Ralkarion war nicht wohl bei der Sache, er wäre lieber sofort weitergezogen. Der Plan, den er vorschlug, war durchaus gut durchdacht: Eine falsche Fährte legen, eine Lagerattrappe aufstellen und sich dann auf anderem Weg, magisch getarnt, aus dem Staub machen. Doch nun aus Panik weiterzuziehen, ohne sich ein wenig Ruhe zu nehmen schien töricht. Uns stand noch ein langer Weg bevor, wir würden alle Kräfte brauchen und die Gelegenheit war günstig - bisher hatte das Biest einen offenen Angriff gescheut. Wenngleich es früher oder später diese Zurückhaltung aufgeben würde, noch schien die Gelegenheit günstig, solange wir wenigstens freie Sicht hatten. Ralkarion schaffte es unabsichtlich, mich zu triggern, als er vorschlug, mich zu verwandeln, um uns länger durchhalten zu lassen. Nie wieder! In deutlichen Worten machte ich ihm klar, dass ich das niemals zulassen würde - lieber starb ich. Gemeinsam überzeugten ich und Krathus Ralkarion letzten Endes davon, die Rast zu beenden, beschlossen jedoch auch, nach dem Ende unserer Rast seinen Plan umzusetzen.
Gesagt, getan, und tatsächlich: unser Plan gelang. Wenngleich der Wachzauber vermeldete, dass der Drache unser falsches Camp mit seinem Eisatem überzog, schien er dennoch unsere Fährte verloren zu haben, während wir unsichtbar (wenn auch nicht unbedingt leise, das Schleichen lag mir nicht im Blut) weiterzogen. Dennoch hielten wir nicht vor dem Abend des nächsten Tages an, das Risiko erschien zu groß. Und ich hatte nicht vor, in meinem Auftrag zu versagen. Glücklicherweise erwachte Garret irgendwann aus seiner Bewusstlosigkeit, so dass ich ihn nicht mehr tragen musste - die durchwachte Nacht steckte mir in den Knochen. Ich war halt nicht mehr der Jüngste, zog allerdings etwas heimlichen Trost daraus, dass es den anderen ähnlich zu ergehen schien.
Gegen Abend errichteten wir unser Lager. Obgleich wir hofften, nun ausreichend Abstand zwischen uns und den Drachen gebracht zu haben, schliefen wir unruhig, doch mit der Zeit entspannten wir uns - unsere Hoffnung schien sich zu bestätigen. Erfrischt wachten wir am nächsten Morgen auf. Tat gut. Am Abend darauf hatten wir sogar das Glück, eine in den Felsen führende Höhle zu finden. Eine erstaunlich tiefe Höhle. Die in einem Gang mündete. Es erschien uns daher ratsam, die Höhle zuvor noch etwas zu erkunden, bevor wir hier unser Nachtlager aufschlugen. Ralkarion war da offenbar anders veranlagt, er fürchtete, wir würden direkt in unser Verderben rennen. Ich verstand nicht ganz, wie jemand, der nach Drachendamen suchte, das Risiko derart scheuen konnte, aber es stand mir wohl kaum zu, darüber zu urteilen. War nun beim besten Willen selbst kein Heiliger. Dennoch beschlossen wir nach einiger Erkundung, dort unser Lager aufzuschlagen, war es doch vor Drachenangriffen bestens geschützt. Ja, wir fanden Fußspuren, doch die waren derart groß, dass sich die dazugehörige Person kaum lautlos nähern konnte.
Wie sich herausstellte, hatte er daran auch gar kein Interesse. Gegen Ende der Nacht wurden wir von lautem Gesang und Stampfen geweckt. Während Garret sich sofort versteckte und Ralkarion ebenfalls auf das Verstecken drängte, blieb ich recht gelassen - jemand, der uns angreifen wollte oder auch nur erwartete, dass es hier Feinde geben könnte, würde nicht laut singend durch die Gegend ziehen, ich bezweifelte daher, dass wir in Gefahr schwebten. Es schadete nicht, vorsichtig zu sein, sicher, daher legte ich meine Rüstung an, aber die Erfahrung lehrte, dass es wenig Sinn ergab, vor jedem Schatten zu flüchten. Kurz darauf kam der Sänger in Sicht - ein gewaltig großes Wesen, ein Steinriese, wenn ich es richtig deutete. Verstand leider kein Wort von dem, was er sagte, Ralkarion hingegen schien sich prächtig mit ihm zu verstehen, nachdem er seinen initialen Schrecken überwunden und einen Zauber gewirkt hatte. Ich war nicht so talentiert wie er, aber zumindest bis zu einem gewissen Grad konnte ich ihn nachahmen, so dass ich mittels Zauber zumindest verstand, was der Riese wollte. War schon früher hilfreich gewesen, war es wieder. Der Riese stellte sich als recht friedfertig heraus, war wohl nur ein Späher seines Stammes, der aber vor allem aufpassen sollte, dass keine Drachen hier entlang kamen. Nun, unsere Neugier war geweckt und Ralkarion fragte ihn, was er über Drachen in dieser Gegend wusste. Bevor er uns das beantwortete, gab es jedoch eine recht amüsante Episode - der gute Riese verspürte zunächst das dringende Bedürfnis, sich zu erleichtern und wählte dazu gerade die Felsformation aus, hinter der sich Garret versteckte. Als dieser erschrocken und triefnass aus seinem Versteck hervorsprang, trat ihm der Riese in einem verfehlten Versuch, ein Ungeziefer zu beseitigen, auf den Fuß, was dem armen Halbling sichtlich schmerzte. Ralkarion beruhigte die Lage recht schnell, doch ich musste zugeben, dass die Situation einer gewissen Komik nicht entbehrte. Hey, es war ja nicht gerade so, als wäre Garret wirklich in Gefahr gewesen.
Die Informationen über den Drachen waren in der Tat sehr interessant. Offenbar waren zwei bei Westerfell, unserem Ziel gesehen worden - Westerfell hatte das wohl nicht überstanden und war niedergebrannt worden. Nicht weniger beunruhigend war, dass einer der Drachen von silberner Färbung war und damit möglicherweise die gesuchte Lia oder (und?) unser Freund der vergangenen Tage sein könnte. Beunruhigend vor allem deshalb, weil der andere Drache als weitaus größer beschrieben wurde und von roter Färbung war. Ich kannte genau einen großen, roten Drachen - der, der Ferozoica niedergebrannt hatte. Sollte er hier gewesen sein, wäre das eine enorme Verkomplizierung des Vorhabens. Der Riese war nicht persönlich beim Angriff anwesend gewesen, daher konnte er keine Details nennen, wodurch eine weitere, unangenehme Frage aufkam - was war, wenn Lia und der Rote gemeinsame Sache gemacht hatten? Natürlich war das reine Spekulation, aber die Frage musste gestellt werden.
Nach den Informationen wollte der Riese noch Bezahlung dafür haben, dass wir in „seiner” Höhle und Zugang zu den Gargant Rises lagerten. Ich war mir recht sicher, dass er lediglich etwas… Geschäftstüchtigkeit an den Tag legte, doch ich sah kein Problem darin, er hatte uns durchaus weitergeholfen. Krathus war wohl etwas geizig und gab hm nur ein Kupfer, doch der Riese schien ohnehin eher daran interessiert sein, wie unsere Münzen mit Steinen zusammen klangen. Zu gerne hätte er dazu auch Krathus Helm zum schütteln gehabt, doch der gab ihn nicht her. So gab ich dem Riesen meinen - ich würde ihn ohnehin zurückholen können. Ralkarion fragte mich später, wie ich das machen würde, doch da konnte ich ihm nicht großartig weiterhelfen - wie das meiste, was ich an Zaubern konnte, war es eher etwas Instinktives. Hatte ne Bindung aufgebaut und nutzte diese.
Nachdem der Riese abgezogen war, berieten wir die neue Lage. Der Gedanke kam auf, die Suche abzubrechen und zurückzukehren, wo doch in Westerfell nichts mehr zu holen war, doch auch wenn ich nur zum Schutz abgestellt war, musste ich hier doch deutlich widersprechen - es gab die Möglichkeit, dass jemand überlebt hatte und uns weiterhelfen konnte, wenn wir jetzt abbrachen, würden wir wieder bei null starten. Einmal ganz davon abgesehen, dass ich wusste, was Aufgeben mit Individuen machen konnte… Glücklicherweise war die Idee damit auch recht schnell vom Tisch und wir würden unseren Weg fortsetzen, lediglich mit größerer Vorsicht. In diesem Kontext erfuhr ich auch, dass die Gruppe es sich zur Aufgabe gemacht hatte, den Roten aufzuhalten. Sympathisch, gab mir aber noch mehr Rätsel in Bezug auf Ralkarion auf, es passte so gar nicht zu seiner Scheu vor dem Risiko. Andererseits hatte ich auch Krathus anfangs unterschätzt, möglicherweise ging es mir mit dem Tiefling genauso?
Wie wir am nächsten Tag bemerkten, war die Verwüstung wirklich enorm. Schon bevor wir Westerfell erreichten, verschwand der lauschige Wald, durch den wir bis dahin gewandert waren und machte einer verbannten Schneise Platz. Mich schauderte bei dem Gedanken an das oder die Wesen, die das angerichtet haben mochten. Hoffte sehr, dass sie sich nicht mehr hier herumtrieben, das würde meinen Auftrag sehr erschweren. Doch während wir uns vorsichtig den Ruinen des Ortes, der einmal Westerfell gewesen war, näherten, gab es keinen Hinweis darauf, dass die Drachen noch dort waren, also entspannte ich mich ein wenig. Der Anblick war jedoch schlimm genug. Kaum ein Stein stand noch auf dem anderen, an einigen Stellen brannte es sogar noch. Merkwürdig - der Angriff war zwar noch nicht lange her, aber doch offensichtlich lang genug, dass das Feuer mittlerweile hätte erlöschen müssen. Einem Instinkt folgend streckte ich meine Hand in das Feuer und fuhr zurück. Das Feuer selbst war harmlos, doch es gab offenbar eine zweite, wesentlich gefährlichere magische Komponente. Vom Feuer aufsehend bemerkte ich nun, dass ich ausschließlich Zeichen von Verbrennungen sah, jedoch keinerlei Vereisung, wie sie von einem silbernen Drachen hätte verursacht werden müssen. Möglicherweise hatte Lia doch keine gemeinsame Sache mit dem Roten gemacht, sondern war im Gegenteil von ihm gejagt worden? Das wären zum einen gute Neuigkeiten für meine Schützlinge, da sie dann wohl ein Alliierter wäre, gleichzeitig war es dann jedoch auch definitiv möglich, dass sie nicht länger am Leben war - immerhin war der Rote abgezogen. Nun, wir würden kaum mehr erfahren, wenn wir keine Überlebende oder weitere Hinweise fanden. Um das zu tun, begann Ralkarion mit einem Ritual, dass ich kannte. Ich schlug mir mit der Hand vor den Kopf, schnappte mir mein zerfledderte Zauberbuch von damals (das zugegeben recht wenig enthielt) und begann, es ihm gleich zu tun. Konnte meine Sauklaue von damals kaum lesen, daher las ich etwas stockend, wie ich später bemerkte sehr zur Verärgerung des Tieflings. Nun. Zunächst ließ sich nichts Besonderes feststellen, doch Krathus folgend betraten wir bald darauf ein großes Gebäude, die dem Herrschersitz in Zoica nicht unähnlich war. Kaum betreten, bemerkten ich und Ralkarion eine recht starke Quelle der Magie aus dem Keller.
Dort angekommen, bot sich ein erschreckendes Bild: Eine junge Frau, eingehüllt in Feuer, beides scheinbar in der Zeit eingefroren. Während die anderen begannen, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man sie dort möglichst gefahrlos herausholen konnte, starrte ich wie gebannt auf die Szenerie. Schon die verbrannte Stadt oben und die verkohlten Leichen hatten mich mehr mitgenommen, als ich es eingestehen wollte - dasselbe Schicksal hätte meine Eltern damals ereilen können, nun war es anderen so ergangen. Nun sahen wir quasi live, wie jemand bei lebendigem Leib verbrannte. Wer weiß, welche Schmerzen sie in ihrer Zeitblase erleiden mochte? Ich hatte keine Geduld für lange Überlegungen. War Zeit für eine direkte, schnelle Lösung. Ich zog mein Schwert und stapfte nach einem eher halbherzigen Versuch, mich davon abzuhalten, auf die im Zauber gefangene Frau zu. Ich gebot den anderen, sich in Sicherheit zu bringen, während ich versuchen würde, den Zauber mit Gewalt zu brechen und die Frau aus dem Feuer zu holen. Nach allem, was ich gesehen hatte, hatte ich die besten Chancen, das zu überleben. Ralkarion hielt einen Zauber bereit um die Sache zu erleichtern, aber ich hielt mich trotzdem bereit, hineinzulaufen.
Dann schlug ich zu. Der Zauber leistete enormen Widerstand, doch es gelang mir, ihn zu brechen. Sofort rollte die Feuerwelle über mich, die Frau und Ralkarion hinweg, was Ralkarion wieder aus den Latschen holte und mir zwar Schmerzen bereitete, aber nicht zu ernst schien. Die Frau hingegen brach zusammen, lebte jedoch noch. Ich schnappte sie mir und rannte zu den anderen, brüllte Krathus zu, dass er seine Heilung bereithalten solle. Garret kümmerte sich derzeit um Ralkarion. Leider musste ich feststellen, dass das Feuer sich nicht einfach so löschen ließ. Krathus gelang es, die Flammen auf Ralkarion zu löschen, woran ich jedoch scheiterte. Panik begann sich meiner zu bemächtigen, als es mir misslang, die Magie der Flammen auf der Frau zu bannen, während auch ich langsam verbrannte. In einem Akt der Verzweiflung begann ich, meinen Wasserschlauch über ihr auszuleeren, doch erst, als Krathus seine Magie auch bei ihr anwendete, gelang das auch. Meine eigene Sicherheit vernachlässigend schlug ich die Flammen aus, was meinem eigenen, geschundenen Körper den Rest gab. In dem Wissen, der Frau das Leben gerettet zu haben, ließ ich zu, dass die Dunkelheit mich umfing. Wenn wir sie retten konnten, wäre ich vielleicht auch in der Lage, meine Familie zu beschützen, wenn der Rote zurückkam.
Als ich die Augen aufschlug, schienen nur ein paar Sekunden vergangen zu sein, doch das Bild hatte sich geändert. Mein Fleisch roch noch verbrannt, doch keine Flammen tanzten mehr auf mir, ein riesiger Gorilla hatte sie ausgepanscht. Ralkarion? Ich hoffte sehr, dass er wusste, wie er sich zurückverwandelte. Und dann war da die junge Frau, die nackt, verbrannt, aber lebendig vor uns lag…