Tagebuch: Layara
Sitzung 129 - Part 2
Vorher: [siehe Part 1 - Taya]
Ich betrat den Raum, als Fin, Calas und Garret bereits beinander saßen und hatte den Tod des Kobolds auch gerade erst vernommen. Den Halbling hatte ich zuletzt vor Monaten gesehen, als wir einmal ein großes Treffen der zwei Gruppierungen hier in Zoica hatten. Er würde viel erklären zu haben. Nicht zuletzt hatten seine Leute überaus schräge Dinge hier vor Ort in den letzten drei Monaten veranlasst.
Es hatte aber Fin die Option geboten sich hier einen Namen zu machen und ein Informationsnetzwerk zu errichten. Währenddessen lernten wir Calas kennen, der sich als Gefolgsmann Garrets und späterer Hauptmann Zoicas erweisen sollte.
Nun wurde es Zeit für einige Erklärungen seitens Garrets. Doch schnell stellte sich heraus, dass er keine zu geben vermochte. Scheinbar hatte er keine Erinnerungen an die letzten drei Monate. Soweit wir das ermitteln konnten war dies auch nicht gelogen. Merkwürdiges war geschehen. Denn er und seine Reisegefährten hatten in der Tat vieles unternommen. Loganars Einfluss und Manipulation hatten weite Kreise gezogen.
Plateau half stark beim Wiederaufbau der Stadt, was den optisch einwandfreien Zustand Zoicas erklärte. Auffällig war jedoch gewesen, dass Mundo und seine Armeen aus Scourgefaust verschwunden waren. Niemand konnte sagen wohin sie gegangen waren und ihr Verbleib blieb bisher ungelöst. Mundi hingegen erschuf mehr und mehr Skelettarmeen. Nicht zuletzt angetrieben durch den Verdauungsmotor der Ungolspinnen. Miriyala Zofra hatte sich indes gegen Tundra behaupten können und diesen beseitigt, was ich immer noch mit einem Seufzer der Erleichterung kund tat. Auch fingen die Zwerge wieder an öffentlichen Handel zu treiben, obgleich uns ein Rätsel war, was die inneren Angelegenheiten dort anging. Und zu guter letzt ist Shadar Logoth tot, doch die Bewohner von Logothil sind sich dessen nicht bewusst. Ausserdem war Ralkarion verschwunden und niemand hatte auch nur einen Hauch einer Ahnung wo er sich befinden konnte.
Nach dieser Offenbarung schilderten wir kurzerhand, was uns bis hierher widerfahren war, damit auch Garret auf dem aktuellen Stand war. Wenngleich zumindest ich einige persönliche Details gegenüber der Gruppe aussparte. Wobei Fin und ich aber manche wissenden Blicke austauschten.
Rückblick: Calas
Calas’ Geschichte war eine tragische. Auf der Suche nach seiner Familie führte ihn eine Spur nach Coalroth, weit im Nordosten Logothil’s. Dort vermutete er seinen Sohn finden zu können. Womit er nicht Unrecht hatte. Aber die Geschichte wurde komplizierter. Seine Frau war laut Aussagen verstorben und sein Sohn hasse ihn, da ihm vermittelt worden war, dass Calas an ihrem Tod schuld gewesen war. Es war eine nervenaufreibende Zeit vor Ort, die ihn auch fast selbst das Leben gekostet hatte. Am Ende vermochte er aber die Wahrheit ans Licht zu bringen und den Beginn der Versöhnung mit seinem Sohn anzustreben. Dieser begab sich nunmehr auf die Suche nach seiner vermissten Mutter.
Rückblick: Fin und Layara
Der Schock über Gorok’s plötzlichen Tod saß tief. Ich konnte meine Gedanken und Emotionen kaum beherrschen. Was war hier geschehen? Was lief schief? Wie hatte uns dieser Mistkerl von Bargle so ins offene Messer laufen lassen können?
Noch drehten sich meine Gedanken wild umher. Dann durchbrach Fin sie. Er erinnerte uns an die Nexuskugel und den letzten Wunsch, den sie beherbergte. Hoffnung brach durch, Gorok könnte ins Leben zurückgeholt werden. Der zu zahlende Preis war aber nicht klar. Schließlich lag noch einiges vor uns und nicht zuletzt hoffte Fin gegebenenfalls mit ihrer Hilfe seine Freunde finden zu können.
In mir schrie alles sie zu verwenden. Egal was es kostete. Diese Entscheidung lag aber nicht bei mir. Mit Tränen in den Augen blickt ich hilflos zu dem Halbelfen, der uns erst seit kurzem begleitete. Er hielt die Macht in den Händen uns Fremden helfen zu können … wieder einmal.
Die Zeit kann manchmal ein unangenehmer Begleiter sein. Sogleich zieht sie vorbei und Erlebtes verfällt, wird zu einer weit entfernten Erinnerung. Doch dann, ganz plötzlich, scheint sie sich endlos zu ziehen. Sie lockt mit einem absehbaren Ende, einem greifbaren Ziel. Wobei sie die Pein einer Ewigkeit zu erzeugen fähig ist.
Ich war nicht bereit erneut einen Freund zu verlieren. Nicht jetzt, nicht so. Blicke wurden ausgetauscht, Worte gewechselt. Nichts davon bekam ich wirklich mit. Stimmen verzerrten sich zu wirren dauerhaften Tönen.
Schließlich durchbrach meine Starre, als meine Sinne sich wieder mit dem regulären Verlauf der Existenz zu synchronisieren schienen. Fin nickte. Er lächelte schmal. Dann sprach er die Worte.
Wie immer diese merkwürdige Kugel imstande war dies zu bewerkstelligen … es war egal. Mit einem Mal stand dort lebendig und gesund dieser Berg von einem Halbork. Erst irritiert, dann sicher ob seines nie angezweifelten Sieges über das eben noch bekämpfte Monstrum. So war Gorok halt.
Wie ein Schiff auf stürmischer See schwangen meine Emotionen von hoch zu tief und zurück. Ich bemerkte wie jede Spitze eine Reaktion meiner Magie verursachte. Der Unterschied zwischen brennen vor Freude und verbrennen vor Trauer oder Wut hätte größer nicht sein können.
Ich hauchte Fin ein durch Tränen ersticktes „Danke“ im Vorbeigehen zu, bevor ich den völlig euphorischen Gorok umarmte. Für ihn war es ein typischer Mittwoch Nachmittag …
Wir setzten unsere Reise fort und erreichten bald schon das Lager der Orks. Bargle war erfreut die Krone zu sehen. Dieses dumme Stück Metall hatte uns so viel gekostet. Und wofür? Damit dieses feige Miststück seine Machtposition erhalten konnte? Er war aus guten Grund nicht selber gegangen. Doch eigentlich sahen die Riten vor, dass die Krone sich verdient werden musste.
Als wir uns weigerten sie einfach abzugeben, wollte er uns weiß machen sie ja gar nicht zu brauchen. Doch weder wir, noch seine anwesende Gefährtin sahen das so. Und sicher auch der restliche Stamm nicht. Gorok stellte ihn zur Wahl. Freiwillig den Platz räumen oder sich die Krone verdienen.
Er wählte letzteres, ganz wie ich gehofft hatte. Bargle war längt zu einem dekadenten Herrscher geworden. Faul und müßig. Sicherlich in gewisser Hinsicht gefährlich, aber keinesfalls mächtiger als Gorok. Zumindest wollte ich dies glauben. Es bedeutete, dass sein Kopf rollen würde. Und genau in dem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher.
Es hätte mich wohl erschrocken so zu denken, wenn ich meine Gefühle reflektiert hätte. Aber ich tat es nicht. In mir loderte es und auch jetzt noch hatte ich Mühe es zu kontrollieren.
Schnell hatte sich rumgesprochen, dass es einen Kampf um die Führerschaft geben würde. Der Andrang war groß und die Kontrahenten bereit.
Ein wilder Schlagabtausch brach aus, wobei Bargle verzweifelt versuchte die Oberhand zu gewinnen. Doch war er unserem Halbork nicht gewachsen. Gorok blühte in dieser Arenasituation geradezu auf. Dafür war er geschaffen, das war es wofür er lebte.
Ich erinnerte mich an die Erzählung seiner Vergangenheit. Damals vermochte ich nur das Traurige zu sehen. In Armut erwachsen, von den Eltern verkauft und zum Kämpfer gezwungen. Nun sah ich welche Stärke es ihm gegeben hatte. Welche Leidenschaft in ihm brannte. Und den ungezügelten Willen zum Sieg. Dies war er. Vollumfänglich. Und ich ließ mich mitreißen.
Als Bargle schlussendlich unterlag vermochte Gorok aber zu tun, was ich in der Situation nicht gekonnt hätte. Tatsächlich bot er dem Verlierer an das Leben zu wählen, ihn gar zu seiner rechten Hand zu machen. Ich war weit von solchen Gedanken entfernt. Diese Made mit seinen Taten davonkommen zu lassen war keine Option. Meine Wut brach sich Bahnen und ich spürte die ersten Funken in meiner Hand entzünden.
Hier und jetzt reichte eine Geste und Bargle wäre nie mehr in der Lage gewesen Unheil anzurichten. Doch dann spürte ich eine Hand auf meinem Unterarm und eine Weitere auf meiner Schulter. Fin und Astreth hatten mitbekommen was in mir vorging. Es rüttelte an meinen Gedanken, es ließ mich zur Besinnung kommen. Was war ich im Begriff zu tun gewesen? Der Halbelf schüttelte nur seicht den Kopf, die Goliath blickte von oben mahnend und stoisch hinunter.
Mich auf diese Weise in den Zweikampf einzumischen hätte fatale Folgen gehabt. Ganz zu schweigen von dieser unsäglichen Wut, die mich versuchte zu verzehren. Verwirrung packte mich und wurde jäh unterbrochen durch den Jubel der Maßen, als Bargle einwilligte und Gorok zum neuen Führer gekürt wurde.
Danach ebbte alles ein wenig ab. Wir feierten lange und ausgelassen. Auch wenn sich ein Gedanke nagend in meinem Hinterkopf festsetze, ob es eine kluge Entscheidung gewesen war diesem hinterhältigen Ork eine zweite Chance zu offerieren.
Bald schon hieß es dann Abschied nehmen. Gorok würde nun hier bleiben müssen und wir ohne ihn weiterziehen. Es war ein zwiespältiges Gefühl sich Lebewohl zu sagen. Aber ich wusste, dass es nötig war Verbündete gefunden zu haben für das, was auch immer uns in der Zukunft mit Shadar Logoth erwartete. Dass auch Astreth verblieb, machte es nicht leichter. Basierend auf dem, was ihre Visionen ihr gezeigt hatten sah sie ihre Aufgabe allerdings weiterhin an Goroks Seite.
So zogen wir weiter. In Notherhall hörten Joni und die Herrscherin Isteria nur zu gern von unserem Erfolg. Das große Missverständnis um die „Angriffe“ war aufgeklärt. Und von Gorok ausrichtend konnten wir klarstellen, dass wenn künftig mal ein Ork hierher kommen sollte, dann wäre er keine Gefahr für den Ort. Er würde dann lediglich das Portal aufsuchen wollen.
Wir erhielten unsere Belohnung. Neben den neuen Emotionen, hallten noch einige Alte mit. In diesem Fall meine Abscheu gegenüber den Vollblutelfen. Es war mir einfach nicht möglich dies abzuschütteln. Gleichermaßen war es aber auch angenehm ein bekanntes Gefühl zu haben, von dem ich wusste woher es kam und wie ich mit ihm umgehen konnte.
Auf jeden Fall war es Zeit diese Enklave zu verlassen. Wir hatten uns lang genug von dem Plan Fin beim Finden seiner Freunde zu helfen ablenken lassen. Unser Weg war klar: Es sollte nach Ailamere gehen.
Auf dem Weg hatten wir Zeit über viele mögliche Dinge zu sprechen. Wo gäbe es wohl noch weitere Kugeln? Welche weiteren Verbündeten vermochten wir gegebenenfalls aufzutun? Valaria hielt es für denkbar, dass Sylvanar noch nicht abgeschrieben werden sollte. Fin sah dies als aussichtslos an. Sie jedoch insistierte und wollte dem eine Chance geben. Ihr musste klar gewesen sein, dass wir keinesfalls dorthin mitkommen könnten oder willens waren zu gehen, denn sie nahm unsere Entscheidung verständnisvoll auf.
In Höhe der Waldregion um Sylvanar trennten sich somit auch unsere Wege. Zurück blieben lediglich Fin und ich. Einerseits fühlte es sich eigenartig an plötzlich mit ihm alleine zu reisen. Wie lange kannten wir uns? Aber wenn ich ihn anblickte, in seine Augen sah, dann machte sich dort andererseits eine merkwürdige Vertrautheit und ein Gefühl der Sicherheit breit.
Nach ein paar Wochen bestärkte sich dies, als er sich mir bezüglich seiner eigenen Vergangenheit anvertraute. Dass jeder von uns Geheimnisse haben mochte war mir durchaus klar. Dass er bereit war diese mit mir zu teilen überraschte mich jedoch. Es war verständlich, wieso er einiges für sich behalten hatte.
Zuletzt hatte ich den Eindruck gehabt, dass Fin mehr im Sinn hatte was uns anging. Ob es nun richtig interpretiert war oder nicht. Ich war immer auf Abstand gegangen, was ein paar Momente unangenehmer Stille nach sich zog. Mir wurde klar, dass dies weder fair war, noch so weitergehen konnte. So entschloss ich mich zu erzählen, was es damit auf sich hatte.
Einen großen Teil meiner Vergangenheit kannte er ja bereits. Aber meine Erlebnisse mit Malek und den anderen … das war etwas, was mich stark geprägt hatte und ich nur ungern preisgab. Es kostete einige Überwindung, doch löste das Verständnis darum die angespannten Situationen auf. Eigenartigerweise fühlte ich mich danach geradezu geborgen in seiner Präsenz. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich dieses Gefühl das letzte Mal gehabt hatte, ausgenommen bei meinem Vater.
Irgendwann erreichten wir Road’s End und schließlich Ailamere. Ailamere und ich hatten ein gemischtes Verhältnis. So ähnlich schien es auch Fin zu gehen. Wir nutzten die Gelegenheit bei der Suche nach einer Überfahrt in die Points, um nebenher Erkundigungen zu Vronwe einzuholen. Er hatte uns unfreiwillig nach Notherhall teleportiert und war vermeintlich auch für Leeroy’s Verschwinden verantwortlich gewesen.
Zwar sträubte sich alles in mir sich mit ihm auseinanderzusetzen, aber ich hatte bisher vergeblich versucht Leeroy über seinen magischen Stein zu kontaktieren. Es blieben kaum Optionen übrig.
Statt Vronwe fanden wir Hinweise auf die anderen beiden seiner Gruppe. Kroft und Grimmalk. Fin gab zu bedenken, dass die eine selten ohne eine Andenken in Form eines Körperteils ging und der andere ein unbändiger Schlägertyp war. Ich überließ es seiner Einschätzung und so suchten wir letzteren auf.
In einer Bar trafen wir ihn samt zwei seiner Bekannten. Zwei Männer, die auf die Namen Horst und Axell hörten. Nach den mir gegenüber immer wieder gezeigten Reaktionen hielt ich es für sinnvoll mich auf weibliche Art anzubiedern. Was scheinbar durchaus bei den beiden auf Anklang stieß, jedoch nicht bei dem Zwerg Grimmalk, der offenbar bei seinen Frauen mehr Bart bevorzugte.
Es kam zu einer absurden Situation, in der die zwei dem Zwerg intellektuell Unterlegenen stets zu Zahlungen gegenüber einander oder uns aufgefordert wurden. Auch Fin traf dies von Zeit zu Zeit. Es ergab keinen Sinn. Zumal Grimmalk auch klarstellte, dass weder die Avancen, noch die offenkundig als Provokation gemeinten Verletzungen seiner Ehre eine Wirkung hätten. Zu durchschaubar waren sie gewesen. Offenbar etwas, an dem ich arbeiten musste, wollte ich davon noch einmal Gebrauch machen.
Schließlich gelang es Fin allerdings in dem Gespräch auszumachen, dass Axell der Kapitän eines Schiffes war und bereit war uns in die Points zu bringen. Dies war ein unverhofftes Ergebnis. Danach gelang es ihm auch den Zwerg zum Reden zu bewegen, wenngleich dieser mehr den Eindruck vermittelte uns damit loswerden zu wollen. Doch konnte oder wollte er uns nicht sagen wo Vronwe zu finden war. Er gab uns aber den Hinweis, dass Vronwe nur an zwei Orte teleportieren zu vermochte: Notherhall und Ravengrove.
Somit konnte Leeroy eigentlich nur dort sein. Und wie es der Zufall wollte, kannte ich jemanden, der uns hier weiterhelfen könnte. Sobald möglich wollte ich Ava kontaktieren.
Für jetzt galt es eine Unterkunft zu finden und am nächsten Tag in die Points aufzubrechen. Das Schiff legte pünktlich hab, doch der Kapitän machte einen wenig vertrauenserweckenden Eindruck. Bereits am Vortag schien es, als habe er keine Ahnung was er tat. Und dieser Gedanke manifestierte sich umso mehr, als wir den Schreibfehler am Schiffsrumpf sahen … „Winnd of Gold“. Doch wir konnten nicht wählerisch sein, da sich niemand sonst auf diese Reise hatte einlassen wollen.
Wir fuhren einige Tage umher. Fin vermutete eigentlich, dass wir längst hätten am Rande der Points ankommen müssen. Eines Abends bemerkten wir einen Seemann die Karte manipulieren. Fin war schnell darin ihn auf frischer Tat zu ertappen und mit seinen Messern in eine verlegene Situation zu bringen. Wir hatten vermutet, dass dieser unsere Route manipulierte, doch stattdessen zeigte sich, dass er sie gar korrigierte, da der Kapitän in der Tat keinerlei Talente in der Navigation hatte.
Kurze Zeit später schienen wir dann Fortschritte zu machen. Die Points waren erreicht, doch nun bestand die Frage auf welcher der vielen Inseln wir suchen sollten. Angeblich trieb auch der berühmte Pirat Mad Dog Maddoc sein Unwesen in diesen Gewässern. Er konnte aber auch potentiell hilfreich beim Auffinden der Gesuchten sein.
Die erste Insel ansteuernd wurde Fin klar, dass es einen Personalwechsel brauchte. Er verleitete den Kapitän dazu mit einem Ruderboot die Insel zu erkunden, während der hilfreiche Seemann von neulich das Kommando übernehmen sollte. Auch wenn ich nicht viel von dem geschwätzigen Kapitän hielt, so versicherte ich mich doch, dass wir ihn hier nicht auf ewig stranden ließen. Auf dem Rückweg wollten wir ihn dann wieder aufsammeln.
Unsere weitere Suche verlief nicht unbedingt herausragend. Wir waren schon eine Woche auf See in den Points und gebracht hatte es uns nur schwindende Nahrungsmittel und ein defektes Ruder. Der Nebel und die Riffe waren lebensgefährlich und unser neuer Kapitän zwar insgesamt kompetenter, aber auch ahnungslos was die Region anging.
Dann jedoch trat ein anderes Schiff aus dem Nebel und ging längsseits. Es musste sich um ein Schiff der Piraten handeln, so vermuteten wir. Sie erkundigten sich was wir hier taten und ich nutzte die Gelegenheit noch einmal weibliche Reize einzusetzen. Erneut ohne großen Erfolg, worauf ein plumper Kommentar von der Reling des anderen Schiffs meine Laune von jetzt auf gleich kippen ließ.
Ich wandelte einen eigentlich harmloser Zauber ein wenig ab und ließ ihn potentiell bedrohlich wirken. Dies zündete jedoch ebenso wenig, da mein Gegenüber sich scheinbar mit Magie auskannte. Es war ein frustrierendes Erlebnis. Fin löste die Situation zuletzt auf und brachte eine produktivere Konversation zustande. Er gab an mit Maddoc sprechen zu wollen, weil er auf der Suche nach einigen Leuten war. Man warf ihm ein Objekt herüber und sagte, dass sich in einigen Tagen jemand bei uns melden würde.
Die Tage vergingen, während wir versuchten das Ruder zu reparieren. Und dann, eine knappe Woche später, hörte ich Fin lautstark in seiner Kajüte sprechen. Es stellte sich heraus, dass sich tatsächlich jemand gemeldet hatte. Vielmehr sogar direkt einer seiner gesuchten Freunde. Alle drei waren unlängst frei und lebten auf Inseln in den Points. Mithilfe einer eigenartigen Vorrichtung vermochten sie über angrenzende Spiegel visuell und verbal mit ihm zu kommunizieren.
Die vier brachten sich gegenseitig auf den neuesten Stand. Gondri hatte inzwischen geheiratet und lebte in einer ehemaligen Region von Mocny. Allein den Namen zu hören, ließ mich wieder an meine Mutter denken und welchen Zusammenhang dieser Ort zu ihr hatte. Rohana und Horus aber konnten überzeugt werden, dass sie nach Zoica kamen, um dort zu unterstützen. Es würde nur einige Tage dauern, bis sie auf einem Versorgungsschiff mitfahren konnten. Schließlich sollten wir uns in Road’s End treffen.
Fin war außer sich vor Freude und wir beide ebenso konsterniert, dass scheinbar Foamwave für die Ergreifung der drei, sowie deren Freilassung verantwortlich gewesen war. Foamwave eine Piratin? War dies in Zusammenhang mit ihrer Nähe zu Belaxarim eine gute Sache? Und mehr noch hatten seine Freunde versucht ausgerechnet über Narchessa eine Nachricht an Fin übermitteln zu lassen. Ich verstand seine Irritation darüber nur zu gut.
Von hier aus reisten wir weiter. Auf dem Rückweg griffen wir den eilig im Ruderboot Kreise fahrenden Kapitän Axell auf und einige Zeit später trafen wir dann Rohana und Horus wie besprochen in Road’s End.
Unser Weg führte uns nun weiter nach Zoica. Von dort aus wollte ich unbedingt eine unerledigte Sache angehen und endlich einen Abstecher in meine alte Heimat machen. Mir ging die Vision nicht aus dem Kopf, die mir Narchessa in den Kopf gesetzt hatte. Ich musste wissen, ob etwas an ihr dran war und ich war froh zu hören, dass Fin mich begleiten wollte.
Die Tage vergingen auf dem Weg zum Orden. Gleichwohl Westerfell völlig zerstört gewesen war, galt dies nicht für meine alte Enklave. Abseits der regulären Wege inmitten des Waldes und weitestgehend isoliert vom normalen Geschehen der Region. Doch auch sie müssten sich dem stellen, was geschehen würde, sollte Shadar Logoth über das Land herfallen. Ich glaubte hingegen nicht, dass sie an einer Warnung interessiert gewesen wären oder sie auch nur im Geringsten ernst genommen hätten.
Vermutlich hätte ich diese Gedanke weiter erforscht, wenn mich nicht die Nervosität fest in ihrem Griff gehalten hätte. Schließlich gab es viele Magiebegabte unter ihnen, welche sicherlich eine sinnvolle Ergänzung in unserem Bestreben gewesen wären. Aber je näher wir kamen, desto mehr zog sich mein Magen zusammen.
Ein zurückkehrender Exilant war kaum das, was sie sehen wollten. Am Wenigsten mich. Und mir ging es da nicht anders. All die mir hier zugefügten Schmerzen, körperlich wie seelisch, die ich verdrängt hatte oder zumindest es stets versuchte … alles davon barst Schritt um Schritt an die Oberfläche. Der Aufprall eines jeden Stiefels auf dem ausgetretenen Trampelpfad zum Eingangstor hallte so heftig nach, wie ein Kanonenschuss der Ailamereflotte. Stets gefolgt von einem weiteren in meinem Kopf aufblitzenden Ereignis oder einem Eindruck meiner hier erlebten Vergangenheit. Es war quälend.
Ich beruhigte mich mit dem einen verbleibenden Hoffnungsschimmer, das ich endlich meinen Vater wiedersehen würde. Der einzigen Person, von der ich mit absoluter Sicherheit hatte sagen konnte, dass sie immer für mich da gewesen war.
Das Tor war in Sichtweite gekommen. Ausgehend von allem was ich wusste würden wir jedoch kaum Einlass gewährt bekommen. Mich würden sie erkennen, doch selbst wenn nicht, dann blieben wir immer noch Halbelfen. Fin und ich wussten nur zu gut was dies in einer Vollblutgesellschaft hieß. Mit unseren Fähigkeiten konnten wir ohne Probleme einen Weg finden. Falls wir aber im Ort gesehen würden, war es besser einen zweiten Plan zu haben. So maskierte uns Fin noch, bevor wir den Weg ins Innere antraten.
Es war Nacht und die Straßen entsprechend leer. Nichts hatte sich verändert. Da war der kleine Bäckerladen, der Hufschmied, die Bücherei … das Anwesen der E’Kol Familie. Ein Schauer durchfuhr mich. Dort endlich war mein Elternhaus. Mein Herz pochte so heftig, dass ich glaubte es könnte die Nachbarschaft wecken. Ein letzter Blick zu Fin, meinen Anker in diesem Moment, auf das ein bestätigendes Nicken folgte. Ich klopfte.
Es dauerte einen Moment, bis sich etwas im Haus rührte. Um eine solche Uhrzeit war dies zu erwarten gewesen. Schritte klangen vom Holzboden der anderen Türseite, dann öffnete sich diese. Mein Vater blickte verwirrt in unsere unbekannten Gesichter. Nur ein Stammeln kam aus meiner Kehle. „Hey Paps … ich … ich bins … wir mussten … es ist nur eine Verkleidung.“ Sein Blick war musternd, dann verzog sich seine Miene. Geradezu erschrocken brach es aus ihm heraus, dass ich nicht hier sein dürfte … nicht hier sein konnte, dass ich gehen müsste. Irritation durchfloss mich und Enttäuschung. Ich versuchte zu erklären warum ich wiedergekommen war, doch er hörte gar nicht zu. Fast panisch wiederholte er was er zuvor gesagt hatte.
Mein Vater schickte mich weg. Ohne ein Wort der Grußes, ein Wort der Freude, ein Wort der Erklärung. Mein Geist konnte das nicht verstehen. Die Tür schloss sich so unvermittelt, wie sie geöffnet worden war. Auf ein zweites Klopfen folgten die gleichen Worte, nur dumpfer, da sie von hinter der Tür kamen.
Entgeistert fiel mein Blick zu Fin. Ich glaube er wusste ebensowenig, was er von der Situation zu halten hatte. Das war keinesfalls der Mann, den ich ihm auf dem Herweg beschrieben hatte. Mit Nachdruck erklärte ich, dass wir nicht gehen könnten. Nicht ohne das ich Antworten erhielt und erfuhr, was hier soeben passiert sei. Er schlug vor, dass er versuchen könnte alleine mit meinem Vater zu reden. Eventuell war es ihm möglich ihn umzustimmen oder in Erfahrung zu bringen, was der Hintergrund seines geheimnisvollen Auftretens war. Kaum hatte er meine Zustimmung, schon war das Schloss geknackt und er im Inneren verschwunden.
Die Stimmen der beiden waren zu hören, doch von hier vermochte ich sie nicht zu verstehen. Ich stand allein draußen in der Nacht, auf den Straßen wo ich einst so viel Kummer erlitten hatte. Das besorgte mich hingegen gar nicht. Ich war wie paralysiert ob der Verwirrung. Meine Schockstarre schien sich endlos in die Länge zu ziehen. Die Zeit kann manchmal ein unangenehmer Begleiter sein. Momente wie jene vermochte sie so stark zu verzerren, dass sie einer Unendlichkeit glichen. Einer betäubenden und dunklen Unendlichkeit.
Ein Schemen zog in mein Blickfeld. Es dauerte etwas, bis ich aus meiner Trance herausbrach und sich meine Augen neu fokussierten. Fin war zurück, hatte die Tür geschlossen und drinnen war es still geworden. Ich wusste nicht, was ich in seinem Gesicht lesen sollte. War er beunruhigt, aufgebracht oder war es Mitleid? Ein vorsichtiger Griff an meinem Arm war zu spüren, einhergehend mit einem leichten Druck. Passend zu seinen Worten, in denen er meinte, dass er mit mir reden müsse, jedoch nicht hier. Ich weigerte mich zunächst, wollte ich doch mit meinem Vater reden. Wieso wollte er mich nicht sehen? Eine Träne lief meine Wange hinunter.
Fin’s Worte waren behutsam gewählt, aber Nachdruck lag jetzt in seiner Stimme. Er würde mir erklären, was hier vorging … an einem Ort mit mehr Privatsphäre. So suchten wir uns einen Platz, wo wir ungestört reden konnten. Und wie er begann zu erläutern, was mein Vater ihm gebeichtet hatte, verstummte die Welt um mich herum. Da war nur noch seine Stimme.
Er erzählte von meinen Eltern, die offenbar beide aus Mocny stammten. Davon, dass sie über Jahre hinweg erfolglos versuchten ein Kind zu bekommen. Wie sie sich in ihrem Bemühen an Heiler in Ravengrove wandten. Das diese ihnen auf magische Weise helfen konnten. Doch wie dies gleichermaßen das Schicksal der Familie veränderte. Nichts in dieser Welt kommt ohne ein Preisschild. In diesem Fall war es Blutmagie die ihren Tribut forderte. Diese zerrte an Körper und Geist sowohl der meiner Mutter, wie auch an meiner. In der Not wandten sie sich an weitere Leute, die sich mit Magie auskannten. Verzweifelt klammerten sie sich an die Hoffnung uns beide retten zu können. Doch ein Spezialist sah nur einen Ausweg und der war die Seele der Betroffenen zu stärken, sie abzuhärten gegen die Effekte der Blutmagie.
Die Tragik nahm ihren Lauf, als klar wurde, dass meine Mutter nicht gerettet werden könnte. Und um Schaden von uns abzuwenden bat sie meinen Vater sie umzubringen. Er wollte dann dafür sorgen, dass ich eine Chance bekam dem widerstehen zu können und begann einen Plan zu verfolgen die Abhärtung meiner Seele zu erreichen. So legte er den Grundstein und fügte seither Stein um Stein unaufhörlich hinzu.
Von dem ersten bewusst erlebten Hass gegen mich bis zu meinem Tag der Abreise hatte er alles inszeniert. Jedes böse Wort auf der Straße, jede Prügelei in der Schule, jedem verachtenden Blick in der Akademie, jede mir verwehrte Freude, meine Einsamkeit in der Isolation zwischen so vielen Individuen. Das war sein Werk gewesen. Und was einst Malek und die anderen mir antun wollten … auch dies geschah auf seine explizite Anleitung hin. Jeder in diesem Ort spielte die Rolle, die mein Vater ihm zugewiesen hatte, um mich Leid und Qual auszusetzen.
Er war der Urheber … der Schöpfer meines Unglücks. Mein Vater … die einzige Person, der ich je bedingungslos vertraut hatte.
Es war wie in einer Kammer zu stehen, wo jedes gesprochene Wort immer und immer von den Wänden widerhallte und mit jedem Mal verstärkt wurde. So ohrenbetäubend laut wurde – nicht von einer tatsächlichen Lautstärke ausgehend, aber dem was mit den Worten transportiert wurde –, bis es einen in die Knie zwang und schließlich vermochte den Verstand zu brechen. Wäre meine Seele ein Spiegel gewesen, so war dieser gesprungen.
Mein Körper glühte und die Tränen liefen in Strömen. Ein krampf durchzog mich. Meine Stimme brach, aber das war sowieso egal, denn es fehlten mir die Worte zu beschreiben, was ich fühlte. Die Hitze war keine Einbildung, denn manch eine Träne verdampfte förmlich. Die Verkrampfung wurde stärker je mehr das gesagte langsam tiefer sickerte. Bis sich mir schließlich der Magen umdrehte, wobei ich mich krampfhaft mit einer Hand an Fin’s Schulter festklammerte, da meine weichen Knie mich kaum zu tragen vermochten.
Funken begannen in der Luft um mich herum zu sprühen. Deren Licht spiegelte sich in meinen Augen wider und hinterließ bizarre Visionen in meinem Geist. Visionen die nicht greifbar waren, sondern vielmehr Emotionen ausdrückten. Enttäuschung, Trauer, Angst, Wut. Es brannte lichterloh in meiner Seele. Und ich würde in alledem vergehen, sollte ich hier verbleiben. So begann ich zu gehen, stolpern, rennen … Abstand zu gewinnen … weiter und immer weiter …
Sitzung 111
Bargle stand scheinbar unter genug Druck von außen, dass er sein Wort halten musste. Die Menge blickte interessiert zu uns. Dann erklärte er uns zu den Gewinnern. Der Jubel, welcher uns entgegnete, war immens. Meine Abneigung gegen diesen Ork wuchs.
Zurück im Zelt wurden wir bewirtet und er erzählte uns davon, wie man die Orks vereinen könnte. Es gab einen Anführer, der über ein Artefakt verfügte, welches seine Autorität sicherte. Einen magischen Helm. Dieser ging aber verloren, als besagter Anführer gegen die Insekten aus Krakatar vorging und nicht wiederkehrte. Der Helm des Ork Herrschers, nannte er diesen. Geformt wie ein Schädel an dem Hörner befestigt waren. Bargle führte aus, dass wenn wir ihm diesen brächten, er willens wäre die Stämme zu einen und einen Deal mit uns einzugehen. Im Grunde sollten wir ihm die Drecksarbeit abnehmen und es gefiel mir nicht. Er erwähnte, dass wir einen schamanistischen Schutzzauber erhalten würden, damit wir den Auftrag auch nur ansatzweise ausführen könnten.
Auf die Nachfrage warum dies notwendig war, erläuterte er die Umstände genauer, die zu dem Verlust des Helms führten. Ein Überfall in der Nacht, bei welchem Yaks gestohlen wurden ließ sie aufhorchen. Eine Gruppe dieser Insekten samt eines Anführers wurden dabei gesichtet. Der damalige Herrscher der Orks brach auf die Diebe zu verfolgen und zu stellen. Als er nicht wiederkam ließ Bargle ihre Heimat verfluchen. Seither war es kompliziert sich ihnen zu nähern. So kompliziert und gefährlich ,dass scheinbar nicht einmal der große Bargle selbst den Mut aufbrachte, schoss es mir durch den Kopf.
Doch wir wollten Frieden zwischen Notherhall und den Orks. Mehr noch brauchten wir neue Alliierte, auch wenn sich bei dem Gedanken mein Magen verkrampfte.
Am nächsten Morgen brachen wir auf. Unser erster Stopp sollte beim Schamanen sein, der den Schutzzauber wirken musste. Dies schien der Orks auf dem Hochstand gewesen zu sein, der sich eine Tagesreise Richtung Süden befand. Dort angekommen erklärte er, dass wir nicht wirklich nach Krakatar gehen würden. Dies sei vielmehr ein Code und unser echtes Ziel läge woanders. Wollte Bargle etwa den Aufenthaltsort der Krone geheim halten?
Auch würden wir noch Zutaten benötigen, damit der Schamane den Schutzzauber wirken könnte. So reisten wir einen Tag nach Norden zurück nach Bargleton, um die entsprechenden Zutaten zu erwerben. Warum wir diese nicht gleich hatten mitbringen können erschloss sich mir nicht. Doch sollten wir von hieran auch weiter nach Norden reisen. Unser schamanistischer Führer trank derweil unentwegt Alkohol. Einen weiteren Tag ging es nach Nordwesten.
Hier wandelte sich langsam die Landschaft. Die schwarze Färbung der Schwarzen Hügel wich auf extreme Weise einem Wüstenfarbton. Wir erreichten einen auffälligen großen Hügel. Der Schamane gab uns nun den „Schutzzauber“. Ein widerwärtiges Getränk, versetzt mit mehr Alkohol, als mein Körper vertrug. Sogleich kam es mir wieder hoch. Es machte klar, dass es nötig war, dieses Gesöff zu sich zu nehmen und ich besser mein Erbrochenes wieder zu mir nähme. Ich traute meinen Ohren nicht, aber eine andere Wahl blieb mir kaum. Keine Ahnung wie es mir gelang, aber unter heftigem Würgen brachte ich es dann doch hinunter.
Mein Kopf drehte sich und meine Wahrnehmung schien mir Streiche zu spielen. Da erschienen Schemen vor meinen Augen und ich hörte Flüstern. Es hatte Ähnlichkeiten zu dem, was wir in Mocny erlebt hatten. Dann glaubte ich eine Stimme zu hören, die sich von den anderen zu unterscheiden schien. Eine Frau … meine Mutter? „Entschuldige mein Kind, doch so musste es sein.“ Ein Schaudern durchfuhr mich. Aber auch eine gewisse Zuversicht, dass Mocny wirklich ein Pullzeteil meiner Vergangenheit sein mochte. Vielleicht würde es helfen Antworten zu erhalten.
Doch jetzt hieß es erst einmal sich der Aufgabe zu stellen, die direkt vor uns lag. Nachdem wir alle geschützt waren gingen wir Richtung des Eingangs. Eine alte Festung schien in den Hügel eingebettet zu sein. Zudem umschloss ein riesiger Zirkel das Gebiet, in dem alles einen sandfarbenen Ton hatte. Langsam traten wir dem entgegen und schritten in den Zirkel. Kaum setzten wir einen Fuß hinein änderte sich alles um uns herum.
Irgendwie hatten wir die Ebene gewechselt. Vor uns lag nunmehr eine Art Schwefelebene. Extreme Hitze und giftige Gase strömten uns entgegen. Lavafelder waren zu sehen. Und weiter in der Ferne sahen wir monströse Gestalten. Sie waren ein merkwürdiger Mix aus Schlange und Käfer. Ich versuchte zunächst einen friedfertigen Kurs einzuschlagen, doch schlug das ob der Natur einiger meiner Gruppenmitglieder fehl. So waren wir direkt in einen Kampf verwickelt, bei dem wir die beiden Wächter töteten.
Da meine Aufmerksamkeit auf ihre Speere fiel, beschloss ich einen davon mitzunehmen. Seine Machart war ungewöhnlich und er wirkte recht gefährlich und durchaus effektiv. Auch hatte ich den Eindruck gewonnen, dass meine Feuermagie hier eventuell weniger Einfluss haben könnte. Schließlich war diese Ebene in Feuer gebadet und seine Einwohner offenbar daran gewöhnt.
Wir betraten die Feste und sahen uns drei Wegen gegenüber. Eine große Tür direkt geradezu und zwei Gänge jeweils einen rechts und links. Um keine Aufmerksamkeit auf uns zu lenken erkundeten wir zunächst unsichtbar die Optionen. Voraus standen erneut zwei Wachen an der Tür. In einem Seitengang bewegte sich ein Elementar. So versuchten wir unser Glück mit dem rechten Gang. Hier gab es einen Fluss aus Lava. Kisten lagen an dessen Ufer, wovon wir eine öffneten. Fast explosionsartig poppte eine Unmenge an Mais aufgrund der Hitze auf. Ansonsten gab es hier nichts zu sehen.
So schlichen wir zurück und folgten dem linken Gang, als dieser gerade frei war. Ein Vorhang war an dessen Ende gespannt und dahinter war eine Stimme zu hören, die offenbar von einem angrenzenden Raum zu kommen schien. Vorsichtig blickten wir hinein und erkannten eine Art Feuerelementar, das zu einer Insektenstatue betete. Vor ihm stand eine Opferschale, in der ein merkwürdiges Feuer brannte. Sein Farbenspiel erstreckte sich von lila zu grün zu rot. Ein Schriftzug war darunter eingraviert, der in etwa „Gib mir Schätze und erhalte meinen Segen“ lautete. Auf das eine Gold, dass ich hineinwerfe geschieht nichts.
Gorok entschied sich dann aber das Wesen anzugreifen. In Gemeinsprache hisste es, dass wir das schwächste Glied seien. Es ergab für mich keinen Sinn. Als wir es töteten wandelte es sich in ein Insekt um, welches einen merkwürdigen Umhang bei sich trug. Ich steckte diesen ein, da er eventuell noch einmal nützlich sein konnte.
Bei genauerer Untersuchung der Opferschale und des Raumes bemerkte ich ein eigenartiges Ziehen in meinem Arm. Er verdrehte und verformte sich mit einem Mal. Völlig verstört blickte ich ihn an und musste feststellen, dass er sich in eine Art Insektenextremität verwandelt hatte. Was geschah hier bloß? Meiner Verstörung zum Trotz mussten wir erst einmal weiterziehen. Es musste sich später eine Lösung dafür finden lassen.
Beim Weitergehen kamen wir in einen Raum, der einem ehemaligen Schlafgemach ähnelte. Hier fanden wir das Skelett eines Menschen. Der Aufmachung nach zu urteilen konnte es sich eventuell um einen Priester gehandelt haben. Nebendran lag ein altes Holzbein, dass aus unerfindlichen Gründen trotz der Verhältnisse hier nicht verbrannt war. Vala entschied es einzustecken.
Hinter einer weiteren Tür hörten wir erneut Geräusche. Eine längere Diskussion entbrannte, wie wir vorgehen sollten. Es hatte schon zu viel Blutvergießen gegeben fand ich. Doch gab es auch Stimmen, die sich eher für ein weiteres Durchmetzeln aussprachen. Irgendwann hatte ich von alledem genug und schritt einfach durch die Tür. Dort standen zwei Salamanderwachen. Doch als ich versuchte in Infernal mit ihnen zu reden, drehten diese durch und griffen uns an. Wieder pflasterten Leichen unseren Weg. Und bisher wusste ich nicht einmal wieso. Waren diese Wesen denn unsere Feinde? Bargle hatte viele Details ausgelassen und in mir wuchs das Gefühl, dass wir eventuell dem falschen halfen.
Vor uns lag nun ein großes Bronzetor. In einer weiteren Diskussion um das Vorgehen entschied die Gruppe, dass wir mit höchster Gegenwehr vorgehen wollten. Auch wenn ich dieses Vorhaben nicht teilte. Schließlich waren wir die Eindringlinge hier und diese Wesen verteidigten bloß ihre Heimat.
Als wir das Tor öffneten, fanden wir dahinter einen Altarraum. Ein großer Wandteppich hielt das Konterfei der Königen, wie sie über den Insektoiden thronte, welche gegen Yuan-ti kämpften. Von hier aus führte ein weiters Tor in eine riesige Halle. Zuvor hörten wir dahinter bereits Feuer lodern und ein eigenartiges Klackern. Eine erhöhte Ebene mit einem Bronzethron war zu sehen. Ein riesiges rotes Insekt war dort und es trug scheinbar die gesuchte Krone. Myriaden von Insekten liefen ihr über den Körper. Diese Kreatur hatte zudem Klauen und einen Arm, der an eine Peitsche erinnerte. Und mehr noch, schien es uns zu verstehen.
Es reagierte in Gemeinsprache auf uns, wobei es eine irreguläre Dualität in seiner Stimme hatte. Es wirkte, als sei ein Teil Individuum und ein Teil eine Form von Schwarmbewustsein. Das zuvor wahrgenommene Kleckern kam von dem Chitin ihres Körperpanzers, wenn es sich bewegte. Und es war keinesfalls gut auf uns zu sprechen, da wir seine Untergebenen getötet hatten. So entbrannte erneut ein Kampf, einer den ich eigentlich hatte verhindern wollen.
Die Angriffe dieses Wesens und seiner gerufenen Insektoiden waren gefährlich und setzten uns ziemlich zu. Erschrocken vernahm ich wie Astreth der Fuß abgeschnitten wurde, sie ihn aber dank ihrer Magie wieder anheilen konnte. Meine Magie hingegen schien wirkungslos. Diese Ebene hatte diese Kreaturen gegen Feuer gewappnet, oder waren sie es vielleicht von ihrer Physiologie her zuvor schon gewesen? Das wilde Hin und Her setzte mehr uns mehr zu.
Verzweifelt versuchte ich etwas beizusteuern. In meiner Wut über all das Geschehene entließ ich meine Magie in Form des Brüllens eines Drachen, was sich durch ein feuriges Abbild zusätzlich manifestierte. Dies zeigte unerwartet Wirkung und verängstigte die Kreatur kurzzeitig. Es erkaufte uns wertvolle Sekunden. Doch es kam umso aggressiver wieder auf uns zu, nachdem es sich gefangen hatte. Gleichzeitig hatten wir den Eindruck, dass es nicht mehr lange durchzuhalten vermochte.
Doch dann geschah das unfassbare. In einer letzten Attacke griff es Gorok mit seiner scherenartigen Klaue am Hals und presste zu. Zunächst wandte er sich noch und versuchte dem Griff zu entkommen. Und dann mit einem Mal klappten die Scheren zu und Goroks Körper wurde schlaff. Sein Kopf fiel einfach von seinen Schultern. Das war auch der Moment wo Vala ihren finalen Streich ausführte und ebenfalls das riesige Insekt köpfte. Ich konnte nicht glauben, was meine Augen mir zeigten.
Ich bekam Garn nicht mit, wie der Schutzzauber ausgerechnet jetzt zu versagen begann, oder wie Fin und Vala die Krone und anderes rumliegendes Zeug schnellstmöglich ergriffen und zur Flucht ansetzten. Auch nur bedingt, wie Astreth Goroks Körper schulterte.
All meine Zweifel, meine Wut und Trauer brachen sich bahnen. Förmlich explosionsartig entlud sich meine Magie und ich brannte lichterloh. Doch ich spürte keine Hitze mehr. Da war kein Feuer, da war nur … ich. Aufbrüllend über den Verlust meines Freundes entließ ich Welle um Welle an Flammen über diesen Ort. Ich wusste, dass ich weinte, aber keine Träne konnte sich meiner Glut entziehen und verpuffte sofort zu Dampf.
Irgendwann spürte ich einen festen Griff um meinen Körper. Dieser zog mich hinaus aus der Halle, aus der Feste, aus dieser Ebene. Mein Feuer erlosch. Meine Emotionen nicht.
Sitzung 100
Fin, Astreth und Valaria wurden behandelt, aber mussten noch mindestens diesen Tag unter Beaufsichtigung bleiben. Das ließ uns zu viel Zeit unter Leuten verbringen, die Fin und mir Bauchschmerzen bereiteten. Einen anderen Weg gab es jedoch gerade nicht. Vielleicht hätte ich ob der Hilfe zufriedener sein müssen. Doch wie schüttelte man 50 Jahre horrende Erfahrungen einfach so ab? Es war mir unklar und daher unmöglich. Obgleich ich es schaffte mehr Ruhe in meine Gedanken einkehren zu lassen.
Die erzwungene Pause von unserer Reise nutzten wir zunächst einmal zur Informationsgewinnung. Joni war sehr daran interessiert uns in den Konflikt um Bargle und Notherhall einzubinden. Konstant gab es Angriffe und diese sollten gestoppt werden. Als nicht-Elfen schienen wir prädestiniert zu sein dies vollbringen zu können, da seine Leute stets angegriffen wurden. Zumindest würden Opfer auf beiden Seiten damit verhindert werden. Wenngleich wir anderes zu tun hatten war es doch etwas mit positivem Einfluss auf die Region. Meine ablehnende Haltung gegenüber den Vollblütern rechtfertigte schließlich keine Todesopfer. Wir stimmten also zu. Joni versprach noch eine Bezahlung für unsere Dienste, welche Fin für sich direkt ablehnte.
Im Grunde war mir das auch egal. Dann war da aber diese Gefühl, dass ich schon seit meines Erlebnisses mit Tamarax hatte. Etwas bisher noch unkontrolliertes verspürte ich im Inneren und einer Eingebung folgend bat ich um eine spezifische magische Komponente. Er gewährte sie, doch hatte sie zunächst angefertigt zu werden. Voraussichtlich stand sie also erst nach unserer Rückkehr zur Verfügung. Es enttäuschte mich. Wieso war ich bloß so ungeduldig? So kannte ich mich selbst kaum. Joni ging nachdem er unsere Zustimmung bekam und im Groben zusammengefasst hatte was er wusste. Als letzten Kommentar warf er noch einen sehr merkwürdigen Satz ein, mit dem er uns versicherte, dass es in Notherhall keine Monster gab. Das klang eigenartig.
Orks griffen in regelmäßigen Abständen Notherhall an. Die Verteidigung hielt bisher stand. Gleichermaßen war auffällig gewesen, dass die Angreifer eher junge Orks waren. Und dann gab es da noch neben den frontalen Angriffen einige eher hinterhältige Versuche einzudringen. Scheinbar ausgeführt von Assassinen. Die Elfen nahmen an, dass diese vorhatten ihre Anführerin umzubringen. Alles war bisher vereitelt worden. Es war verwunderlich wieso die Orks so besessen waren nach Notherhall zu gelangen. Besonders da sie stets versagten – nicht selten zu Lasten ihrer Leben. War es ein barbarischer Initiationsritus, oder steckte etwas anderes dahinter?
Als wir allein waren widmeten wir uns Valaria. Offenbar war sie nun Teil dieser Gruppe … zumindest für den Augenblick. Vermutlich wäre ich weniger hart in meinem Verhalten ihr gegenüber gewesen, wenn wir nicht ausgerechnet in einer Stadt voller Elfen gelandet wären. Verkrampft versuchte ich freundlich zu sein. Auf die Frage was sie überhaupt antrieb kam überraschend zutage, dass sie sich mit der Geschichte Logothil’s auseinandergesetzt hatte und dies in der Folge sie immer wieder auf Zusammenhänge mit Drachen stieß. Sie schien wirklich fasziniert von dem Thema. Ihrer Theorie nach war alles verknüpft mit deren Anwesenheit. So falsch lag sie da nicht. Als sie euphorisch erzählte riss mich das auch ein wenig mit. Lange Zeit hatte ich ebenso nach Hinweisen gesucht. Auch wenn dies aus anderen Gründen war.
Wir tauschten ein paar rudimentäre Informationen aus. Darunter auch was im Hort passiert war – was sichtlich ihr Interesse geweckt hatte. Richtig begierig auf Informationen war sie und entsprechend enttäuscht einen echten Drachen nun verpasst zu haben. Dazwischen machte sie auch klar, dass sie die Vorurteile ihrer Artgenossen gegenüber Mischlingen nicht teilte. Sie gar ablehnte. Das klang gut und schön, doch es blieb ein Rest Skepsis. Die Gesamtsituation war schlicht zu überfordernd, als dass es möglich war derzeit eine eingehende Bewertung ihrer Person vorzunehmen.
Die Resonanz auf ihren Heimatort war gemischt. Ich wusste nur zu gut von dem Bündnisbruch von Sylvanar. Fin hatte in ihr aber jemanden aus seiner Heimat gefunden. Und wie es aussah war Valaria die ehemalige Gruppierung um Fin durchaus bekannt. Sie sympathisierte mit ihnen. Ebenso freute sie sich mit uns reisen zu können. Besonders mit, laut ihrer Aussage, so attraktiven Gefährten. Verunsichert wandte ich meinen Blick ab, merkte aber wie mir das Blut ins Gesicht schoss ob ihrer schmeichelhaften Aussage.
Nach dem Gespräch stand uns der Tag offen. Fin hatte keine Lust die ganze Zeit im Zimmer zu verweilen. Wenn wir schon hier waren, dann konnten wir uns auch den Ort anschauen gehen. Leider war es Gorok verwehrt worden sich draußen zu zeigen. Als Halbork würde er eher nicht so positiv wahrgenommen werden, hatte Joni uns mitgeteilt. Es gefiel mir nicht ihn zurückzulassen, aber Gorok nahm es wie immer locker.
Notherhall hatte eine düstere Schönheit. Die Architektur war wunderschön. Allerdings war die Stadt viel kleiner als erwartet. Ihr Aufbau eher militärisch orientiert. Über allem hing ein Schleier des Zwielichts. Das Licht schien sich hier zu einem Punkt innerhalb der Stadt „hingezogen“ zu fühlen, was für ein nie zuvor gesehenes Farb- und Lichtspiel sorgte. Mysteriös und gleichermaßen faszinierend sah es aus. Die Einwohner waren eher ungewöhnlich gekleidet. Nicht einer lief ohne gewisse Anteile von Rüstung herum. Ein jeder war zumindest leicht bewaffnet. Das alles war wohl eine Folge von der direkten Nähe zu den eher unberechenbaren Anhängern von Bargle.
Auf unserem Weg durch die Stadt gerieten wir an einige aussergewöhnliche Spezies. Dafür, dass es keine Monster in der Stadt geben sollte wirkten diese Tiere schon monströs. Sie alle schienen aber keine Gefahr darzustellen, verhielten sich gar absonderlich normal obgleich ihres Aussehens. In der Mitte der Stadt befand sich eine Art riesiger Pavillon. Gerade waren zwei Anwohner damit beschäftigt einen Elefanten in die Mitte zu bringen. Es war erstaunlich ein solches Tier in diesen Breitengraden anzutreffen. Wo hatten sie es wohl her?
Auf einmal ertönte ein Gong, welcher die ganze Stadt mit seinem Klang umfing. Um uns herum holten die Bewohner etwas aus den Taschen und setzten es sich auf die Nase, fast wie Brillen. Wir erahnten, dass etwas geschehen sollte. Ich kniff die Augen zusammen, doch das plötzlich alles durchflutende Licht war zu grell. Es blendete für einen Augenblick. Nachdem es sich gelegt hatte schien alles wieder seinen normalen Gang zu nehmen. Doch der Elefant war verschwunden. An seiner Stelle stand nun ein riesiges grünes Etwas mit Tentakeln!? Verwandelten sie etwa herkömmliche Tiere in diese … Monster? Ein Anwohner erläuterte uns die Zusammenhänge, bestätigte dabei den Verdacht. Sie taten dies um gegen die Orks im Falle weiterer aggressiver Vorstöße aufzurüsten. Was für eine unglaubliche Quelle der Macht. Valaria schien mehr zu wissen. Sie erklärte, dass es sich dabei um ein Portal ins Fey Wild handeln müsse. Die Mächte die dort wirken seien unberechenbar.
Wir schlossen unsere Besichtigung des Ortes ab. Leider gab es nicht wirklich viel zu sehen. Die eher martialische Lebensweise hatte nur wenig Raum für normale Geschäfte oder Sehenswürdigkeiten gelassen.
Gorok hatte es sich derweil gutgehen lassen. Versorgt mit Wein und Essen war er trotz seines Hausarrestes bei guter Laune. Astreth hingegen war offenkundig weiterhin besorgt um die Abhängigkeit von Gorok zu seiner von Narchessa erhaltenen Waffe. Mir ging es da ganz genauso. Sie suchte das Gespräch mit ihm, um zu ermitteln ob die Waffe eine Gefahr für ihn oder uns sei. Erneut inspizierte sie diese genau, versuchte sogar eine Form des Kontakts herzustellen. Nachdem er uns neulich mitteilte, dass sie zu ihm sprechen würde war es sinnvoll und notwendig Antworten zu erhalten. Final war sie sich aber dann auch weiterhin unsicher. Es mochte sein, dass die gleichen Geister, die zu ihr sprechen, auch zu ihm Kontakt aufnahmen. Aber es wäre auf diesem Wege höchst ungewöhnlich gewesen. Gorok versicherte erneut nicht unter fremden Einfluss zu stehen. Er sähe es lediglich als effizienter an dem Ruf dieses Objektes zu folgen. Wirklich überzeugen konnte es mich nicht, so fürchtete ich mich weiterhin vor dem ersten Mal, wo wir die Ringe einsetzen würden …
Der Tag zog dahin und bald schon brach die Nacht an. Es war ruhig und erholsam. Speziell nach dem entbehrungsreichen Aufeinandertreffen mit Vronwe war dies sehr willkommen. Am Morgen kam schon bald Joni zu uns. Er erläuterte die letzten Details zu unserer Aufgabe. So also wo wir die Orks finden würden, wie auch eine Möglichkeit uns als die auszuweisen für die wir uns ausgaben. Statt aber eines Dekrets seiner Mutter übergab er uns seine Pfeife als Beweis mit. Orks würden ja nicht zwangsläufig lesen können, was Gorok eindringlich bestätigte. Reittiere gab es für uns keine, da jedes verfügbare Tier aktuell für die „Aufrüstung“ verwendet wurde. Das hieß also einen Fußmarsch von vier Tagen durch potentiell feindliches Gebiet. Ausgehend von der Wichtigkeit unserer Unternehmung hätte ich anderes erwartet. Bei einem potentiellen Scheitern, was hier wohl durchaus impliziert wurde, wollte man also keine Ressourcen verschwenden. Begaben wir uns hier auf einen Todesmarsch, oder war es bloß das typische Misstrauen von Elfen gegenüber Fremden? Es fiel mir schwer nicht eine gewisse Wut zu verspüren.
Es dauerte keinen halben Tag bis die anderen bemerkten, dass wir verfolgt wurden. Gorok sprach es direkt an. Suchte dann auch sogleich ein nahe liegendes Gebüsch auf in dem er augenscheinlich etwas vernommen hatte. Und tatsächlich erhielt er auf seine gestellte Anfrage eine Antwort. Eine weibliche Elfe, ein Ranger, trat heraus und befragte uns nach unseren Absichten. Wir erläuterten kurz was unser Auftrag war. Sie blieb für einen Moment skeptisch, bis ich eine typische Phrase von Joni verwendete. Daraufhin ließ sie uns mitten im Satz stehen und zog ohne weitere Worte ab. Ihr folgend trat nun um uns herum ein ganzes Kommando aus den Schatten und tat es ihr gleich.
Wir folgten dem genannten Weg noch eine ganze Weile. Die Wildnis hier hatte etwas Einzigartiges. Ich genoss die Schönheit der Natur in vollen Zügen.
Unterwegs unterhielten wir uns über einige Themen. Fin erzählte ein wenig von der Gruppe, mit der er schon seit den Zeiten in Sylvanar zusammen war. Sie waren alle Mischlinge und entsprechend war die Behandlung durch die Vollblüter gewesen. Sie nutzten dies sich zusammenzuraufen. So wie er es beschrieb machten sie eine Menge Blödsinn als Akt der Rebellion gegen diese unwürdige Behandlung. Während er dies berichtete wünschte ich mir die ganze Zeit auch solche Freunde gehabt zu haben … doch bei mir zuhause gab es neben mir niemanden der so war wie ich. Es klang beneidenswert sich als Gruppe gegen die Ungerechtigkeit zu stellen. Ursprünglich waren sie wohl zu fünft. Aber eine von ihnen verriet die Gruppe. Ich wunderte mich wieso jemand von unserer Art sowas tun würde. Schließlich wollte Sylvanar dann alle fremden Einflüsse entfernt wissen. So verließen die vier ihre Heimat und strebten Richtung Ailamere.
Astreth berichtete von ihrer spirituellen Verbindung zu den Geistern. Ich war überrascht zu erfahren, dass sie das wörtlich meinte. Geister von Verstorbenen, die in dieser Welt gebunden waren. Ihr war es möglich mit ihnen auf eine gewisse Art zu kommunizieren, ihre Kräfte zu nutzen. Das war beeindruckend. So erinnerte ich mich auch noch einmal an den Kampf mit Vronwe. Das war also was sie dort tat. Scheinbar war sie nicht weniger neugierig. Sie fragte nach meinem Glauben. Ich gestand, dass ich lange an gar nichts glauben konnte. Es schien mir ein Hohn zu sein, dass unser Orden Sirion gewidmet war – einem Gott des Wandels … und Feuers. Von Wandel war bei den Vollblütern aber nie etwas zu verspüren. Zuletzt überdachte ich aber die Lehren. So vieles war geschehen. Dinge, die absolut im Einklang mit dem standen, was mir einst vermittelt worden war. Ob dies auch meinen Glauben neu befeuern würde müsste die Zeit zeigen.
Der Tag verlief ansonsten unspektakulär, ebenso die erste Nacht. In der zweiten Nacht wurden wir von Valaria geweckt. Zwei Orks hatten sich wohl an Gorok vergreifen wollen, aber überlegten es sich scheinbar noch einmal. Wir sahen nur noch ihre Silhouetten in der Dunkelheit verschwinden. Von nun an war es wohl besser auf Astreth’s magischen Schutz zurückzugreifen, damit wir des Nächtens keine unliebsamen Überraschungen mehr erlitten. An Tag drei konnte man den Übergang zu den schwarzen Hügeln deutlich wahrnehmen. Das Gelände wurde in der Tat dunkler und dunkler. Fast sah es so aus, als ob sich ein Schleier mit vulkanischer Asche über alles gelegt hätte.
In der Ferne machten wir etwas Eigenartiges aus. Ein sonderbares Objekt bewegte sich schwebend, sehr schnell und im Zickzack huschend durch die Ebene. Es stellte sich als ein magisch kreiertes Auge heraus. Als es uns erblickte kam es näher, begutachtete jeden von uns ganz genau und machte dann Anstalten, dass wir ihm scheinbar folgen sollten. Sein Tempo hatte es zumindest an das unsrige angepasst. Wir wollten keinen Ärger, weswegen ein offenes Vorgehen wohl das Beste wäre. Wir folgten. Nach einiger Zeit kamen wir an eine Art Hochstand. Auf diesem befanden sich eine Liege und eine Form von Sonnenschirm. Die Liege war von einem dicklichen Ort besetzt. Gorok sprach zu ihm. Nachdem er unser Dasein erläutert hatte, bekamen wir die Aufforderung dem Auge bis zum Lager von Bargle zu folgen. Übergriffe hatten wir nicht zu befürchten solange wir dies taten. Dies einhaltend reisten wir weiter. Der Weg wurde konstant steiler.
An Tag vier erreichten wir den Mittelpunkt der schwarzen Hügel. Noch bevor wir das tatsächliche Lager sehen konnten gab es eine Begegnung mit einer mürrischen Orkfrau, die gerade Probleme mit ihrem Yak hatte. Astreth löste diese Wegblockade mit einem gezielten Hieb auf dessen Hintern. Ausgehend von den Umständen war dies eigentlich ganz amüsant.
Am Abend erreichten wir dann unser Ziel. Eine immense Ansammlung von Zelten. Sie waren in Schwarz und Rot gehalten mit einer weißen Hand als Symbol. Es mussten hunderte sein. Nur drei Orte stachen dabei hervor. Ein sehr großes Zelt, welches über allem anderen thronte. Dann eine Palisade, die auf einem Platz aufgestellt worden war. Und zuletzt ein großer Palisadenring, dessen Funktion sich mir genauso wenig erschloß, wie die einsam stehende Palisade. Die Orks im Umkreis betrachteten uns neugierig, aber keiner machte Anstalten uns anzugreifen. So folgten wir dem Auge hinein bis hin vor das große Zelt. Hier verpuffte unser Führer einfach. Ein Zeichen dafür, dass wir unser Ziel wohl erreicht hatten. Behaglich war mir keinesfalls. Bisher schien alles erstaunlich friedlich, doch wenn sich dies ändern sollte gab es kein Entkommen.
Gorok war wie gehabt nicht aus der Ruhe zu bringen und machte den Anfang beim Eintreten. Eine Orkfrau begrüßte uns. Zu unserer Überraschung wechselte sie in die Gemeinsprache, als ihr klar wurde, dass ausser dem Halbork vor ihr keiner ein Wort verstand. Während wir unser Anliegen vortrugen knüpfte sie weiter an einem zukünftigen Teppich. Überhaupt war es hier drin verhältnismäßig angenehm und bequem. Die Teppiche zu unseren Füßen hatten eine hohe Qualität. Nachdem sie im Bilde über unsere Absichten war sollten wir nunmehr Bargle the Infamous kennenlernen.
Nun wurde deutlich, dass sie wohl die Frau des Anführers war. Und die Art ihrer Kommunikation war sehr speziell. Sie rief nach ihm als „Bargle Longtooth the Vicious“. Dieser war aber derzeit mit einer Art Konkubine beschäftigt? Ein wildes Hin und Her entstand, dass mir innerlich schon ein Lachen abrang. Es wurde ganz klar deutlich wer in diesem Zelt die Hosen anhatte. Für einen Moment schienen die Sorgen wie weggeblasen zu sein. Aber schließlich mussten wir uns dem Anführer dieser Legionen erklären.
Er zupfte sich noch zurecht, als wir reinkamen. Sein Thron war ganz unzweifelhaft ein Drachenschädel. Zu gern hätte ich etwas Studienzeit damit zugebracht. Doch dafür warren wir nicht gekommen. Wir erläuterten ihm, dass sich Notherhall Frieden wünschte. Woraufhin er recht nüchtern darauf hinwies wie sie doch scheinbar den Kampf suchten. Es dauerte eine Weile diese „Logik“ zu verstehen. Kein reguläres Argument hatte funktioniert, da die allgemeine Ansicht der Orks war: Wer nicht kämpfen wolle, der ziehe halt auch keine Waffe. Er versicherte sie würden niemanden angreifen, der nicht bereit wäre zu kämpfen. Das Argument der Verteidigung ihrer Heimat schien er nur schwerlich nachvollziehen zu können. Astreth hatte zunächst versucht die Argumentation zu unterstützen, bis sie plötzlich eher provozierend wurde. Ich hatte mich schon weit aus dem Fenster gelehnt, was gerade noch so toleriert wurde. Sie schien aber den Bogen aus Bargle’s Sicht zu überspannen. So verwies er sie des Raumes.
Tatsächlich gab es gar keine Kriegserklärung der Orks. Es ging den jungen Orks nur darum zum Portal zu gelangen – obgleich ein paar Elfentrophäen ihnen auch Anerkennung brachten. Er war wohl selbst einst durch dieses getreten und schließlich in seiner jetzigen übermäßig kräftigen Gestalt herausgekommen. Seither versuchten es viele ihm gleichzutun. Nicht zuletzt in dem Glauben, sie könnten ihn eventuell im Nachgang herausfordern und besiegen. Gorok nahm dies zum Anlass schon fast zu einem Duell zu rufen. Er mochte sicher stark gewesen sein, aber die Gestalt von Bargle war in der Tat furchteinflößend. Dieses protzige zur Schaustellung von Stärke gefiel ihm aber. Selten fühlte ich mich falscher am Platz.
Auch machte Bargle klar, dass er den Orks nicht einfach Befehle erteilen könne. Es sei ein freies Volk und jeder entscheide für sich selbst. Mir kamen Zweifel ob dies vollumfänglich zutraf. Als Gesellschaft hatten sie ihn nicht umsonst als Führer auserkoren. Seine Stärke gab ihm Befugnisse, davon war ich überzeugt. Doch um überhaupt etwas bewirken zu können hielt es Gorok für sinnvoll uns ihren Respekt zu verdienen. In wenigen Sätzen handelten die beiden einen Kampf zur Belustigung der Massen und Beweiskraft unserer Stärke aus. Erschrocken über diesen Verlauf der Gespräche wusste ich nicht was ich denken sollte. Wieder würden wir in einen Kampf gezogen werden. Wieder gäbe es Opfer zu beklagen, dachte ich in mich hinein. Hätten diese verdammten Vollblüter ihre Arbeit nicht selbst machen können!?
Es gab von hier aus gar keine anderen Optionen mehr. Am nächsten Tag würden wir uns in einer Arena vorfinden. Scheinbar würden wir aber „nur“ gegen einige ziemlich gefährlich klingende Schlangenmonster antreten müssen. Ich hoffte Gorok wusste was er tat. Mehr noch hoffte ich, dass dies kein Vorwand war die Ringe zu benutzen.
Bevor wir gingen stellte sich im Übrigen noch heraus, dass der Drachenschädel keine im Kampf errungene Trophäe Bargle‘s war. Mit Drachen hätte er auch sonst nichts weiter zu tun. Und eine Gefahr von außen sah er nicht und sowieso interessierten sich die Orks nur für ihre angestammte Heimat hier in den schwarzen Hügeln. Zudem wurde Valaria aufgrund der Situation mit der Arena und eines Kommentars von ihr zu einem Duell herausgefordert. Sie wich aus, meinte eine Partie Schach wäre eher etwas für sie. Woraufhin Bargle zur Überraschung aller sofort einwilligte. Tatsächlich hatte er ein Schachbrett parat. Ich verfolgte das Spiel gespannt. Zug um Zug näherte sie sich dem Sieg, welchen sie ziemlich souverän dann auch für sich beanspruchte. Ich ertappte mich dabei darüber nachzudenken, dass sie eventuell doch keine so schlechte Ergänzung unserer Gruppe wäre. Zur Belohnung erhielt sie einen verzierten Trinkbecher aus Drachenknochen von Bargle. Es war ohne Frage ein beeindruckendes Geschenk.
Damit war aber auch alles gesagt worden. Bargle wollte sich wieder seiner vorangegangenen „Beschäftigung“ widmen und wir hatten vor das Nachtlager zu präparieren. Astreth sorgte dafür, dass wir zumindest in dieser Nacht sicher waren. Ihr Schutzzauber war etwas, dass mir stets ruhigere Nächte verschaffte. Ich nahm mir vor ihr mal zu sagen wie dankbar ich dafür war.
Draußen trat unversehens ein Ork an Astreth heran. Scheinbar forderte er sie zum Kampf heraus. Fälschlicherweise hatte er sie wohl auch für einen Mann gehalten. Als er dann von Gorok erfuhr, dass sie eine Frau war kam noch mehr Begeisterung in ihm auf. Wollte er sich etwa mit ihr … paaren? Es war etwas eigenartig seine Bemühungen zu beobachten. Um ihre Gunst zu erringen schlug er sich gar einen Stoßzahn heraus. Astreth lehnte ab. Doch war sie so freundlich ihm den Zahn wieder an den rechten Platz zu setzen. Dank heilender Magie funktionierte das sogar. Der Ork schien in seinem Stolz allerdings etwas verletzt, nicht zuletzt da er zu guter Letzt noch von seinen Kumpanen ausgelacht wurde. Ich war zwischen Mitleid und Amusement hin und her gerissen.
Am nächsten Morgen beobachteten wir wie immer wieder Orks zu Bargle ins Zelt gingen. Scheinbar berichteten sie von Erfolgen im Kampf, oder holten sich seinen „Segen“ für einen eben solchen. Der Einfluss auf die seinen war wie angenommen deutlich höher, als er das von sich gegeben hatte. Wenig später trat auch seine Frau vor unser magisches Zelt. Sie brachte die offizielle Einladung zu unserer verabredeten Prüfung der Stärke. Hierbei kam aber heraus, dass wir gegen Yuan-ti kämpfen würden. Das waren keine einfachen Tiere oder Monster. Mein Magen verkrampfte. Sie gehörten einer anderen Bevölkerungsgruppe an und wir wären nun gezwungen sie umzubringen … Doch niemand sonst schien damit ein Problem zu haben. Resignierend folgte ich zur Arena.
Rund herum war es prall gefüllt mit Orks, die dem Spektakel beiwohnen wollten. Bargle machte dann eine große Ankündigung und ließ durch seine Zweideutigkeit heftige Zweifel in mir aufkommen ob wir eine reelle Chance hatten. Dann öffnete er eine hölzerne Kiste, die er am Gürtel trug. Aus ihr heraus erschienen plötzlich fünf abgemagerte und mit Blut verschmierte Menschen, sowie eine sehr große Schlange direkt in deren Nähe. Der Kampf war direkt eröffnet worden. Die Menschen flehten um Gnade. Was für ein perverses Spiel war dies!? Ich rief ihnen zu, dass sie sich in Sicherheit bringen sollten und bannte die Schlange zunächst hinter eine flammende Wand.
Der Rest war sich auch unschlüssig was hier geschah und hielt sich zunächst zurück. Dann jedoch erkannte ich meinen Fehler. Kaum waren die Menschen in scheinbarere Sicherheit, da verwandelten sie sich aus dem Nichts in Schlangenwesen und griffen uns an. Die eben noch einfach nur große Schlange vor uns wandelte sich hingegen in ein fünfköpfiges Schlangenmoster. Es hallten noch die Worte Bargle’s zu mir, der sich darüber lustig zu machen schien wie auch wir auf diese Finte reingefallen waren. Mich packte die Wut. Wir kämpften erbittert, Fin war in echte Bedrängnis geraten und Gorok sah auch schon extrem mitgenommen aus. Schlussendlich konnten wir aber all unsere Gegner besiegen. Wobei ausgerechnet den finalen Streich ein zufällig aus der Menge stapfender Ork machte. Er brüllte noch etwas bevor er angerannt kam, das große fünfköpfige Etwas vor uns angriff, dieses schließlich zu Boden fiel und dabei den besagten Ort mit einer feurigen Explosion von den Füßen riss. Erschrocken blickte ich in seine Richtung, aber ihm war nicht mehr zu helfen.
Der Kampf war vorbei, aber Bargle hatte Schwierigkeiten einen Sieger zu ernennen. Machte er Witze!? Ich spürte wie sie seicht eine Flamme in meiner Handfläche bilden wollte, unterdrückte den Impuls aber. Ich verlor zunehmend in solchen Situationen die Beherrschung. Schließlich kam ihm eine Idee. Er stellte uns ein Rätsel. Aus seiner Box holte er drei weitere und reiht sie vor uns auf. Eine war aufgemacht, als würde sie einem König gehören müssen. Eine Weitere ähnelte eher einem steinernen Sarg. Die Letzte sah nach Bruchware aus. Dann stellte er seine Frage: „Welche Kiste von uns würde uns alle Wünsche erfüllen können?“ Während ich mir diese zumindest einmal genauer anschaute zog Astreth direkt an mir vorüber. Sie machte Halt vor Bargle und deutete direkt auf seine. Das ergab durchaus Sinn. Bargle stammelte etwas herum, bis er am Ende uns den Sieg zusprach. Offenbar hatte er nicht mit einer so prompten Lösung gerechnet.
Was würde nun als nächstes passieren? Würde noch eine Überraschung folgen, oder könnten wir den Konflikt bereinigen?