• Freitag, 31. Januar 2025 07:17

Sitzung 103

Tueddelig
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Als sie einige Sekunden später erwachte, sprühte ihr die Dankbarkeit nicht eben aus allen Poren. Na, egal. War unser Auftrag, wir hatten höflich zu sein, niemand verlangte das von ihr. Wäre auch nicht die Erste, die den Einsatz anderer nicht wertschätzte, man lernte, das recht gleichgültig zu sehen. Ralkarion und Krathus hingegen zeigten, wie jung sie noch waren und waren sichtlich beleidigt. Der Fairness halber sei gesagt, dass mich Ralkarions Art der verklausulierten „Antworten” ebenfalls nicht gerade fröhlich gestimmt hätte, weshalb ich nach ihrer dritten Nachfrage einwarf, dass wir von Mundi geschickt waren. Mochte Ral gar nicht. War amüsierend leicht, ihn aus der Fassung zu bringen.

Das Herz hatte er aber am rechten Fleck, wie sich zeigte, als wir Lia nach ihrer Geschichte befragten. Offenbar war sie auf der Suche nach einem grauen Mann, eine Entität, die den anderen bekannt vorkam. Während sie praktisch nichts über ihn wusste, wusste sie jedoch, dass er in den Plänen des Großen Roten eine große Rolle spielte, eine Gottheit zu werden. Das musste ich erstmal verdauen, die anderen schienen von diesen Plänen bereits zu wissen. Steigerte meinen Respekt enorm… nicht jeder hätte den Mumm, sich so etwas entgegenzustellen. Jedenfalls war Lia der Meinung, dass alle Fäden beim Grauen Mann in Ak’therion zusammenliefen und ihre Schlussfolgerung war, dass ganz Ark’therion inklusive der Zivilbevölkerung abgeschlachtet werden musste. Was für eine… die Professionalität verbot es mir, zu sagen, was ich davon hielt, doch wie bereits erwähnt, waren die anderen weniger zurückhaltend. War schon dankbar dafür. Trotzdem erstaunlich, dass jemand mit einem solchen Überlebensinstinkt wie Ralkarion offenbar Spaß daran hatte, einen leibhaftigen Drachen zu reizen.

Dennoch war dies wohl das Signal, alle Zurückhaltung aufzugeben. Es interessierte sie wenig, dass wir von Mundi geschickt waren oder die Absichten, die damit verbunden waren. Mehr noch erfuhren wir, dass Mundi offenbar panische Angst vor Blut hatte und seine zur Schau gestellte Gefährlichkeit eben nur das war - zur Schau gestellt. Fast schon amüsant. Wesentlich interessanter für sie und Kopfschmerzen auslösend für mich waren die anschließenden Erzählungen von Nexi, die dem Roten bei seinen Plänen helfen könnten. Zu hundert Prozent verstand ich es nicht, offenbar waren es magische Speicher? Lia war vor allem an der Tatsache interessiert, dass der Rote sie nicht persönlich kontrollierte, sondern Untergebene von ihm - die man töten und ihren Platz einnehmen konnte. Offenbar waren aber nicht alle unbedingt angetan von dem Roten. Es war der Moment, in dem ich aufgab, dass alles jetzt verstehen zu wollen, ich würde mir das später nochmal durch den Kopf gehen lassen.

Eher ungläubig reagierte die junge Lady Therion auf den Bericht des silbernen Drachen, der uns angegriffen hatte. Wir müssten uns verguckt haben, es gäbe keine silbernen mehr, vielleicht wäre es ja ein weißer gewesen. Ich schwieg, dachte mir aber meinen Teil, schließlich hatte sie bis vor kurzem auch nicht gewusst, dass ihre Mutter noch am Leben war. Immerhin lieferte sie eine höchst interessante Erklärung dafür, warum der Drache uns so leicht aufspüren konnte: Offenbar besaßen einige die Fähigkeit, anhand von Gegenständen Leute aufzuspüren, die damit in Kontakt gewesen waren oder denen sie gehörten. Krathus erinnerte sich an seine Flugstunde, untersuchte hektisch seine Ausrüstung und tatsächlich - sein Seil fehlte. Mit einem Geistesblitz stellte der Kleine daraufhin fest, dass er nun den Drachen aufspüren könnte, denn er konnte umgekehrt sein Seil magisch finden. Praktische Fähigkeit, gerade in meinem Beruf! Irgendwie war ich über seine Cleverness nichtmal überrascht, seit unserem Aufeinandertreffen vor einer Woche hatte er mich schon oft überrascht - er hatte Potential. Erinnerte mich an meinen Sohn, was mich gerade jetzt nicht überraschte.

Krathus war es auch, der jetzt bei Lady Lias arroganter Art der Kragen platzte und etwas Dankbarkeit verlangte. Mutig - und nachvollziehbar. Während Lady Therion davon gar nicht amüsiert war, stapfte sie dennoch los und holte eine Truhe aus dem Gebäude, schließlich wäre Geld ja alles, was uns Sterbliche interessieren würde. Das nun nicht gerade, aber für einen erledigten Job bezahlt zu werden war völlig normal. Ralkarion schien diese Einstellung zwar nicht zu gefallen, aber ich teilte da Krathus Einstellung, wenngleich er mehr Vergnügen daraus zu ziehen schien als ich.

Im weiteren Verlauf wurden Pläne geschmiedet, konkret: In Ark’Therion sollte nach Hinweisen auf den Grauen Mann gesucht werden. Das würde mehr oder weniger sicher bedeuten, dass wir auch wieder auf den Drachen stießen. Um die Gefahr abzulindern, bestimmte Lady Therion, dass wir erst in zwei Tagen aufbrechen würden und sie den morgigen Tag für diverse Schutzzauber verwenden würde. Konnte nicht sagen, dass ich dem abgeneigt wäre, so willigten wir ein.

Nachdem nun alles wichtige besprochen war, wagte ich es, meine Bitte an die Gruppe zu richten: Den anderen Drachen wenn irgend möglich am Leben zu lassen. Seine Fähigkeiten, andere anhand von Objekten aufzuspüren, war die beste Chance seit Jahren, Craich und vielleicht auch Gwen zu finden. Im Zuge dessen erzählte ich der Gruppe von den Ereignissen in den Shales. Es schmerzet immer noch, davon zu erzählen, besonders mit Craichs Feder in der Hand, doch sie verdienten eine Erklärung. Ich machte mir keine Illusionen darüber, dass wir eventuell gezwungen wären, den anderen Drachen zu töten - sofern er uns nicht zuerst tötete. Aber wenn auch nur eine Chance bestünde…

Der nächste Tag verlief recht ereignislos, Lia webte ihre Zauber und stritt mit Ralkarion über den Wert von Büchern. Ich führte währenddessen mit Krathus Waffenübungen durch, in Vorbereitung auf den morgigen Tag. Nach dem, was ich bisher von ihm gesehen hatte, war es auch Zeit, jede Zurückhaltung in den Übungen zu beenden. Er hatte viel zu lernen, sicher, aber seine beachtlichen Fähigkeiten verdienten Respekt. Wenn er jetzt noch etwas Disziplin zeigen könnte, wenn gefordert - nun, das würde noch etwas dauern und bis dahin war seine mangelnde Disziplin Quell von Amusement: Wenig später, fand sich Ralkarion plötzlich hoch in der Luft, schreiend auf einem rasenden Yak reitend, dorthin teleportiert von Krathus als Rache für den Dunkelheitszauber von vor ein paar Tagen. Ich konnte nicht anders und brach in schallendes Gelächter aus. Das Bild würde ich noch lange vor Augen haben.

Nach einer weiteren ungestörten Nachtruhe wurde es Zeit, den Plan in die Tat umzusetzen. Zu meiner Erleichterung konnte ich mit Krathus auf seinem fliegenden Yak reiten - die ganze Verwandlerei von Lia insbesondere weckte unangenehme Erinnerungen. Ralkarion trieb seine Provokationen Lady Therion gegenüber diesmal offenbar auf die Spitze, als er etwas vor sich hinmurmelte und kurz darauf am plötzlich rutschigen Drachenrücken den Halt verlor, ganz offenbar durch Lady Therion verursacht. Ich hätte schwören können, ich hätte die Drachin lachen hören.

Abgesehen von der unglaublichen Geschwindigkeit, mit der wir durch die Lüfte jagten, verlief die Reise ereignislos. Ich begann schon zu befürchten, wir hätten den Drachen vollständig umgangen, und sowohl Ralkarion als auch ich begannen, unsere magische Sicht vorzubereiten, während Krathus sein Seil tief unter der Stadt lokalisierte.

So abgelenkt bemerkten wir nicht, wie der Drache plötzlich wieder auftauchte und auf uns niederstieß, eine Gaswolke ausstoßend, die uns einen kurzen Moment lang paralysierte. Als diese gebrochen war, analysierte ich kurz die Situation. Lia war damit beschäftigt, die anderen aus der Luft zu fischen und Krathus damit, ihren Sturz abzubremsen. Währenddessen war das andere Vieh in einen Sturzflug gegangen und drohte, wieder zu verschwinden. Das konnten wir nicht riskieren, diese Überraschungsangriffe hatten uns schon letztes Mal fast umgebracht. Als ich einen Entschluss fasste, grinste ich innerlich. Das hatte ich schon lang nicht mehr getan… ich rief den anderen zu, dass ich mich an seine Fersen heften würde um zu sehen, wohin der Drache gehen wollte. Dann legte ich die Arme an, drehte mich - und stürzte dem Drachen hinterher. Dessen Flügel bremsten seinen Sturz, so dass ich sogar Boden gewann, doch der Drache wirkte einen Zauber, der ihn unsichtbar werden ließ - nicht aber, bevor ich gesehen hatte, in welche Richtung er verschwand. Meinen eigenen Zauber wirkend setzte ich sanft aus dem Boden auf und begann laut zu lachen, als die Mischung aus Adrenalin und Endorphinen meinen Körper flutete. So fanden mich die anderen, Ralkarion war natürlich eher entsetzt. Der Kerl musste sich mal locker machen, es war so selten, dass Arbeit und Vergnügen sich dermaßen miteinander vereinbaren ließen.

Ich zeigte den anderen, in welche Richtung der Drache entschwunden war - dieselbe Richtung, in der laut Lady Therion auch das Labor ihres Vaters lag. Mich beschlich das Gefühl, dass wir den Drachen dort wiedersehen würden und wir machten uns auf den Weg - direkt zum Palast.

Zielsicher führte uns Lady Therion in das Gemach ihres Vaters und drückte dort einige Steine, woraufhin sich ein Geheimgang öffnete. Auch wenn sie nie dort unten gewesen war, wusste sie doch, wie man dorthin gelangte. Ich konnte kaum glauben, dass sie nie versucht hatte, selbst dorthin zu gelangen - Kinder waren neugierig. Tatsächlich hatte sie es wohl einmal versucht, doch hatte einen Alarm ausgelöst. Die Tür begutachtend stellte sich heraus, dass sie tatsächlich mit einem solchen Zauber versehen war. Nun, das ließ sich beheben, wir wollten uns ja nicht zu früh ankündigen… ich konzentrierte mich, ließ meine Magie in meine Waffe fließen und beseitigte ihn mit einem gezielten Schlag.

Lia zierte sich etwas, herunterzukommen. Ob es kindlicher Reflex oder Angst war, vermochte ich nicht zu sagen. Immerhin war der andere Drache deutlich größer als sie gewesen und auch dieser Ort war nicht ohne magische Verteidigung, wie sich beim Abstieg feststellen ließ - ein paar Schritte später hörte meine magische Sicht plötzlich auf zu wirken, genau wie die von Ralkarion. Beunruhigend, doch wie Garret feststellte, blockte der Schutz immerhin nicht Magie als Ganzes.

Der Raum, indem wir ankamen, war in keinster Weise, wie man ihn sich vorgestellt hätte. Er sah mehr wie eine gemütliche, kleine Stube mit einer Menge Büchern aus statt nach Labor. Wohl wissend, dass es noch mehr geben musste als das untersuchten wir den Raum nach weiteren Ausgängen, doch erfolglos. Lady Therion ließ sich auf einen der Sessel fallen und machte ihrer Enttäuschung Luft.

Und im selben Moment erschien im Sessel daneben ein grauer Mann, der bestätigte, dass er ebenfalls stets von Lia enttäuscht gewesen worden sei - seiner Tochter…