Tagebuch: Ralkarion
Sitzung 86
Wir hielten uns eine Weile vor dem Eingang der Höhle auf, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Besonders die Nahrungsmittelfrage war kritisch. Wir hatten eine große Gruppe zu versorgen. Krathus hatte diesbezüglich aber einen sehr nützlichen magischen Trick parat, mit welchem er Nahrung und Wasser erzeugen konnte. Andernfalls wäre diese Einöde wohl unser langsames Verderben geworden. Als dies geklärt war entschieden wir den noch verbleibenden halben Tag zu reisen. Es ging nach Nordwesten, immer an der Bergkette entlang.
Der Abend kam und wir setzten uns zur Rast nieder. Ich konnte es gar nicht erwarten etwas zur Ruhe zu kommen. Iris hatte mich unter permanentem Stress gehalten. Eine gewisse, wenngleich schmale, Zuversicht erfüllte mich zu wissen, dass wir die Beholder vorerst hinter uns gelassen hatten.
Nun … bis Ava mich jäh aus dem Schlaf riss und ein eben solcher nun direkt vor uns schwebte. Er forderte Garret zum Duell heraus. Sollte sich zeigen, dass dieser Beholder namens Qwe von Ocanar gesendet worden war. Er war der Telekinetiker für Zoica. Und laut seinen „Regeln“ konnte er sich nicht einfach Befehle von irgendjemandem geben lassen. Der Anführer der Stadt musste sein Können unter Beweis stellen und Qwe im Duell besiegen, damit dieser auch mitspielte. Es war einfach großartig vom Regen in die Traufe zu stolpern.
Zunächst verwickelten wir Qwe in ein Gespräch, um das Thema zu umschiffen. Aber es gab kein Durchkommen. Zumindest aber fanden wir heraus wie die Beholder überhaupt entstanden. Ocanar kreierte sie, wenn er Albträume hatte. Der Menge an Augenviechern in Iris zu entnehmen wird das wohl ein täglicher Prozess sein. Für ein Wesen mit seiner Macht würden derlei Albträume als Irrwitzig gelten. Aber wir hatten gesehen, was Shadar im angetan hatte. Ein Beweis mehr für meine Theorie, die ich gegen Morgen noch mit Kopfschmerzen als Bezahlung bestätigt sah. Stellte sich die Frage, ob die Beholder wohl wieder dematerialiserten, wenn Ocanar das zeitliche segnen würde.
An dem Duell gab es nichts zu rütteln. Ava machte es gar noch komplizierter. Sie forderte Teams. Ein Anführer müsse Untergebene haben, die seinen Anweisungen folgen, um zum Erfolg zu gelangen. Aha. Ich war so erschöpft vom Tag und sicher keine große Hilfe, also entschloss ich mich dem Beholder zur Seite zu stehen. Und dieser – sicher, dass zwei halbe Personen eine vollständige ergeben würde – gestand Garret sogar zwei Alliierte zu. Ich wunderte mich ob Garret und Krathus gemeinsam dann auch genauso gewieft wären, wie eine normale beziehungsweise normal große Person. Hätte eigentlich amüsant sein sollen, doch konnte es mir kein Lächeln abringen. Ava machte mit sehr eindrucksvoller Mimik klar, was sie erwartete. Da ich keinen Schimmer hatte, wie ich diese Ava zu deuten hatte fragte ich aber lieber nochmal heimlich nach.
Die anderen planten ihren Auftritt. Derweil begleitet ich Qwe ein Stück abseits. Er war total aufgeregt und ging davon aus zu verlieren. Schließlich sie Garret ja ein Herrscher und müsse damit mächtiger sein. Heh, ja genau …
Die Chance nutzend wollte ich gleich ein paar Dinge klarstellen, wie sich das Leben in Zoica darstellen würde. Keine Leute rumwerfen, essen, auf andere weise töten. Einem Beholder humanoide Etikette beibringen war stets mein Traum gewesen. Ich seufzte tief ich mich hinein. Um ihm klarzumachen wie ernst es mir damit war sagte ich ihm auch deutlich, dass Verstöße bedeuten würden, dass wir uns diesen annehmen müssten. Und wenn wir das täten, dann könnten wir den Deal mit seinem Boss nicht einhalten. Und der war ja nunmal allsehend, was wohl Konsequenzen für Qwe hätte.
Keine Ahnung, ob die Nachricht ankam. Denn ihm platzte noch heraus, dass Ocanar gar nicht so allsehend wäre. Alles was die Beholder anblickten sei in ein antimagischen Feld gehüllt und läge damit nicht in Ocanar’s Blickfeld. Das war gut zu wissen. Vielmehr aber noch, dass dieser Beholder wohl auf einer ähnlichen Stufe mit Krathus und Garret stand. Tendenz zum Unsinn verzapfen. Konnte nützlich, oder katastrophal sein in seinem Fall. Wobei … eigentlich in allen drei Fällen. Man könnte meinen Ocanar hätte sich mit der Auswahl einen doppelten Spaß erlaubt.
Der „Kampf“ begann dann kurze Zeit später. Qwe’s Unwillen meine verbleibende magische Energie auf sich wirken zu lassen machte mich noch unnützer in dieser Situation. Ich agierte so sinnfreien, wie es mir möglich war und ließ die anderen den Job zu Ende bringen. Als Qwe allerdings anfing Verdacht zu schöpfen musste etwas geschehen. Krathus hatte erheblich einstecken müssen, nachdem ich dem Beholder vermittelt hatte wie gefährlich der Heiler sei. Er schlug sich aber wacker, hatte er nicht zuletzt auch die größten Defensivfähigkeiten im Arsenal. Mein Augenmerk fiel daher auf Garret. Ihm eine magische Schelle zu verpassen tat ganz gut. Dachte ich wäre darüber hinweg, wir haben uns ausgesprochen gehabt und alles. Aber nachdem er offenkundig Mitschuld an dieser Ava war hatte ich einen erheblichen Drang ihn übers Knie zu legen. Wieder und wieder. Es sollte aber erstmal nur bei dem einen „Ausrutscher“ bleiben. Team Garret gewann. Yay …
Wir kratzten Krathus und Qwe auf. Dieser war zwar etwas skeptisch, ob alles wirklich fair gelaufen war, doch erkannte das Ergebnis an. In mir loderte die Frage auf, ob man wohl das Licht aus seinem Primärauge scheinen sah, wenn man eine Kerze in seinen Schädel stellte. Vielleicht hätte ich mich aber lieber mit den dutzenden Rachwood’lern auseinandersetzen sollen, die inzwischen mit Waffen gezogen um uns standen. Keiner hatte etwas Dummes getan. Ihnen stand eher die Verwunderung im Gesicht denn der Wunsch sich erneut Behindern gegenüber zu sehen. Der Pulk ließ sich daher schnell auflösen. Als ich meine Müdigkeit zum Ausdruck brachte traf mich plötzlich ein Licht. Das nächste, was ich weiß ist, dass ich mit einem verspannten Nacken am nächsten Morgen dort aufwachte, wo ich scheinbar umgekippt war. Dieser verfluchte Beholder hatte mich einfach mit seiner Magie in den Schlaf geschickt. Und keiner der anderen hielt es für nötig mich zu meinem Nachlager zu tragen. Dass Ava neben mir war, wie ich meine Augen aufschlug machte es trotzdem nicht besser.
Nach einem kümmerlichen Frühstück wollten wir aufbrechen. Qwe sollte sich unauffällig verhalten und in eineiigem Abstand zu uns bleiben. Wer weiß auf wen wir treffen würden. Er tat wie ihm befohlen wurde, wobei er noch meinte, dass er eh genug von der Hexe hätte. Ich schaute zu Ava. Sie war schon eigenartig geworden, aber sie als Hexe zu bezeichnen … wäre angemessen, dennoch irritierend. Auf Nachfrage verwies er darauf jemand anderes zu meinen. Garret nutzte eine erstaunlich wirkungsvolle Magie, die den Bereich um uns herum illuminierte. Das brachte dann eine junge Frau zum Vorschein, die sich zwischen den Felsen verbarg. Scheinbar menschlich und etwas dünn bekleidet für eine Region wie diese fand ich. Hoshana war ihr Name. Und um das Tüpfelchen auf das I zu setzen machte sie keinen Hehl darum eine Kataklysmus-Druidin zu sein. Ihrer Behauptung nach wollte sie uns helfen. Die Hextor seien direkt auf unserem Reiseweg. Wir würden ihnen in etwa einer Tagesreise begegnen. Den Beholder, Krathus und die Rachwood’ler im Schlepp wäre dies milde ausgedrückt ein Wagnis.
All ihren Andeutungen nach war dies alles, waren wir, Teil in ihren Planungen. Es hing mir zum Hals heraus. Scheinbar hatte jeder der großen Spieler auf diesem Schachbrett etwas mit uns vor, oder Anweisungen denen wir folgen sollten. Drunten, die sich nicht um den Tod ganzer Rassen scherten. Eigentümliche Magier, die Prophezeiungen der Zukunft weitergaben … welche auch noch zutreffend waren. Fliegende großmäulige Augen mit Tentakeln, die uns ihren Willen aufdrückten. Labbrige Skelettmagier aus vergangener Zeit, die uns mit Tod durch Skelettieren drohten, wenn wir nicht Cupido für sie spielten. Halbelfische Schlampen, die einen für ihre Dienste einspannten und der Freiheit beraubten. Und nicht zuletzt Väter, die ihre Kinder misshandelten, um ihre eigenen Ziele durchzusetzen. Ich hätte explodieren können. Glaube sogar, dass ich es tat. Mir fehlten einige Minuten meiner Erinnerung, wo ich offenbar dem ganzen Luft machte – zumindest den Gesichtsausdrücken der Umstehenden nach zu urteilen.
Nein. Wir würden dieser Druidin nicht gestatten uns als Spielball zu verwenden. Ums verrecken nicht. Wir hätten die Hextor auch umgehen können. Krathus enthielt sich, da er keine Erfahrungen mit ihnen hatte. Garret wollte sie treffen. Ava hatte zunächst Argumente gebracht, wie es auch nützlich sein könnte der Spielball für solche Leute zu sein. Ging es noch? Hatte sie zu viel von Katan’s Mist geraucht? Doch im gleichen Atemzug wertete sie alle Standpunkte aus und da sie Garret nicht zustimmen wollte, ging sie konform mit meinem Vorschlag. Ich war extrem verwirrt. Das war vielleicht gut so, denn es ließ mich noch einmal über alles nachdenken. Sie hatte einen wichtigen Punkt gebracht in alledem. Würden wir die Hector treffen und vom Angriff abhalten können, dann würden wir verhindern, dass der Nexus sich füllte. Das war in der Tat ein verdammt guter Grund. Und ich hasste ihn. Inbrünstig. Denn es hieß die großen Spieler hatten wieder mal für uns entschieden. So änderte ich schlussendlich meine Meinung. Ein Treffen mit Fanatikern stand auf dem Plan. Zum Wohle des großen Ganzen. Man musste sich nur wundern wem das am Ende tatsächlich zum Wohle gereichen würde. Ich hatte da ein ganz mieses Gefühl.
Wir reisten weiter nach Norden. Unser Haufen aberwitziger Kämpfer blieb aber gut ein bis zwei Stunden hinter uns. Das Treffen mit den Hextor sollte am Abend stattfinden. Bestmöglich ohne den Eindruck zu vermitteln, dass sie sich verteidigen müssten. Hoshana hielt Wort und brachte uns direkt zum Zelt des Anführers. Es war eigenartig. Sie nahm uns mit in eine Form von Zwischenebene. Graue Schleier, dunkle Schwaden, alles wirkte ein wenig verschwommen in der Weite. Derweil durchdrangen wir Materie, als wäre sie Luft. Das war eine mächtige Magie. Sek konnten damit überall sein, alles mitbekommen und doch ungesehen bleiben. Wer weiß welches Wissen sie damit angehäuft hatten, oder ob sie uns seit jeher beobachteten. Der Gedanke endete abrupt, als wir plötzlich vor dem Anführer materialisierten. Hoshana war weg. Dafür stand uns nun Mundo gegenüber …
Die Rüstung erkannten Garret und ich sofort. Und sie griff geradewegs zu ihrer Waffe. Es dauerte einen Augenblick ihm klarzumachen, dass wir keine Bedrohung waren. Doch er ließ sich drauf ein. Was hatte er zu verlieren. Wir waren inmitten seines Camps mit zwei Legionen Hextorkriegern. Nachdem er Garrets Siegel inspiziert hatte bat er diesen in einen magischen Zirkel. Es zeichnete sich eine lustige Runde „Befrag den Fanatiker“ ab. Passte je nach Tageslaune ja zu beiden. Es war keinesfalls enttäuschend, wenn man bedenkt was wir in Erfahrung bringen konnten.
Halten wir zunächst einmal fest, dass das Bild in Mundi’s kleinem Schlafgemach gar nicht ihn, Lia und Bashere zeigte. Sondern Ihn, Lia und Mundo. Jetzt, da ich ihn tatsächlich vor mir sah, war es ganz deutlich.
Lia war Mundi’s Verlobte gewesen – oder ist es sogar noch? Scheinbar hatte sie Informationen gehabt, die darauf hindeuteten, dass eine Person, welche bloß „der graue Mann“ genannt wurde, in Ark’Therion versuchte an besondere Forschungsergebnisse von Arcalis zu gelangen – offenbar im Auftrag Shadar’s. Ausgehend von unserem Wissensstand, ohne dies Mundo mitzuteilen, handelte es sich dabei vermutlich um Nexusforschung. Wobei mir direkt unklar war, wieso Arcalis – Bündnis hin oder her – Forschungsergebnisse dieser Natur so weit im Norden bei Alliierten hielt. Jedenfalls war sie davon überzeugt, dass besagter Person Einhalt geboten werden müsse. So bat sie Mundi um Hilfe. Dieser hingegen empfand die radikale Art eine ganze Stadt dem Erdboden gleichzumachen als zu verwerflich. Man höre und staune … das war der gleiche Typ, der sich aktuell vor den Toren Zoica’s bereitmachte jeden zu töten, nur weil ein paar Hextor sich eine Kirche mit Vorgarten gebaut hatten. In ihrer „Not“ suchte sie dann Mundo auf und blieb wohl etwas länger, als es für alle Beteiligten gut gewesen wäre.
Klassisches Liebesdreieck. Musste ja schiefgehen. Mundo kam der Bitte nach. Ganz wie unsere neue Ava empfand er, dass es zu vertreten war diesen Schritt zu gehen, wenn es im Sinne einer größeren Sache geschah. Sie mögen das so viel wiederholen wie sie wollen, aber der Zweck heiligt nicht immer die Mittel. Ark’Therion fiel. Cenereth hatte sein Leben im Kampf mit dem Roten zuvor ausgehaucht. Wieso jedoch Al’Chara nicht eingriff war mit nicht klar. Wobei wir sie zugegebener weise später in einem Kerker vorfanden. Ein Umstand den Mundo als bedauerlich einstufte, da es bedeutete, dass die Arbeit unvollständig erledigt worden war. Mir fehlten die Worte.
Ein weiterer unglückselige Part des Aufmarsches der Hextor war aber Mundi’s Paranoia. Die Brüder hatten sich in der Zwischenzeit über Lia zerstritten. Als Mundo den Weg nach Ark’Therion antrat dachte Mundi, dass sein Bruder ihn loswerden wolle. Dies führte zu einem Kampf der beiden. Wie die Geschichte gezeigt hatte, ging es nicht gut für Mundo aus. Dieser machte jetzt aber keinerlei Anstalten darüber verärgert zu sein. Vielmehr suchte er fast schon Vergebung für das Vorgefallene. Er liebte seinen Bruder, tat es noch und wünschte sich scheinbar nichts sehnlicher als eine Aussprache. Das … kam unerwartet.
Wenn er keine Feindschaft wünschte, dann war dies gerade eine echte Chance. Ich erzählte dem Kreuzfahrer von den Ereignissen vor Zoica. Er zögerte nicht eine Sekunde und machte sofort einen Schrieb fertig, der die Hextor aufforderte die Stadt zu räumen. Dieses Ergebnis kam einen Wunder gleich. Ganz ohne eine Sphäre eingesetzt zu haben. Obwohl ich mich mit einer solchen im Besitz derzeit wohler gefühlt hätte.
Um das Versprechen an Mundi nicht zu vergessen befragten wir ihn noch nach dem wahrscheinlichsten Aufenthaltsort von Lia. Offenkundig mied sie derzeit beide Brüder. Aber wir hatten zugesagt Informationen über sie aufzutreiben. Mundo konnte sich nur vorstellen, dass sie eventuell in den Ruinen Ark’Therion’s nach Hinweisen suchte. Es waren jedoch 40 Jahre vergangen seit damals. Mir war unklar, was sie nach jener Zeit dort zu finden hoffte. War sich Mundo darüber eigentlich vollends bewusst wieviel Zeit vergangen war? Na ja, er musste ja informiert worden sein. Gut genug zumindest, um sich unbekannten Angreifern von Alliierten stellen zu wollen. Denn das Ziel dieser Truppen war es die Verantwortlichen für das Verschwinden der Bewohner Oclusar’s zu finden. Plus herauszufinden was mit der göttlichen Magie passierte, die die Hextor einsetzten. Denn sie hatten mitbekommen das etwas nicht stimmte.
Es kostete einige Mühen ihm vom Kriegspfad abzuwenden. Doch als er von hunderten von Beholdern hörte war er überrascht. Schließlich ließ er locker. Wenngleich das Thema keinesfalls beendet war. Es brannte ihn mehr zu erfahren, besonders was mit all der abgezapften Energie passierte. Für den Moment jedoch war das Überleben seiner Untertanen ihm wichtiger. Dieser Konflikt war damit vertagt, doch er würde ganz sicher kommen.
Wir gaben das Versprechen mit Mundi auch über das zu sprechen, was Mundo uns mitgeteilt hatte. Hey, wenn die beiden sich zusammenraufen könnten, dann hätten wir doppelt so viel Macht im Gepäck gegen den großen Roten.
Zu guter letzt erbaten wir noch Verpflegung für unsere befreiten Gefangenen. Eine Geschichte, die wir kurz und bündig hielten. Der gute Mundo war schon ein wenig skeptisch geworden. Mag gut sein, dass ihn bloß die Überraschung, dass wir in seinem Zelt aufgetaucht waren, so viel durchgehen ließ.
Seine Garde vor dem Zelt wurde hinzugerufen. Diese war sehr verwundert. Und wurde zugleich zum Packeseldienst verdonnert. Mit zwei Hextorkriegern und zwei vollen Karren entschwanden wir in die Nacht zu unserem verabredeten Lagerort.
Trotz dieses unglaublich positiven Ergebnisses blieben zu viel Fragen offen. Ebenso das Gefühl laufend durch eine unsichtbare Hand gesteuert zu werden. Ohne zu wissen zu welchem Zweck.
Eines war aber für mich klar. Leute würden Fragen beantworten. Ganz vorneweg Mundi und Al’Chara. Und dann war da noch der Gedanke von gestern, der mich umtrieb. Sollte ich es wirklich in Erwägung ziehen?
Sitzung 85
Tatsächlich handelte es sich bei der Kreatur um Tiago. Ava reagierte prompt und kniete nieder. Erst jetzt war dieser Gedanke auch mir gekommen und so tat ich es ihr gleich. Zu sehr in Gedanken, ob unseren potentiellen Dahinscheidens. Zunächst testete er scheinbar Krathus, ob dieser wirklich der war, den er vorgab zu sein. Ein Anhänger Shadar Logoth’s. In einer was umständlichen Begrüßung, die definitiv zu häufig den Namen des Drachens beinhaltete, wurden mehrere Dinge klar. Tiago war gesprächig, offenbar der letzte König der Naga – so behauptete er – und Krathus’ kleine Schummelei hielt dem Test stand. Ausgehend von der erheblichen Anzahl der hier durch die Luft geisternden Augenviecher ersparte uns dies erst einmal das vorschnelle Ableben. Es war aber offenkundig, dass die Mitteilung der Kobold reise mit Sklaven bereits die Runde gemacht hatte. Ich wunderte mich, ob ein Herold sich auch dem Test hätte unterziehen müssen. Trotzdem behagte mir der Gedanke nicht dem kleinen Naivling ausgeliefert zu sein.
Während sich der Kobold und die Schlange unterhielten kam das Thema der Nexi auf, besonders des hier vorhandenen. In einem Seitenkommentar erwähnte Tiago, dass die Hextor damit in Verbindung stünden. Ich wollte mehr wissen. Nahm all meinen Mut zusammen und biss mir zugleich ob meiner notwendigen Unterwürfigkeit auf die Zunge. Dann bat ich Krathus um Erlaubnis eine Frage stellen zu dürfen. Die Scharade musste bestehen bleiben … was half es. Aber irgendwann bekäme er das zurück. Mit der Erlaubnis und der an Tiago gestellten Nachfrage seitens Krathus stellte sich heraus, dass dieser Nexus göttliche Energie sammelt. Wann immer die Hextor ihre Magie nutzten floß ein Teil direkt hier herein. Grandios. Die Metallbüchsen, die nun auch in Zoica hockten, halfen noch dabei Shadar mit Energie zu versorgen. Ganz beiläufig.
Dann kam es zu einigiger Verwirrung wegen der grünen Energie an Krathus’ Banner. Tiago zauberte offen, doch konnte ich mir keinen Reim darauf machen. Ava hingegen machte Anstalten, als ob sie etwas wahrgenommen hatte. In aller Stille setzte ich einen Kommunikationszauber ab. Sie bestätigte die Vermutung. Scheinbar hatte Tiago die Natur der Magie aufgedeckt. Ob das gut oder schlecht war brauchten wir nicht überdenken. Er schien recht begeistert. Wollte mehr wissen. Ob der Meister einen neuen Nexus erschaffen hätte. Was Krathus etwas forsch bejahte. Und sich gleich noch als eine neue Form von Pilger darstellte. Starten wir den Tag doch einfach mal mit noch mehr Lügen. War so die ganze Geschichte in dieser merkwürdigen Parallelwelt auch abgelaufen?
Jedenfalls hatte es den Effekt, dass wir zum Herrscher gebracht werden sollten. Ein wenig zu erfreut über diese Aussage wollte Tiago direkt los. Hieß das … Ocanar? Für einen Moment stockte mir der Atem. Tiago stürzte sich die Klippe hinab und schwamm zum anderen Ufer. Krathus bekam das Privileg auf magische weise durch die Luft hinüber zu schweben. Wir hingegen sollten wieder in die Gondel steigen. Hatten auch nur einer von uns an einen so angenehmen Flug wie zuvor gehofft, war diese Hoffnung mit dem Betreten der letzten Person sofort dahin. Mit einem heftigen Schubs schoss die Gondel mit uns an Bord durch die Luft. Offenbar war unser ehemaliger „Flugbegleiter“ diesmal weniger interessiert daran uns heile auf die andere Seite zu bringen. Würden wir so aufschlagen, könnte das im Zweifel tödlich enden. Ich versuchte die Gondel mit einem Zauber unter Kontrolle zu kriegen. Aber irgendwie gelang es nicht. Als ich gerade dabei war etwas anderes zu probieren bemerkte ich das Augenvieh und nachblickend. Es grinste. Sehr breit.
Der Aufschlag würde uns ereilen. So viel war gewiss. Und mit einem fast gelangweilten Gesichtsausdruck verharrte mein Blick bis zu jenem Moment auf diesem Sadisten. Es blieb nicht zu tun. Obgleich die anderen sich scheinbar alle einen Halt suchten. Der Aufprall war so schmerzhaft wie befürchtet. Da war sicher was gebrochen. Krathus aber nahm sich unserer, oder eher besonders meiner, geschundenen Gestalt an. Tiago fand das höchst erfreulich, würde es doch dabei helfen den Nexus zu füllen.
Nun, da wir wieder Richtung Höhle gekommen waren, war auch der Haufen Statuen besser zu erkennen. Ein ganzer Berg voller humanoider, die scheinbar alle versucht hatten etwas zu erklimmen und/oder etwas ergreifen wollten. Es waren so viele. Ein bizarrer Anblick. Und nicht zuletzt wo wir die Option besaßen ihnen zu helfen. Doch es würde ewig dauern alle aus ihrem steinernen Gefängnis zu befreien. Doch ganz sicher nicht unter Aufsicht dieser vielen Augen an diesem Ort.
Tiago ließ uns folgen. Die gigantische augenförmige Kuppel wäre unser Ziel und wir gingen direkt darauf zu. Mittendrin war Ava aus meinem Blickfeld verschwunden. Sie war etwas weiter zurück und schien sich für ein aus dem Boden blickendes Auge zu interessieren. Jetzt war wirklich nicht die Zeit damit rumzuspielen. Aber von Spielen konnte keine rede sein. Sie trat drauf, was sofort die Aufmerksamkeit eines dieser fliegenden Augen auf sich zog. Es kam direkt auf sie zu. Krathus informierend holte er die Info ein, dass Ava wohl etwas zu erwarten habe. Aufgrund eines Missverständnisses auf Tiago’s Seite wurde Krathus zweite Anfrage dann fehlinterpretiert. Das Auge konzentriere seinen Angriff nun auf ihn statt auf Ava. Ich hoffte inständig, dass wir nicht dauerhaft mit solchen Situationen hier zu tun haben würden. Wir waren nicht mal in einen richtigen Kampf verwickelt und hatten schon Blessuren davongetragen. Bei dem Tempo wäre bald nicht mehr viel von uns übrig. Ich versuchte meine Gedanken zu zerstreuen.
Das Gebäude vor uns war wahrlich eine riesige Kuppel, aber ohne ersichtlichen Eingang. Bis sich die Schlange einem bestimmten Punkt näherte. Dann öffnete es sich wie das Lid eines Auges. Im Inneren fand sich eine große Leere. Nur zwei Dinge gab es hier. Zum einen eine große Kugel mit einem kläglichen Rest an weißer Substanz. Definitiv ein Nexus! Daneben schwebte ein ziemlich zugerichtetes Augenvieh, dass starr in jenen Nexus blickte. Ihm fehlten einige der kleinen Augententakel und auch sonst wirkte es, als habe es einen harten Kampf hinter sich gebracht. Das zentrale Auge gar fehlte. An dessen Stelle prangte jedoch eine Nexussphäre. Mochte es auch wenig sehen, so konnte es sich wohl zumindest viel wünschen. Nur seine Heilung wohl nicht? Eigenartig.
Dieses verrottende Etwas war also Ocanar. Vielleicht hätten wir doch gute Chancen uns seiner zu entledigen. Doch zu welchem Preis. Hier kämen wir kaum lebend hinaus. Es sei denn … wir würden den Nexus einsetzen. Doch war Tiago nicht der Sphärenmeister? Und dann blieb da trotzdem noch das prall gefüllte Auge Ocanars. Wenn hier irgendwas schief ginge, wären wir nicht mehr als eine Randbemerkung der Geschichte. Ich hatte so viele Fragen, die sich gerade erst auftaten. Hier zu sterben war keine Option! Schöner Mut machender Gedanke, gefolgt von einiger beißenden Kälte in meinem Körper. Ich seufzte in mich hinein.
Tiago verließ uns und Ocanar begann sich nun uns zu widmen. Sein Blick blieb starr auf den Nexus gerichtet, sein Mund bewegte sich nicht. Aber eine Begrüßung hallte durch meinen Kopf. Mein Blick verzerrte sich und ich konnte kaum das Gleichgewicht halten. Den anderen schien es ähnlich zu gehen. Mein Körper wollte einfach nicht mehr reagieren. Kurz zuvor war mein Blick noch bei Juntos gewesen, welcher sich scheinbar auf einen Angriff vorbereiten wollte. Doch auch er rührte sich nun nicht mehr. „Es wäre besser es bliebe so“ dachte ich.
Ocanar donnerte weiter in unseren Köpfen. In wenigen Worten ließ er uns wissen, dass er sich genau im Klaren darüber sei wer wir sind und was wir wollten. Ob meines Gedankens, dass dies dann wohl das Ende der Reise markieren würde, folgte hingegen eine überraschende Wendung. Zunächst konnte ich mich zunächst wieder bewegen, der Blick klarte sich. Und zum Anderen machte er klar, dass der Nexus nicht voll genug sei, um Krathus Banner aufzuladen. Doch noch erstaunlicher war was er dann verlangte. Wir sollten für ihn Shadar Logoth töten. Das war keine kleine Überraschung. Scheinbar hatte der Drache Ocanar zwangsverpflichtet und ihm den ersichtlichen Schaden zugefügt. Ocanar war ein Gefangener, ein Spielball eines mächtigeren Wesens. Das Gefühl kannten wir.
Als er plötzlich direkt vor Krathus teleportierte hatten offenbar alle inzwischen das lähmende Donnern in ihren Köpfen unter Kontrolle gebracht. Sehr zu unserem Leidwesen. Jetzt war Ocanar nah. Und Juntos voller Tatendrang seinen scheinbaren taktischen Vorteil zu nutzen. Es war wie ein Münzwurf in meinem Kopf. Eher eine spontane Reaktion, denn eine wohl durchdachte. Würde Juntos angreifen, dann wäre die Kacke am dampfen. Doch ich wollte unsere Chancen definitiv erhöht wissen. So machte ich einen Zauber bereit …
Dann setzte Juntos sich in Bewegung und blieb einfach mitten in dieser stehen. Ava hatte irgendeinen Zauber angewandt, der ihn an Ort und Stelle hielt. Innerlich atmete ich erleichtert auf und ließ meine vorbereitete Energie verpuffen. Die Apokalypse dieser Gruppe war für einen weiteren Moment aufgehalten worden. So dachte ich. Ocanar jedoch ließ ein gleißendes Licht durch ein sich soeben gebildetes Loch in der Kuppeldecke kommen und richtete dessen Strahl auf Juntos. Es geschah nichts. Doch er warnte uns beim nächsten Mal würde er nicht so gnädig sein und einen wirklich mächtigen Zauber wirken. Obgleich Juntos wirkte, als habe ihn etwas durch Mark und Bein erschüttert brauchten wir Sicherheit. Ich erklärte ihm er solle ruhig bleiben, unser Ziel würden wir so nicht erreichen können. Glaubte ich wirklich er würde dem Folge leisten? Natürlich nicht, also setzte ich dem Ganzen einen Kontrollzauber oben drauf. Es wirkte. Seine Pulsschlagader am Hals war zwar kurz vor dem Bersten, aber er tat wie ihm befohlen wurde.
Nun war es Zeit mehr in Erfahrung zu bringen. Es gab einen Auftrag und dafür sollte es etwas im Gegenzug geben. Ocanar war … nun sagen wir, für unsere Verhältnisse war er erstaunlich normal. Ein verrottender Betrachter, Herrscher über eine ganze Region und definitiv nicht unser Freund, war gesprächsbereiter und zugleich weniger exzentrisch, als so manch ein Humanoid, dem wir begegnet waren. In meiner Erinnerung kam das Bild eines mumifizierten Zauberers hoch. Würden wir tun, was er verlangte, so ließe er Razora frei und würde unseren stärksten Alliierten nicht verkrüppelt zurücklassen. Damit spielte er auf die Hextor Legionen an, die gerade im Begriff waren auf Iris zu marschieren. Unser mächtigster Verbündeter waren diese … Leute. Sagte der „Allsehende“. Mein Blick fuhr wohl eher aus Gewohnheit in Garrets Richtung, als mir bewusst wurde was das hieße. Wir wollten mehr und leierten ihm zudem einen Betrachter für unsere Akademie aus den Tentakeln. Wobei es wohl eher in seinem, denn unserem Interesse lag dieses Angebot zu unterbreiten. Chrylax und ein Betrachter in Zoica.
Innerlich vorstellend wie ich meinen Kopf gegen die Wand schlug dachte ich nur „da braucht’s keine Untoten oder Drachen mehr vor den Toren, die Zerstörung kriegen wir ganz alleine hin“. Der Weg zu den neun Höllen ist mit guten Absichten gepflastert.
Ocanar freute sich diebisch, als wir den Deal eingingen. Er hasste Shadar, er hasste die Kobolde – welche er immer hofieren musste. Letztere würde er wohl demnächst auch mal ausbluten lassen. Doch würde er? Ich testete eine Theorie und gab zu bedenken, dass ein solches Verhalten sicherlich Shadar auf Ocanar aufmerksam machen würde. Die Folgen dürften wenig erfreulich sein, denn scheinbar hatte Ocanar schon das erste Mal dem Roten nicht viel entgegenzusetzen. Das nächste woran ich mich dann erinnere waren immense Kopfschmerzen und Dreck in meinem Gesicht. Telekinetisch schlug es mich zuerst gegen die Außenwand der sehr ausgedehnten Kuppel und dann auf den darunter befindlichen Boden. Mir tat so ziemlich jeder Teil meines Körpers weh, doch ich war sicher, dass ich einen Nerv bei Ocanar getroffen hatte.
Er mochte sich für so großartig halten, wie er wollte. So mächtig er auch sei, er war was das anging kaum weniger als wir. Einem mächtigeren Geschöpf untertan. Keinen Kobold würde er anrühren. Schwer zu sagen, ob es bloße Wut oder auch Angst war, die jene Reaktion bei ihm hervorrief. Dafür hatte ich gerade zu viel mit dem Zusammenkratzen von Kraft zum wieder aufstehen zu tun. Eines aber war klar: Ich hatte panische Angst. Hätte es zuvor den Deal nicht gegeben, dann wäre die Wand das kleinste meiner Probleme gewesen. Nichtsdestotrotz ergaben sich hier auch Chancen. Ocanar machte kein Geheimnis um sein umfassendes Wissen. Davon wollte ich Gebrauch machen. Und Ava scheinbar ebenso.
Ich wollte wissen wo meine Schwester sei und wie sie hieße. Er verlangte dafür eine Gegenleistung. „Was würde ihn wohl interessieren!?“ ging es mir durch den Kopf, als ich meine Hand in den zimmervollen Beutel steckte. Dann erspürte ich etwas. Auf den Kommentar hin, dass er von mir schonmal einen Vorgeschmack auf unseren Deal bekäme lachte er nur lautstark. Doch als ich ihm einen Drachenknochen entgegen hielt verschwand dieses Lachen in einer Mikrosekunde. Geradezu geifernd danach willigte er ein. Die Information, die ich erhielt war aber anders als erhofft. Ich wusste nun meine Schwester hieß Foamwave. Aber sie sei derzeit auf Mad Dog Maddoc’s Schiff, der Wavecrest. Ein paar Dinge machten nun „Klick“ in meinem Kopf. Es fügten sich einige vorherige Informationen zusammen und ein mulmiges Gefühl erhob sich in mir. Üble Voraussichten.
Ava hatte indes ihren Handel abgeschlossen. Eine mir bisher unbekannte Schriftrolle – nun ja, wir waren nicht unbedingt die engsten Freunde bisher gewesen – gegen Informationen über eine Arina. Ihre Freundin, die sie seit geraumer Zeit suchte. Die Antwort Ocanar’s war schmal. Da er dem unbekannten Inhalt der Schriftrolle nicht Ballzuviel Vertrauen entgegenbrachte, trotzdem neugierig genug war zu erfahren was drin stand, gab es zumindest diesen Satz: Ava solle diese Frage lieber der Baroness stellen, was diese mit ihren Opfern täte. Für uns eine super kryptische Aussage. Doch Ava schien damit vollauf zufrieden. Ich war mir nicht sicher, ob ihre kühle Reaktion darauf positiv zu werten war. Klang das doch eher nach einem unerwünschten Ergebnis für den Verbleib ihrer Freundin. Aus dieser andersartigen Ava wollte mir noch nichts zu recht klar werden. Und es beunruhigte mich. Wir hatten schon einmal einen Weggefährten, der sich eigentümlich verhielt. Doch wem machte ich etwas vor … ich reiste mit Garret und Krathus. Und hier neben mir stand noch ein mutierte Elf, der mich all meine Konzentration kostete unter Kontrolle zu halten damit er uns nicht alle sofort ins Grab zu schicken würde durch seine angestaute Wut. Dennoch …
Ocanar hatte indes Lust sich die Zeit anderweitig zu vertreiben. Razora sei frei, so sagte er. Gleichzeitig vernahmen wir einen Schrei. Ganz ähnlich war es als ich damals Juntos aus dem Stein holte. Doch draussen gab es mehr Lärm. Der Betrachter kündigte ein Event an. Das konnte ja nicht Gutes bedeuten. Wir begaben uns nach draußen und tatsächlich war Razora frei – gerade im Begriff den Haufen Steinstatuen zu erklettern. Wir wussten was dies hieß. Ocanar war nicht gerade subtil gewesen. An der Spitze würde sie versteinern. So setzte ich einen Zauber, rief sie in Gedanken, sagte ihr inne zu halten. Sie reagierte prompt und erstaunt. Ich lief näher und machte klar, dass sie frei sei und da runter kommen könnte. Doch ihr hatte man gesagt, dass alle Gefangenen frei währen und gehen könnten, wenn sie es schaffte die Spitze in der Zeit zu erreichen. Fassungslos starrte ich sie an, wie sie mich fragte was sie tun solle. All diese Leute aus Rachwood gegen Razora. Ich konnte, nein vielmehr wollte ich diese Entscheidung nicht treffen … Wie könnte ich sie jetzt aufgeben, nach allem was wir für ihre Rettung getan hatten. Ocanar hatte wahrlich Sinn für bösartigen Humor.
Meine Schultern wurden schlaff, die Arme baumelten an mir herunter. Der Blick verblieb auf ihr. Hinter mir machte sich allerdings Ava dafür stark, dass bei einem Erfolg mehr Verbündete zur Verfügung stünden und feuerte sie an. Innerlich schrie ich laut auf. Dann spürte ich aber den Ring weder bewusst an meinem Finger. Es würde Hoffnung geben sie zu befreien. Auf die eine oder andere Weise. Währenddessen setzte Razora ihren Weg fort, merkte aber klettern war zu ineffizient auf diesem Grund und setzte zu einem mächtigen Sprung an. Es gelang, sie stand triumphierend in nur wenigen Sekunden auf der Spitze … wo sie erneut versteinerte. Doch scheinbar hatte sie es tatsächlich geschafft diesen „Wettbewerb“ zu gewinnen. Ocanar wies an alle Gefangenen freizulassen und sie fortan nicht mehr mit ihnen zu „spielen“. Die Massen an Augenviechern da draussen war geradezu geschockt. Und obgleich er seine Gefangenen freilassen musste gab es da dieses hämische Lachen Ocanar’s in unseren Hinterköpfen.
Wissend um die Tatsache, dass er zuhörte gab es da nun den Rückweg zu klären. Wie erwartet hatte dies einen neuen Deal zur Folge. Wir könnten alle die Höhle nutzen, doch das würde deutlich teurer werden, als die kleinen Deals von vorhin. Ava war schon kurz davor das Buch anzubieten. Doch ein Bauchgefühl sagte mir, dass wir dieses lieber bei uns behalten sollten. Also zog ich das einzig Nützliche aus meiner Tasche, dass wohl wertvoll genug wäre. Ich haderte allerdings auch hier mit mir. Den Kessel mit Leerenenergie, den die drei mitgebracht hatten, an Ocanar zu geben war wohl auch nur eine bedingt gute Idee. Doch das Buch schien mir fataler. Ocanar willigte ein und zog es zu sich in die Kuppel. Doch scheinbar widersetzte sich der Kessel zeitweise? Was konnte die Leerenenergie bewirken gegen Ocanar oder die Nexusenergie? Diese Fragen mussten nun aber warten. Wir mussten von hier weg und das so bald wie möglich. Der Betrachter konnte jetzt jederzeit uns den Rückweg offenbaren.
Im Versuch Razora von dem Steinhaufen zu bekommen war mein erster Impuls mit ein paar anderen hochzuklettern und sie runter zu tragen. Ava intervenierte. Wir wären kaum in der Lage sie zu stemmen, oder gar nicht zu versteinern dort oben. Innerlich fluchte ich, versuchte dann aber mit telekinetischer Magie mein Glück. Der Bereich war übersät mit Augenviechern. Eines von ihnen erblickte mich bei dem Versuch, was wohl scheinbar meinen Zauber konterkarierte. Es war zum verrückt werden. Sie würde nicht hierbleiben. NIEMALS!
Dann hatte Krathus mit seiner chaotischen Art eine hilfreiche Idee. Er rief aus heiterem Himmel „Schaut, das Lama ist wieder da“. Woraufhin alle Augenviecher sofort abgelenkt waren und in eine von ihm gedeutete Richtung blickten. Als ich gerade dabei war Razora mit letzten verbleibenden magischen Kräften herunterzuholen versagte die Ablenkung. Woraufhin der Kobold schließlich einfach in eine andere Richtung zeigte wo das Lama nun sei. Scheinbar waren diese Dinger nicht sonderlich helle hinter ihrem Primärauge. Sie fielen erneut herein. Er hatte damit genug Zeit erkauft, dass ich sie herunter bekam und Ava den Ring einsetzte sie zu entsteinern. Ich atmete erleichtert auf. Derweil entließ ich Juntos aus meinem Bann, nachdem ich ihm sagte er solle sich zusammenreißen und es mir nicht übel nehmen. Die Folge war, dass er seiner Schwester direkt im Anschluss auftrug mir eine zu verpassen. Was sie anstandslos tat … und mir gleich darauf einen dicken Kuss aufdrückte. Sichtlich zu Krathus Verwunderung – und ich denke auch zu Juntos’.
Wir versammelten die ehemaligen Gefangenen. Dann kam Tiago mit etwas in der Hand angerauscht und begab sich ins Innere der Kuppel. Erneut hallte seine Stimme in unseren Köpfen. Wir sollten wohl auch kommen. So standen wir ein weiteres Mal vor Ocanar und dem Nexus von Iris. Was wir da aber zu sehen bekamen war verblüffend. Tiago versuchte eine geladene Sphäre zurück in den Nexus zu leiten. Ein nicht unerheblicher Teil ging dabei verloren. Scheinbar war das keine Prozedur die so gedacht war. Doch der Nexus hatte eine deutlich annehmbarere Füllung. Ocanar ließ uns nunmehr wissen, dass nun klar sei war wieso der Preis für unsere Rückreise erheblich war. Krathus sollte nun sein Banner aufladen lassen. In einer Stunde wäre es fertig. Wir seien solange hier drin aber nicht willkommen.
Versammelt vor der Kuppel legten wir eine kleine Rast ein. Wir informierten die Rachwood’ler über die Ereignisse ihrer Freilassung. Sie hatten ob des verlorenen Gemetzels und der Einkerkerung hier einen eher gebrochenen Geist. Erst einmal in Freiheit würde sich das sicherlich wieder geben. Diese Leute waren nicht gerade weichlich. Ich wunderte mich nur, ob ich mich jemals von alledem erholen würde. Die Erkenntnisse der letzten Zeit waren ein Gewittersturm an Scheiße, der mich gefühlt unter sich begrub. Ocanar’s Befehl Shadar zu töten war ein schlechter Witz. Die Macht, der wir hier in Iris schon gegenüber standen war extrem. Wir hatten alliierte, die sich nicht scheuten ob ihrer Überzeugung eine Stadt mit Frauen und Kindern über die Klinge springen zu lassen – dass die Untoten angreifen würden schien ihnen egal. Hatte der Halbling nicht auch eine Stadt in den Händen einer Drachenbrut gelassen, die vermeintlich ein halber Shadar ist? Und dann war da meine eigene Familie … Nimmt man es genau, dann hätte ich kaum mehr gelitten, wenn ich in Ailamere geblieben wäre. Oder … ich schaute zu Garret, als er nicht hinguckte, ich IHM nie begegnet wäre. Ehrlicherweise waren es am Ende waren aber meine Entscheidungen, die mich hierher getragen hatten.
Einst wollte ich nur meinem „Gefängnis“ entfliehen, meinen Weg durch diese Welt ohne Bürden gehen, mächtiger werden um eine letzte Schuld zu begleichen – eines Tages. Es hat sich so vieles verändert. Meine Gedanken kreisten noch eine Weile. Was mich erstaunlich glücklich machte war Razora zu beobachten, wie sie sich um die ihren kümmerte. Als mich der Gedanke ereilte, dass ich sie in Sicherheit wissen wollen würde, musste ich über mich selbst lachen. Als ob diese Frau jemals auf sicher spielen würde. „Sag dem Regen, dass er nicht nass sein solle.“
Die Stunde verging und Krathus durfte sein Banner holen gehen. Ocanar machte klar, dass damit alles getan wäre und wir nun gehen sollten. Sollte das aufgeladene Banner schon die sichere Rückkehr durch den wurmverseuchten Tunnel sein? Wir testeten uns voran. Die Würmer verkrochen sich voller Panik, als Krathus auch nur in ihre Nähe kam. So zogen wir davon. Mit wesentlich mehr, als wir erhofft hatten.
Juntos gab auf dem Weg noch Hinweise zum Bärenvolk das Jenseits von Rachwood lebte. Ursula und ihr Stamm waren wohl ziemlich angesehen in den Kriegerkreisen von Rachwood. Dies ließ er uns wissen, als wir über eine Bleibe für diese Heimatlosen sprachen. Zoica und die Umgebung wurden abgelehnt. Aber die Idee mit den Bugbears sich einen Ort zu teilen fanden sie Wiederrum gar nicht so schlecht. Die seien ähnlich hoch angesehen als Krieger.
Derweil ließ ich Arem und Chrylax wissen, dass ein Betrachter auf dem Weg ist die Akademie zu ergänzen. Vielmehr schrieb ich aber auch der mir bisher noch nie persönlich vorgestellten Halbelfe Layara wegen Hinweisen zu meiner Schwester. Ihre Gruppe war zuletzt in Ailamere. Wer weiß was sie dort in Erfahrung gebracht hatten.
Wir rasteten vor dem Höhleneingang, als wir diesen verließen. Es gab ein paar Ideen was nun geschehen sollte. Auf jeden Fall führte der Weg über das Portal in Ostracitoren nach Zoica. Dann sollte mit Angstrum bzw. Toefel gesprochen werden, was die Unterbringung der Rachwood’ler anging. Garret müsste vielleicht auch mal wieder einen Blick in „seine“ Stadt werfen. Wer weiß was der Zinnsoldat, oder Posetine so taten. Aber für mich gab es einen starken Drang nach Ailamere zurückzukehren. In diese verfluchte Stadt. Ava versuchte ihre Suche nach Arina als Ansatz dafür zu nehmen, dass ich mich um die „unwichtigeren“ Dinge später kümmern könnte – so wie sie auch. Kann nicht sagen, dass ich ihr zustimmen konnte. Insbesondere aufgrund dessen, wie sie sich zuletzt verhielt. Und dann ergriff mich ein Gedanke, während ich in das Lagerfeuer starrte. Nach all den Erlebnissen hier … vielleicht könnte man einfach einen weiteren Pakt schließen, lediglich mit einem anderen Teufel …
Sitzung 84
Ihr Fall war zum Glück nicht so tief. Aber meine Überraschung so groß, dass ich nicht mal instinktiv reagieren konnte ihnen den Aufprall zu ersparen. Juntos sofortige Reaktion zu ihrem Auftauchen war geprägt von Missfallen über die, aus seiner Sicht, körperlichen Unzulänglichkeiten meiner Freude. Krathus landete stumpf auf seinem Hintern, wohingegen sich Garret sauber abzurollen wusste. Ava hingegen klatschte wie ein nasser Sack einfach auf den Boden, ohne jede Regung. Was war hier geschehen? Die Fragen türmten sich in meinem Kopf. Zwei von dreien ging es offenbar soweit gut. So versuchte ich herauszufinden was mit Ava passiert war und machte es ihr derweil etwas bequemer. Kann nicht sagen, dass die beiden eine große Hilfe bei der Aufklärung gewesen wären. Garret’s Gesichtsausdruck sprach dieselbe ahnungslose Sprache wie sonst auch. Angeblich war alles ok gewesen. Zumindest freute sich Krathus darüber Juntos zu sehen. Eine weitestgehend belanglose Erkenntnis.
Da von unserer Begleiterin erst einmal keine Reaktion zu erwarten war spielte ich den Ball nun zu den beiden anderen hinüber. Ich wollte genau wissen was sich ereignet hatte. Sie erzählten eine skurrile Geschichte. Der von Taya erwähnte Bugbear spielte eine nicht unerhebliche Rolle darin. Sie seien in einer parallelen Welt gefangen gewesen. Dieser hier sehr ähnlich und doch mit bedeutenden Unterschieden. Trafen dort allerlei bekannte und unbekannte Personen. Wohl unter Anderem Zerrbilder von Al’chara und Layara, sowie auch einen Mann Namens Monta Kren – der wohl ein Dreh- und Angelpunkt ihrer Unternehmungen wurde. Sie hatten sogar einen Nexus gefunden. Krathus’ Banner sog sich gar mit dessen Energie voll. Erklärte zumindest den grünen Bommel der da kreiste. Ihr Bugbear Begleiter war wohl zurück geblieben. Hatte aber irgendwie eine Nexuskugel ergattert und sie damit zurück nach Hause geschickt. Die Erkenntnis, dass dieses Geschöpf für einen Loganar arbeitete und dies ein Abkömmling von Shadar war machte dies alles noch verwunderlicher. Das musste erstmal alles verdaut und in Relation gesetzt werden.
Mein Kommentar zu den Ereignissen des alternativen Sylvanar betreffend und wie sich manche Dinge wohl überall gleichen würden ließ Juntos hingegen unerwartet allergisch reagieren. Erst brachte er nur kryptisch etwas raus, aber ich ließ nicht locker. Und siehe da. Die Passivität Sylvanar’s, während Ark’Therion vor Jahrzehnten seinen Untergang durch die Hextor erlitt, war auf einen gleichzeitig geführten Krieg mit den Echsenmenschen zurückzuführen. Als ich ihn wissen ließ, dass ein angeblicher Dämon aus deren Region gerade auf dem Weg nach Sylvanar sei bekam ich dafür einen Stein an den Kopf. Herzallerliebst. War ja nicht so, als hätte er zuletzt mit Informationen um sich geschmissen.
Doch das Gespräch mit den beiden anderen war noch nicht vorbei. Offenbar hatte Krathus sich in der Abwesenheit dieser Welt recht viel an der Vorgehensweise Garret’s orientiert. Obgleich keine Revolution, dann doch eine Art Erstürmung des geltenden Herrscheranwesens war seine Lösung für ihr Problem zum Ende hin. Für einen Moment schrie eine warnende Stimme in meinem Inneren ganz laut auf. Nun ja, sie hatten es zumindest wieder zurück geschafft. Mit mehr Glück als Verstand, so schien es. Irgendwie vermutete ich, dass Ava die Dinge nicht so simpel betrachtet hatte, wie es die beiden halben Portionen taten. Doch sie war trotz der langen Erzählung noch immer bewusstlos. Was zum Einen Fragen unmöglich machte, mich aber zum Anderen extrem besorgte.
Derweil erläuterte ich den beiden meine Beweggründe für die damalige überhastete Abreise. Und nicht zuletzt was auf dem Weg passiert war. Bei weitem nicht so viel dramatisches wie bei ihnen, aber ausreichend.
Irgendwann gegen Abend ertönte dann Ava’s Stimme aus dem Nichts. Sie war endlich erwacht. Ich war heilfroh. Doch die Art wie sie sprach war milde gesagt irritierend. Rational, aber kalt. Natürlich erwartete ich keine freudestrahlende Umarmung oder so … eher einen Tadel. Beides blieb aus. Sie freute sich angeblich mich zu sehen, sagte sie. Doch hatte sie dabei etwa so viel Ausdruck im Gesicht, wie eine Steinwand. Mein verwirrter Blick traf auf den von Garret, welcher hingegen wieder Ahnungslosigkeit zur Schau stellte.
Wir waren gerade dabei einen Plan zu entwickeln die Höhle zu durchqueren, als sie die Stimme erhob. Und dort setzte sie dann auch nach der sehr kurz gehaltenen Begrüßung direkt an. Es kam ein verbaler Wasserfall an Gedanken aus ihr, der trockener in der Art ihrer Tonlage nicht sein konnte. Mit nicht zuletzt beunruhigenden Inhalten, die darauf hindeuten, dass sie ein Opferlamm in Verkörperung von Snurba zu wünschen schien, um den Durchgang testen zu können. Es war grotesk. Das war doch nicht dieselbe Ava, die ich vor etwas länger als einer Woche mit den beiden Torfnasen hatte ziehen lassen. Wir waren zwar nicht unbedingt einer Meinung gewesen, aber ich hatte den Eindruck, dass wir langsam auf einen gemeinsamen Nenner kamen. Uns annäherten.
Nachdem wir rudimentäre Ideen ausgetauscht hatten wie wir uns der Höhle annehmen sollten, rotierte es in meinem Kopf. Alles was von ihr kam war so fremd. Wer war diese Person!? Was verdammt nochmal war da drüben mit ihr geschehen!? Hatten sie ein Zerrbild von ihr mitgebracht, statt des Originals? Ich griff mir Garret und verlangte mehr zu erfahren. Dabei war ich kaum freundlich. Auf irgendeine naive, oder gar nutzlose Antwort konnte ich gerade überhaupt nicht. Hätte es besser wissen müssen … natürlich behauptete er keine Ahnung zu haben. Doch es kam raus, dass sie wohl schon länger emotional am Driften war. Krathus kannte sie nicht so gut, aber Garret hätte darauf reagieren müssen. Wieso er das nicht tat war mich völlig unverständlich. Er dachte wohl es sei alles okay, die fängt sich schon. TICKTE DER NOCH GANZ SAUBER!?
Bevor ich drohte zu zerplatzen folgte ein Schubs in Ava’s Richtung und die klare Anweisung an ihn herauszufinden was mit ihr nicht stimmte. Diesem Kerl folgte das Chaos überall hin und hinterließ nur verbrannte Erde. Sogar in den Köpfen seiner Mitreisenden. Unglaublich.
Derweil wechselte ich noch einmal ein paar Worte mit Krathus. Ich musste sicherstellen zu verstehen auf wessen Seite er stehen würde. Was seine Pläne waren und ob wir Gebrauch von den Kräften des Banners machen konnten. Es war allerdings ernüchternd. Wir konnten uns dem Ritual anschließen, damit die Macht des Banners zunutze machen, aber eine Unterbrechung des täglichen Rituals würde auf Kurz oder Lang die Aufmerksamkeit Shadar’s auf denjenigen ziehen. Und was den Kobold selbst betraf hatte er nur das Ziel Razora zu befreien. Danach wollte er fliehen. Mir blieb unklar wohin er fliehen wollte. Zumal Razora kaum so denken würde, dachte ich in mich hinein. Alles bisher erzählte plus diese letzte Aussage ließ kein anderes Ergebnis zu … wir würden fortan mit zwei Garret’s reisen. Vor meinem geistigen Auge malte ich mir aus was das bedeuten würde. Hätte schwören können, dass ich für einen Moment eine einsetzende Hirnblutung spürte.
Garret hatte anscheinend keinen Erfolg gehabt irgendwas herauszufinden. Laut Ava selbst ginge es ihr gut. Sie hätte wohl einfach nur „dazugelernt“. Nicht zuletzt wegen seiner Handlungen. Das ließ wohl auch ihn zweifeln, hatte ich den Eindruck. Wäre zumindest ein Fortschritt.
Es war spät. Kopfschmerzen plagten mich ob der Geschehnisse. Und morgen würden wir gemeinsam weiterreisen, um nach Iris zu gelangen. So vieles war ungeklärt, fühlte sich falsch an und zeitgleich notwendig. Als ich mich schlafen legte, durchfuhr mich ein besonders kalter Schauer. Er ging durch Mark und Bein. „Grabeskälte“ im Volksmund. Ein Omen dafür, dass der Weg vor einem das Ende markierte. Im Versuch es als Aberglauben abzutun und das hier herrschende Klima dafür verantwortlich zu machen schlief ich irgendwann tatsächlich ein.
Gegen Morgen weckte uns Ava. Diese Augenviecher hatten uns erspäht und führten eine Diskussion darum, was sie nun tun sollten. Doch mein Blick verharrte auf Ava. Über Nacht hatte sie sich eine neue Optik verpasst. Ein martialischeres Auftreten durch Bemalung und Frisur. Sie beschwor magisch ihren Bogen, ich sah es im Augenwinkel, worüber sie selbst kurz aber bloß marginal erstaunt war. Dann wies sie mich an nach oben zu blicken. Für wie lange mein Blick wirklich auf ihr blieb wusste ich nicht. Aber was ich dort vor mir sah war ein Warnzeichen, dass es nicht zu unterschätzen galt. Und mich in Untiefen von Verwirrung stürzte. Beiläufig rief ich hoch, dass wir Pilger seien. Erst danach löste sich mein Blick von ihr. Darauf reagierten die Mehräugigen mit Unmut.
Die Viecher verschwanden. Ava machte sofort klar, dass ich mich als Herold des Pilgers ausgeben sollte. Krathus sollte in Zukunft auf mich und nicht Garret hören. Fest umwoben in meiner Irritation stand ich einfach nur da. Kurz darauf tauchte ein größeres Wesen dieser Art auf. Es hatte so etwas wie eine Gondel bei sich und ließ sie einfach vor unsere Füße knallen. Als das große Vieh Krathus dann aber fragte wer wir anderen seien und „Sklaven“ zur Auswahl stellte, hatte der Kobold schon wieder vergessen, was ihm soeben gesagt wurde. Antwortete er doch glatt mit einem „ja“. Ich unterdrückte den Impuls meine Handfläche gegen den Kopf zu schlagen. Zumindest sorgte er dafür, dass wir im Nachgang alle eine Mitfluggelegenheit bekamen. Auch wenn dies nicht im Interesse dieses fliegenden Auges war.
Wir überflogen das Gebirge in kürzester Zeit und kamen schon bald an einem Ort an, der uns als Iris vorgestellt wurde. Es gab unzählige Gänge und Höhlen in der primären Gebirgswand. Auf ihr thronte ein riesiges einer Arena ähnelndes Gebäude. Beim Herflug hatten wir hingegen gesehen, wo die Höhle ihren Ausgang zu haben schien. Ein Stück weiter gab es einen übergroßen Haufen voller steinerner Statuen, die alle nach etwas zu greifen schienen. Ich bekam Erinnerungsschübe aus Rachwood. Und schließlich wurden wir direkt vor einem Wesen abgesetzt, dass ich noch nie zuvor gesehen hatte. Doch seine Beschreibung kam Snurba’s Erzählung verdächtig nahe. Eine Schlange mit vielen Augen. War dies etwa der Sphärenmeister Tiago … ? „Grabeskälte“ dachte ich nur und erstarrte.