• Wednesday, 26. February 2025 00:13

Sitzung 84

Tueddelig
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Teil 1 - Parallelwelt

Auf dem Weg nach oben, endlich dem aufdringlichen Wirt entkommen, hielt ich nach Krathus Ausschau - der Kobold hatte den Tisch bereits früher verlassen. Ich sah ihn nicht, doch die Antwort dafür bekam ich später. Zuerst warteten einige wie erwartet schlaflose Stunden auf mich. Krathus Kommentar beschäftigte mich noch immer, denn er hatte Recht. Was Gudden betraf, war ich immer noch der Meinung, es wäre das Beste, ihn hier zurückzulassen - wobei ich das Wort “Beste” in dem Kontext kaum verwenden mochte, denn es war eine furchtbare Option. Vermutlich war es das, was mich endgültig zu der Entscheidung brachte, Ral zu holen, sobald wir wieder zurück waren. Das es ein Fehler war, ihn gehen zu lassen, war mir schon länger klar, ich würde nicht auch noch ohne ihn nach Iris gehen, wenn niemand von uns Ahnung hatte, wie man mit einem Nexus umging. Was hatten wir uns überhaupt dabei gedacht? Den Rest der Zeit kreisten meine Gedanken dann wieder vor allem um Schuldgefühle Gudden und Monta gegenüber.

Mitten in der Nacht klopfte es plötzlich. Ich erschrak, doch im nächsten Moment wurde mir klar, dass das dumm war. Die Wachen Itius würden sicher nicht höflich anklopfen, um uns mitzunehmen und in der Tat stellte sich der nächtliche Besucher als Krathus heraus. Er teilte mir mit, er sei unterwegs gewesen und habe herausgefunden, dass Gudden tatsächlich lebend bei Itiu gefangen gehalten wurde. Wenig überraschend, aber doch gut zu wissen, dass er noch lebte. Weitaus verblüffender war, dass Krathus in Erfahrung gebracht hatte, dass sich morgen gegen Mittag eine Menschenmenge vor Itius Anwesen versammeln würde. Ich konnte mir zwar keinen Reim darauf machen, warum das geschah, aber Krathus schlug vor, das zu unserem Vorteil zu nutzen, Garret hätte schon zugestimmt. Nicht begeistert von dem Plan, weil es unser Hauptproblem von Guddens Rückkehr nicht löste, aber hin- und hergerissen zwischen dem was ich für richtig und was ich für nötig hielt und dann auch noch um Garrets volltrunkenen Zustand wissend, stimmte ich zumindest zu, das morgen früh noch zu besprechen.

Da mir die Ruhe ohnehin enteilte, ging ich beim ersten Licht des Morgens hinunter in die Schankstube, um dort auf Garret und Krathus zu warten. Die Schankstube war für die Uhrzeit ungewöhnlich beschäftigt. Neugierig, was dazu führte, lauschte ich den Gesprächen an den Nebentischen - um im nächsten Moment war dieselbe kalte Wut da, die mich schon am Steinzirkel gepackt hatte. Krathus hatte mitnichten nur „aufgeschnappt”, dass es eine Versammlung geben sollte - er hatte sie als der Abgesandte initiiert! Reichte es nicht, dass schon Garret mich belogen hatte? Jetzt auch noch er? Von ihm und seiner naiven Art, in der er leider auch das eine oder andere Geheimnis sorglos ausplapperte, hätte ich am wenigsten erwartet, mein Vertrauen derart zu missbrauchen. Als Garret wenig später nach unten kam, merkte er diesmal immerhin sofort, dass etwas nicht stimmte. Darauf angesprochen, wies ich ihn auf die Gespräche an den Tischen hin, woraufhin er es mit einem Scherz zu seiner eigenen Revolution versuchte. Vermutlich meinte er es nur gut, aber in meiner Wut wollte ich davon nun wirklich nichts hören, jedoch gab es mir eine Idee, wie man Krathus vielleicht zu Verstand bringen konnte. Als dieser wenig später herunterkam, fauchte ich ihn nur an, sich hinzusetzen, dann wendete ich mich an Garret und sagte ihm, er solle Krathus einmal von den Folgen seiner eigenen Revolution berichten. Krathus hatte die ganze Zeit schon eher an Garret gehangen, es wäre sicher effektiver, wenn es von ihm kam.

Dass das eine dumme Idee war, hätte mir vorher klar sein müssen, denn natürlich fing Garret erstmal davon an, dass es ja gut sei, dass der alte Herrscher weg sei. All der Mist, der danach passiert war, allen voran die Hextor, die allein durch ihre Anwesenheit Zoica in Gefahr brachten, kam ihm gar nicht in den Sinn. Ich musste ihn also auf alles hinweisen. Nicht unbedingt ein Vergnügen, erinnerte es doch auch mich noch einmal daran, was dort alles los war - armer Arem, während der eigentliche Herrscher Zoicas sich in der Welt herumtrieb, hatte er dort kein leichtes Los. Fast schon erwartungsgemäß war der Effekt gering, Krathus verteidigte sein Vorgehen weiterhin und hielt es für die beste Chance, Gudden herauszuholen. Hatte er mir denn so gar nicht zugehört? Als auch Garret milde Begeisterung für den Plan ausdrückte, knallte ich meinen Kopf nun doch auf den Tisch. Was musste ich noch tun, um hier ernst genommen zu werden?

Nun gut, es brachte ganz offensichtlich nichts, den beiden die Beschissenheit unserer Lage klarzumachen, also galt es, das Ganze so unblutig wie möglich über die Bühne zu bringen. Was wir danach mit dem Bugbear tun würden, müssten wir dann sehen, Krathus hatte uns keine Wahl gelassen und sein vorschnelles Handeln noch dazu nur wenige Optionen. Doch einfach im Aufruhr unbemerkt verschwinden? Was würde Itiu der Menge wohl erzählen, wenn ihr geliebter, aber von ihm gehasster Abgesandter nicht auftauchte, hmm? Geheimgang? Keine Option, da auch dies mit einem Nichtauftauchen des Abgesandten einherging. Krathus versteigerte sich gar zu der Aussage, Gudden können ja eventuell bemerken, was draußen los sei und dann vielleicht irgendwie sein Echo… oh man. So recht zu einem Ergebnis kamen wir nicht, doch ich wurde des Diskutierens mit zwei Steinblöcken langsam überdrüssig und so schlug ich vor, erstmal nach Monta Kren zu sehen. Wir erreichten die Hütte unbehelligt und obwohl es noch früh war, öffnete er uns. Sein Anblick ließ mich zeitweise alles vergessen, was vorgefallen war und ich empfand nur noch Mitleid. Ein gebrochener Mann, keine Frage. Ich wollte ihm erneut mein Mitleid aussprechen, ihn trösten, doch Garret kam mir zuvor und fragte erstmal, wann er denn fertig sei. Verständlicherweise etwas angefressen eröffnete er uns, dass die Vorbereitungen bis zum Nachmittag abgeschlossen sein müssten, es jedoch die Komplikation gab, dass er uns am selben Ort zurückbringen müsste, an dem wir hergekommen waren, der Höhle der Spinnen. Endlich zu Wort kommend, legte ich ihm die Hand auf die Schulter und fragte ihn, ob er seine Tochter beerdigen wolle. Kurz überlegte er, dann nickte er, es sei Zeit, loszulassen. Er erzählte von einem kleinen Hain ein paar Stunden außerhalb von Oclusar, der glücklicherweise sogar einigermaßen auf dem Weg lag. Unseren Zeitplan vergessend, sagte ich ihm zu, dass wir da sein würden, dieses Mal mit Reittieren.

Daraufhin gingen wir wieder und es wurde Zeit, die „Planung”, wenn man es denn so nennen durfte, fortzusetzen. Nach langem Hin und Her beschlossen wir, dass Krathus seinen Auftritt als Abgesandter hinlegen sollte und wir uns die Ablenkung nutzend in der Zwischenzeit davonstehlen würden, um Gudden zu befreien. Wie gut mir das in meinem ausgelaugten Zustand gelingen würde, würden wir wohl dann feststellen… Jedenfalls verbrachten wir den Rest der Zeit damit, Krathus dabei zuzusehen, wie er murmelnd seinen Auftritt plante und für uns selbst Verkleidungen zu organisieren, damit wir nicht sofort erkannt würden, dann war es Zeit.

Mit einem mulmigen Gefühl ging ich mit den beiden und wie es schien nahezu allen Bewohnern Oclusars den Berg hinauf zu Itius Anwesen. Es hatte sich bereits eine erkleckliche Masse dort versammelt, allerdings hatte Itiu auch deutlich mehr Wachen als sonst abgestellt. Krathus hatte sich fürs Erste verkleidet, damit wir die Lage sondieren konnten, doch als Itiu selbst vor das Tor trat, im Hintergrund bewacht von Shruc, war Krathus Auftritt gekommen. Itiu begann zu sprechen, doch er kam nicht allzuweit - als sich Krathus in seiner Rolle als der Abgesandte zu erkennen gab, hingen die Leute an seinen Lippen, einer nahm ihn gar auf seine Schultern und sah dabei aus, als wäre ihm dadurch eine unheimliche Ehre zuteil gekommen, nicht etwa so, als ob einfach nur ein kleiner Kobold auf seinen Schultern säße. Ich musste zugeben, die Lichtshow, die Krathus abbrannte war ziemlich beeindruckend - besonders das Banner leistete ihm gute Dienste, indem er mit ihm den Vorhof begrünte. Kurz fürchtete ich, dass die Ablenkung für Garret und mich nicht funktionieren würde, denn Olerian raste plötzlich aus irgendeinem Grund wie wild davon und in die Burg hinein, doch ich konnte mich jetzt nicht darum kümmern, wir hatten eine andere Aufgabe. Während Krathus von Frieden und Leben sprach und Itiu ganz offensichtlich vor Wut schäumte, aber völlig machtlos war, die Situation zu ändern, begannen Garret und ich, uns an den Rand der Versammlung zu begeben.

Dort erwartete uns dann die nächste Überraschung - Gudden schien es irgendwie geschafft zu haben, sich selbst zu befreien und stand neben uns. Er befahl uns, sich bereit zumachen und ging dann mit uns im Schlepptau geradewegs zu Krathus. Die Leute machten dem „Leibwächter des Abgesandten” bereitwillig Platz und auf Itius Gesicht war nun auch Fassungslosigkeit zu lesen, dass Gudden frei war.

Dann ging plötzlich alles sehr schnell. Gudden nahm Krathus auf die Schulter, dann offenbarte er eine Nexuskugel unter seinem Umhang und wünschte sich ein Portal zurück in unsere Welt. Krathus war praktisch sofort in dem Portal verschwunden, reflexartig seiner Anweisung folgend nutzten ich und Garret Gudden als Sprungbrett, um ebenfalls durchs Portal zu springen. Erst mitten im Sprung schoß mir plötzlich durch den Kopf, was wir dieser Welt und zumindest einigen Bewohnern gerade alles antaten, doch da war es bereits zu spät. Dunkelheit umfing mich, dann plötzlich ein rasender Schmerz. Dann verlor ich das Bewusstsein…


Teil 2 - Zurück in Logothil

Ich wachte auf. Gras unter meinem Körper. Nicht überall. Eine Decke unter meinem Kopf. Garret? Krathus? Es war nicht kalt. Sie hatten sie wohl selber nicht gebraucht. Gute alte Sentimentalität.  Wie lange ich wohl bewusstlos gewesen war? Moment. Stimmen. Drei. Nein. Vier. Garret und Krathus, klar. Ral! Gut. Das ersparte uns einen Umweg. War ich überrascht? Nicht wirklich, er hatte bereits bewiesen, dass er auf sich aufpassen konnte. Die fünfte Stimme war unbekannt. Männlich. Leicht aggressiver Unterton.

Das alles schoss mir im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf. Trotz meiner körperlichen Erschöpfung war mein Kopf so klar wie schon lange nicht mehr und ich genoss das Gefühl. Mit derselben Klarheit beschloss ich, noch einen Moment liegen zu bleiben und schlafend zu stellen. Ich wollte erstmal ein Gefühl für diesen “Juntos” bekommen, während er sich von mir unbeobachtet fühlte. So bemerkte ich, dass der aggressive Unterton wohl eher angeboren oder antrainiert war. Erinnerte mich an Razora.

Meine Gefährten waren wohl gerade in den letzten Zügen unseres Berichts über unseren Ausflug in die Parallelwelt, jedenfalls tadelte Ral gerade Garret und Krathus für ihr unüberlegtes Handeln. Ich beschloss, dass ich genug gespielt hatte, von Juntos schien keine Gefahr auszugehen und so öffnete ich die Augen und erwähnte, dass Nachdenken nicht unbedingt die Stärke dieser Gruppe sei.

Sie schienen erfreut, mich wieder auf den Beinen zu sehen, auch wenn Ralkarion sich offenbar einen etwas herzlicheren Empfang gewünscht hätte. Nun, man konnte nicht jeden glücklich machen. Er würde akzeptieren müssen, dass ich froh war, dass er zurück war, ohne dass ich ihm um den Hals fiel und wir hatten größere Probleme als uns über eine Wiedervereinigung zu freuen. Iris lag direkt vor uns und mit Ral zurück hatten wir unseren „Experten” für die Nexi zurück. Er erwähnte nebenbei, dass er auch Taya und Snurba getroffen hatte. Problem oder Chance? Ich verstaute diesen Gedanken für später. Fürs Erste ging es darum, nach Iris zu gelangen. Auch Juntos, tatsächlich der Bruder von Razora und irgendwie dadurch Krathus Onkel, hatte genau wie Ral ein gesteigertes Interesse daran, dorthin zu gelangen, denn Razora lebte noch und war zusammen mit vielen anderen des Dorfes dorthin verschleppt worden. Ich lächelte in mich hinein. Die Legionen aus Iris mochten Juntos’ Volk und Rachwood problemlos besiegt haben mochten, doch indem sie sie gefangen nahmen und in ihrer Stadt einsperrten, hatten sie uns unbewusst eine große Menge an Alliierten in ihrer eigenen Stadt verschafft. Sofern sie diesbezüglich keinen absolut sicheren Plan hatten und sollte es uns gelingen, sie zu befreien, stiegen unsere Chancen, für unser Vorhaben und auch für Zoica viele Unterstützer zu gewinnen. Und die würden wir brauchen.

Doch wir hatten nichtsdestotrotz noch immer viel zu wenige Informationen, was uns im und jenseits des Tunnels erwartete. Juntos fragte, was das Problem genau sei und einem plötzlichen Instinkt folgend öffnete ich meine Handfläche in einer etwas umständlichen Drehung - und über meiner Hand erschien plötzlich ein magisch erzeugtes, nahezu perfektes Abbild eines Wurms. Ich war ähnlich überrascht wie die anderen, freute mich jedoch über diese durchaus nützliche Fähigkeit. Es gab einige mehr oder weniger taugliche Ideen, ich schlug vor, einen der Würmer ans Tageslicht zu ziehen und dort zu erledigen, wo wir vermutlich im Vorteil wären. Ich hatte die Hoffnung, dass eine anschließende Untersuchung des Wurms möglicherweise Aufschluss über Zahl, Fähigkeiten und vor allem Schwachpunkte der Biester bringen und die Durchquerung erleichtern würde. Diese Idee wurde jedoch mit dem durchaus berechtigten Einwand überstimmt, dass ein Kampf so nahe an Iris ungewollte Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnte, Krathus hatte die Stadt in fünf Kilometern Entfernung ausgemacht, genauer gesagt den Nexus.

Schließlich schlug Ral vor, uns nach und nach als Gaswolke durch den Tunnel zu schicken. Diese Idee hatte Potential - wenn die Würmer sich nach Erschütterungen richteten, würden sie uns dadurch nicht bemerken. Ich wand jedoch ein, dass damit das Problem nicht gelöst sei, dass wir nicht wussten, was am anderen Ende auf uns wartete. Dennoch, wenn man eine Verbindung herstellen nach drüben könnte… ich dachte nach. Garret zuerst hinüberschicken? Nein, trotz allem war er noch der Herrscher von Zoica, die Stadt brauchte nicht noch mehr Instabilität. Ral? Wer sollte uns dann herüberbringen, nein. Krathus? Er war unser Link zu dem großen Roten, das mochte noch nützlich werden, er schied auch aus. Juntos? Möglich, aber er sah nach einem kräftigen Kämpfer aus, den wir noch brauchen würden, statt ihn sinnlos zu opfern. Mich selbst? Ebenfalls möglich, aber ich musste gestehen, dass auch ich wenig Lust hatte, sinnlos zu sterben. Jammerschade, dass Snurba nicht mehr hier war, er wäre der ideale Kandidat zum Ausspähen gewesen. Den letzten Gedanken sprach ich laut aus. Wie zu erwarten missfiel er Ral und Garret, aber wir hatten lange genug gangbare Möglichkeiten ausgeschlossen. Nun, es war vermutlich ohnehin nicht realistisch, umzukehren und den Kobold und Taya einzuholen.

Mittlerweile war es spät geworden und wir waren noch nicht viel weiter gekommen - wir hatten schlicht zu wenige Informationen. Da mein Körper sich mehr und mehr über die Strapazen der letzten Nacht und den heutigen Tag, schlug ich vor, sich auszuruhen. Es war mir nicht wohl dabei, in diesem Zustand mitten im Feindesland zu sein. Die anderen stimmten zu, doch da sie offenbar noch Gesprächsbedarf hatten, setzte ich mich etwas abseits, um meine Meditation zu beginnen.

Leider kam ich nicht weit, denn Garret unterbrach mich nach kurzer Zeit. Meine Frage, ob er sich unbedingt jetzt unterhalten müsse oder ob das warten könne, bis ich mich erholt hatte ignorierend, fragte er mich, ob alles in Ordnung war. Mir war klar, dass diese Frage nur ein Vorwand für ein beginnendes Gespräch war, doch ich war bereit, ihm entgegenzukommen und so antwortete ich wahrheitsgemäß, dass es mir hervorragend ginge, abgesehen von der Erschöpfung. Damit kam Garret dann auch zum Punkt: Er begann einmal mehr mit der Moral, dass man sie nicht verraten dürfe, nicht werden dürfe, was man jagt. Amüsierend von einem wie ihm, doch ich konnte ihm kaum böse sein, schließlich hatte ich bis vor kurzem noch selbst so gedacht. Und so bemühte ich mich zu erklären, dass es egoistisch wäre, die eigene Moral über das große Ganze zu stellen. Das ich meine Moralvorstellungen jederzeit hinten anstellen würde, wenn es bedeuten würde, dass ich dadurch echte Veränderung bewirken könnte. Ich gebe zu, ein Teil von mir wunderte sich selbst über die Worte, die ich sprach. Ich schien erwachsen geworden zu sein. Garret hingegen schienen die Worte eher noch mehr zu verunsichern und er begann sich sogar, für seine Rolle in meiner Gefühlswelt der vergangenen Tage zu entschuldigen. Noch vor ein paar Tagen hätte ich mich darüber sehr gefreut, doch jetzt unterbrach ich ihn. Er sollte sich nicht für etwas entschuldigen, was er offenbar aus Selbstschutz getan hatte. Lieber sollte er darüber nachdenken, warum er diesen Selbstschutz einer fremden gegenüber so bereitwillig aufgegeben hätte. Um ihn wenigstens ein bisschen zu stabilisieren, sagte ich ihm, dass ich ihm deswegen nicht länger böse war, vielmehr war ich dankbar für die Erfahrung, ich hatte offenbar viel aus ihr lernen können. Dann gab ich ihm unmissverständlich zu verstehen, dass ich jetzt Ruhe benötigte und er ging. Auf mich wirkte er noch immer leicht geknickt. Nun, er würde schon klar kommen, er hatte ein ziemlich dickes Fell diesbezüglich.

Am Ende meiner Wache, gegen Beginn des neuen Morgens, hörte ich plötzlich weitere Stimmen. In meiner Erinnerung kramend bestätigte sich der Verdacht, dass es möglicherweise Beholderkin wären, als sie von Barry sprachen. Ich begann, die anderen zu wecken, als sie uns bemerkten. Ral benötigte etwas mehr „Zuspruch” als die anderen, zu sehr lenkte ihn mein kleines Makeover aus der Nacht ab, doch auch er bemerkte schließlich die Beholderkin über uns. Ich fragte, was wir nun tun sollten und ließ vorsichtshalber meinen Bogen aus dem Nichts erscheinen, sollte es zu einem Kampf kommen - was ich nicht hoffte, damit könnten wir die Operation Iris vermutlich sofort abblasen. Die Beholderkin schienen jedoch kein gesteigertes Interesse an uns zu haben und machten Anstalten, weiterzuziehen - bis Ral etwas davon erzählte, dass wir Pilger seien. Dies schien Eindruck zu machen, wenn auch nicht unbedingt den besten - die Beholderkin wirkten etwas genervt und flogen zurück über den Berg, doch ihre Worte ließen erwarten, dass sie möglicherweise mit einem Transportmittel zurück kämen. Eile war also geboten statt einem wohldurchdachten Plan - wie originell. Natürlich war mir gar nicht wohl dabei, doch wir hatten keine andere Wahl. Zuerst musste ich die anderen einmal mehr von unbedeutenden Dingen wie meinem veränderten Äußeren und meinem nun verschwindenden und wiedererscheinenden Bogen abbringen. Dann beschlossen wir, dass Krathus erneut das Sprachrohr der Gruppe sein sollte, wir hingegen seine Wachen, ein Plan, der Juntos zwar nicht schmeckte, den er aber akzeptierte, nachdem wir ihm eingeschärft hatten, dass er drüben auf keinen Fall einfach drauflos schlagen durfte. Ich warf noch ein, dass wir Ral zu Krathus Herold machen sollten, damit er sprechen durfte - nicht, dass ich Krathus böse Absichten unterstellte, der Kleine war zu naiv dafür, doch er tendierte dazu, unüberlegte Dinge zu sagen. Darüber hinaus schärfte ich ihm noch ein, in seiner Rolle auf Rals Ratschläge statt auf Garrets zu hören - aus demselben Grund. Wir hatten keine Zeit, Garrets Gefühle zu schonen, er würde damit klarkommen müssen.

Doch wie kaum anders zu erwarten, hielt der Plan etwa 15 Minuten lang. Zu diesem Zeitpunkt nämlich erschien ein ausgewachsener Beholder mit einer Art Trage, die er vor uns fallen ließ und Krathus bedeutete, aufzusteigen. Direkt darauf begann er, Krathus ohne uns in die Lüfte zu befördern, in letzter Sekunde dachte Krathus daran, auch für uns Transport zu bestellen. Doch auf die Frage nach dem warum und ob wir Sklaven seien, antwortete er mit ja. Innerlich schrie ich auf. Das war es dann mit dem Plan. Niemand außer Krathus würde reden dürfen und man würde uns sicherlich nicht gestatten, mit Waffen herumzulaufen, möglicherweise würde die Geschichte sogar an unserer Bewaffnung scheitern. Bewaffnete Sklaven, wer hätte schon davon gehört? Wir würden innerhalb der Improvisation improvisieren müssen…

Während wir warteten, verstaute ich daher meine Kurzschwerter in meinem Rucksack. Vielleicht gelang es mir so, wenigstens den Anschein zu wahren. Wenig später erschien der Beholder erneut mit der Trage, aber ohne Krathus. Aus der Nähe betrachtet sahen wir, dass sie in der Mitte ein Auge hatte, dass sich aber offenbar schmerzfrei schloss, wenn man darauf trat. Eine Sicherheitseinrichtung? Hofften wir mal, dass es keine Absichten erkennen konnte. Auf dem Flug nach Oclusar wurde ich noch darüber aufgeklärt, dass die Idee mit dem Pilger daher kam, dass Krathus erklärte, dass die Paladine aus seinem Corps eine Pilgerreise zu den Nexi machen mussten und daher Gegenstände besaßen, die Nexusmagie erkennen konnten, allerdings funktionierten sie nur für Kobolde. Sofort dachte ich an den Nexus in Azoicstrum, der unseres Wissens nach bisher noch unerkannt war. Doch wenn Angstrum dessen Magie weiter so entfesselte und eine Legion von Kobolden nach ihm Ausschau hielten, konnte es nicht lange dauern, bis er entdeckt wurde. Das war nicht gut und definitiv ein Problem, um das sich gekümmert werden müsste. Wenn wir die vor uns liegende Aufgabe heile überstünden, war ein ernstes Gespräch mit Krathus fällig, er durfte uns nicht noch mehr dieser Informationen verheimlichen. Doch auch das musste erstmal verstaut werden für später.

Kurz darauf ließen wir das Gebirge hinter uns, der Tunnel wäre in der Tat ausgesprochen lang gewesen. Vor dem Tunnel sahen wir nicht nur eine große, steinerne Kuppel in Form eines Auges, sondern auch einen Haufen offenbar versteinerter Humanoide. Hier schien es also Verteidigungsmechanismen zu geben, die das auslösten - wir mussten dringend klüger sein als die Steinsäulen dort unten. Zu meinem Erschrecken jedoch landeten wir nicht dort, sondern flogen über den See direkt hinein in das auf eine Klippe gebaute Iris. Fantastisch. Eine Landung mitten im Feindgebiet ohne konkreten Plan. Ich sah unsere Chancen, die nach der Rückkehr von Ral und Juntos und seinem gefangenen Volk hier schon gewachsen waren, deutlich schrumpfen, zumal auf der Landeplattform nicht nur Krathus auf uns wartete, sondern auch eine Art Schlangenvieh mit drei Augen…