Mitten auf dem Weg standen wir wie auf dem Präsentierteller, dies war definitiv zu gefährlich und der Drachen ehrte kontinuierlich wieder. Etwas eilig zimmerte ich einen kleinen Plan zusammen, wie wir unserem sicheren Tod eventuell doch noch entgehen könnten. Zuvor hatten wir schon einen Teilerfolg gehabt, als wir uns ins Dickicht begaben. Das könnte wieder funktionieren, jedoch abgewandelt. So führte ich kurzerhand aus, was mir im Kopf schwirrte. Krathus und Calas wirkten zunächst nicht sonderlich zugetan, Garret’s Zustand war wie gewohnt teilnahmslos. Sie gaben zu bedenken, dass wir nur ein wenig länger ohne Konflikt ausharren müssten, um genug Kraft getankt zu haben weiterzuziehen.
Ich hielt dies für Irrsinn. Was wäre gewesen, wenn der Drache erneut seine Taktik änderte? Doch stimmte es schon … würden wir beim Umsetzen meines Plans Fehler machen, dann gäbe es definitiv keine Rettung mehr. Es stand zwei zu eins, somit war die Entscheidung getroffen. Und wie durch ein Wunder verschwand der Drache nach seiner Sichtung erneut kurzzeitig. Es war verwunderlich, dass diese fünfzehn Minuten mehr so einen immensen Einfluss auf unseren Zustand hatten. Aber wir fühlten uns wahrlich allesamt gestärkt. Nunmehr brachen wir auf und setzten den Plan in die Tat um.
Wir suchten schnellstens einen potentiell guten Unterschlupf im nahgelegenen Dickicht. Dort stellten wir kurzerhand ein Nachtlager zusammen und entzündeten eine fahle Glut. Calas nutzte seine magischen Kräfte erneut seinen alarmierenden Zauber zu wirken. Danach schulterte er den weiterhin bewusstlosen Garret und folgte in den Spuren von Krathus' Yak, auf welchem der Kobold und ich nun saßen. Der Weg führte uns zunächst nach Osten. Nach einer halben Stunde etwa machte ich uns unsichtbar. Während wir das Yak weiter nach Osten schickten gingen wir nun getarnt und leise durch das Unterholz Richtung Süden. So hofften wir den Drachen auf falsche Fährten zu lenken.
Es dauerte auch nicht lange bis unser gefälschtes Nachtlager unter seinem Atem zerrissen wurde. Und später ließ uns Krathus wissen, dass sein treues Reittier von dem Drachen heimgesucht wurde. Das war schon eine erstaunliche Fähigkeit von ihm eine gedankliche Verbindung auf diese Entfernung zu seinem Tier zu haben. Mir gefiel es nicht das Tier in seinen Untergang zu schicken, aber welche Wahl hatten wir schon gehabt? Bisher schien der Plan vollständig aufzugehen. Wir hofften nunmehr dem Drachen wahrlich entkommen zu können. So schritten wir erschöpft weiter in den Morgengrauen hinein. Mir drehte sich von Zeit zu Zeit alles vor den Augen. Es war ein klares Zeichen dafür gewesen, dass wir Schlaf brauchten.
Nach einer guten Stunde erneuerte ich den Unsichtbarkeitszauber auf uns. Als dieser Auslief war es erst einmal vorbei mit der Tarnung. Bisher gab es kein Anzeichen des schuppigen Tods von oben. Erleichtert atmete ich auf. Calas trieb uns an weiterzugehen. Bedachte man, dass er Garret und dessen Zeug zu tragen hatte, dann war seine Ausdauer mehr als bewundernswert. Ohne Nachtruhe setzten wir eilig den Weg am neuen Tag fort. Erst am Abend erlaubten wir uns zu ruhen. Es war wirklich ein anstrengender Marsch gewesen. Endlich hielt Schlaf Einzug.
Die Nacht verlief wie erhofft ruhig. Offenbar hatten wir das Ungetüm wirklich abgehängt. Doch das hieß nicht, dass wir aus dem Schneider währen. Mit Garret wieder bei Bewusstsein starteten wir unsere Weiterreise recht früh. Am Abend stießen wir auf eine Horde Wildschweine in direkter Nähe zu unserem Pfad. Wir beschlossen kein Risiko einzugehen und sie zu umgehen. Glücklicherweise hielten sie uns auch nicht für eine Bedrohung. Die Aufmerksamkeit hätten wir auch nicht gebrauchen können.
Bei der Suche nach einem geeigneten Nachtlager fanden die anderen dann eine Höhle. Es war mir nicht wohl dabei in eine unbekannte Höhle rein zu marschieren, geschweige denn sie mitten in der Nacht zu erkunden. Doch die Neugier siegte über die Vernunft bei meinen Begleitern. Es stellte sich schnell heraus, dass etwas Riesiges in dieser Höhle gewandelt war. Scheinbar trug es Stiefel. Bald schon erkannten wir was es mit der ominösen Kreatur auf sich hatte. Zunächst vernahmen wir ein wenig melodisches Singen, bevor schließlich ein Riese vor uns stand. Garret war hinter einen Stalagmit gesprungen. Wir anderen standen frei im Gang, wobei ich mich hinter Calas stellte. War ja seine Idee gewesen, dass niemand mit bösen Absichten sich so auffällig durch die Gegend bewegen würde wie es der Riese getan hatte.
Da die Kommunikation durch die Unfähigkeit des Giganten die Gemeinsprache zu sprechen erschwert wurde nutzte ich meine schon länger nicht mehr eingesetzt Magie mit ihm zu reden. Scheinbar hatte Calas auch einen ähnlichen, aber weniger effektiven, Zauber für solche Situationen parat. Einen, den ich ebenso kannte. Bevor wir aber Worte wechseln konnten hatte der Große aber noch vor sich zu erleichtern und erwischte dabei genau den Ort, an dem Garret sich versteckt hatte. Wieso war nie ein Barde in der Nähe, wenn sich solche Dinge ereigneten?
Dann nahm das Gespräch fahrt auf, wenngleich nicht so gravierend wie erhofft. Der Riese war nicht unbedingt der hellste schien es. Doch ein paar Informationen konnten wir ihm gegen einige Münzen entlocken. Scheinbar hatte er mehr Interesse daran viele Münzen zu bekommen, denn wertvolle. Einzig zu dem Zweck sich eine Art Rassel zu bauen. Aber uns war es einerlei.
Wir konnten die Nacht über hier bleiben. Auch wenn ich die Stalagmiten nun mit anderen Augen sah. Zusätzlich erwarb Garret noch einen ziemlich großen Pilz von ihm. Ich zweifelte sehr an der Genießbarkeit, da der Pilz schon Pilze hatte. Weiterhin erfuhren wir von Westerfell. Auch wen der Riese den Namen des Ortes nicht kannte, so reimten wir uns das zusammen. Die Stadt war laut seinen Aussagen zerstört worden. Zwei Drachen hatten dort gekämpft. Einer war silbern und den anderen beschrieb er als dunkel. Auf Nachfragen hin könnte es aber auch ein Rotton gewesen sein. Dies waren gar keine guten Nachrichten. Konnte es sein, dass Shadar selbst hergekommen war? War der silberne Drache von vor zwei Tagen doch Lia?
Als ich Garret magisch nun von seiner Duftnote befreien wollte zeigte sich der Riese schon fast ängstlich. Offenbar resultierte dies aus der Furcht vor den besagten Drachen und deren Magie. Vielleicht wäre es hilfreich sich das für die Zukunft zu merken. Viel mehr konnten wir nicht in Erfahrung bringen. So verließ er uns.
Garret machte sich daran den widerwärtigen Pilz zu einer Art Ragout zu verarbeiten. Ich lehnte dankend ab und beobachtete die teilweise merkwürdigen Auswirkungen dieses „Festschmauses“ auf die Gesundheit der anderen. Gelobt war das Trockenfleisch. Und eine erneute Nacht in relativer Sicherheit.
Am nächsten Tag setzten wir die Reise fort. Es passierte nichts Weltbewegendes. Jedoch änderte sich der Ausblick, als wir einen dichten Wald zu betreten begannen. Tiefer im Inneren erkannten wir, dass es Pfade gab und scheinbar bewusst Bäume nachgepflanzt worden waren in der Vergangenheit. Außer uns war aber scheinbar niemand in der Nähe. Eine weitere ruhige Nacht brach herein, welche wir dankend annahmen.
Der darauffolgende Tag brachte uns nunmehr an unser Ziel. Der Wald löste sich mit einem Mal auf und ging über in ein trostloses Ödland. Nicht unerhebliche Teile waren völlig verbrannt worden und aus der Ferne konnten wir an der Felswand zu den Bergen im Westen Überreste von Gebäuden erkennen. Dies musste Westerfell gewesen sein. Auf die von Ruß überzogenen Trümmer einer einstigen Siedlung zugehend sahen wir bald das ganze Ausmaß der Zerstörung. Nichts war übrig geblieben. Auch gab es kein Anzeichen von Leben. Sogar Steine waren unter der Hitze des Angriffs der Drachen geschmolzen, ganz wie es in Zoica der Fall gewesen war.
Der Angriff konnte auch noch nicht allzu lange her sein. Anhand der Rußschicht, der Wetterverhältnisse der letzten Tage und nicht zuletzt des später vorgefundenen noch aktiven Drachenfeuers vermuteten wir, dass der Angriff maximal bis zu zwei Wochen her sein müsste. Das auch keine Plünderung stattgefunden hatte untermauerte den kurzen Zeitraum. Krathus hatte nichts besseres im Sinn, als sich des Goldes zu bemächtigen, das noch in den Überresten zu finden war. Sicher hatte er einen Punkt, dass diese Leute wohl eher keine Verwendung mehr dafür hatten. Doch waren die verkohlten Überreste jener Bewohner, die sich in Angst und Panik aneinander geklammert hatten, gefühlt kaum erkaltet. Ich bildete mir ein das verbrannte Fleisch noch riechen zu können. Das würde auf kurz oder lang wohl auch unser Schicksal sein. Da machte ich mir nichts vor.
In einem Anflug von irrationaler Scherzhaftigkeit nahm ich etwas von dem Ruß eines nahgelegenen Steins auf die Finger und verpasste mir eine „Kriegsbemalung“, die jener Ava ähnelte. Keine Ahnung was mich dazu motiviert hatte. Zuletzt passierten solche Dinge aber häufiger.
Es dauerte einige Zeit, doch dann fanden wir eine hervorstechende Gebäuderuine. Sie hatte Ähnlichkeit in der Bauweise mit dem Compound. Es ergab sich ein Weg in die untere Ebene. Eventuell hatte etwas oder jemand den Angriff dort unten überstehen können. Als wir den Kellerbereich betreten hatten war das Erstaunen groß. Eine Frau stand in einer Art Blase vor uns. Völlig starr, aber in abwehrender Haltung zu dem was sich in ihrem direkten Umfeld abgespielt hatte und es noch tat. Denn mit ihr eingeschlossen war ein Flammenmeer. Sie hatte ganz offenbar auch schon erheblich Schaden genommen. Es wurde klar, dass sie in dem begrenzten Bereich die Zeit irgendwie eingefroren hatte. Doch wie sollte man ihr helfen?
Es war davon auszugehen, dass es sich dabei um Drachenfeuer handelte. Und davon ausgehend, was wir über seine Halbwertzeit wussten und die Schwierigkeiten es zu löschen war guter Rat teuer. Calas war der Ansicht er könne die schützende Barriere aufheben und sie befreien. Ich überlegte und spielte mit den Optionen, die uns zur Verfügung standen. Doch während all der Überlegungen schien er wiederum immer unruhiger zu werden. Er drängelte intensiv nicht noch mehr Zeit verstreichen zu lassen. Diese Hast war nicht nachvollziehbar. Sie musste hier schon Tage stehen, ein paar Minuten änderten nichts. Sie ohne sinnvollen Plan befreien zu wollen, nur um sie dem Tot auszuliefern wäre fatal gewesen. Zumal der allseits beliebte Mundi kaum erfreut wäre, wenn sie sich als Lia herausstellen sollte.
Es half aber nichts. Calas war entschlossen zu handeln. Ich fluchte in mich hinein. Kaum brach die Barriere schoss das Feuer auf uns zu. Kurz bevor es mich erreichte dachte ich noch wie dankbar ich Calas für diese übereilte Aktion war … dann wurde es schwarz.
Als ich die Augen erneut aufschlug stand wieder einmal Krathus an meiner Seite. Das wurde langsam Alltag, dass er mich vom Boden aufkratzte. Ich wunderte mich wer hier eigentlich auf wen aufpasste. Dann aber kam die Realität hinzu. Ein Feuer brannte noch auf mir und Calas hatte ebenso arge Mühen die nun schwer verletzte Frau von den ihren zu befreien. Um mehr gegen den Schmerz gewappnet zu sein entschied ich mich zu verwandeln und hoffte das Feuer gegebenenfalls von den anderen abstreifen zu können. Das erwies sich leider nur zur Hälfte als brauchbar. Zwar war meine Gestaltwandlung als riesiger Affe hilfreich dem Feuer eher zu widerstehen, aber es war nicht von den beiden zu entfernen.
Dann trat Krathus erneut hervor und nutzte seine Kräfte dem Feuer seine magische Komponente zu entziehen. Dies zeigte Wirkung. Was übrig blieb ließ sich nunmehr löschen. Zunächst schlug ich die Flammen auf Calas aus und wendete mich dann der Frau zu, als Krathus ihre Flammen entzaubert hatte. Sie schlug schon kurz darauf ihre Augen auf, gerade als ich dabei war ihre Flammen mit meinen aktuell riesigen Pranken zu erlöschen.