• Sonntag, 20. April 2025 00:24

Sitzung 20

Tueddelig
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Oh, wie ich mich getäuscht hatte! Bereits kurz nach dem Eintreten wurde klar, dass ich Tarovo nicht mochte. Wo Carook ein strunzdummes Sicherheitsrisiko war, war dieser Mensch kaum leichter zu ertragen. Ständig kam ein ganzer Wortschwall aus seinem Mund, jeder noch so kleine magische Effekt versetzte ihn in eine Entzückung, dass man meinen könnte, er wäre gerade für das Aufstiegsritual erwählt worden. Zu allem Überfluss schien er gar nicht wahrzunehmen, wie sehr ich ihn verabscheute und war nur um so verzückter.

Ich machte also gute Miene zum bösen Spiel. Immerhin beschränkte sich meine Rolle in dem Stück lediglich auf die Erzeugung einiger Effekte, die Spielerei und das Vorlesen blieben Garret und Tarovo überlassen. Gut so. Wenn ich ehrlich bin, bezweifle ich, dass ich ein guter Schauspieler wäre, ganz gleich was dieser überkandidelte Typ im Nachthemd vor sich hin trällerte. Einziger Lichtblick war der zweite Teilnehmer der Theatergruppe, ein gewaltiger Halbork namens Gorok. Im Gegensatz zu Tarovo schien er erstaunlich geerdet und ruhig, ein angenehmer Gegensatz dazu. Das Üben des Theaterstücks wurde dadurch deutlich erträglicher, dennoch kehrte ich abends ziemlich genervt in die Taverne zurück und war froh, dass es vorbei war. Lange würde ich solche Pläne aber nicht mehr mitmachen.

Abends nutzten wir eine kurze Abwesenheit Carooks, um letzte Details des Plans zu besprechen: Garret und ich würden uns um das Stück kümmern, Ralkarion würde unsichtbar das Anwesen erkunden. Mit diesem Plan machten wir uns am nächsten Tag auf zu Cuus Compound, immer angetrieben vom sichtlich nervösen Tarovo. Auf dem Weg dorthin lernte ich zum ersten Mal den geheimnisvollen Marco kennen, der uns ständig mit den Kindern nachspionierte. Bisher kannte ich ihn ja nur aus Erzählungen. Er stand in einer Menge Vögel, die sich als Illusion herausstellten, nachdem Ralkarion irritierenderweise versucht hatte, sie mit lauter Stimme zu erschrecken. Daher erfuhr ich, dass die Abwesenheit von Tieren in Zoica wohl auch für eine Stadt etwas ungewöhnliches war. Ich blieb noch einen Moment zurück und sprach ihn an. Ein Mann mit solch einem Fundus an Informationen könnte sich eventuell als nützlich erweisen. Doch leider blieb er in seinen Aussagen sehr vage. Im Gegenzug bekam er von mir einige Informationen, die ich als eher banal einstufte, ihm offenbar aber halfen - er versprach mir, dafür einen Gefallen zu schulden. Nicht ungelegen, das konnte hilfreich sein.

Auf dem Weg zur Bühne fiel mir in der Eingangshalle der Burg eine Tür auf. Eigentlich war daran nichts Ungewöhnliches, aber irgendwas daran zog mich an… Leider würde das bis nach dem Stück warten müssen. Nach einer letzten Probe füllte sich der Theatersaal langsam. Größtenteils Stadtwachen. Nichts besonderes. Doch ein Besucher wirkte dann doch recht interessant: Ein Kobold! Das an sich war sicher schon ungewöhnlich genug, ich kannte Kobolde nur als in Schwärmen auftretendes Gesocks, dass vor allem nachts unterwegs war. Dieser hier war jedoch nicht nur allein am Tag aktiv, sondern trug dazu auch noch sehr aufwändig geschneiderte Kleidung, gehörte somit wohl zur oberen Schicht von Zoica. Einige Kommentare meiner Begleiter ließen schließlich darauf schließen: dieser Kobold war niemand geringeres als Cuu selbst! Ein Kobold als Chef der Stadt - um das zu schaffen, musste er entweder von herausragender Intelligenz sein oder mächtige Unterstützer haben. So oder so sollte man ihn vermutlich nicht unterschätzen.

Derweil nahm der Sog in Richtung der Tür beständig zu und beschrie mich förmlich, das Stück im Stich zu lassen und nachzusehen. Doch das war nicht der Plan, es musste warten. Das Stück begann also. Nach den ersten Zeilen schlich sich Ralkarion unsichtbar und von mir zusätzlich magisch unterstützt hinaus. Draußen gab es derweil offenbar doch etwas, was Tarovo nervös machen konnte, denn seine ersten Zeilen kamen deutlich holpriger über die Lippen als sonst. Nicht ohne Schadenfreude bemerkte ich durch den Spalt im Vorhang, dass sich einige Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. Das gönnte ich diesem aufgeblasenen Laffen. Nichtsdestotrotz verlief das Stück recht gut, soweit ich das erkennen konnte. Ich war nicht so recht bei der Sache, ein Teil meiner Gedanken kreiste immer wieder um diese Tür. Als der Teil kam, an dem normalerweise Ralkarion das Metallschaf über die Bühne getragen hatte, warf ich es eher lustlos auf die Bühne. Keine Lust auf Rampenlicht. Seltsamerweise schien dies das Publikum sehr zu erheitern. Wenig erheiternd war jedoch, als gegen Ende des Stückes der gewaltige Halbork Landerson in den Saal stürmte und nach Aufmerksamkeit brüllte - doch da hatte er die Rechnung ohne Tarovo gemacht. Für den Schauspieler war dies offenbar der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Von seiner Kanzel brüllte er Landerson und das Publikum an, was sie denn für verfluchte Kunstbanausen seien und dass sie ihn doch verdammt nochmal das Stück zu Ende bringen sollten. Und tatsächlich: Landerson wirkte tatsächlich ziemlich eingeschüchtert (!), setzte sich hin und wartete brav das Ende des Stückes ab. Ich konnte nicht umhin, dem Schauspieler Respekt zu zollen. Gleichzeitig fragte ich mich jedoch, ob die Unterbrechung eventuell etwas mit dem nicht genehmigten Ausflug unseres Tieflings zu tun hatte. Ich schwor, wenn wir hier sterben würden, weil er sich erwischen hätte lassen, würde ich ihm vorher den Hals umdrehen…