huhn reden könnte, versuchte ich mit meinem Message Zauber so zu tun, als würde das Huhn telepathisch mit ihm reden.
Als Ergebnis daraus wurde das Oberhaupt wütend, rannte vor und lies eine der Hennen mit einem gezielten tritt vom Angesicht der Welt verschwinden. Darauf folgte ein Chicken-Rampage der Geißel.
Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen … vielleicht waren es auch Harkis’ Pilze … das Federvieh steckte nicht nur eine heftige Attacke des Trolls weg, sondern krallte sich in dessen Gesicht fest, nur um kurz darauf ein Feuerinferno durch seinen Schnabel in den Mund des Trolls zu entfesseln, der diese von innen heraus grillte.
Würd’ sagen, das war eine gelungene Stammesübernahme.
Währenddessen nutzte Garret die Ablenkung und wollte den Stab aus dem Zelt stehlen. Kam aber mit leeren Händen wieder zurück.
Durch die jüngsten Ereignisse brach viel Unruhe aus zwischen den Trollen. Ältester Jüma holte den Speaker Staff, um für Ruhe zu sorgen und die Situation zu klären.
Harkis und ich spielten weiter die Stimme der Geißel. Wir waren kurz davor den Stab zu erhalten. Doch dann legte Jüma ihn auf den Boden, wo das verdammte Mörderhuhn sich dann drauf setzte.
Jetzt wurde klar, was der Stab bewirkte. Er verleiht eine Stille-Aura, um den Halter. Wir alle waren stumm und das Huhn saß drauf und nippte vom Essen, dass wir mitbrachten.
Irgendwie schaffte es Garret eine Illusion der wohl attraktivsten Henne der Welt zu erzeugen und lockte die Geißel vom Stab. Ich ergriff ihn daraufhin.
Nicht zu spät, denn inzwischen hatte ein Trolljunge sich an Jüma wenden wollen und berichten, wie er Garret sah sich an einem Zelt zu schaffen zu machen. Doch nun herrschte Stille. Nur ich konnte sprechen.
Noch einmal legte ich die Wünsche der Geißel dar. Und schon kurz darauf stimmte der Stamm zu, dass wir den Stab, obgleich sie es sehr bedauern würden, uns zur Entsorgung mitzugeben.
Wir hielten die Scharade so lange wie möglich aufrecht und gaben dann Fersengeld.
Hölle, wer weiß was dieses verrückte Federvieh erstmal anstellen würde, sobald es merkte was passiert war. Ganz zu schweigen von dem Trollstamm.
Als wir fast über den Fluß waren, sahen wir eine aufgebrachte Meute am hinter uns gelassenen Ufer. Schätze sie haben es letztendlich doch als Diebstahl angesehen.
Einige Tage vergingen auf unserer Reise zurück nach Zoica. Der erste Stopp sollte das Sanctuary werden, denn wir benötigten dringend Rationen.
Auf dem Weg sahen wir in der Ferne südlich von Scourgefaust merkwürdige Staubschwaden auftürmen.
Und aus Richtung Osten kamen schließlich zwei Wagen mit Pferden - vorn wie hinten dran. Ein Pfederhändler aus Mascrahollow namens Lazar. Er war auf dem Weg nach Zoica und erlaubte uns mitzureisen.
Er erzählte uns, dass Cuu Pferde kaufte. Aber auch die Kirche des Hextor hatte gerade erst eine riesige Bestellung aufgegeben. Offenbar rüsten sie auf.
Am Sanctuary angekommen hatten wir die Wahl weiter mit Lazar zu reisen oder vor Ort zu bleiben.
Aufgrund der Rationsnot hatten wir aber keine Wahl als zu bleiben. Zumal Edria offenbar wirklich ihre Tochter Capra herbeigerufen hatte für mich. Doch es kam alles anders, als wir das erhofften.
Zuerst war die Begrüßung freundlich, doch dann verschwanden die beiden plötzlich und ließen uns vor der Tür stehen. Es sollte sich herausstellen, dass unser Begleiter Carook das Problem war.
Die Elfen des Waldes hatten unter der Kirche des Hextor in der Vergangenheit gelitten und so war er - und damit wir - unerwünscht. Carook hätte echt mal was sagen können …
Wir schickten Harkis, der sich hier eh unwohl fühlte, und Carook voraus. Danach hatten wir die Option nochmal normal mit Edria zu sprechen. Wir erklärten was vorgefallen war - alles - und hofften auf das Beste.
Sie schilderte uns dafür die Vorgeschichte, die sie mit den Hextoranhänger hatten. Am Ende wurde klar, dass das Sanctuary die einzige offene Verbindung nach aussen für die Elfen war, da sie isolationistisch veranlagt sind. Angesichts der neuesten Ereignisse machte Edria uns klar, dass die Elfen sich wohl hier zurückziehen und sich nicht erneut dem Treiben der Hextor aussetzen würden. Das Sanctuary und der Wald würden verlassen werden. Und wir sollten schleunigst das Weite suchen, da sie nicht für unsere Sicherheit garantieren könnte. Gesagt, getan.
Garret und ich schlossen zu Harkis und Carook auf. Es hatte wohl etwas Ärger mit Sariel und Carook gegeben. Doch glücklicherweise wurde das Problem ohne Blutvergießen gelöst. Wie weiß ich aber nicht.
Harkis hatte seine eigene Art mit den neuen Tatsachen umzugehen. Er ließ Carook quasi Buße tun. Oder so ähnlich. Wenn man Regenwolken und Blitze über dem Kopf des Hextorkämpfers so nennen mag.
Auf dem Weg nach draussen hatten die Elfen noch einigen Spaß Carook so viel leiden zu lassen, wie möglich. Und obgleich er sonst nie emotional reagierte, mit Ausnahme in voller Platte auf einem Fluß zu wandeln, war er sichtlich von Panik und Angst erfüllt, je mehr er erdulden musste. Zumal umso mehr, da er auch noch vom Echsenmenschenvolk ist und die Elfen zusätzlich Probleme mit denen haben. So konnte er nicht einmal seinen Helm all die Tage abnehmen, aus Sorge, dass es dann zu mehr als nur Warnschüssen vor den Bug käme.
Dank Harkis’ Verwandlungskünsten und meiner schwebenden Scheibe hatten wir aber die Option auf dem Rücken einer riesigen Hyäne zu reiten und dabei Carook hinter uns herziehen zu lassen. Insgesamt legten wir dadurch deutlich mehr Kilometer am Tag zurück. Bald schon lag der Wald hinter uns. Und ab dann war es ein Katzensprung zu den Toren von Zoica.