Tagebuch: Ralkarion
Sitzung 90
So schleppte ich Angstrum mit uns. Während des Weges durch die Stadt verfolgten uns eine Wache und natürlich eines von Marco’s Kindern. Doch ich kannte Städte. Ihre Winkel, Gassen, Abkürzungen. Wir ließen die beiden schnell hinter uns. Wobei es sich nicht vermeiden lassen würde, dass die kleinen Vöglein trotzdem unseren Weg preisgaben. Ich wusste wie so etwas lief. Nich erst durch die Erlebnisse in Zoica. Man konnte jede Stadt nennen und überall war es das Gleiche. Zoica, Ailamere – es spielte keine Rolle. Für einen Moment verlor ich mich in den Gedanken meiner Vergangenheit. Als ich kurz zu Angstrum blickte, den ich hier durch die Straßen zurrte, unterdrückte ich sie jedoch wieder. Typischer weise war die Tür von Chrylax’ Haus nicht verschlossen. Nach den Ereignissen damals auf dem Marktplatz würde hier sowieso kaum jemand freiwillig einkehren wollen.
Bevor wir überschwänglich dazu Melody trotten würde, wollte ich aber Sicherheit, dass der Wunsch auch funktioniert hatte. Die anderen blieben mit dem Bugbear im Hauptraum. Mein Weg führte in den Garten. Melody war kaum willens sich groß mit irgendwas oder irgendwem auseinander zu setzen. Der Schock saß tief. Ich verstand das. Es brauchte ein wenig Überzeugungsarbeit, bis sie mich in ihr „Nest“ ließ. Ich traute meinen Augen kaum … sie war tatsächlich zurückverwandelt worden. Aber darüber hinaus optisch noch ansprechender. In Angstrums Kopf war ein abweichendes Bild gewesen, als er den Wunsch aussprach. Ein Ideal seiner Vorstellung. Silbern bis golden gefärbte Flügel, weiße lange Haare und Augen, die den Eindruck vermittelten sie würden gar ganz fein leuchten. Nebst Angstrums persönlicher Vorliebe für andere Körperteile … Konnte es ihm nicht verdenken.
Es dauerte, bis sie bereit war sich im Spiegel zu betrachten. Länger noch, bis sie nachvollzog, dass dies keine Illusion war. Ich stellte den nervigen Angstrum als eine selbstlose aufopfernde Person dar. Melody konnte kaum glauben was sie sah und hörte. Bei letzterem ging es mir ähnlich. Doch es war nicht zu seinem, sondern ihrem Wohl. Heute konnte eine Seele auf den Weg der Heilung gebracht werden. Wenn schon nicht meine, dann doch ihre. Das daraufhin folgende Zusammentreffen war wider erwartend positiv. Obgleich einer kleinen Verwechslung, da sie zunächst Garret für ihren Helfer hielt. Scheinbar hatte sie kein Problem mit Angstrums Optik. Und übereifrig, nachdem er von ihr akzeptiert worden zu schien, machten sich die beiden sogleich auf in die Nacht. Seine Art zu feiern würde Melody wohl erst lernen müssen. Vielleicht stutzte sie ihn aber auch ein wenig zurecht. Es blieb abzuwarten wie sich ihre Geschichte entwickeln würde.
Obgleich der Abend fortgeschritten war, so lag das Anwesen von Lafayette direkt nebenan. Wir hatten noch mit ihm zu reden. Wieso sollten wir also warten. Wissend um den benötigten Schlüssel besuchten wir Birch. Zu unserem Leidwesen war er wie immer um diese Zeit angetrunken und wartete auf Damenbesuch. Ava’s Abendkleid weckte da zunächst falsche Erwartungen. Für einen Moment überlegte ich mir daraus einen größeren Spaß zu erlauben, beließ es aber beim Geschäftlichen. Einen suggestiven Zauber wirkend überzeugte ihn davon uns Zugang zu Lafayette’s Anwesen zu verschaffen. Als Birch sich wieder seinen nächtlichen Tätigkeiten hingeben wollte sprach Krathus noch eine kurze Phrase. Ich hatte so etwas schon einmal gehört. Dann war der Gute stocknüchtern, in seinem Pyjama auf den Straßen von Zoica bei Nacht. Seiner Reaktion nach zu urteilen traf der Begriff Verwirrung es nicht annähernd. Er hatte seine Schuldigkeit getan und stolperte zurück nach Hause.
Kurz darauf warf sich eine schattenhafte Gestalt auf mich. Bing hatte sich schon auf die Lauer gelegt. Der Panther war erstaunlich freudig drauf, fast wie eine Hauskatze. Ein bisschen hinter den Ohren kraulen half dem Gewicht zu entkommen. Hätte es besser wissen müssen was einen hier erwartete, dennoch saß ein kleiner Schreck fest. Krathus misstraute dem, im Vergleich zu ihm selbst, riesigen Tier etwas. Bing schien ihn hingegen recht interessant zu finden. Und markierte ihn direkt mal zur Freude der restlichen Anwesenden mit einer Duftmarke. Hätte es so gelassen, wenn wir nicht mit Lafayette sprechen wollten. Aber wir konnten da kaum mit dem unwiderstehlichen Geruch von Pantherurin auftauchen. Bing verzog sich enttäuscht wieder in die Dunkelheit, nachdem niemand mit ihr spielen wollte. Krathus schwor indes Rache. Ich wunderte mich, ob dies eine rückwirkende Duftmarke zur Folge haben würde, während ich meine magischen Fähigkeiten nutze ihn zu säubern.
Lafayette öffnete uns, war aber kaum glücklich uns zu sehen. Das erste war ein abfälliger Kommentar. Doch die Aussicht von seinem Hausarrest befreit zu werden machte ihn willens zuzuhören. Die Nachricht, dass wir uns für ihn eingesetzt hatten nahm er dann positiv auf. Er war sichtlich unzufrieden mit der neuen Königin. Angeblich hatte er im besten Interesse der Stadt gehandelt, als er sie unter seine „Fittiche“ nehmen wollte. Der Einfluss der Dame Therion hingegen weckte wohl nicht das Verhaltensmuster, was er sich vorstellte. Es hatte ja schon einmal einen Drachen gegeben, der hier herrschte und sich für das Größte zwischen Himmel und Erde hielt. Diese Sorge verstand ich. Doch insgesamt mussten wir abwarten wie sich die Dinge entwickeln würden. Garret hatte seine Beteiligung an der Regierung aufgegeben – jedoch war sie bereits verflogen, noch bevor er dies aktiv tat. Vertane Chancen. Etwas an das man sich in dieser Gruppe gewöhnen musste.
Auf die von Cuu herausgesagten Zahlungen angesprochen wusste er ein wenig was zu erzählen. Zumindest das sie stattfanden, regelmäßig. Aber nicht wohin. Scheinbar hatte er dies auch versucht herauszufinden, aber seine Agenten kamen stets als tote Körper zurück zu ihm. Weitere wollte er nicht opfern. Dies war also auch für ihn ein Geheimnis. Gereon machte die Zahlungen stets fertig. So gab er uns dies als Hinweis.
Lafayette’s Blick wanderte mitunter zu unserem neuen Gruppenmitglied. Speziell seine Rüstung interessierte ihn. Wenn er einen Blick auf das eingravierte Siegel werfen dürfte wollte er uns mehr dazu sagen. Krathus davon zu überzeugen ihm Teile der Rüstung kurz auszuhändigen blieb aber schwer. Zuletzt fügte er sich. Es stellte sich heraus, dass diese Rüstung vom Zwergenschmiedemeister Thorin Mingus hergestellt worden war, welcher in Mon Mithral sein Werk verrichtete. Angeblich gab es dort wo Krathus seine Rüstung hatte mitgehen lassen größtenteils nur sehr gewichtige. Diese eine leichte war etwas Besonderes. Doch blieb die Frage offen, wie sie in den Besitz Shadar’s gelang. Kam es ein Abkommen zwischen den Zwergen und dem Drachen? War es eine Beute? Über drei Ecken eine Auftragsarbeit? Es stellten sich immer neue Fragen. Wären sie gar alliierte, was würde das für die Zukunft bedeuten …
Unser Gastgeber hatte aber noch mehr zu bemängeln. Auf das Thema Marco angesprochen warf er ein wie scheinheilig dieser war. Gegen die Einführung von Wissen und Magie stellend nutzte er nicht nur selber welche, sondern vielmehr sandte er seine Vöglein auch auf die Akademie. In der Tat hatte er sich energisch uns gegenüber geäußert was die erneute Errichtung einer Akademie der magischen Künste anging. Ich erinnerte mich gut daran. Jetzt schlug er trotzdem daraus seinen Nutzen. Aber Lafayette war kein Deut besser als Marco. Er hatte auch jeden Vorteil für sich ausgespielt. Ich nahm alles mit einer gewissen Gleichgültigkeit entgegen.
Im Zuge dessen, dass wir ihm die Freiheit wiedergaben schlossen wir noch einen Deal. Er würde sich nach Lia Therion umhören. Es machte direkt den Eindruck, als ob er gar nicht so abgeschnitten von der Aussenwelt gewesen war, wie er zunächst behauptete. Agenten würden sich auf den Weg nach Ark’Therion machen. Er würde uns wissen lassen, sobald diese Informationen eingeholt hätten. Und wir stellten sicher, dass wir dann auch keine Terminplanung brauchen würden. Sein alles Verhaltensmuster kam schon etwas arg schnell zum Vorschein, dem musste gleich einmal Einhalt geboten werden. Mit dieser Vereinbarung machten wir uns wieder auf den Weg. Obgleich nicht ganz freiwillig. Eigentlich hatte ich vor noch mehr zu erfahren, aber meine Gefährten waren nicht unbedingt sehr diplomatisch gewesen. Was ihn verstimmt hatte. Beim nächsten Besuch auf dem Markt würde ich Knebel erwerben.
Die Nacht kam immer näher. Gereon konnten wir aber noch befragen, schließlich war der Compound auch das Nachtlager für die Meisten von uns. Ich hatte später noch andere Pläne, aber das war persönlicher Natur. So weckten wir Gereon und befragten ihn zu den Geldlieferungen, die er im Auftrag Cuu’s abfertigte. Viel gab es aber nicht herauszufinden. Er wusste kaum mehr als die Menge die er in regelmäßigen Abständen fertigzumachen hatte. Sie wurde von ihm in der Nacht dann in einem der Karren vom Compound verstaut. Am nächsten Tag war dieser dann weg. Einmal hatte er eine ziemlich kleine Gestalt dabei beobachtet. Aber erkennen konnte er sie nicht. Auch wollte er sich nicht den Ärger Cuu’s auf sich ziehen zu viele Fragen zu stellen. Ich dachte unwillkürlich an Gardis. Doch dieser war ein Agent Landerson’s. Orks? Ich war mir unschlüssig. Zumal die Karren wohl nicht immer dasselbe Ziel hatten. Hier erfuhren wir aber nicht mehr.
Vor der Nachtruhe, und vor allem weil sie weniger Schlaf benötigte, wollte Ava sich bei den Wochen umhören. Vielleicht hatten die etwas mitbekommen. Ein Versuch konnte nicht schaden. Die anderen gingen Richtung ihrer Unterkünfte. Ich hingegen machte mich auf den Weg den Compound zu verlassen. Meine nächtlichen Pläne sahen anderes vor. Dafür erntete ich merkwürdige Blicke.
Endlich war ich allein. Mir spukte schon die ganze Zeit eine Idee im Hinterkopf. Sie war nicht ohne Risiko und konnte die Dinge auch verschlimmern. Die jüngsten Ereignisse betrachtend konnten wir uns aber nicht erlauben mögliche dienliche Quellen auszuschlagen. Die Uhrzeit bedenkend war mir klar, dass mein Vorhaben etwas kostspieliger werden würde. Einen Händler für Geflügel aufsuchend holte ich diesen aus dem Bett. Einen Tiefling zur Nachtzeit vor der Tür stehen zu sehen führte zu dem mir wohl bekannten typischen Verhaltensmuster, dass ich Zeit eines Lebens gewohnt war. Man kam sich stets vor, als sei ein Teufel aus den neun Höllen persönlich an die Tür getreten und forderte eine Seele ein. Der wahre Fluch war kaum unsere Blutlinie, sondern eher die daraus resultierende Reaktion. Dennoch vermochte ich dem Händler für einige Silber ein Huhn abzukaufen. Ich legte nich etwas drauf, was ihn noch irritierter zurückließ, als es meine Anwesenheit bereits getan hatte. Schließlich brabbelte er noch was von Blutopfern und Ritualen, die er nicht unterstützen würde. Vielleicht hätte ich ihn mitschleifen sollen in die Kanalisation …
Dort angekommen suchte ich den Ort auf, wo ich Veklani zuletzt traf. Eigentlich war das Federvieh als Geschenk für ihn gedacht, um Verhandlungen zu ermöglichen. Aber alles was ich vorfand war diese hungernde Spinne. Deutlich kleiner. Sie verstand mich wohl, dachte ich. Jedoch war sie mehr auf das gackernde Ding in dem kleinen Käfig fixiert, als auf mich. Würde ich es ihr geben und sie Veklani rufen, dann bräuchte ich noch ein weiteres Huhn. Ich sorgte also vor. Sagt ihr ich käme gleich wieder und besuchte den rassistischen Händler erneut. Dieser war so erschrocken, wie beim ersten Besuch. Was stimmte nur nicht mit diesen Leuten? Er handelte gar ein Gold für ein zweites Huhn heraus. Ich hatte wahrlich keine Lust mich lange mit ihm zu beschäftigen und gab es ihm. Das zweite Huhn verpackte ich gut verschnürt aber human an meinem Rücken.
In der Hoffnung mein Ziel damit zu erreichen überließ ich der Spinne nun eines der beiden. Sie machte sich sofort über das arme glucksende Tier her. Aber es half alles nichts. Dann tappte das achtbeinige Etwas auf etwas, das einem Schild ähnelte. Es waren Zeiten. Offenbar für die Ankunft von Veklani. Ich hatte mir also eine Audienz für den morgigen Tag gesichert. Ein Fortschritt. Hoffentlich würde ich das aushandeln können, was mir im Geiste vorschwebte. Damit verließ ich den Untergrund und machte mich auf den Weg zu Razora. Vielleicht wäre ihr nach etwas Gesellschaft heute Abend. Ich konnte sie allemal gebrauchen. Abseits von den anderen.
Am ehemaligen Hextor Compound angekommen überkam mich ein merkwürdiger schwefliger Geruch. Es knirschte unter meinen Füßen. Hier lagen Eierschalen von dutzenden, vielleicht hunderten von Eiern. Plattgetreten, oder gegen Objekte geworfen. Aus Razora’s Zelt hörte ich ihre aufgebrachte Stimme. Scheinbar regte sie sich über Krathus auf. War er hierfür verantwortlich? Wieso würde er sowas machen? Mir fiel das Huhn auf meinem Rücken ein. Nur der Vorsicht halber verwandelte ich es in eine Katze. Razora sollte nicht denken, dass ich mit diesem Unfug etwas zu tun hatte. Ich wollte abschalten, nicht mehr Stress haben. So betrat ich ihr Zelt und bereute es schon kurz danach.
Krathus hatte ihr die ganzen Eier hingelegt, weil er missverstanden hatte was sie ihm zu vermitteln versuchte. Scheinbar sollte er sich jemanden suchen und, wie Kobolde das anscheinend tun, Nachwuchs in Form von Eiern machen. Doch unser Gehirnakrobat von einem Kobold hatte keinen blassen Dunst, was die Aussage bedeutete. Stattdessen hinterließ er ihr das ganze Zelt voller Eiern. Was sie ein wenig arg aufregte. Die Situation wurde kaum besser, als sie die Katze auf meinem Rücken bemerkte. Bevor sie auf komische Gedanken kam, spielte ch mit offenen Karten und sagte ihr, dass es ein Huhn war – für einen anderen Zweck. Und dass ich bloß nicht ins Kreuzfeuer geraten wollte mit dem Vieh direkt aufzutauchen. Wie man es macht, macht man es aber falsch. Sie war so in Rage, dass ich in die Sache mit reingezogen wurde. Nicht nur, dass ich mich nützlich machen sollte die Schweinerei – die eigentlich sie veranstaltet hatte – zu säubern. Nein. Zu allem Überfluss sollte ich Krathus gefälligst erklären wie das mit der Fortpflanzung läuft. Was hatte ich denn mit dem Schuppenvieh zu tun?
In ihrem Zustand war kaum ein vernünftiges Wort zu reden. Auf einen flapsigen Kommentar beim Rausgehen hin bekam ich noch ein Ei an den Hinterkopf geworfen. Draussen überlegte ich kurz und steckte nochmal den Kopf hinein. Es brauchte nur einen gesäuselten magisch angehauchten Satz, um heute Nacht doch noch etwas Frieden zu bekommen. Aber es misslang. Auf meinem Weg zurück zum Compound reinigte ich sodann magisch was mir möglich war … und schwor Krathus Rache …
Ich besorgte mir eine Handvoll Eier aus der Küche, ging direkt zu Krathus’ Zimmer und hämmerte ihn aus dem Schlaf. Nachdem ich ihm die Dinger für jede seiner Schandtaten und meiner Leiden um die nicht vorhanden Ohren gehauen hatte setzten wir uns zusammen. Versuchend das Missverständnis zwischen ihm und seiner Adoptivmutter aufzuklären und ihn über den Sachverhalt der Fortpflanzung ins Bild zu setzen verging dann noch etwas Zeit. Das Thema wurde arg abwegig, da es den Anschein machte, dass Kobolde ihre Geschlechtsorgane „Stelzen“ nannten und sie gar zwei besaßen? Meine Verwirrung war groß. Davon hatte ich noch ie gehört. Es kostete einige Mühen dieses wirre Gespräch zu führen und meinen Punkt rüberzubringen. Und ehrlicherweise bezweifelte ich, dass viel bei ihm hängen blieb. Mit Ausnahme des Eidotters auf seinen Schuppen. Und so zog ich mich schließlich in meinen eigenen Raum zurück.
Der nächste Morgen brach an. Das Huhn war versorgt und zu Lorilla gegeben. Nett wie sie war, würde sie auf es aufpassen, bis ich es abholen würde. Dann schloss ich mich den anderen beim Frühstück an. Es gab Speck und … Eier. Mir verging direkt der Hunger. Es stellte sich auch heraus, dass bereits eine Diskussion zu der nächtlichen Aktion in Krathus’ Zimmer stattgefunden hatte. Ava war sichtlich amüsiert. Stellte ihrerseits einiges klar. Ob es der Kobold nun verstanden hatte blieb weiterhin ein Mysterium. Irgendwie nickte er immer, als ob er verstand und machte dann doch das Gegenteil. Wäre er doch nur weiblich gewesen, dann wären er und Garret das perfekte Gespann.
Das Gespräch am Tisch ging dann noch in weiteres unliebsames Territorium. Meine Aktion mit den Ungolspinnen wollte ich zunächst für mich behalten, musste dann aber auf Druck mit der Sprache rausrücken. Ava war ganz begeistert von der Idee. Die könnten dann ja die Kobolde einfach fressen gehen. Ich widersprach heftig. Das war nicht die Idee. Zumindest jene, von der ich mich zuvor gelöst hatte. Denn den bösartigen Gedanken hatte ich bereits gehabt. Nein, sie sollten lediglich Informationen über die Bewegungen der Kobolde sammeln und uns mitteilen. Schließlich verbreiteten sich diese Spinnen schneller als jedes Gerücht im Untergrund von Ailamere. Wer weiß wo sie schon überall saßen. Garret war zu meinem Erstaunen der gleichen Ansicht. Krathus hatte scheinbar für seine eigene Art so wenig Mitgefühl, dass es ihm egal war. Sie wären ja aktuell unsere Feinde. Waren sie das? Oder selbst nur Handlanger unter der Peitsche eines Unterdrückers? Wir hatten doch zwei Experten von Revolutionen am Tisch sitzen, dachte ich in mich hämisch hinein, da sollte uns doch ein besserer Weg einfallen. Schließlich verblieb es bei der Informationssammlungsidee. Ava schien damit nicht zufrieden. Erstaunt war ich nicht mehr. Aber mein Misstrauen wuchs.
Nachdem dies alles geklärt war, wollten wir dann den unliebsamen Besuch bei Marco angehen. Es dauerte nicht lange bis wir eines seiner eingespannten Kinder fanden und ein Treffen vereinbaren konnten. Es war wieder einmal eine der wechselnden leeren Gebäude. Ich mochte ihn nicht. Ich mochte nicht wofür er stand, ich mochte nicht wie er seine Ziele erreichte, ich mochte nicht wen er dafür manipulierte. Aber wenn ich meine persönlichen Gefühle beiseite schob, dann war er eine nutzbringende Quelle. Und ich versuchte wirklich, dass dies funktionierte. Einfach weil es musste.
Marco redete viel, aber sagte wenig. Dennoch kamen ein paar brauchbare Informationen dabei herum. So zum Beispiel, dass in der Tat Gardis für die Goldtransfers verantwortlich war. Das heißt Bargle war definitiv ein Aspekt in dieser Rechnung. Der gleiche Bargle, zu dem wir Gardis entsandten bezüglich Verhandlungen. Diesmal aber ohne Goldlieferung. Das konnte ja nur gut enden …
Auch erfuhren wir, dass Marco aus Mocny stammte. Aus dem alten Mocny. Es war verrückt, doch scheinbar war er während des Blightening vor hunderten Jahren anwesend. Er selber war, obgleich seien Landsleute bekanntlich keine Arkanisten mochten, eben ein solcher. Und zu jener Zeit experimentierte er mit einem Zauber, mit dem man die Realität oder Phase verschob. Aufgrund dessen, so vermutete er, zog ihn das Blightening zurück. Aber nicht gänzlich. Er scheint seither in einer Zwischenform zu existieren. Halb ätherisch und vom Alterungsprozess entbunden. Eine Illusion von etwas, dass dieser Gudden machte, während die anderen in der Parallelen Welt waren überraschte ihn sogar. Erinnerte ihn an das, was in Mocny geschehen war.
Ich wunderte mich derweil was er alles gesehen haben mochte über all diese Zeit … was er alles an Fäden gesponnen hatte in all dieser Zeit! Sicherlich hatte er mein Mitglied für den Verlust seiner Heimat, aber keinesfalls mein Vertrauen. Jetzt weniger denn zuvor.
Nichtsdestotrotz gab ich ihm Hinweise auf das, was geschehen war. Erwähnte gar eine Vorrichtung arkaner Natur, die für die Zerstörung Mocny’s verwendet wurde. Gleichermaßen versuchte ich damit herauszufinden, ob er der „graue Mann“ war, über den wir gehört hatten. Es wäre durchaus eine logische Überlegung. Doch es machte den Anschein, als wusste er nichts von der Quelle der Katastrophe – und auch nicht, dass Shadar mit der Zerstörung seiner Heimat zu tun hatte. Er schien auch nicht viel übrig zu haben für Drachen im Allgemeinen. Ebenso war die neue Königin ihm ein Dorn im Auge. Seine Meinung dazu ließ er Garret auch deutlich wissen.
Ihm nicht zu viel berichtend, aber klarmachend, dass die Zukunft Zoica’s mit ihr zu tun habe, befragten wir ihn nach Lia. Tatsächlich wusste er wo sie sich aufgehalten hatte. Sie war in Ark’Therion gewesen, dann aber nach Westerfell gereist. Dort hatte sie sogar eine Weile gelebt. Das verwunderte mich. Und Westerfell … das hörte sich bekannt an. Harrington kam daher. Wir hatten eine grobe Ahnung wo dieser Ort liegen musste.
Wieviele Informationen würden wir ihm noch preisgeben müssen, um einigermaßen weiterführende Anhaltspunkte zu erhalten … ?
Sitzung 88
Etwas in Gedanken verloren ging unsere Unterhaltung mit Al’chara weiter. Mich trieben noch einige Fragen umher. Und zu meinem Erstaunen beantwortete sie diese gar nicht so widerwillig … für ihre Verhältnisse.
Wir erfuhren, dass Cenereth eines Tages einfach aufbrach und nie wieder kam. Scheinbar hatte er zu jenem Zeitpunkt den Zusammenstoß mit Shadar. Das erklärte auch wieso sie ihm nicht zur Seite stand. Etwas, dass mich seit längerer Zeit wunderte. Gemeinsam hätten sie dem Treiben Shadar’s doch direkt Einhalt bieten können. Zu dritt sogar noch eher. Wäre Arcalis nicht so sorglos mit der Situation umgegangen. Ja, er bemerkte den Wandel der Machtverhältnisse, vermied es jedoch vor einer größeren Stärkung des Roten einzuschreiten. So wurde der Kreis seiner Alliierten und damit Möglichkeiten immer kleiner über Zeit.
Tatsächlich aber kämpfte Al’chara in Ark’Therion gegen die Hextorlegionen. Und verlor. Es wollte nur schwer in meinen Kopf, dass ein mächtiger Drache nicht einfach durch eine Ansammlung von Truppen mähte. Mithilfe ihres göttlichen Bundes hatten die Hector aber wohl einen nicht unerheblichen Vorteil, nicht zuletzt aber auch durch ihre schiere Masse. So berichtete sie zumindest. Vielleicht waren sie doch nicht die schlechtesten Alliierten. Ihre Art von „Gerechtigkeit“ war und blieb dennoch fragwürdig.
Spannend war auch die Erzählung, wie die beiden Damen der hohen Häuser in die Gefangenschaft geraten waren. Nachdem nun sowohl Cenereth, als auch Arcalis umgekommen waren bot Shadar eine Art Friedensangebot an. Er lud beide zu einem Treffen. Mir war schleierhaft wieso sie sich dazu bereiterklärt hatten. Al’chara sprach von einem Verhaltenskodex von Drachen. Doch hatte Shadar nicht unlängst gezeigt zu was er fähig war? Vertrauen wäre das letzte gewesen, was ich ihm entgegengebracht hätte. Sie jedoch taten es. Und liefen blindlings in einen Hinterhalt, welcher mit ihrer Einkerkerung endete. Bis heute ist mir nicht ganz klar wie eine Zelle einen Drachen aufhalten sollte. Vielleicht brauchte es ein Minimum an Platz für eine Verwandlung. Oder es war Magie involviert.
Wie dem auch gewesen sein mag, sie riet uns Posetine über die Dinge, die wir in Erfahrung gebracht hatten zu informieren. Es sei ihr Recht zu wissen was es mit ihrer Existenz auf sich hatte. Mit einigen umschweifenden Worten ließ sie uns wissen, dass wir es sicher bereuen würden, wenn sie es später herausfände. Auf die Anfrage hin uns zu begleiten bekamen wir eine Verneinung, während sich die Thronlose arrogant wie immer davonstahl. So berieten wir das weitere Vorgehen. Zu riskieren Posetine gegen uns aufzubringen könnte sie in die Arme ihres „Vaters“ treiben. Aber vielleicht würde sie dies auch tun, nachdem sie erfuhr, dass sie noch Familie hatte. Als sich Garret dafür aussprach reagierte Ava etwas allergisch mit einem Seitenhieb.
Stellte sich heraus, dass sie endlich von dem Seelenproblem Garret’s erfahren hatte. Das Problem war aber gewesen, dass es dabei zur Sprache kam, als er einer wildfremden Person davon erzählte und Ava lediglich zufällig daneben saß. Ich traute meinen Ohren nicht. Wochen hate ich auf ihn eingeredet es ihr zu erzählen und er verneinte es. Begründete es mit der Vertrauensfrage. Aber diesem jungen Ding namens Taya gegenüber, nach nur einem Tag, brabbelte er es aus. Hornochse. Hätte er sich nicht denken können wie Ava’s Reaktion ausfallen würde!? Sie hatte sich ihm blind nach seiner ach so umwerfenden Revolution angeschlossen. Ließ sich davon überzeugen hier etwas zu tun, was sie für richtig hielt. Begleitete ihn mit einem immensen Vertrauensvorschuss. Und dann das. Unfassbar. Das Mosaik um Ava’s Wandlung fügte sich Stück für Stück zusammen. Obgleich ich noch deutlich mehr dahinter vermutete.
Zumindest kamen wir überein Posetine aufzusuchen. Scheinbar war sie bei Slate … im Kerker. Schnell sollten wir herausfinden, dass dort unten so einige Veränderungen vorgingen. Angefangen davon, dass die Wachen uns zunächst nicht direkt zur „Königin von Zoica“ durchlassen wollten, bis hin zu den Baumaßnahmen, die Slate im Auftrag ihrer „Majestät“ dort durchführte. Ganz offenbar ließ sie sich einen Hort bauen. In welchem wir dann auch die Stadtgelder fanden. Denn der eigentliche Tresor war offen und leer gewesen. Garret und Ava stellten diese Handlung offen infrage … ich stellte auch so manches Dieb Eiden betreffend infrage. Krathus hingegen war erstaunlich still. Das güldene Glänzen schien ihn doch eher abzulenken. Ich hoffte er tat nichts dummes vor ihren Augen.
Im Stillen erläuterten wir Posetine zunächst was wir alles in Erfahrung gebracht hatten. Es war ein ziemliches Auf und Ab. Zwischendrin hatte ich große Sorge, dass einige Offenbarungen oder gar die Wortwahl Ava’s uns die Gunst Posetine’s verlieren ließen. Ich setzte alles daran ihr Vertrauen in uns zu bestärken. Es macht ihr wirklich zu schaffen zu wissen, dass Shadar ihr Vater war. Schon die zweite Person an diesem Tag, die mit einer familiären Offenbarung nur schwer zurande kam. Auch wenn sich in ihr immer mehr eine drastische Arroganz verfestigte, hatten die Worte meine eigene Familie betreffend scheinbar genug Empathie geweckt. Es milderte ihren mentalen Sturz ein wenig – zumindest hatte es den Anschein. Im Großen und Ganzen verlief das Gespräch gut. Und es kam auch heraus, dass sie keinerlei Interesse hatte ihrem Vater nachzueifern. Sie sah sich verpflichtet, in Form einer Übermutter, für das niedere Volk der Humanoiden zu sorgen. Es gab schlimmere Endergebnisse in der Vergangenheit.
Als wir aber Details zu und mit Krathus gaben stellte dieser fest, dass das Banner auf sie reagierte. Energien würden zwischen beiden hin und her fließen. Ihre Augen wären je eines golden und eines rot gewesen. Und eine Form von ätherischer Krone sei über ihrem Kopf zu sehen. Nicht jeder von uns nahm das alles auf Anhieb war. Es gab jedoch zu denken. Ein starkes Gefühl das Banner betreffend überkam mich. Wer sagte, dass jedes Banner gleich agieren würde? Und was wäre wenn mehrere gleichzeitig aktiv waren? Die Reichweite schien bei einem Test kaum eine Rolle zu spielen. Die Pilger beziehungsweise vielmehr ihr Sammeln von Energie für die Banner konnte zu einem weitaus größeren Problem führen. Nicht nur, dass Krathus davon sprach, dass die Banner ihre Legionen verstärkten. Offenbar hatten sie einen besonderen Effekt auf das Drachenblut. Ein großer Roter in Begleitung seiner voll geladenen Armeen könnte ein noch schwerwiegenderes Problem werden. Sie selbst bekam anscheinend nichts davon mit. Bis Krathus ihr einen Spiegel vorhielt. Es folgte sichtliche Irritation.
Als wir das Thema dann abgeschlossen hatten ließ sie uns noch wissen, dass sie Lafayette unter Hausarrest gestellt hatte. Seine Manipulationsversuche hatten ihr im Nachgang gar nicht gefallen. Es amüsierte mich zu wissen, dass er dafür auf die Finger bekam. Gleichzeitig beunruhigtem ich dieTatsache, dass sie sich so gegebenenfalls einen Feind in den eigenen Mauern erschaffen könnte. Er war ein Mann mit vielen Kontakten, vielen Ambitionen. Sich von einem halben Kind, dass einfach mal so eben den Thron Zoica’s bestiegen hatte vor den Latz knallen zu lassen könnte Missmut wecken. Ich drückte es natürlich ein wenig diplomatischer aus. Sie stimmte zu. Ihr Gegenvorschlag kam prompt und war recht gerissen. Ich sollte ihn unter dem Vorwand mich für ihn eingesetzt zu haben aus seinem Arrest erlösen. Mir so seine Loyalität sichern und eine potentielle Gefahrenquelle unter Kontrolle kriegen.
Nicht nur Ava hatte sich verändert, so viel war klar. Al’chara hatte ganze Arbeit geleistet Posetine die Naivität auszutreiben. Vielleicht etwas zu gut. Das würde die Zukunft zeigen. Denn trotz allem wollte sie diese Informationen mit irgendjemandem teilen. Scheinbar hatte sie sich mit Ragel angefreundet und vertraute ihr. Es konnte gefährlich sein all das zu teilen, besonders mit Personen über die wir kaum etwas wussten. Doch sie war überzeugt das Richtige zu tun. Oder anders ausgedrückt: Sie war die Königin, ein Drachen och dazu, und tat wonach immer ihr der Sinn stand. Das konnte noch heiter werden.
Auf dem Weg hinaus war unser Weg vorerst klar. Lafayette befrieden, Mundi befrieden, die Rachwood’ler umsiedeln, Melody helfen … und dann mein Versprechen einlösen, sowie meine Schwester finden. Scheiß drauf, so viel Zeit mussten ich mir doch nehmen dürfen, nach allem was ich getan hatte!
Da Krathus unbedingt zu Razora wollte, schloss ich mich ihm an. Ava und Garret wollten noch anderweitig durch die Stadt ziehen. Ich wunderte mich, ob ich Garret danach unbeschadet wiedersehen würde. Im Compound der Hextor angekommen waren aber nicht unbedingt viele Rachwood’ler vertreten. Sie hatten Geld aus Oclusar und ein Trauma zu verarbeiten. Was also war der beste Weg dafür? Genau, sie kauften ein und betranken sich in den Tavernen der Stadt. Razora war jedoch vor Ort. Ein dann geführtes Mutter-Sohn-Gespräch über Bienchen und Blümchen lief etwas krude. Mir war nicht ganz klar, ob Krathus verstanden hatte, was Razora ihm mitzuteilen versuchte. Jedenfalls war er plötzlich ganz schnell unterwegs. Allein in Zoica. Ich zuckte in Gedanken die Schultern, es würde kaum schlimmere Auswirkungen haben können, als der noch frei herumlaufende Angstrum erzeugte.
Die Situation zwischen ihr und mir hingegen war etwas delikater. Sie war kaum der nach außen emotionale Typ, was ein bisschen problematisch beim Thema unseres Beziehungsstatus war. Als ich anmerkte ihr die Stadt erst in einigen Tagen, aufgrund der Geschichte mit Mundi, zeigen zu können war aber überdeutlich was sie davon hielt. In mich hinein grinsend über diese Bestätigung verlegten wir den Plan einfach vor. Ein Trip durch diese für sie faszinierende Stadt folgte. Hier leben kam für sie nicht in frage, aber es beeindruckte sie schon sehr was es hier zu sehen gab. Durch mein Vorwissen um die Stadt in Kombination mit meinen Fähigkeiten die besten Wege im urbanen Getümmel im Gespür zu haben wurde es wohl der beste Nachmittag seit Monaten. Es fühlte sich frei an. Und diese Zeit mit ihr zu teilen war einer der glücklichsten Momente bisher. Emotional wortkarg wie sie war, zeigte sie ihr innerstes auf andere Weise. Ich bildete mir ein es langsam zu verstehen.
Als sich der Abend näherte galt es dennoch vorläufig Abschied zu nehmen. Die anderen würden im Lurkers warten und wir hatten die Planung für morgen zu machen. Auch wenn es mir widerstrebte. Langfristig konnten wir aber nur so die Sicherheit der Region gewährleisten. Auf meinem Weg zurück in die Taverne wanderten die Gedanken von einem Hochgefühl zur bitteren Realität zurück. Unter all dem, was dort wieder zutage gefördert wurde kam auch ein interessanter Gedanke. Wenn die Kobolde und andere Anhänger Shadar’s ein Problem waren und wir sie nicht umstimmen könnten ihm abzuschwören – wovon nicht auszugehen war –, was wäre eine bereits bestehende Allianz zu erweitern. Der Gedanke war radikal. Nah an der Bösartigkeit. Doch wir würden auch kein Erbarmen gezeigt bekommen … Ich musste darüber nachdenken. Mich schauderte welche Ideen mir zuletzt durch den Kopf gingen. Sicherlich tat ich früher immer schon was gut für mich war, aber es gab stets Grenzen. Jashier zog mich in diesem Bewusstsein auf. selbst unter den widrigen Bedingungen Ailamere’s. Dieser veränderten Ava würde die Idee hingegen sicher zusagen. Da wäre sicherlich kein Zögern. Was mich die Frau vermissen ließ, die sie einst war. Denn so würde vermutlich genau das ausgeführt werden, was mir durch den Kopf ging, gänzlich ohne Widerworte. Und eben dies ließ mich furchtsam zurück.
Als ich das Lurkers erreichte war es zum überlaufen voll. Auch hier waren viele der ehemaligen Anwohner Rachwood’s eingekehrt. Als ich nach Garret und Ava Ausschau hielt sah ich auch Krathus und mich selbst …
Ein tiefes Seufzen folgte. So stellte ich mich neben mein eigenes Abbild und begrüßte Angstrum genervt. Dieser war völlig durch den Wind. Keine Neuerung zu sonst. Scheinbar hatte Krathus noch die Stadt erkundet, um dem Nexussignal zu folgen, dass er durch das Fernrohr gesehen hatte. Dabei stieß er auf „Garret“ in der Akademie. Dass er bis eben nicht realisiert hatte, das etwas nicht stimmen konnte ließ mich innerlich den Kopf gegen die Wand schlagen. Gleich doppelt, als er auf den „Mann in der Ecke“ aka Lurk’s Besenmännchen hereinfiel. Angstrum wandte sich derweil mit Ausreden wie ein Wurm am Haken. Die Aufmerksamkeit, die er allerdings auf sich gezogen hatte war ein Problem. Um die uns anstarrende Taverne zu befrieden, tat ich so, als sei dies eine Aufführung gewesen. Das schien zu wirken. Gelächter und der normale Tavernenalltag lief wieder an. Auch wenn die Bardin auf der Bühne nicht wirklich glücklich zu sein schein. Verübeln konnte ich es ihr nicht. Schließlich hatte Angstrum’s Auftreten ihr die Performance vermasselt.
Um etwas Ruhe zu haben beschlossen wir nach oben zu gehen. Erst beim Aufstehen bemerkte ich, dass der ganze Tisch nur zu Ehren von Garret eingerichtet worden war. Der große Protektor Garret, der große Investor Garret … Ich verdreht nur die Augen. Im Konferenzraum des Lurker’s packte Angstrum dann komplett aus. So erfuhren wir, dass Besuch in Azoicstrum gegeben hatte. Kobolde waren vor der Stadt aufgetaucht. Dank der Dominion Line waren diese aber wohl pulverisiert worden. Angstrum meinte er habe noch den Nexus genutzt die Erinnerung aller Beteiligten zu löschen. Gegebenenfalls, wenn es denn Überlebende gab, eben auch deren. Mir behagte das nicht. Die Gefahr war größer geworden. Wenn sie ein Nexussignal aufgefangen und dies bereits kommuniziert hatten … war Azoicstrum dann noch sicher für Razora und die ihren?
Wir mussten dafür sorgen, dass sie an einer anderen Stelle suchten. Dieser Plan fand anklang. Und mir kam eine weitere boshafte Idee. Würden wir ein falsches Nexussignal über Loch Meriander erzeugen, dann würden die Kobolde erst einmal mit der überaus freundlichen Natur der dort lebenden Sycora Bekanntschaft machen, dann würde sie das eine ganze Weile aufhalten. Ausgehend von der Macht, die sie nutzte, war es auch nicht soweit hergeholt, dass dort vielleicht wirklich ein Nexus unter Wasser lag. Einen, über den sie die Kontrolle hätte – aus Perspektive von Shadar’s Anhängern. Dies schein allgemeine Zustimmung zu erhalten. Wie unerwartet … Also musste Angstrum nur in die Heimat und einmal einen Wunsch äußern, der auf Dauer die Ferngläser der Kobolde so manipulierte dort einen Hinweis zu entdecken. Nebst der Tatsache, dass wir gemeinsam mit ihm zu Toefels mussten, um zu verhandeln unsere Freunde aus Rachwood dort unterbringen zu können.
Doch zuvor hatte er noch eine weitere Aufgabe zu erfüllen. Eher zwei. Doch die ließen sich kombinieren. Denn das Signal seines Armbandes war für die Kobolde ebenso ersichtlich wie der Nexus selbst. Und jetzt da ich Angstrum’s habhaft war galt es Melody zu helfen. Er hatte sich ganz offenbar in sie verguckt. Unsere Worte bezüglich ihrer aktuellen Situation trafen eher auf taube Ohren. Er glaubte kein Wort, oder verstand nicht worauf wir hinaus wollten. Vermutlich nicht zuletzt, da wir es auch versuchten zu umschreiben. Für einen Moment ließ ich mich gehen, drohte gar durch einen Finte mit einem Zaubertrick. Mir fiel jedoch rechtzeitig ein, welche Wirkung das auf ihn haben könnte. Ein wenig beruhigender im zweiten Anlauf lief es aber auch nicht besser. Aus seiner Sicht war Melody mit Abstand das hübscheste Wesen, dass er jemals gesehen hatte. Und dann tat er absonderlicher weise von sich aus genau das, was ich erfragen wollte. Er wünschte sich ihr Antlitz zurück.
Absurder konnte es kaum laufen, aber das Ergebnis zählte. Grinsend bot ich ihm an sie ihm vorzustellen. Es war eines der wenigen Male wo Angstrum nicht sofort was zu sagen wusste. Ehrlicherweise wollte ich damit aber auch sicherstellen, dass der Wunsch wirklich erfolgreich gewesen war. Etwas schüchtern stimmte er zu. Ich wunderte mich, wie die beiden wohl aufeinander reagieren würden. Aber erführe sie erst einmal von ihrem „Helden“ Angstrum, dem mächtigen Illusionisten … wer weiß. Heute war wirklich ein verhältnismäßig guter Tag gewesen. Morgen mochte das alles schon wieder entgegengesetzt laufen. Also sollten wir das Beste draus machen …
Sitzung 87
Nachdem das Essen abgeliefert war, verschwanden die beiden Hextorkrieger wieder in der Nacht. Ausgehend davon, dass wir Qwe irgendwo herumschieben hatten war dies mehr als wünschenswert. Unsere Begleiter waren sichtlich erfreut über das reichliche Nahrungsangebot.
Qwe war neugierig was passiert war. Er dachte glatt wir hätten die Vorräte aus dem Lager gestohlen. Gratulierte uns zu dieser Tat. Es war befremdlich für ihn zu hören, dass wir schlicht um Hilfe gebeten hatten. Kulturell konnten wir kaum weiter voneinander entfernt sein. Indes erfuhren wir auch, dass Oclusar erst kürzlich überrannt wurde. Die „Pyramide“ voller Versteinerter waren alles Oclusarbewohner. Wer nicht in der Stadt dem Angriff zum Opfer fiel, oder verspeist wurde, der hatte noch die Option an dem widerwärtigen Unterhaltungsspielchen teilzunehmen. Ich war nur froh, dass wir Razora hatten davor bewahren können.
Auch war Qwe gerade einmal drei Jahre alt. Offenbar war er aus eine oder Albträume Ocanar’s entstanden. Hatte wohl was mit Shadar zu tun, daher Qwe’s Schuppen. Allerdings erwies sich der Test, ob sie auch brauchbar gegen Feuer schützten als negativ. Obgleich es etwas amüsantes hatte, wie er sich vor Schmerzen wand und so tat, als ob alles ok sei.
Auf unsere Planungsvorschläge für den kommenden Tag mischte er sich aber auch ein. Oclusar sei ja viel näher und es gäbe dort ja einen Teleportationszirkel. Richtig. Aber dieser war extrem unsicher, wie Garret vor einiger Zeit in Erfahrung bringen konnte. Mein Verlangen durch eine Geisterstadt mit lauter versteinerter Bewohner zu laufen hielt sich auch in Grenzen. Wir hatten die Ringe von Tanaos, doch konnten wir der Bevölkerung in Gänze nicht helfen. Die Stadt war nunmehr bloß eine einzige Grabstätte. Die allgemeine Meinung plus Qwe’s Beteuerungen er könnte den Turm, auf welchem der Zirkel sei, stabilisieren ließ mich dann aber doch einknicken. Immerhin ersparten wir uns ein paar Reisetage. Ehrlicherweise wollte ich so viel Abstand zwischen mich und diese verfluchte Gegend bringen. So willigte ich ein.
Ich entschied es dabei zu belassen. Es war spät. Alle waren wir erschöpft. Krathus plapperte noch etwas von einer Kampfkombination, als ich bereits am Weggehen war. Innerlich schüttelte ich nur den Kopf. Wer würde denn allen ernstes jetzt noch mit Übungen beginnen wollen.
Der nächste Morgen brach an. Alle bereiteten sich auf die Abreise vor. Als der Aufbruch nahte, sich unser Zug in Bewegung setzte, da fing Krathus wieder an Unfug zu bauen. Er übernahm einfach einen der Karren mit Nahrung, was nahezu direkt dazu führte, dass die Pferde durchgingen. So raste er unkontrolliert davon. Ich überlegte etwas zu tun, verwarf den Gedanken aber wieder. Weiß gar nicht wieso. Ava hingegen schickte Garret hinterher. Der sei ja so schnell und müsste den Karren einholen und Krathus dann zur Seite stehen können. Mein Blick ging zu Razora. Etwas sarkastisch meinte ich wie stolz sie auf ihn sein musste. Sie nahm es locker. Kinder müssten ihre eigenen Erfahrungen machen. Was irgendwie komplette Zustimmung bei Ava fand, die dann nachsetzte und die Beziehung zwischen Razora und mir definiert haben wollte. Seit sie zurück war hatte sie dieses morbide Bedürfnis mich stetig in unangenehme Situationen zu bringen. Glückwunsch, es war ihr wieder gelungen. Auch wenn ich mir meiner Gefühle im Klaren war, so konnte ich kaum erwarten, dass sie erwidert würden. Doch es gab keine Ablehnung von Razora. Sie reagierte genauso ahnungslos wie ich. Es war überraschend.
Garret war gerade im vollen Sprint und setzte zu einem durchaus beeindruckenden Sprung an. Doch Krathus bekam den Wagen plötzlich unter Kontrolle, was den Halbling hart gegen diesen donnern ließ. Sicherlich war dies erheiternd, aber gleichzeitig auch bedenklich. Wollten sie Shadar mit einem Lachkrampf zu Fall bringen? Unsere arg mitgenommenen Verbündeten musternd dachte ich an all jene, die uns bisher zur Seite stehen würden. Es war schwer zu glauben, dass wir auch nur den Hauch einer Chance hatten. Besonders da dieser Drache über eine Fülle von Nexuskugeln verfügte. Ein Wunsch reichte, um den Großteil - wenn nicht sogar alle - von uns aus dem Spiel zu nehmen. Es gab nur Hoffnung, wenn wir es schaffen würden einen Ausgleich zu erzielen. Ab wann wurde es eigentlich zu meinem Kampf … ? Meine Irritation ignorierend setzte ich noch eine Nachricht über unser Kommen in das Kommunikationsbuch ab, wobei der Mittag des nächsten Tages angepeilt wurde. So reisten wir den Tag unbehelligt weiter bis nach Oclusar inklusive einer unbedeutenden Nacht.
Da lag es nun vor uns: Oclusar, in seiner ganzen steinernen Pracht. Ein riesiger Schutthaufen, gefüllt mit Statuen jedweder humanoiden Sorte begrüßte uns. Ocanar hatte keine halben Sachen gemacht, so viel stand mal fest. Bis zum Mittag würden wir noch einige Stunden Zeit haben, was dazu einlud sich einmal genauer umzuschauen. Auch wenn es sich anfühlte auf einem Friedhof zu wandeln. Kurz nach unserem Eintreten stießen wir schon auf die erste Anomalie. Eigentlich war es bloß ein Haufen Steine. Doch ihre Anordnung ließ den Eindruck entstehen, als wäre es ein Gesicht. Zu allem Überfluss ein uns bekanntes noch dazu. Ausgehend von dem Gemälde in seinem Turm war dies das Antlitz von Tanaos Ayumu … wer hatte dies getan und wieso? War es das Zeichen dafür, dass wir weiterhin seiner vermaledeiten Prophezeiung unserer Zukunft folge leisteten? Oder spielte hier jemand Spielchen mit uns? Ocanar vermutlich? Er hätte durch seine ihm vom Nexus verliehene Macht von Tanaos wissen und seine Beholder dazu anleiten lassen können diese „Skulptur“ für uns zu hinterlassen. Spekulationen. Manchmal fragte ich mich, ob ich anfing paranoid zu werden.
Ava wollte unbedingt einen der Bewohner zu den Ereignissen hier befragen. Qwe war diesbezüglich keine Hilfe gewesen, das schien sie zu … frustrieren? Die Idee Antworten zu erhalten war gut, keine Frage. Doch wer würde hier schon etwas dazu wissen können? Sie bestand darauf. Nachdem sie das Rathaus ausfindig machte suchte sie sich eine arme versteinerte Seele, die offiziell gekleidet aussah und entsteinerte sie. Erst jetzt fiel uns auf, dass sich die Ladungen der Ringe nicht wieder aufgefrischt hatten. Verdammt noch eins. Vier von zehn waren bereits weg. Ich verstand nicht wieso dem so war. Meine magische Identifikation der Ringe war einwandfrei gewesen, ihre Natur lag mir offen. Aber sie verweigerten sich in dieser Hinsicht. Und zu allem Überfluss standen wir vor einer als Informationsquelle vollkommen nutzlosen Person. Obgleich er der Assistent des Bürgermeisters war, so hatte er dennoch so ziemlich gar nichts mitbekommen. Von irgendwas in dieser Stadt. Man stelle sich das vor. Dennoch musste es ein Schock gewesen sein erst den Angriff, dann den Verlust der Körperkontrolle durch die Versteinerung und im nächsten Moment diese unfreundliche Elfe vor sich stehen zu haben. Ava hatte wirklich kein Gespür mit einer traumatisierten Person umzugehen. Ich versuchte sodann das Zusammentreffen etwas zu mildern.
Was wir erfuhren war, dass es hier auch Magier gegen hatte. Offenbar widmeten sie sich dem Studium der Sterne. Hier gab es also auch so eine Sternwarte, wie jene weit im Südwesten. Deren Teleportzirkel nutzten wir damals, um Melody nach Zoica zu bringen. Scheinbar hatte aber auch keiner der besagten Magier irgendetwas nutzbringendes gegen den Angriff getan. Wo sie geblieben waren schein unklar. Tot oder geflohen? Mein Kopf kramte die Bilder aus Bolgmor’s Höhle hervor. Dieses Magiertrio, welches wir dort in einem Versteck vorfanden und sich sofort nach ihrer Entdeckung wegteleportierten. Standen diese irgendwie im Zusammenhang hiermit, oder irgendeiner der vielen anderen obskuren Dinge in dieser Region? Fraglich war, ob wir sie jemals wiedersehen würden um sie dahingehend zu befragen. Der Befreite jedenfalls brachte uns nun erst einmal zu den Überresten des Observatorium. Wir hofften auf Hinweise oder Überreste, die uns brauchbare Informationen liefern konnten.
Qwe war dabei erstaunlich hilfreich. Er räumte für uns mit Bedacht die Trümmer beiseite und nutzte diese gleich dazu den Turm zu stabilisieren, auf welchem der Zirkel sich befand. Es war schon eigentümlich, dass alles dem Erdboden gleichgemacht wurde, doch der Turm selbst noch … na ja, vor sich hin wankte. Was unter den Trümmern zum Vorschein kam erinnerte zudem sehr an das Fundament in Zoica. Dort wo einst die Akademie gestanden hatte. Nachdem wir einige Zeit damit verbrachten Qwe zuzuschauen, um im Anschluss in den Schuttmassen auf die Suche zu gehen, fanden wir dann auch tatsächlich etwas. Ein Brief von Ethelbald, dem einstigen Bewohners des alten Observatoriums, wo auch Melody lebte. Scheinbar nahm er einigen Studenten Bücher ab, die den Eindruck erweckten aus der Bibliothek von Zoica zu stammen. Doch dort wusste man nicht von fehlenden Büchern. Stattdessen sandte er sie dann nach Oclusar. Tatsächlich dauerte es nach diesem Fund auch nicht lange die besagten Stücke unter dem Schutt hervorzukramen.
Der Inhalt war erstaunlich. Sie berichteten von dem Fund des Ethereal Nexus. Dem ersten Nexus wie es schien, auf dem alle anderen basierten. Die Expedition, die ihn fand, verkaufte die Information über seinen Standort an den Meistbietenden – einen jungen Drachenlord namens Shadar Logoth. Zu meinem Erstaunen stand dieser Nexus in Mocny. Ich kannte nur vage Geschichten über dieses Reich. Hier wurde nun berichtet, dass er durch die von dem Drachen gemachten Experimente ausgelöscht wurde. Diese Zerstörung war … unfassbar. Das ganze Gebiet ist seither nur selten betreten worden, zumindest soweit mir bekannt war. Gefährlich sollte es dort sein. Nun wurde mir klar in welchem Ausmaß.
Doch ein weiterer Eintrag brachte noch mehr Informationen ans Tageslicht. Arcalis Dacra erfuhr von dem Nexus und fürchtete eine fundamentale Veränderung der Machtverhältnisse. Darum begann er seinen eigenen nExus zu entwickeln. An jeden alliierten trat er dabei eine Teilaufgabe ab, nur er kannte das große Ganze. Und Azoicstrum’s Errichtung war bloß ein Tarnmaneuver, um hier diesen Nexus schlussendlich zu verbergen. Eine ganze Bevölkerungsgruppe auszumerzen als „Tarnung“ … Mir schwante, dass Ava sicher wieder das größere Wohl als Argument auf den Lippen hätte. Logothil war groß, jeder andere Ort hätte es auch getan. Oder eine Verständigung mit den Bugbears wäre möglich gewesen. Beide Drachen hatten ihrerseits parallel eine Gesellschaft vernichtet im Bestreben den jeweils anderen zu übertrumpfen, oder gleichzuziehen. Mit dem Unterschied, dass Arcalis trotz allem schließlich von Shadar vernichtet wurde. Ein Übel merzte das Andere aus. Besser wäre gewesen sie wären beide verreckt …
Vielmehr konnten wir nun nicht mehr aus den Trümmern bergen. Qwe war weiter damit beschäftigt den Turm hinzubiegen. So ließen wir nochmal alle durch die Stadt ziehen und nach brauchbarem Material suchen. Einige Kleinigkeiten und Gold kamen dabei zusammen. Zumindest würden unsere Rachwood’ler nicht verarmt nach Zoica gehen. Und hier hatte sowieso keiner mehr Verwendung für irgendwelche Besitztümer. Vorerst.
Es wurde Mittag. Der Weg nach Zoica stand an. Garret machte den Anfang, um Chrylax schonmal vorzubereiten. Ich gestehe, dass ich mir ein Schmunzeln nur schwer verkneifen konnte. Es war recht klar wie dieses Zusammentreffen ausgehen würde. Er würde es schon wegstecken.
Nachdem der Erstkontakt mit Chrylax wie erwartet verlief sandten wir nach und nach unsere Befreiten hindurch. Besonderes Augenmerk legte ich dabei auf den Hinweis, dass gleich jemand sehr spezielles hindurch käme. Und mit diesen Worten schwebte auch schon Qwe im Raum. Chrylax war ausser sich. Nach einer kurzen Vorstellung der beiden begrüßte Qwe die alte Mumie etwas gewöhnungsbedürftig indem er sie durchschüttelte, als wäre es ein Handschlag. Chrylax Bemühungen Feuerbälle zu werfen blieben ohne Erfolg. Qwe’s Blick war schon ein echter Showstopper für den armen Chrylax. Ich lachte herzlich in mich hinein. Schade, dass Ocanar dies aufgrund des von dem Behodler ausgehenden Feldes entging. Von seiner Art her hätte ich erwartet dies höchst amüsant zu finden. Verdammt, waren wir jetzt Freunde oder sowas? Was ging mir da nur durch den Kopf …
Melody begrüßte uns wie immer herzlich. Als Qwe jedoch sich ihr näherte wurde die Sache kompliziert. Wir wussten, dass sie eine magische Energie um sich hatte. Doch ihre Wirkung war uns unbekannt. Nun wurde sie ersichtlich. Statt ihrer besonderen Optik als halber Adler/Mensch, stand nun schlicht eine Harpyie vor uns. Eine Form von dauerhafter Illusionsmagie hatte auf ihr gelegen. Auf unsere Reaktion hin war sie komplett irritiert. Erst als sie an sich herunterblickte begriff sie. Panisch und ängstlich verlangte sie, dass wir umkehren was wir ihr angetan hätten. Es dauerte eine Weile, bis sie nachvollziehen konnte, dass sie von ihrem „Vater“ – so bezeichnete sie Varion jedenfalls – über ihre Herkunft belogen wurde. Sie kam nur schwer damit klar eine lediglich wilde Harpyie zu sein, hässlich aus ihrer Sicht obendrein. Hier zerbrach ein ganzes Weltbild. Kann nicht sagen, dass ich das nicht verstehen konnte. Ava blieb so einfühlsam wie zuletzt gewohnt. Es war der Moment in dem ich hoffte sie würde niemals Kinder haben.
Ich folgte der heraus rennenden Melody zu ihrem kleinen Hort im Garten. Es gab nicht viel was ich für sie tun konnte. Den Schock musste sie selbst verarbeiten. Aber eventuell konnte es helfen, wenn sie erfuhr mit derlei Situation nicht allein zu sein. So erzählte ich ihr von dem, was meine Familie mit mir getan hatte. Ein wenig Wirkung hatte es wohl, da sie sich zu beruhigen schien. Dennoch wollte sie nicht diese Gestalt behalten. Ich versprach ihr also einen Illusionisten zu finden, der ihren Wunsch erfüllen würde. Ein bestimmter kam mir auch gleich in den Sinn, sofern wir ihn im Treiben Zoica’s wiederfinden würden. Verdammter Angstrum … wenigstens konnte er für etwas gut sein am Ende. Sowieso mussten wir sichergehen, dass er keinen Unfug mit dem Nexus trieb. So überließ ich Melody ihrer momentanen Trauer. Mehr konnte ich nicht für sie tun. Mit Ausnahme sicherzustellen, dass Chrylax keinen Unsinn machte, wenn er sie sah. Ich denke ich vermittelte es ihm ziemlich deutlich, durch die Sicherheit einer langen Treppe. Und dem Bewusstsein daran, dass Qwe von nun an ein Auge auf sie haben würde – mit etwaigen Konsequenzen für das alte Wickeltuch. Was für einen Haufen Irrer hatten wir hier nur zusammengetragen …
Draußen sammelten sich derweil die Rachwood’ler. Es dauerte auch nicht lange, bis Marco seine Fühler in Form von „Kleiner Drache“ ausstreckte. Ich konnte Krathus gerade noch davor bewahren zu viel preiszugeben. Einige Infos jedoch schienen sie bereits durch die Befreiten erfahren zu haben. Wir hätten wohl eine allgemeine Vorwarnung geben sollen. Nun war es zu spät. Ihre Begrüßung „Willkommen zu Hause“ in meine Richtung ließ mich jedoch irritiert zurück. Wann genau war Zoica mein Zuhause geworden?
Die Statt selber hatte sich nicht allzu sehr verändert. Die Akademie bestand primär aus Holz. Weswegen Chrylax seine Studenten auf dem Dach an der frischen Luft trainieren musste. Es hatte wohl schon ein paar mal gebrannt. Die Rachwood’ler zogen sich nun in den verlassenen Compound der Hextor zurück. Mundo’s Siegel war Gold wert gewesen. Sie hatten dem Befehl folge geleistet und so mehr als genug Platz hinterlassen. Zuvor hatte ich Juntos und Razora, aber besonders ersterem, eingebläut sich hier etwas zurückzunehmen. Diese Leute würden die Art aus Rachwood nicht verstehen. Und da war dann noch Cue’s alter Compound. Slate hatte sich echt ins Zeug gelegt. Es sah aus wie neu.
Unser Weg führte auch direkt ins Innere. Der „Herrscher“ wollte sich den aktuellen Status holen. „Oh, Garret ...“ rollte ich innerlich mit den Augen. Als Gerion unsere Anwesenheit bemerkte kam er auch sofort auf uns zu. Der Bericht fiel recht überschaubar aus. Die Steuern flossen gut. Mein Blick verharrte eine Weile auf Garret, bevor ich mich wieder Gerinn zuwandte. Mikimoto und Pashar sorgten für ausreichend Nahrung. Die Spinnen wurden mit ihrem Anteil abgespeist und verblieben ausserhalb der Grenzen Zoica’s. Die Lieferung aus Plateau wurde erwartet, doch wann genau konnte er nicht abschätzen. Ausgehend von der Trägheit einiger der dortigen Bewohner war das nun keine Überraschung. Horatio lieferte Unmengen an Holz. Nicht zuletzt brauchte die Akademie mehr als zunächst erwartet. Auch dies war kaum unerwartet. Schließlich baten wir um die Vorbereitung eines Mittagessens. Wobei erst einmal nur Al’Chara als Gast herbeigerufen werden sollte. Sie musste sich einigen Fragen stellen. Gerion befolgte die Anweisung.
Während wir uns etwas frisch machten, wurden in der Küche alle Vorbereitungen getroffen. Einige Zeit später saßen wir bereit. Die Herrin Therion ließ sich jedoch etwas Zeit, so wie Ava. Als Ava den Raum dann jedoch betrat verschlug es mir glatt die Sprache. Ein grünes Abendkleid und keine Kampfbemalung mehr? Ein geradezu aberwitziger Anblick, wenn man ihre zuletzt zur Schau gestellte Art bedachte. Für einen Moment hoffte ich auf eine ebensolche Änderung ihres Gemüts. Dies jedoch blieb mir verwehrt, wie ich schnell feststellen musste. Es blieb schwierig. Zuletzt trat Al’chara herein. Nebst der Kleinigkeit sich über das Essen zu beschweren, war sie geradezu angewidert von Ava. Genauer ihrem Geruch. Uns war nichts aufgefallen, aber sie witterte Blutmagie an ihr. Konnte es sein, dass das Buch in ihrem Besitz so abgefärbt hatte?
Da wir zuletzt etwas von einem „grauen Mann“ in Zusammenhang mit den Nexi erfahren hatten, befragte ich sie danach. Sie reagierte missmutig darauf. Laut ihrer Aussage war dieser für den Fall Ark’Therion’s verantwortlich. Wie genau wüsste sie aber nicht. Was sie wohl davon halten würde, wenn sie erfuhr, dass ihre Tochter die Verantwortung dafür trug … Diese Information sparte ich daher aus. Sie fixierte sich so sehr auf den Geruch, der von Ava auszugehen schien, dass wir schlussendlich übereinkamen ihr das Buch zu bringen. Sie könnte es lesen beziehungsweise für uns übersetzen. Und trotz großem Widerwillen tat sie es. Als sie es sah glaubte sie es zu erkennen. Doch woher war ihr unbekannt. In jedem Fall enthielt es offenbar die Aufzeichnungen des „grauen Mannes“. Was ein irrer Zufall, dass Garret und die anderen es in dieser anderen Welt gefunden hatten. Aber enthielt es auch die gleichen Informationen, die für diese Welt zutrafen? Es machte den Eindruck. Auch wenn sich ihre Erläuterungen über den Zustand dieser anderen Welt und der Weg dahin ganz anders darstellten als hier. Wie konnten das also sein? Und wenn der „graue Mann“ vom Nexus unter Azoicstrum wusste, wieso suchte Shadar dann noch nach ihm?
Wir erfuhren zumindest etwas über die Geschichte aller vier Nexi. Und dass die Erschaffung weiterer ihrer Art als Kernkomponente die Blutlinie der Dacra Familie brauchte. Scheinbar hate Loganar dies herausgefunden, als er die vielen Welten nach Hinweisen durchforstete. Das hieße er hätte eine unglaubliche Macht und konnte in einem Wimpernschlag das tun, was den dreien durch Zufall geschehen war. Unter der Maßgabe, dass in dieser Welt nur noch Yonci am Leben war hielt Shadar sie mittels Blutmagie am Leben und sorgte für einen unnatürlichen Nachkommen aus der Verbindung mit ihr. Posetine war das Ergebnis. Wir wussten sie hatte beide Blutlinien in sich, jetzt war auch klar wie. Der Bau des Göttlichen und Seelen Nexus war erst durch ihre Existenz möglich gemacht worden. Wie genau blieb ein Rätsel. Aber sie war lediglich ein Mittel zum Zweck gewesen. Noch eine Person, deren Leben heute auf den Kopf gestellt würde – sofern wir es ihr erzählen würden. Dass konnte nicht gut ausgehen.
Zusätzlich fanden sich diverse mächtige Zauber in dem Buch. Alle hatten etwas mit den Nexi zu tun. So zum Beispiel Sphärenerschaffung und Befüllung, aber auch Bannmagie. Es war also möglich den Auswirkungen der Nexusmagie zu widerstehen! Wir mussten diese Form der Magie irgendwie nutzbar machen. Es war endlich eine Chance diese ganze Situation vielleicht doch zu überstehen. Wenngleich ich es weiterhin für eine sehr kleine hielt. Auf die mögliche Zuversicht folgte aber dann auch schon das kalte Wasser ins Gesicht. Das Buch endete mit dem Hinweis auf ein Aufstiegsritual im Zusammenhang mit den Nexi. Shadar wollte wahrlich Göttlich werden. Und zu unserem Verdruss waren die Informationen darüber in einem zweiten Band verborgen, den wir noch zu finden hatten.
Ich wunderte mich, ob der „graue Mann“ vielleicht Loganar selbst war, oder jemand in seinen Diensten. In der Parallelwelt hatte er seinen Vater getötet. Und da die Information des Nexus von Arcalis nie bis an Shadar’s Ohren kam sprach zumindest für eine solche Theorie. Selber die Position einzunehmen wäre dann vielleicht sein Plan? Verflucht … wir hatten nun so viel in den Händen wie noch nie, aber trotzdem blieb so vieles spekulativ.
Ich erinnerte mich an ein Gespräch zur weiteren Planung unserer Reisen. Als ich von Mocny hörte war ich hin und hergerissen diesen Ort zu besuchen, den Ethereal Nexus zu finden. Die anderen hielten es für zu gefährlich. So unrecht hatte sie damit nicht, wie sich zeigt. Nun mussten wir davon ausgehen, dass dort Loganar selbst sein Unwesen trieb. Aber vielleicht war auch das eine Chance. Wenn er hier genauso den Altvorderen loswerden wollte, wäre es nicht anders als mit Ocanar. Hörte ich mir eigentlich selbst beim Denken zu!? Vermutlich suchte ich nur nach einem Grund diese Richtung einzuschlagen. Vieles ging mir durch den Kopf. Es vermischte sich zu einer breiigen Masse und langsam verlor ich den Überblick, was eigentlich meine wahren Motive waren …