Sitzung 118

Tueddelig
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Nach langer Zeit ging es also mal wieder in Richtung des Lurkers. Ich betrat die Kneipe als letzte, merkte allerdings sofort, dass etwas nicht stimmte. Die Kneipe war gefüllt von in Reihe sitzenden Halblingen, die nach vorne starrten, wo Lurk vor zwei weiteren Halblingen stand, die jeweils mit diversen Innereien besudelt waren und Schwerter auf dem Rücken trugen. Was auf den ersten Blick wie ein okkultes Ritual wirkte, stellte sich auf den zweiten als eine Hochzeit mit sehr… ungewöhnlichen Bräuchen heraus. Doch was durfte ich als Elfe aus Ravengrove schon groß über ungewöhnliche Sitten sagen. Lurk gewann recht schnell die Fassung zurück und tat so, als wäre der Aufsicht geplant und es würde nunmehr zur Unterhaltung der Gäste einen Kampf zwischen Garret und Krathus geben, als Reenactment von Garrets Kampf gegen Cuu. Die Waffen wurden gereicht, Garret bekam einen Besen und Krathus einen… Fisch? Ich setzte mich. Das versprach, gut zu werden. Tatsächlich enttäuschten die beiden nicht, doch war Krathus aufgrund seiner Waffe dermaßen im Nachteil, dass Garret letzten Endes erneut als strahlender Held von Zoica dastand. Ich ertappte mich grinsend bei dem Gedanken, ob der ehemalige First Protector wohl diesmal zu seinen Pflichten stehen und die Hochzeit zu einem guten Ende führen würde. Der Rest des Abends verlief dann wie geplant feucht-fröhlich, auch ich hielt mich nicht zurück. Nicht, dass ich noch auf den Gedanken käme, pflichtbewusst Lia hinterherzujagen. Krathus bekam ebenfalls noch seine eigene kleine Genugtuung an mir, als er lautstark verkündete, dass ich die Zeche für Rachwood zahlen würde. Ich tat ihm den Gefallen - wenn er dadurch wieder versöhnt wäre, war es das mehr als wert.

Am nächsten Morgen hatte Ralkarion, nun wieder ein Tiefling, seine lautstarke Freude daran, unsere Brummschädel zu seinem Vergnügen zu nutzen. Sei es drum, das hatte ich nach meinen Sprüchen durchaus verdient. Wenig überzeugt begannen wir nun mit der Suche nach Lia in ihrem Zimmer. In dem Ralkarion und Razora in der Nacht vorher ihre Beziehung gefeiert hatten. Ich war von den Häusern der Heilung durchaus ekelhafte Krankheiten und Verletzungen gewohnt, doch beim Anblick des Zimmers revoltierte mein Magen dann doch. Nach einer vorsichtigen Inspektion des Zimmers fanden wir keine Hinweise, bis wir unter dem Kissen eine Goldmünze aus Ailamere fanden. Kurios. Wie mochte die dort hingekommen sein? Und warum hatte sie jemand dort positioniert? Als Zeichen? Hinweis? Aber für was?

Nach diesem unerfreulichen Intermezzo stiegen wir in den Keller hinab, um uns dem nächsten zu stellen. Wie eine Wache verriet, hatte Al’Chara eine Audienz bei der Herrscherin der Stadt. Innerlich überlegte ich mir nur halb im Spaß, wie ich es schaffen könnte, Ralkarion so zu positionieren, dass nur er die Brodems der Drachinnen abbekäme, nachdem er ihnen erneut unweigerlich ans Bein pinkeln würde. Ob diese Abneigung der Obrigkeit gegenüber mit seinem Aufwachsen in Ailamere zu tun hatte?

Zwar waren alle in der erwartbaren Laune, unerwartet war jedoch, dass wir beide in ihrer Drachengestalt vorfanden. Was Al’Chara angeht war uns ihr Nablick noch deutlich im Kopf, Posetines Äußeres hingegen überraschte mich enorm. Ja, ein roter Drache, doch von irgendeiner Art obskuren Magie dermaßen vernebelt und verfärbt, dass die Schuppen je nach Blickwinkel eine eher blauschwarze Färbung annahm. Es war nur schwer zu beschreiben. Ebenfalls unerwartet war Posetines (oder sollten wir sie Lady Logoth nennen?) Eröffnung, dass sich ein gewisser Loganaar bei ihr gemeldet hatte. Der Sohn des Roten, den der arme Gudden so sehr verehrt hatte, schlug eine Allianz vor. Aus irgendeinem Grund fragte Posetine uns um Rat, doch waren wir ebenso skeptisch wie sie. War sie ernst gemeint, wäre es enorm hilfreich. Jedoch bestand genausogut die Gefahr, einen Logoth durch einen anderen zu ersetzen. Wir schlugen daher ein Treffen zwischen beiden auf neutralem Boden vor, um sich ausloten zu können.

Immerhin hatte sich Loganaars halborkischer Abgesandter eines unserer Probleme angenommen und Posetine Lias Prinzessinenbuch ausgehändigt. Dieses Buch würde ich wohl überall erkennen. Auch wenn es unangenehme Fragen aufwarf, wie zum Beispiel, wie Loganaar von den Vorfällen des gestrigen Abends wissen konnte, hoffte und fürchtete ich, dass sich die Suche nach Lia damit erübrigt hatte. Und tatsächlich, wenig später entsprang die junge Therion dem Buch, sichtlich verärgert und beschämt über ihre Gefangennahme durch den Abgesandten. Übrigens ein weiteres, beunruhigendes Detail: Wie hatte dieser Abgesandte einen ausgewachsenen Drachen so einfach im Alleingang einfangen können? Damit kehrte auch die Diskussion um den weiteren Umgang mit Lia und Mundi zurück. Ralkarion war der festen Überzeugung, dass man erstmal ohne Lia zu Mundi gehen könne und mit ihm Bedingungen aushandeln könne. Was ich für vollkommen abwegig hielt und darin Unterstützung von Krathus und Garret erhielt. So musste Ralkarion von seiner Position abweichen, Lia auf keinen Fall auszuliefern. Er war also in der Lage, seine Moral im Notfall beiseite zu schieben, immerhin. So konnten wir uns dann dem Thema zuwenden, wie wir Lias erneute Flucht aus Mundis knöcherner Umarmung erleichtern könnten, ohne dass es auf uns zurückfiele. Wir verfielen recht schnell auf die Optionen, einen Teleportzirkel in ihrem Buch einzurichten, sie selbst einen Notfallzauber vorbereiten zu lassen, der sie aus der Dreadspire herausteleportierte oder Chrylax um eine Teleportschriftrolle zu bitten. Um ehrlich zu sein erschien mir nur die erste Option als einigermaßen erfolgsversprechend. Dann kam der wohl drastischste Vorschlag von Lia selbst. Nachdem sie plötzlich um mein Schwert bat, hackte sie sich zu unserem Schreck einen Finger ab und übergab ihn uns. Sollten alle Versuche fehlschlagen, so ihr Plan, würde sie sich umbringen und wir müssten sie mit Hilfe des Fingers wiederbeleben. Schließlich schuldeten die Hextor Garret und Ralkarion noch einen Gefallen, sollte Harkis diesen nicht mittlerweile eingelöst haben, was mir wenig wahrscheinlich erschien. So drastisch der Plan auch war, kam ich nicht umhin, die Kreativität desselben und Lias Opferbereitschaft für ihre Freiheit zu bewundern. Ralkarion hingegen schien es sich von da an in den Kopf gesetzt zu haben, Lia vor Dummheiten zu bewahren. Immer wieder drang er darauf, die Pläne in eine vorgegebene Reihenfolge zu bringen, an die sich Lia halten solle und ihren eigenen am Besten ganz zu vergessen. Was anfangs noch halbwegs verständlich war, wurde im Laufe des Gesprächs zunehmend nervig. Was bildete sich der Kerl eigentlich ein, Lia, die WIR wegen unbedachten Äußerungen an jemanden ausliefern würden, zu dem sie unter keinen Umständen gehen wollte, Vorschriften zu machen? Und warum, weil wir eventuell unsere eigenen Pläne hinten anstellen mussten? Was Mitglieder dieser Gruppe ohnehin immer wieder taten? Dazu schien er zu glauben, dass Lia sich bei erster Gelegenheit umbringen würde und die anderen Pläne nicht in Erwägung ziehen würde. Wer um alles in der Welt würde sich denn bitte umbringen, wenn es Alternativen gab? Für wie bescheuert hielt er Lia? Ich gebe zu, ich war möglicherweise etwas grob in meiner Ausdrucksweise, doch die unterschwellige Arroganz, die Ralkarions Äußerungen zugrunde lag, brachte mich auf die Palme. Letzten Endes entschieden wir, für alle Pläne Vorsorge zu treffen und wenn möglich schon bei der Übergabe so ablenkend zu sein, dass Lia eventuell sofort entkommen könnte.

Während sich also Ralkarion mit Lia ins Buch begab, um den Teleportzirkel aufzustellen, ging ich mit Krathus und Garret auf die Suche nach Chrylax. Nachdem wir an seinem Haus erfuhren, dass er nunmehr in der Akademie lebte, machten wir uns dorthin auf den Weg. Tatsächlich stand er gerade vor einer Gruppe aus Lehrlingen und schwadronierte einmal mehr über den Segen von magieerzeugtem Feuer. Als er Krathus sah, schien er sich sogar besonders zu freuen und ließ uns keine Chance, unser Anliegen schnell abzuhandeln. Stattdessen bat er Krathus zu einer für die Schüler lehrreichen Demonstration nach vorne. Böses ahnend flüchtete ich mich vom Dach der Akademie. Zurecht, denn kurz darauf fegte eine Feuerbrunst über mich hinweg. Als ich wieder nach oben stieg, wirkte Krathus recht angesengt, während Chrylax zufrieden seine Stunde damit beschloss, den Schülern demonstriert zu haben, wie man besonders hartnäckige Gegner mit Feuerbällen ausschalten konnte und sie dann zwang, die Mauer herunterzuspringen. Magier und ihre Lehrmethoden… Das darauf folgende Gespräch ließ unseren Besuch endgültig überflüssig erscheinen, denn Chrylax war nicht in der Lage, eine Teleportschriftrolle herzustellen, so dass wir unverrichteter Dinge zurückkehrten.

Ralkarion und Lia waren erfolgreicher gewesen, jedoch berichtete Ralkarion von einem Wolf, der sich als Trugbild getarnt und sie beobachtet hatte und eine weitere Ailamere-Münze hinterlassen hatte. Ganz offenbar schien der Hinterlasser der Münzen auf Ralkarion aus zu sein. Kombiniert mit seinen körperlichen Veränderungen, die ihn mehr und mehr nach Seemann aussehen ließen, konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dort jemand neues Interesse an ihm geschöpft hatte. Ein Mitglied seiner illustren Familie vielleicht?

Schließlich war die Zeit zum Aufbruch gekommen. Nach Aussage von Garret und Ralkarion war es besser, wenn man Lia dort nicht sah, daher verbarg sie sich unter einem Unsichtbarkeitszauber. Unsere Sorgen waren unbegründet - leider. In Scourgefaust angekommen, stellten wir fest, dass die Festung leergefegt war  wie wir wenig später feststellten, galt dies auch für die Stadt? Was war hier nur geschehen? Doch Antworten mussten warten, als uns auffiel, dass Lia auffällig still war. Ein Blick in die ätherische Welt meinerseits bestätigte unsere Vermutung, dass sie sich von uns gelöst hatte und ich verfluchte mich dafür, nicht schon früher daran gedacht zu haben. Glücklicherweise jedoch war sie nicht weit gekommen - sie war zur Ruhestätte Mundos gelaufen und machte uns erneut sehr eindrücklich klar, welchen der beiden Brüder sie bevorzugte. Dennoch kam sie zu unserem Glück ohne weitere Klagen mit und mit einem letzten Teleport ging es nach Dreadspire. Dort erwartete uns ein einzelnes Skelett, dass jedoch unmissverständlich klar machte, dass Mundi gerade nicht verfügbar sein. Er habe einen Feldzug gegen die Yuan-Ti zu führen. Ob wir Faranar dabei helfen würden? Wir könnten hier eh nicht weg, der Bereich sei magisch versiegelt.

Also wieder eingesperrt. Ich kämpfte mit meiner aufsteigenden Panik aufgrunddessen, was mir jedoch nur mäßig gelang. So willigte ich viel zu schnell ein, Mundis Lieutenant Faranar bei der Schlacht zu helfen, als uns das Skelett versicherte, dass es auch Rebellen gegen die Yuan-Ti seien. Ich hasste enge Orte…

Nachdem wir zum Schlachtfeld gebracht worden waren, stellte sich Faranar auf den ersten Blick als unsichtbar heraus. Auf meinen zweiten, speziellen Blick war er ein fetter Zwerg, der gemütlich auf seinem Knochenross saß. Nackt. Ein Anblick, der mich trotz unserer Situation amüsierte. Was stimmte nur mit meinem Humor nicht? Aus der Enge des Dreadspire befreit kamen mir nun Bedenken, doch es half nichts, wir hatten zugesagt, für Mundi Soldaten zu spielen. Jetzt einen Rückzieher zu machen, würde sich mit Sicherheit negativ auf unsere Verhandlungsposition auswirken. So blieb nur zu hoffen, dass es sich tatsächlich um Rebellen handelte und wir sowohl Mundi als auch Sardak einen Gefallen täten, wenn wir gegen sie vorgehen. Davon abgesehen konnte es als ein recht guter Test für unsere Fähigkeit gelten, Zoica zu verteidigen.

In dem Fall wäre Zoica vermutlich verloren. Ein Zauber Ralkarions ließ zwar eine Einheit Bogenschützen des Gegners nicht in die Schlacht eingreifen, doch war er dermaßen darauf bedacht, die Yuan-Ti nur bewusstlos zu schlagen, dass er fast sein eigenes Bataillon verlor. Nicht nur das, er hinderte auch die nachrückenden Untoten daran, in den Kampf einzugreifen und gefährdete damit den Ausgang der Schlacht und die Leben von uns und seinen Soldaten. Krathus und Garret schienen zunächst ihre Abmachung zu erfüllen, verfielen dann jedoch in einen unerklärlichen Kampfrausch, der sie auf einem Skelettriesen reitend die Glorie und Ehre, gegen einen überlegenen Gegner zu triumphieren, über den Erfolg der Schlacht stellen ließ. Was den Skelettriesen unnutzbar machte. Und ich… nun, ich stand weit hinten, praktisch unfähig, etwas am Kampfgeschehen zu ändern außer dem Katapult Anweisungen zu geben, wohin es schießen sollte. Auch wenn wir die Schlacht gewannen, erlitten wir Verluste in einem Ausmaß, die mich um die Verteidiger Zoicas bangen ließ.

Doch immerhin erkaufte es uns endlich die erwünschte Audienz mit Mundi, der inmitten seiner Skelettarmee am Fuße der Dreadspire in einem Zelt wartete. Unser Aussahen versetzte uns immerhin in die glückliche Lage, festzustellen, dass seine Abneigung gegen Blut eine Tatsache war, auch wenn sein Untergebener Bashere ihn so gut wie möglich davon abschirmte. Auch der Rest der Audienz verlief erfolgsversprechend. So sicherte Mundi zu, in Verhandlungen mit seinem Bruder zu treten und auch mit den Yuan-Ti würde er Frieden halten, solange diese nicht ihn oder die Ungol angriffen. Als Zeichen seines guten Willens hatten wir die gefangenen Yuan-Ti zuvor nach Sardak geschickt, damit man dort mit ihnen umgehen würde, wie es den Gesetzen der Sardak entsprach. Und bei alledem schafften wir es irgendwie, Mundis Aufmerksamkeit zu zu fesseln, dass sich Lia währenddessen herausschleichen konnte.

Erst als es zu spät war, fiel Mundi die erneute Abwesenheit seiner Frau auf. Sichtlich unamüsiert beendete er daraufhin abrupt die Audienz und ging mit Bashere hinaus. Ralkarion wollte es sich aus irgendwelchen Gründen gemütlich machen, abzuhauen würde uns als mögliche Kollaborateure in ihrem Verschwinden verdächtig machen. Wie er darauf kam, war mir unklar - Mundi hatte die Audienz beendet, weiter dort herumzusitzen würde uns bestenfalls als Verächter seiner Autorität darstellen. Noch dazu hatte Krathus eine recht unbedachte Äußerung fallen gelassen. Zum entsprechenden Zeitpunkt hatte Mundi dem keine Beachtung geschenkt und vielleicht hatte er sie nicht einmal gehört. Doch sollte Mundi auf den Gedanken kommen, dass wir etwas mit Lias Verschwinden zu tun haben könnten, wollte ich mich nicht inmitten seiner Armee aufhalten. Eine Einstellung, die auch von Krathus und Garret geteilt wurde und so landeten wir eine Verwandlung in Meeresfrüchte später wieder in Sshistana und teilten Arina mit, dass unsere Bemühungen von Erfolg gekrönt gewesen waren. Wie selten wir das doch sagen durften. Da Harkis am nächsten Tag zurückerwartet wurde, beschlossen wir, einmal mehr über Nacht hier zu bleiben.

Zum ersten Mal seit Tagen ließ ich meine Anspannung fallen, doch dadurch ließ die Nähe zu Arina Gedanken aufkommen, die ich bisher verdrängt hatte. Ich war aufgebrochen, um die Welt zu sehen, dann war ich in diese Geschichte mit den roten Drachen hereingesogen worden. Bisher hatte ich gedacht, dass ich danach wieder nach Ravengrove zurückkehren würde, doch die Sache mit Arina und dem Blutfluch hatte eine Erkenntnis zutage gefördert, die ich rückblickend schon vor einem Jahrhundert hätte zulassen müssen, hätte ich mich nicht immer wieder mit neuen Ablenkungen diesbezüglich belogen: Ravengrove war schon lange nicht mehr mein Zuhause. Doch was war es dann? Was war es, wofür ich all das hier tat? Und wer wäre ich, wenn ich das hier lebend überstand? Auf all das fand ich keine Antwort. Ironisch. Zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich relativ genau, wer ich war, doch hatte über diese Erkenntnis meine Heimat und mein Ziel verloren. Vielleicht hätten die anderen Antwort für mich… in dieser Hoffnung fragte ich sie, was sie eigentlich danach vorhätten. Krathus antwortete wie aus der Pistole geschossen, dass er weiter Reichtümer für seinen Hort anhäufen würde, die er den Rachwoodlern zugute kommen lassen würde, zu denen er eine starke Bindung verspürte. Garret hingegen hatte kleinere Pläne. Ihn plage das Heimweh, er würde zu seiner Familie zurückkehren und die Brauaerei weiterführen und mit all den gewonnenen Eindrücken neue, bessere Whsikeys erstellen. Ralkarion brauchte etwas länger, doch offenbarte schließlich, dass er darüber nachdächte, mit Razora die alte Taverne zu führen. Alles durchaus Pläne, die ich eigentlich als sinnfüllend und schön erachten müsste und es für meine Gefährten auch tat - doch mir persönlich führte es nur meine eigene Ziellosigkeit vor Augen, nichts davon erschien mir nach etwas, was ich mir vorstellen könnte. Ich wich der Gegenfrage erst aus, doch schließlich offenbarte ich meine Gedanken. Ralkarion bemühte sich, mir zu versichern, dass ich immer bei ihnen willkommen sei. Ich war ihm durchaus dankbar, doch spürte irgendwie, dass die Leben, die sie beschrieben, nicht meine Zukunft wären. Ich konnte mir plötzlich nicht mehr vorstellen, mich jemals irgendwo niederzulassen, weder an einem Ort noch mit einer Person. Doch gleichzeitig verspürte ich keine Sehnsucht danach, auf ewig umher zu ziehen. Es war verwirrend. Und so wischte ich die wohlmeinenden Äußerungen meiner Gefährten rüder als nötig beiseite. Ich war froh, dass sie so reagiert hatten, doch dies war offenbar etwas, wobei sie mir letztendlich nicht helfen konnten.

Am nächsten Morgen traf Harkis wieder in Sshistana ein und nahm die Informationen zur Kenntnis, wenngleich er nicht übermäßig begeistert wirkte, gleich wieder umkehren zu dürfen. Insgeheim fragte ich mich, ob er bei Ssai Sardak in Ungande gefallen war - erst die Äußerung Sunas, die deutlich machte, dass der Imperator Harkis etwas aus Misstrauen verheimlichte, nun die ständigen Botengänge, die jemandem in seiner Position eigentlich eher unwürdig waren. Das, gemeinsam mit der Zerstörung von Sshistana und dem damit verbundenen Rückschlag der Pläne der Yuan-Ti, ergaben ein gewisses Bild. Wie um meine Gedanken zu unterstützen, ließ er uns wissen, dass die Yuan-Ti ihren Teil der Abmachung einhalten und uns bei der Übernahme des Heart of Rage Nexus helfen würden - indem er allein uns unterstützte. Ob das nun ein Zeichen von Ehrerbietung war oder der Imperator einen unliebsam gewordenen Untergebenen loswerden wollte, vermochte ich nicht zu sagen.

Wir packten zusammen, alles schien erledigt. Dann jedoch bemerkte Arina etwas, was mich bis ins Mark erschütterte. Sie würde nicht mehr lange leben, da der Ort zerstört war. Ich ging bis dahin aus, dass sie mit ihrer Bindung an Sshistana das Land selbst gemeint hatte, doch tatsächlich war es die Einrichtung gewesen, die sie am Leben gehalten hatte. Wenn diese schnell genug wieder errichtet würde, gäbe es eine Chance, zu überleben, anderenfalls würde sie unweigerlich sterben. Ich kämpfte mit den Tränen - sowohl jenen aus Trauer, als auch auf Wut. Daran war dieser verdammte Blutfluch schuld, der auf Ravengrove lag. Und die verdammte Geheimniskrämerei der Elfen dort, die es Arina unmöglich gemacht hatte, sich davor zu schützen. Sollte Arina sterben, hätte dort jemand Fragen zu beantworten…

Doch der Schock und die Trauer wog schwerer und so umarmte ich Arina zum Abschied sehr viel länger und fester, als ich es vielleicht sonst getan hätte. Ich hoffte sehr, dass es kein Abschied für immer war, als wir Sshistana den Rücken kehrten. Kaum waren wir außer Hörweite, verkündete Ralkarion natürlich sofort, Arina retten zu wollen. Worte, die sich wie glühende Dolche in meine Brust bohrten. Natürlich wollte ich das auch, aber es gab Wichtigeres und wenn wir wegen jeder einzelnen Person, und war sie uns noch so wichtig, ständig alles andere hintenan stellen würden, opferten wir Logothil für unsere persönlichen Interessen. Wofür er natürlich nicht empfänglich war, genauso wenig wie ich für seine fast schon übliche Argumentationsweise, dass wir dann ja nicht besser als der Rote seien. Es war sinnlos, ihm beizubringen, dass ich keinen Wert darauf legte, „besser” als der Rote zu sein, solange meine Handlungen für Logothil ein besseres Ende versprachen. So wechselte Ralkarion die Argumentationsschiene und brachte vor, dass Arina mehr von Blutmagie verstand als alle anderen, die wir kannten und wir dieses Wissen gegen den Roten brauchen würden. Außerdem würde es unsere Allianz mit den Yuan-Ti stärken, wenn wir eine der Ihren retteten. Mir fielen sofort eine Million Gegenargumente ein - damit angefangen, dass er die Mentalität der Yuan-Ti offenbar noch immer nicht verstand und der Imperator Arina ganz offensichtlich nicht als eine der Ihren sah - Sunas Auftrag hatte beinhaltet, Harkis deshalb nichts zu sagen, weil er es „der Elfe” sagen könnte. Und Arina selbst hatte schon mehrmals selbst zu Protokoll gegeben, dass sie mehr die Effekte als die tatsächliche Wirkweise der Blutmagie verstand und diese nur aufgrund des gesammelten Wissens der Yuan-Ti behandeln konnte. Und das, wie man bei ihr selbst und Ralkarion sah, auch nicht ohne gravierende Nebenwirkungen. Auch war die Frage, inwiefern Arina überhaupt mit ihrer Existenz als Yuan-Ti zufrieden war, die noch dazu an einem Ort gefangen war - bisher hatte sie bestenfalls so gewirkt, als hätte sie sich damit abgefunden.

Doch ich WOLLTE ihm Recht geben. Ein Teil von mir beanspruchte das Recht für sich, egoistisch zu sein und das Schicksal einer Freundin über das eines Kontinents zu stellen. Und war nicht zumindest ein Funken Wahrheit in Ralkarions Worten? Harkis schätzte Arina und ihre Fähigkeiten offenbar hoch, warum sollte es anderen Yuan-Ti nicht ähnlich ergehen? Und war es für unsere Mission nicht ausreichend, die Effekte von Blutmagie einzugrenzen, statt sie wirklich zu verstehen? Ich dachte lieber nicht zu lange darüber nach, in welchem Maße ich mich gerade selbst belog.

Die Frage nach dem wie erwies sich jedoch als schwierig. Uns fiel im Augenblick nur die Magie der Nexi ein, doch Ralkarions Nexus hatte derzeit nicht annähernd ausreichend Energie, eine Kugel zu erschaffen und die anderen Nexi waren mehr oder weniger außerhalb unserer Kontrolle. Es war zum Verzweifeln… und in dieser Verzweiflung fiel mir ein, dass uns ein Nexuswächter erst kürzlich eine Allianz angeboten hatte. Ohne den anderen auch nur die Chance zur Reaktion zu geben, holte ich einen Spiegel aus meinem Gepäck und sprach Loganaars Namen dreimal hinein. Als darin ein Antlitz erschien, dass dem von Posetine erstaunlich ähnlich sah, hoffte ich sehr, uns nicht gerade dem Tod ausgeliefert zu haben…