Tagebuch: Layara
Sitzung 98
Es war ein Erfolg auf ganzer Linie gewesen und ich konnte nicht glücklicher sein. Gemeinsam nutzten wir das Buffet und aßen. Es war fast eine kleine Feier. Jedoch war mein Teller viel zu voll gewesen, obwohl schon einiges wieder zurückgelegt geworden war. Astreth blickte ihn und dann mich etwas eigenartig an. Scheinbar schuldbewusst meinte sie ich müsse das nicht alles zu mir nehmen und reichte ihre Hand erwartungsvoll herüber. In meinem Kopf spukten noch ihre Worte von zuvor, doch es war sowieso kein Platz mehr im Magen. So wanderte der Teller, sehr zu meiner Erleichterung, zu ihr.
Wir berieten das weitere Vorgehen. Die anderen hatten sich gedanklich sehr auf Road’s End festgefahren, in der Annahme dort einen von Fin’s Kameraden finden zu können. Laut dem, was immer Astreth und er da genau getan hatten, sollte einer der drei sich im Westen aufhalten. Was aber war, wenn diese Gegend mehr bereithielt? Road’s End war mehr eine Art Durchgangsstadt. Zwar aufstrebend, aber würden dort Gefangene aus Ailamere, potentielle Gegenspieler Narchessa’s hingebracht? Zuletzt war dort die eher milizhafte Hextorgruppierung der RED’s aktiv. In Ailamere schien es aber keine Angehörigen zu geben – obgleich ich einräumen musste nicht viel von der Stadt zu wissen.
So kam es zu dem Einwurf, ob es vielleicht eine Art Gefängnisinsel, oder gar Gefängnisschiffe geben könnte. Andere Orte an denen man Straftäter unterbrachte. Fin war sich da nicht wirklich sicher. Bevor wir nach Road’s End gingen und damit schon den Weg Richtung Zoica angetreten hätten, war es vielleicht sinnvoller sich diesbezüglich noch einmal genauer zu informieren. Wer wäre wohl besser informiert als ein Barde, der lange in dieser Region lebte? Foamwave war ein logischer Gedanke. Sie zu fragen könnte uns hilfreiche Hinweise geben. Fin und Astreth wollten sie sogleich herbeirufen lassen, doch die uns bedienende Tivoney war keineswegs willens auf etwas anderes einzugehen außer Bestellungen.
Man konnte den Druck, den Fin empfand förmlich spüren. Weswegen wir nach zwei Fehlversuchen auch direkt ins Innere zu Ravel gingen. Eine kurze Schilderung reichte und er machte sich auf den Weg Foamwave zu holen. Im Zuge dessen, dass wir ein privates Gespräch wünschten war er sogar so entgegenkommend uns sein Arbeitszimmer kurzfristig zu überlassen.
Foamwave musste sich wie bei einem Verhör gefühlt haben. Fünf Personen ihr gegenüber, die sie über sehr spezielle Dinge der Region ausfragten. Ich konnte ihr Misstrauen gut nachvollziehen, es wäre mir wohl auch unangenehm gewesen. Vielleicht hätten wir es ein wenig anders angehen sollen, doch dafür war es nun zu spät. Gleichermaßen vermied sie es vehement die von Fin gestellte Frage nach einem besagten Ort wo Gefangene gehalten würden zu beantworten. Es gäbe weitaus gelehrtere Barden, wie zum Beispiel Pesh, meinte sie. Gorok, Leeroy und mir war aber klar, dass dieser nicht kurzfristig aufsuchbar war. Sie hingegen war gar erstaunt, dass wir ihn wirklich zu kennen schienen.
Das änderte aber nichts. Misstrauen, obwohl wir Belaxarim geholfen hatten, und Angst schwangen in ihren Worten mit. Ich verstand nicht wo das Problem sein sollte uns einen Ort zu benennen. Es mussten doch zwangsläufig mehr Leute von ihm wissen, wenn es ihn gab. Diese Information mit uns zu teilen war daher wenig dramatisch, dachte ich. In mir stieg Ungeduld und eine unterschwellige Wut hoch je mehr Ausflüchte sie nutzte. Scheinbar war aber auch Fin am Ende seiner Geduld angekommen. Was immer er für einen Trick anwandte, aber als er das nächste Mal fragte sprach sie plötzlich völlig frei aus, was wir wissen wollten.
Es gab einen Ort wo politische Gefangene hingesandt wurden. Er lag in den ‚Points‘, einer Inselgruppe westlich von hier. Es folgte noch eine Anmerkung zu ihrem Vater, die keiner von uns verstand. Was wiederum für Unverständnis bei ihr sorgte. Gleichermaßen würde sie wohl eine Nachricht absenden wollen uns betreffend, was wohl im Zusammenhang mit der Vertrauensbasis uns gegenüber zusammenhing. Ich war verwirrt. Fin hatte seine Information, was gleichermaßen mein vorangegangenes Gefühl bestätigt hatte. Es war ein Anfang. Wir beließen es dabei. Foamwave ging.
Doch unser halbelfischer Begleiter musste noch erläutern was er da genau getan hatte. Offenbar eine Form von magischer Gedankenmanipulation. Etwas besorgt fragte ich, ob er so etwas schon einmal bei uns angewandt hätte. Er verneinte. Für mich gab es bisher keinen Grund an seinem Wort zu zweifeln, also akzeptierte ich es als die Wahrheit.
Der Tag zog dahin. Wir hatten uns entschlossen zumindest die Nacht noch hier zu verweilen. Es gab Unstimmigkeiten, ob und wie wir nach Ailamere zurückkehren sollten. Wir brauchten nunmehr ein Schiff und einen Kapitän, der sich mit den Besonderheiten der ‚Points‘ auskannte. Fin berichtete über das, was er von dort gehört hatte. Die Inselgruppe zu erreichen wäre soweit unproblematisch, doch zwischen den Inseln zu navigieren war heikel. Es gab Untiefen, Riffe und dichten Nebel.
Zudem kam Foamwave später noch einmal kurz zu uns und meinte eine Antwort sei unterwegs. Scheinbar hatte sie in der Tat jemanden kontaktiert. Sie war aber so schnell wieder verschwunden, dass es den Anschein erweckte, als ob sie fliehen würde. Kein weiteres Wort kam über ihre Lippen. So konnte es also sein, dass sich noch jemand bei uns melden würde? Mein Körper verkrampfte sich wieder einmal. Eine wenig gute Vorahnung machte sich in mir breit.
Jedoch konnte ich den längeren Aufenthalt für einen positiven Aspekt nutzen. Während die anderen sich zu beschäftigen wussten nutzte ich die Zeit noch einmal mit Belaxarim zu sprechen. Seit heute Mittag hatte sich vieles getan. Ich fühlte mich gänzlich anders und nahm Veränderungen wahr. Ich hoffte sie wüsste mehr dazu zu sagen. Ausserdem hatte ich auch noch eine Kleinigkeit für Tamarax.
Der Welping war sichtlich glücklich mich wiederzusehen. Etwas zu freudig im Spiel mitunter, so dass ich auf meine Finger achtgeben musste. Aber das war in Ordnung. Wo ich einst nur Sorgen wegen ihrer Existenz verspürte, war sie mir inzwischen ans Herz gewachsen. Lange Zeit waren wir ja auch ein Teil des jeweils anderen.
Während wir spielten befragte ich nun Belaxarim. Es war schon ein recht eigenartiger Moment diesen riesigen Drachen erneut vor mir zu sehen, einen der uns wohlgesonnen war, zu dem ich eine persönliche Beziehung hatte. Surreal traf es. Nach all den Studien über Drachen noch zu Zeiten, als ich im Orden lebte und all dem was auf unserer Reise passierte … Shadar Logoth, Tundra … Ich wischte die Gedanken beiseite.
Stattdessen berichtete ich ihr von dem, was ich wahrgenommen hatte. Lange Zeit war meine Magie gefühlt instabil, selten hatte ich den Eindruck volle Kontrolle zu haben. Doch dies hatte sich geändert. Tief in mir war eine völlig klare Verbindung entstanden zu meinen magischen Potentialen. Mehr noch wusste ich nun gewisse Magie zu manifestieren, die mir zuvor völlig unbekannt war. So demonstrierte ich einen Drachenatem. Sie war sichtlich so erstaunt darüber wie ich selbst. Auch war der leichte Schimmer, der manchmal über meine Haut zog verändert. Wenn er nun sichtbar wurde, dann sehr deutlich und ganz klar mit den Schuppen eines Drachen versehen. Alles seit Tamarax mich quasi von den Toten zurückholte.
Doch auch sie wusste nicht was es damit auf sich hatte. Sie sei nicht sonderlich magiebegabt und nutzte damals nur die Mittel, die ihr zur Verfügung standen. Die Auswirkungen vermochte sie nicht in Gänze abzuschätzen und entschuldigte sich nun dafür. Keineswegs war ich böse. Aus der jetzigen Perspektive wirkte es fast wie Vorsehung. Jedenfalls nichts schlechtes. Aber ich wollte mehr wissen. Hatte ich nunmehr Drachenblut in mir aufgrund der Blutmagie, die Belaxarim damals anwandte, oder dem was Tamarax tat? Sie vermutete zumindest, dass es wohl einen Kampf gegeben haben konnte. Zwei Seelen in einem Körper bedeuteten unvorhersehbare Konsequenzen. Dies mochte wenigstens die Zeit meiner instabilen Magie erklären.
Mir sprang noch ein merkwürdiger Gedanken in den Sinn. Würde in meinen Adern drakonisches Blut fließen, wären wir dann familiär verbunden? Ich glaube die Drachin war sich nicht ganz sicher wie sie diese Frage deuten sollte. Sie sah mich eher als Patin ihres Kindes an. Für den Moment sollte mir das reichen. Auch wenn ich persönlich mich weitaus involvierter fühlte. Ihr dankend wünschte ich alles Gute, da wir bald abreisen würden. Und der kleinen Tamarax schenkte ich das lederne Halsband, an dem damals einer ihrer Fingerknochen hing – meine alte Halskette. Ich hatte ein Bündel längerer Strähnen abgeschnitten, geflochten und an das Halsband geknotet. Es war recht hübsch gewordenen. Ein Andenken an ihre Schwester im Geiste. Hoffend, dass sie mich nicht vergessen würde.
Schließlich begab ich mich wieder zu den anderen. Die Nacht brach schon bald an und am nächsten Tag hatten wir entweder eine Information bezüglich Foamwave’s merkwürdigem Verhalten, oder traten schlicht den Weg nach Ailamere an. Gorok mochte das noch so sehr rationalisieren, aber Fin und ich waren nicht erpicht darauf uns in der Stadt aufzuhalten.
Die Nacht war erholsam. So erholsam wie schon lange nicht mehr. Warum aber konnte dies nicht der Auftakt für einen guten Tag sein? Wieso musste das Schicksal jetzt wieder alles verdrehen? Unter meiner Tür war ein Brief durchgeschoben worden. Ein Kleiner Stein und ein mir sehr bekannter Ring lagen anbei. Was ich dort las wollte einfach keinen Sinn ergeben. Es trieb Verzweiflung in meinen Kopf. Und Tränen über die Wangen. Astreth hatte draußen übernachtet, so ließ ich ihr zunächst eine Nachricht zukommen sich mit uns zu treffen. Im Zimmer der anderen legte ich dann den Inhalt des Briefes dar. Die Verwunderung war schon gegeben, als bei unserer Versammlung Leeroy nicht anwesend war. Eine Erklärung war in den Zeilen festgehalten, die er zurückgelassen hatte.
Er war gegangen. Über Nacht und aus dem Zimmer in dem Fin und Gorok sich ebenso befunden hatten. Wie kam er unbemerkt an den beiden vorbei? Er wolle den Verbleib seines Bruders aufklären. Er führte aus, dass der Nexus Orb eine immer größere Verlockung wurde, je mehr er sich mit dem Verbleib Leonard’s auseinandersetzte. Wie es ihn mental beuteln würde um das Potential zu wissen, es aber nicht für so eine Sache verwenden zu können – oder besser es nicht dafür nutzen sollte. Einen magisch versetzten Stein, mit dem man über große Entfernungen kommunizieren könnte hatte er beigelegt. So könnten wir im Notfall miteinander sprechen.
Ich war außer mir. Hatte ich die Warnzeichen nicht gesehen, oder gar nicht sehen wollen? Wusste er denn nicht, dass wir ihm bei seiner Suche natürlich sofort unterstützt hätten? Die Wochen zuvor drehten sich ja genau darum. Und auch Fin wollten wir bei einem ähnlichen Vorhaben unterstützen. Seit Caer Aeslyn waren wir gemeinsam unterwegs. Wir wurden Freunde und ich hätte alles in meiner Macht stehende getan ihm zu helfen. Es war ironisch, dass jetzt da meine Magie nicht mehr instabil war, mir mental ein Pfeiler genommen wurde. War es egoistisch so zu denken? Nichts von all dem Erlebten wäre ohne ihn möglich gewesen. Wer weiß wo auf dem Weg ich alleine zugrunde gegangen wäre. Und zu allem Überfluss zog er nun alleine durch diese Welt. Gefährlich wie sie war. In meiner Verzweiflung entsandte ich eine Nachricht durch den Stein, bekam aber nur Stille zurück. Er hätte ja wenigstens irgendetwas sagen können. Dass es ihm gut geht … oder eine besser Erklärung.
Gorok war erstaunlich schnell dabei ihn ziehen zu lassen. Zu sagen, dass er auf sich aufpassen könne. Auch wenn er mich zum Trost fest in den Arm nahm wollte ich das ganz sicher nicht hören. Hatte er denn vergessen was in den letzten Monaten alles passiert war? Alleine hinfort zu ziehen war keinesfalls eine weise Entscheidung. Dass Fin keine große Bindung zu ihm hatte verstand ich noch. Zumindest Astreth gab in dieser Situation Halt und unterstützte meinen Wunsch ihn abzufangen – wenn möglich. Wie weit konnte er schon gekommen sein. Und auf Kendra waren wir deutlich schneller unterwegs. So verschwendeten wir keine weitere Zeit.
Schnell nahm Astreth die Fährte von Leeroy auf. Wir folgten ihr eine ganze Zeit, bis sie plötzlich endete. Einfach so. Doch der Boden sah nach Aussage der Goliath ungewöhnlich aus. Als seien hunderte von Insekten von seinem letzten Standort ausgeschwärmt. Als habe er sich hier einfach aufgelöst. Was war hier geschehen? War er … tot? Gab es darum keine Antwort? Doch nirgends waren Blut- oder Kampfspuren. Es half alles nichts. Ab hier gab es kein Weiterkommen. Geknickt musste ich einsehen, dass Leeroy weg war. Vorerst unerreichbar. Es blieb nur die Rückkehr zum Hort. Dort setzten wir uns erneut zusammen.
Inzwischen hatten sich aber noch mehr Dinge abgespielt. Auf unseren Misserfolg folgten noch einmal ähnliche Beschwichtigungen wie vorher. Ich fühlte mich keinesfalls besser. Jetzt hatte allerdings Gorok eine Überraschung parat. Er erläuterte uns, dass seine Waffe zu ihm sprechen würde. Er habe das Flüstern in der Vergangenheit bereits vernommen, glaubte es stand auch im Zusammenhang mit seinen Träumen. Und nun hatte er sich einmal komplett darauf eingelassen. Sie sagte ihm wir müssten aufbrechen, wenn unsere Reise weitergehen sollte. Jemand würde uns auf dem Weg entgegenkommen. Wir waren alle irritiert. Astreth war zwischen Vorsicht mahnend und der Option, dass es sich bei der Stimme die Gorok hörte vielleicht sogar um die gleiche handelte, die sie hierher führte.
Als ich Gorok daran erinnerte von wem er diese Waffe bekommen hatte wurde auch Fin hellhörig. Narchessa gab sie als „Geschenk“. Doch was war, wenn sie durch diese Gorok manipulierte? Leeroy hätte hier vielleicht mehr beizutragen gehabt. Er kannte magischen Artefakte besser als wir. Schon erwies sich sein Weggang nicht nur als persönlicher Verlust, sondern einem, der die Gruppe gewisser Fähigkeiten beraubt hatte. In diesem Fall eventuell Klarheit. Mein Misstrauen gegenüber dieser Frau war immens. Gorok’s naive Freude über das Geschehene ließ mich erschaudern. Mir wurde in jenem Moment auch schlagartig bewusst, dass ich über Naivität anderer nachdachte … ausgerechnet ich. Blindlings waren Leeroy und ich damals losgezogen kannibalistische Gnome davon überzeugen zu wollen Caer Aeslyn in Zukunft zu verschonen. Die vergangenen Monate hatten ihre Spuren hinterlassen.
Es wurde noch eine Weile das Für und Wider diskutiert. Gorok sah aber keine Bewandtnis der Stimme seiner Waffe mit Vorsicht gegenüber zu stehen. Im Gegenteil entschied er niemals wieder eine andere Waffe tragen zu wollen. Ich vermutete ähnlich sorgenvolle Gedanken in Astreth’s Gesicht zu lesen, als sie vorerst seine alte Streitaxt zur Verwahrung an sich nahm.
Wünschenswert wäre gewesen, wenn dies nun das Ende der Eskalation hätte sein können. Dann kam aber noch die Rückfrage zu dem Ring auf, den Leeroy zurückgelassen hatte. Es war das Gegenstück zu meinem gewesen. Die Möglichkeit beide Ringträger kurzzeitig miteinander magisch verschmelzen zu lassen. Das Ergebnis wäre ein Ettin, der all die Stärken der beiden Anwender hatte. Gorok erinnerte sich dies einmal gesehen zu haben, damals als wir ihm das erste Mal begegnet waren. Seither hatten wir davon keinen Gebrauch mehr gemacht. Als die Gruppe von den Eigenschaften der Ringe hörte entglitt die Situation. Fragen wurden laut wieso wir diese nicht früher schon im Einsatz hatten. Mehr noch aber fing Gorok an zu verstehen welche Möglichkeiten dies für eine Kampfsituation haben würde.
Er war Feuer und Flamme. Brachte Argumente hervor, dass eine Verbindung von uns beiden unsere Feinde mit Leichtigkeit in die Knie zwingen würde. Im Lager der Kobolde hätten wir zu zweit alles niederstrecken können, war seine Ansicht. Vielleicht hatte er sogar recht. Aber das mordlüsterne Glitzern in seinen Augen, die bildhaften Beschreibungen dessen, was er … wir damit anrichten könnten und die Tatsache, dass nun seine Waffe zu ihm sprach ließen mich instinktiv zurückschrecken. Er wirkte fast besessen von der Idee Blutbäder anzurichten. Beteuerungen, dass dies nur der Verteidigung dienen sollte kamen wenig überzeugend, als er schon fast geiferte vor Verlangen.
Astreth war sichtlich irritiert über diesen Wesenszug. Sie und auch Fin gaben zu bedenken, dass wenn die Wandlung erst einmal aktiviert wurde, nur das Einverständnis beider Parteien es auflöste – oder bis die Magie ihre Wirkung verlor. Er könnte mich somit im Blutrausch dazu zwingen in Handlungen verwickelt zu sein, die ich nicht gutheißen würde. Je mehr er Argumente dafür fand, desto mehr schrie eine Stimme in mir dies auf keinen Fall in Betracht zu ziehen. Mein Angebot des Rings an die anderen blieb aber auch fruchtlos. Fin im Besonderen wollte mit den Ringen nichts zu tun haben. Mit einer Sache hatte Gorok aber nicht unrecht: Es war eine durchaus mächtige Komponente, die wir in unserem Arsenal führten.
Alles in mir sträubte sich, doch zuletzt legte ich den Ring schlicht auf den Tisch, erhob mich und ging Richtung Tür. Wenn er mein Vertrauen missbrauchen sollte müsste ich ja niemals mehr einer Verwendung zustimmen. Astreth mit meinem Blick fixierend übersandte ich noch, dass ich ihr vertrauen würde sich einer möglichen außer Kontrolle geratenen Situation anzunehmen. Sie versicherte mir ihr bestmögliches zu tun. Es war aber kein Ausgang der mich wirklich zufrieden stellte. Im Hintergrund griff Gorok zum Ring und versuchte noch überzeugend dies als sinnvolle Entscheidung darzulegen. Ich verließ den Raum und wartete unten, bis die anderen kamen.
Die ganze Diskussion über hatte ich an die Erzählung von Gorok’s Vision bei Narchessa denken müssen. Er sah einen Drachen im Spiegel und danach sich selbst, wie seine Haut zu Schuppen wurde und zwischen ihnen Feuer hervorbrach. Vorher war ich durchaus besorgt, doch im Lichte der aktuellen Ereignisse keimte eine immense Furcht ob unserer Zukunft auf. Panik umfing mich, als ich kurzzeitig an einem stillen Ort verweilen konnte. Da nun meine größte Vertrauensperson uns zurückgelassen hatte musste ich mir klar darüber werden, wie es weitergehen würde. Es würde wohl an der Zeit sein mich ausgiebig mit Astreth auszutauschen. Vielleicht würde sie angesichts dieser Informationen noch etwas beizusteuern wissen.
Dem Konsens folgend machten wir uns kurze Zeit später daran nach Ailamere aufzubrechen und ein Schiff aufzutreiben, mit dem wir die ‚Points‘ erreichen könnten. Wir verließen den Hort. Ich wunderte mich, ob und wann ich Tamarax und Belaxarim wiedersehen würde.
Auf dem Weg nach Ailamere passierte zunächst nichts von Interesse. Unser Weg war diesmal eher von Stille geprägt. Bald schon erreichten wir aber den Ort, wo wir Leeroy’s Spur verloren hatten. Ich hielt wieder Ausschau, in der Hoffnung doch einen Hinweis auf seinen Verbleib zu entdecken. Tatsächlich fiel dann etwas ins Auge. Mitten auf der Straße standen vier Stapel mit aufgetürmten Münzen. Einfach so. Fin bemerkte, dass sie von einer magischen Aura umgeben waren. Er nahm eine Münze und schaute sie sich genauer an. Eine Seite zeigte einen Raben, die andere einen Baum. Das konnte doch nur eine Falle sein, ein Hinterhalt womöglich. Wir entdeckten zunächst nichts. In der Ferne aber war eine Person auf einem Pferd zu sehen. Noch weit entfernt und nur langsam nähernd.
Astreth wollte das Gold schlicht von der Straße loswerden und es irgendwo vergraben. Vermutlich wäre das die beste Option gewesen. Einfach ignorieren und andere vor Schaden bewahren. Gorok sah keinen Grund darin es liegen zu lassen. Eine erneute Ermahnung, dass das Gold magische Energie enthielt schien ihn nicht zu beeindrucken. Stetig behauptete er wir würden zu viel nachdenken und nicht handeln. Doch sein übereifriges Handeln entbehrte jeder Vernunft. Schlussendlich steckte Fin die Münzen mit einer spektralen Hand in einen Sack. Auch wenn dies eine Weile dauerte. Und als die Letzte darin verschwunden war trat eine Gestalt aus einem nahgelegenen Baum. Ausgehend davon bereits zwei Touren im Hort gemacht zu haben konnten wir die Ähnlichkeit sofort entdecken. Dies war Vronwe, einer der Ailamere 3.
Mit einem gelangweilten Klatschen beglückwünschte er uns zu unserem gemachten Deal. Etwas ratlos dastehend verlangten wir eine Erklärung. So zeigte sich, dass wir – laut seiner Meinung – mit dem Annehmen dieses Bestechungsgeldes nun unseren Teil der Abmachung einzuhalten hätten. Dieser bestünde darin diese Region umgehend zu verlassen und nach Norden zu ziehen. Das konnte nur ein schlechter Scherz sein. Er machte deutlich, dass wir entweder freiwillig handeln könnten, oder er dafür mutwillig Sorge tragen würde. Auch wenn ihm jegliche Lust dazu fehle. Wirklich engagiert wirkte er nicht. Narchessa nutzte diese Leute nach gut Dünken für ihre Belange, so schien es. Dieser hier wollte weder hier sein, noch sich dieser Situation annehmen, geschweige denn gegen uns kämpfen. Aber er würde es tun.
Fin versuchte die Münzen zurückzugeben. Aber dafür habe man Vorsorge getroffen gab Vronwe von sich. Tatsächlich war er unfähig die Münzen einfach auszukippen oder zurückzugeben. Jede musste er einzeln hervorziehen. Und bei der dritten angekommen durchfuhr ihn scheinbar ein Schmerz. Keiner von uns war willens den Anweisungen nachzugeben. Nur Astreth versuchte darauf einzugehen. Sie hoffte wohl, dass wir dem Würgegriff dieser Frau entkommen würden. Fin war sich ganz sicher, dass dies nicht passieren würde. Gorok, der die Münzen erst ohne einen zweiten Gedanken einstecken wollte, war schon geradezu kampfbereit. Viel früher, als der Rest von uns. Und ich hatte definitiv nicht vor mir etwas vorschreiben zu lassen, unsere Aufgabe zu gefährden, oder das gemachte Versprechen an Fin zu brechen.
So kam es wie es kommen musste. Ein Kampf brach aus. Derweil war die Person auf dem Pferd in unsere Nähe gekommen und begutachtete das Geschehen. Vronwe dreiteilte sich. Wir fanden bald heraus, dass eines eine Illusion sein musste, welche sich aber nicht wie sonst üblich aufzulösen schien und auch noch im Stande war anzugreifen. Die anderen beiden hatten jeweils eine Besonderheit zu bieten. Eine Version von ihm war immun gegen magische und die andere immun gegen physische Angriffe. Die zuletzt genannten brachen nach kurzer Zeit auseinander, nur um daraufhin Schwärme von merkwürdigen kristallinen Wesen zu erzeugen. Fin steckte im Nahkampf mit der Illusion und hatte Schwierigkeiten dort wegzukommen. Astreth und ich versuchten durch Flächenzauber Herr der Situation zu werden. Gorok war auf sich gestellt mit den Kreaturen, die auf physischen Schaden reagierten.
Irgendetwas stimmte hier nicht. Vronwe musste eine Schwachstelle haben. Selbst als der eine Schwarm völlig zerstört war schien kein Rankommen an ihn. Fin und Gorok sahen schon extrem mitgenommen aus. Und inzwischen hatte sich die Reiterin dazu entschlossen uns zu unterstützen. Ich begrüßte diese Entscheidung, auch wenn es reichlich wagemutig war sich in eine unbekannte Situation so hineinzustürzen. Schließlich fiel Astreth etwas auf. Scheinbar war etwas oder jemand hinter mir. Ich war am weitesten Weg von den anderen, nutzte meine Magie auf hohe Distanz. Es dauerte einige Momente, bis ich erkannte was sie bemerkt hatte. Vronwe, der echte, stand die ganze Zeit direkt hinter mir. Nur eine Armlänge entfernt.
Der zerstörte Haufen an Kristallwesen wandelte sich plötzlich in einen großen durchsichtigen Obelisken. Und kurz darauf auch der andere Schwarm, dem Fin zuvor ein Ende setzte. Währenddessen versuchten wir auf Vronwe umzuschwenken. Gorok erwischte ihn. Doch dann bewegten sich die Obelisken, kamen auf uns zu. Ehe sich Astreth versah verlor sie den Halt und wurde von einem eingesogen. Sie war einfach verschwunden … Hingegen schien der andere Obelisk Fin bewusst zu verschonen. Was ging hier vor sich?
Wir hielten den Fokus aufrecht und Vronwe sah erheblich angeschlagen aus. Jeden Moment hätten wir ihn am Boden gehabt, dann hätte er Rede und Antwort stehen müssen. Doch dazu kam es nicht mehr. Plötzlich verschwand er selbst in einem Obelisken, der sich daraufhin auflöste. Nicht ohne uns zuvor noch mitzuteilen, dass er das andere Portal nur noch kurze Zeit offen halten würde. Wir hätten die Wahl. Astreth war in dem bestehenden Obelisken. Wir sahen sie nicht, konnte ihr nicht helfen. Die Aussage, dass es sich um ein Portal handeln sollte legte nahe, dass sie inzwischen an einem unbekannten und vielleicht sogar weit entfernten Ort sein mochte. War Leeroy auch so verschwunden? Viel Zeit zum Überlegen gab es nicht.
Gorok sprang direkt Astreth hinterher. In diesem Fall war es wohl die einzig richtige Entscheidung nicht weiter nachzudenken. Wir konnten sie nicht alleine zurücklassen. Fin und ich folgten. Scheinbar auch die Frau, die soeben an unserer Seite gekämpft hatte. Es fühlte sich an, als ob mein Körper sich verformen wollte während des Hindurchschreitens. Doch ich behielt die Kontrolle. Weigerte mich dem nachzugeben, hielt mich intakt. Dann wurden wir auf der anderen Seite geradezu ausgespuckt. Astreth, Fin und die unbekannte Frau wirkten, als ob ihr Fleisch sich kontinuierlich zu bewegen schien. Gorok und mir ging es gut. Nur Augen für uns habend durchbrach plötzlich eine Stimme die Stille. Eine sich nicht sehr klar äußernde noch dazu. Dieses nach Worten ringen … ich hörte es zuvor. Damals bei der Reise über Loch Meriander. Joni.
Er erklärte, dass dies der Thronsaal seiner Mutter sei. Und tatsächlich sah es pompös aus. Auf die Frage wo genau wir seien traf die Antwort wie ein Schlag: Notherhall. Wir waren zwangsweise nach Norden gesandt worden. So weit nördlich, dass der Rückweg nach Ailamere Wochen dauern würde. Die Ereignisse in diesem Thronsaal überschlugen sich. Zunächst hatten wir die Wachen nicht bemerkt. Zu sehr waren wir damit beschäftigt zu schauen wie es den unsrigen geht. Gorok sah besonders mitgenommen aus. Es war mehr ein Instinkt im die Hand auf die Brust zu legen und einen Vers auf drakonisch von mir zu geben. Doch nichts geschah. Scheinbar wurde Zaubern aktiv von Magiern aus den Reihen der Garde unterbunden. Joni intervenierte kurz und sprach sich zu unseren Gunsten aus. Daraufhin probierte ich noch einmal aktiv, was mir zuvor nur spontan in den Sinn kam. Meine Hand wurde heiß, ein loderndes Leuchten ging von der Handfläche aus und plötzlich schlossen sich einige der Wunden auf Gorok’s Körper. Das war es also. Ich hatte das schon einmal getan, um mir selbst zu helfen. Was für ein Geschenk, dachte ich bei mir und dankte in Gedanken Tamarax.
Gleichzeitig stellte Joni seine Mutter vor. Isteria Willowrush, Königin von Notherhall. Astreth reagierte besser als wir und suchte direkt versöhnend das Gespräch, nachdem wir hier so eingedrungen waren. Scheinbar ist dies aber nicht das erste Mal gewesen, dass auf diese Art „Besucher“ auftauchten. Sollten wir Vronwe wiedersehen, dann wären wir damit beauftragt ihm zu sagen, dass er einen anderen Ort für sein Portal suchen solle. Auf unseren Wunsch hin direkt gehen zu wollen kam sofort die nächste schlechte Nachricht. Scheinbar stand Notherhall gerade unter Belagerung von „Barbaren“. Wie sich herausstellte hatte Bargle the Infamous einen Krieg losgetreten. Theoretisch würde sich Gorok wohl aufgrund guter Beziehungen mit denen auseinandersetzen können, wenn wir uns entschließen würden zu gehen.
Gleichermaßen wandte ich mich an die Frau, die uns zur Hilfe gekommen war. Erst jetzt fielen mir ihre spitzen Ohren auf, die ganze Optik. Sie war ganz klar ein Vollblutelf. Und zudem waren wir in eine Elfenstadt teleportiert worden …
Ihr Name war Valaria Moonglaive und ihre Motivation uns zu unterstützen war von ungestümer Art gewesen. Es schien spannend und interessant, meinte sie. Gerade waren die Menge an Ereignissen und Informationen zu viel.
Zu allem Überfluss machte Joni klar, dass Fin, Astreth und Valaria zum nächsten Morgen Tod seien, es sei denn sie würden auf die Folgen des Transports hin behandelt werden. Fin war sichtlich wütend. Seinen Rucksack auf den Boden donnernd stimmte er widerwillig zu – machte aber auch gleich klar, dass die Goldmünzen aus dem Sack dort entzaubert werden müssten. Meine Abscheu gegen die Vollblüter, samt der Wut über die Situation wich einfach nur einem verzweifelten Gefühl völliger Machtlosigkeit und Erschöpfung. Ich ließ meine Stirn mit einem Seufzen auf Fin’s Schulter nieder.
Joni sorgte dafür, dass die drei behandelt wurden, sowie für eine temporäre Unterkunft. Vorerst blieben wir hier … ich hoffte aber, dass es nicht für lange wäre. Alles in mir sträubte sich hier zu sein. Ich wollte einfach nur weg …
Sitzung 93
Nachdem Beatrix ging berieten wir noch einige Zeit wie wir den Wunsch wohl äußern sollten. Fin’s Wunsch uns „sicher“ aus dem Lager zu teleportieren schien ein Eigenleben entwickelt zu haben, dass mich besorgte. Schließlich waren wir in einer Krypta aufgetaucht – genauer in den dort vorhandenen Särgen. So ein Erlebnis wollten wir diesmal definitiv vermeiden. Nichts wäre schlimmer, als ihr oder Tamarax Leid zuzufügen. Besonders nachdem ich ihr solche Hoffnung machte. Das hätte ich mir nie verziehen.
Den Beginn unserer Bemühungen bekamen Astreth und Fin jedoch nicht mit. Sie hatte ihm angeboten mithilfe ihrer schamanistischen Magie gegebenenfalls einen Hinweis auf den Verbleib seiner Freunde geben zu können. Dabei blieben sie erst einmal ungestört. Nachdem wir das Für und Wider diskutiert den Wunsch in zwei aufzuteilen, nur um ganz sicher zu gehen, oder es bei einem sehr genau formulierten zu belassen kamen auch die zwei wieder zurück zu uns. Offenbar hatte Fin eine Art Eingebung erfahren in welcher Richtung sich einer seiner Gefährten aufhielt. Im Westen hatten wir zu suchen. Doch wo genau blieb unklar.
Ich wusste noch immer nicht genau was ich davon halten sollte verurteilte Verbrecher zu befreien. Aber Fin war mehr als loyal gewesen bisher, er hatte mein Vertrauen gewonnen. Und so hoffte ich, dass ihm zu helfen eine gerechte Sache sein würde. Alles hätte er uns erzählen können wie es zu den Verhaftungen kam, doch er erzählte die Wahrheit über sich und seine Gruppe. Und von dem was er sagte waren es keine schlechten Leute. Ja, sie raubten andere aus, jedoch nur jene großen Reichtums. Und sie gaben es laut seiner Erzählung Bedürftigeren. Im Orden gab es keine Armut. Doch die Straßen von Ailamere waren voll davon. Es beeindruckte mich, dass sich jemand für diese Personen einsetzte.
Meine abschweifenden Gedanken sammelnd versuchten wir nun zu fünft den finalen Satzbau unseres Wunsches zusammenzubauen. War ich schon paranoid? Jeder Vorschlag wurde mehrfach von mir unter die Lupe genommen. Die Stunden kamen mir wie Tage vor. Am Ende einigten wir uns auf einen Wortlaut, der nur recht wenig Spielraum belassen würde, dass etwas falsch liefe. Zumindest redete ich es mir selbst ein. Mehr Pragmatismus kam da von Gorok und Astreth, die meinten wir hätten ja in jedem Fall noch einen Wunsch übrig mögliche Fehler zu beheben. Das mochte sein, aber mein Inneres verkrampfte bei dem Gedanken, dass wir vielleicht eines Tages auf diese Magie angewiesen wären und sie im Falle eines Fehlers am morgigen Tag dann nicht mehr hätten. Zu mächtig war diese schattenhafte Kugel.
Wir tauschten noch einige Informationen und Geschichten aus, bevor es Zeit wurde die Nachtruhe anzustreben. Fin interessierte sich unter Anderem für meine Herkunft und unseren Glauben. Es war schön eine so offene Gemeinschaft zu haben. Auch wenn ich selbst nicht gerne über gewisse Themen sprach. Während wir versuchten ein Monster aufzuhalten, hatten die Ereignisse in Ailamere meine eigenen Dämonen wiedererweckt. Seither plagten mich jene Erinnerungen kontinuierlich. Ich glaube Gorok spürte dies aktiver, als jeder andere bisher. Auch wenn seine Art damit umzugehen beziehungsweise mich aufzubauen eher großer Natur war. Er hatte eine gewisse Einfachheit im Betrachten von Dingen. Ich wunderte mich, ob ich diese auch einmal haben würde.
In der Nacht weckte mich Astreth. Beatrix war zu Fin ins Zimmer gekommen. Geradezu panisch. Wir versammelten uns leise bei ihm und lauschten dem was ihr widerfahren war. Ein Zwerg war gegen späten Abend noch hier eingekehrt. Grimmalk von den Ailamere 3. Mir stockte der Atem. Diese Leute waren für das Unglück im Hort verantwortlich. Mehr noch arbeiteten sie für Narchessa. Es war schwer vorstellbar, dass sein Erscheinen hier und heute ein Zufall war. Beatrix war sichtlich mitgenommen. Sie fürchtete sich, dass ihr Geheimnis herausgekommen war. In ihrer jetzigen Gestalt war sie nicht im Stande sich gegen solch ein Individuum zu verteidigen. Aber woher sollte er es wissen können? Wir versuchten sie zu beruhigen. Es war das Beste sie würde keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen und normal ihren Tätigkeiten nachgehen. Ich drückte sie fest und versprach, dass alles gut gehen würde. Überzeugt war ich aber selbst nicht, aber was außer hoffen bliebe schon übrig …
Sie ging. Wir waren uns noch unsicher, ob er eventuell wegen uns hier war. So bot Astreth an einen Schutzzauber zu wirken, der verhindern würde, dass uns jemand in der Nacht überraschen würde. Dafür mussten wir jedoch alle in einem Zimmer verweilen. Fin bot mir sein Bett an. Astreth hätte wohl eh lieber draußen kampiert und machte es sich neben den anderen auf dem Boden gemütlich. Es war eine recht ungewöhnliche Situation. Dann übermannte mich der Schlaf.
Am nächsten Morgen war alles vorerst in bester Ordnung. Wir besprachen uns kurz wie wir im Frühstückssaal und später auf der Tour erscheinen würden. Astreth und Fin waren offiziell noch nicht mit uns in Verbindung gebracht worden hofften wir. So konnten wir in zwei Gruppen agieren und im Zweifel eines unvorhergesehenen Ereignisses eine Überraschung parat halten. Das klang vernünftig. Die beiden gingen zuerst hinunter, wir würden etwas später folgen. Ich genoss die Möglichkeit mich hier einmal richtig frisch zu machen. Die Tage unter freiem Himmel überwogen zuletzt jene mit festen Wänden und sanitären Einrichtungen.
Im Frühstückssaal verteilten wir uns nunmehr an zwei Tischen. Foamwave sorgte für musikalische Untermalung, während Beatrix bediente. Tivoney war besonders auffällig zurecht gemacht. Es unterstrich ihre natürlichen hübschen Züge, wenngleich ein wenig überzogen an gewissen Stellen. So war ihre Optik beim letzten Mal zumindest nicht. Wir aßen in aller Ruhe. Es geschah weiter nicht ungewöhnliches. Danach wurde zur Tour ausgerufen.
Auch hier getrennt erscheinend standen wir nun vor Meister Ravel. Er machte wie zuvor schon die Einführung. Zusätzlich mussten allerdings auch Formulare ausgefüllt werden, die Besucher – wenn sie denn etwas beschädigten – in Regress nehmen sollten. Das war wohl eine Reaktion auf Gorok’s letzten Besuch. Zugegeben hatte er die Tour etwas ernster genommen, als sie ausgelegt war. Aber noch etwas weiteres war anders. Snek war hier, aber Foamwave fehlte. Sie sollte doch aber die Tour führen. Schon kurz darauf zeigte sich wieso. Als die Statuen der Ailamere 3 im ersten Raum vorgestellt wurden fing die des Zwerges sich an zu bewegen. Als besondere Überraschung führte diesmal Grimmalk persönlich durch die Tour. Eine Besonderheit, auf die ich nur allzu gerne verzichtet hätte. Hinter uns bemerkte ich Beatrix, welche sich scheinbar auch unwohl fühlte mit dieser Entwicklung.
Grimmalk stellte sich und seine Gruppe als Helden dar. Alles was sie hier taten war aus seiner Perspektive heroisch. Sie kamen um ein Monster zu beseitigen. Seine Worte wählte er besonders brutal und schilderte jeglichen „Erfolg“ im Kampf mit detailgetreuen Beschreibungen. Es war widerwärtig. Es verärgerte mich. So sehr, dass es mir schwer fiel mich zu kontrollieren. Mehrmals spürte ich wie meine Hände immer wärmer wurden, kurz davor meine Magie zu entfachen und dem wahren Monster hier zu geben was es verdiente. Astreth fand alles zunächst noch amüsant. Doch je länger die Tour dauerte, desto enttäuschter war sie von den quasi nicht vorhandenen „Herausforderungen“. Sie sah so ziemlich alles voraus, was Grimmalk’s übertriebene Darstellungen ihres ach so fordernden Kampfes völlig negierte. Sehr zu seinem Missfallen. Fin war erstaunlich ruhig, ebenso Leeroy. Gorok ließ sich hingegen durch nichts aus der Ruhe bringen. Schien aber immens enttäuscht darüber zu sein mit den gepolsterten Übungswaffen agieren zu müssen. Es war nicht davon auszugehen, dass er etwaige Beschädigungen hätte bezahlen können. So blieb er sehr sanft im Umgang mit dem Interieur. Obgleich meines verkrampften Körpers war dies durchaus ein wenig amüsant.
Die Tour neigte sich dem Ende, als wir den oberen Bereich erreichten. Den eigentlichen Hort. Die Kammer, in der auch in einem Verschlag Tamarax’ Überreste lagen. Zu diesem Zeitpunkt was Astreth zu Tode gelangweilt. Die Aufforderung sich am Schatz zu bedienen schien ihr fremd. Der Zwerg erläuterte ihr, dass es ja darum ginge den Schatz zu erhalten. Ich erinnerte mich an die Süßigkeit im Inneren dieser Goldmünzen und verwies darauf. Das gefiel ihr eher. Leider plagte mich auch der Kommentar des Vortages über meine Statur. Und aus der Freude über eine leckere Kleinigkeit wurde ein fester Griff zu zwei vollen Händen. Grimmalk gab derweil Autogramme an restlichen Tourgänger. Warum genau weiß ich nicht, aber mir kam die Idee seine Unterschrift zu haben könnte sich einmal als nützlich erweisen. Doch mir gegenüber lehnte er ab. Die restlichen Tourgänger verließen nun gut unterhalten den Bereich durch den Ausgang. Uns wies er an zu bleiben.
Meine Anspannung wuchs. Aber zeitgleich waren wir fünf gegen einen. Würde er irgendetwas aggressives unternehmen wollen, dann wäre vermutlich Gorok so schnell mit der Axt, dass es danach nur noch die Befriedigung darüber gäbe, dass dieser protzige Mörderzwerg niemals wieder jemandem Schaden zufügen könnte. Der Schreck über meine eigenen Gedanken war deutlich dumpfer gewesen, als noch vor einiger Zeit. So sprach der arrogante Zwerg. Er wäre angewiesen worden eine Einladung zu übermitteln. Wir wüssten schon von wem. Und es gäbe ein Angebot, dass uns unterbreiten werden sollte. Wir hätten einige Bedenkzeit. Er würde draußen in seiner Kutsche warten.
Mir fiel ein Stein vom Herzen, dass dies kein Hinterhalt war. Noch mehr, dass es nichts mit Beatrix zu tun hatte. Diese kam wieder, nach dem uns Grimmalk verlassen hatte. Unsicherheit und Hoffnung waren gepaart in ihrem Gesicht. Innerlich erging es mir genauso. Zu lange sollten wir uns jetzt nicht hier aufhalten, das wäre verdächtig. Ausserdem gab es einen klaren Plan was es zu erreichen galt. Fin holte die Kugel hervor und ich reichte ihm das Pergament mit unserem Wunsch. Mein Blick zog von Beatrix zu Fin. Wir waren bereit. So sprach er die Worte …
„Ich wünsche mir die sofortige und vollständige Wiederherstellung von Belaxarim und Tamarax in diesem Hort, wie sie direkt vor dem Erscheinen der Ailamere 3 am Hort waren, unter Beibehaltung ihrer bis heute gemachten individuellen Erinnerungen und inklusive des Transfers von ausschließlich Tamarax Seele in ihren wiederhergestellten Körper.“
Ich hörte das letzte Wort … dann wurde es dunkel. Ich schien in völliger Schwärze zu treiben, gänzlich allein. War ich … tot? Aus der Dunkelheit erschien plötzlich Tamarax. Sie berührte mich und ein ein Licht durchfuhr mich. Dann öffnete ich die Augen. Alle Augen lagen auf mir. Leeroy und Astreth knieten neben mir, ich sah noch wie ein schwaches leuchten von Astreth’s Händen ausging. Mir direkt ins Gesicht schauend war aber etwas viel wichtigeres. Tamarax! Und aus dem Augenwinkel vermochte ich die Gestalt einer gigantischen Kreatur wahrzunehmen. Belaxarim! Es hatte wirklich geklappt. Überschwänglich umklammerte ich den Drachenwelpen. Es waren mehr als nur Freudentränen, dass wir diese Familie hatten wieder zusammenführen können. Es war auch das Wissen nicht mehr diese Ungewissheit in mir zu tragen. Es waren die angestauten Anstrengungen final hierher gekommen zu sein. Es war wegen der Auflösung eines viele Jahre zuvor begonnenen Geheimnisses.
Jetzt spürte ich auch Leeroy’s Umarmung, der sich viel mehr Sorgen gemacht zu haben schien, als ich bisher annahm. Mein Blick suchte Fin, der sich im Hintergrund hielt. Um Atem ringend erschien es eher wie ein Hauchen meiner Dankbarkeit. Es gab keinen Zweifel mehr daran was meine Meinung über ihn war. Für jemanden, den wir erst so kurz kannten, stand mein Vertrauen in ihn unerschütterlich fest.
Ich kann nicht sagen, dass ich den Ausdruck eines Drachen deuten könnte, aber in diesem Moment war ich sicher. Belaxarim war überglücklich. Da war aber noch mehr. Eine spürbare Veränderung in mir. Ausserhalb dessen, dass Tamarax’ Seele nun nicht mehr präsent war – was mich wundern ließ, ob ich die Anwesenheit nicht doch vermissen würde. Etwas war anders … aber ich konnte es noch nicht greifen. Was jedoch ebensowenig greifbar war, war mein Anhänger. Als ich die Schlaufe hervorzog war die Drachenkralle verschwunden. Fast neckend zeigte mir Tamarax all ihre Klauen in Vollständigkeit.
Ob der Freude mussten wir nun aber noch etwas wichtigeres klären. Belaxarim war zurück. Doch die Ailamere 3 hatten sich ihren Ruf als Drachentöter erarbeitet. Was würde passieren, wenn sie nun erneut nach ihrem Leben trachten würden? Belaxarim machte klar, dass sie keine Kämpferin sei. Ihre Talente waren eher diplomatischer Natur. Ihr Drachenatem würde sicherlich wirkungsvoll sein, aber darüber hinaus gab es nicht viel das sie tun konnte. Verstecken ginge nicht, woanders ihren Hort errichten sei auch schwer ob der anderen Drachen in den restlichen Regionen. Auch würde das plötzliche auftauchen von ihr gegebenenfalls den großen Roten auf sie aufmerksam machen. Er hatte schon andere Drachen beseitigt. Wir diskutierten die Optionen und kamen zu dem Ergebnis, dass ein Deal mit dem Ailamere 3 die vorerst einzig brauchbare Option sei. Natürlich sollte die Anwesenheit von Tamarax auf Dauer geheim bleiben müssen.
Zu unserer Überraschung schob Belaxarim fast mühelos einen gigantischen Stein beiseite, der uns ins Tageslicht führte. Nun standen wir draußen. Und schnell waren die Blicke der Besucher und hier arbeitenden Personen auf den Drachen gerichtet. Nur Snek ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, sondern schien seine technischen Zeichnungen seiner Drachenstatuette mit dem Original abzugleichen. Meister Ravel wurde verdeutlicht, dass Beatrix nun nicht länger für ihn arbeiten würde. Angesichts der vor ihm stehenden Präsenz nahm er es wie zu erwarten auf. Derweil ging Gorok zur Kutsche von Grimmalk. Wir hätten unsererseits ein Angebot zu unterbreiten. Widerwillig kam der Zwerg hervor und erstarrte sofort, als er Belaxarim in voller Größe vor sich sah.
Er aktivierte irgendein Objekt in seiner Hand und wirkte einige Sekunden völlig abwesend. Danach mussten wir ihm erst einmal erläutern, dass er nichts zu befürchten habe … für den Moment. Belaxarim hätte einige Worte mit ihm zu wechseln. Seine Waffe und den Schild fest umklammernd trat er vor. Die Menge beäugte uns. Die blanke Panik in seinem Gesicht war eine Genugtuung, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte. Er würde viel zu gut dabei wegkommen, doch dieser Moment jetzt gerade entschädigte für vieles. Dann begann Belaxarim ihr Schauspiel. Sie bat um Gnade und einen Deal mit den Ailamere 3, den großen Bezwingern. Grimmalk war sichtlich irritiert. Sie wolle hier nur in Ruhe leben und auch weiterhin die Geschichten der mächtigen Helden, die ihren Hort einnahmen erzählen. Wieder aktivierte er das Objekt. Kurze darauf willigte er in übertriebener Weise ein. Machte gar Drohgebärden. Ich verstand erst, als ich die Leute drum herum besah. Auch wenn ihre Vorstellung nicht wirklich überzeugend auf uns wirkte, so tat sie es jedoch auf die Massen.
Ob des Angebots von Narchessa, das scheinbar von einer dritten Partei ausging, lehnten wir dann ab. Wir hatten ein Objekt großer Begehrlichkeit in unserem Besitz und unsere Feinde wussten wo wir zu finden wären. Es war völlig unklar, ob dies nicht in Zusammenhang stand. Astreth und Gorok waren dafür trotzdem einzuwilligen. Fin schien eine ebenso große Abneigung gegen Narchessa zu empfinden wie ich. Leeroy wankte zunächst. Aber das Argument der Unkenntnis über die Vorgänge gab den letzten Ruck zu Ablehnung. Grimmalk war es egal. Es wäre ja unsere Entscheidung eine Chance wegzuwerfen. Das sagend wusste er aber selber nicht worum es sich handelte.
Unser Plan war schnell gefasst. Wir brauchten wieder mehr Informationen, zuletzt war von der anderen Gruppe nicht viel übermittelt worden. Daher war Zoica wieder als Ziel geplant. Und mit der Reiseroute nach Westen konnten wir gleichermaßen direkt einem Anhaltspunkt was Fin’s Gefährten anging folgen. Mit dem Ende der Tour war es aber auch bereits Mittag. Das Essen schien für alle sehr verlockend zu sein, was zu dem Entschluss führte dies als eine Feier anzusehen. Belaxarim wirkte zufrieden mit dem Ausgang. Wer jetzt die Tour machte würde einen gänzlich anderen Eindruck weitervermitteln. Sie hätte die Sicherheit zu wissen, dass die Ailamere 3 die Füße still halten würden und gleichzeitig würde ihre bloße Präsenz auch ihren Hort langsam wieder füllen.
Ich ergriff die Möglichkeit mir etwas vom Grill zu nehmen. Dann nagte wieder dieser Kommentar Astreth’s in meinem Kopf. So begann ich eine zweite Portion auf den Teller zu schaufeln. Tivoney stand gerade neben mir. Sie schien enttäuscht. Auf meine Frage hin meinte sie, dass sie gehofft hatte, dass sie Grimmalk auffiele. Sie wollte eher mit diesem aufgeblasenen Zwerg zusammen sein, als hier zu arbeiten. Ich empfand das letztere als kleinere Übel. Als sie meine Portion bemerkte war sie ihrerseits neugierig. So erzählte ich ihr, dass man mir nahegelegt hätte etwas „stabiler“ zu werden. Sie winkte ab und rückte mein Verständnis der Situation etwas gerade. Der Vergleichswert der Person, die es sagte zu der Person die ich sei wäre falsch. So schob ich die zweite Portion wieder zurück. Griff dafür aber nachdem sie sich abwandte nochmal zu einem Schokotaler.
Sitzung 91
Ich wusste nicht wie lange ich bewusstlos gewesen war, doch als meine Sinne zurückkehrten bemerkte ich ein flauschiges Gefühl unter mir. Stimmen um mich herum. Die Luft hatte etwas abgestandenes. Dann öffnete ich die Augen. Ich lag quer über einem riesigen Wolf. Mit so etwas hatten wir schon einmal ein Zusammentreffen gehabt und es stieg Angst in mir hinauf. Keine Regung machte ich. Aus dem Augenwinkel nahm ich noch schemenhafte Fäden war, die sich scheinbar um mich geschlungen hatten und nun verblassten. Gorok’s Stimme hörend atmete ich tief in mich hinein. Er sollte mich sofort von diesem Tier holen. Mit dem ganzen Gepäck auf meinem Rücken fiel es mir schwer das allein zu bewältigen.
Nachdem meine Gedanken sich etwas beruhigten fiel meine Aufmerksamkeit auf die riesige Gestalt vor mir, die mit ruhiger Stimme versicherte Kendra würde mir nichts tun. Hieß so dieses wilde Tier? Verwirrung ob unserer Lage fügte sich hinzu. Etwas knapp erläutert erfuhr ich davon, dass wir tatsächlich in AIiamere angekommen waren. Fin hatte es wirklich geschafft! Doch der Wunsch brachte uns unter die Erde. Wir waren wohl in Särgen irgendwelcher Katakomben unterhalb von Ailamere transportiert worden. Und zu allem Überfluss wurden diese auch noch von einem schlangenhaften Wächter geschützt. Mit Mühe genau es den anderen sich und uns zu befreien. Gorok hätte beinahe mit seinem Leben dafür bezahlt. Ich war fassungslos.
Zu unserem Glück kam dann diese Frau. Sie öffnete eine schwere steinerne Tür, durch die wir dann entschwanden. Ihr Name war Astreth Freirsdotter. Ein Hüne. Größer noch als Gorok. Ihre Volksabstammung nach sei sie eine Goliath. Ob ich zuvor von diesem Volk gelesen hatte war mir zu diesem Zeitpunkt nicht klar. Es waren gerade zu viele Dinge in meinem Kopf. Zunächst schaute ich nach Leeroy. Es ging ihm scheinbar gut. Meine Erleichterung war groß. Sorin war auch wohlauf. Ohne ihn hätte es mich im Camp sehr wahrscheinlich das Leben gekostet. Obgleich meines unklaren Vertrauensverhältnisses hatte mir dies viel zu denken gegeben. Ich nickte ihm dankbar zu, hoffend er würde verstehen wie es gemeint war.
Gorok löcherte mich direkt mit Fragen. Er habe Strahlen aus seinen Fingern geschossen und wollte wissen was es damit auf sich habe. Doch konnte ich ihm dazu nichts sagen. Weder war ich anwesend, noch konnte ich mir erklären, wie er plötzlich in der Lage war Magie zu wirken. Es beunruhigte ihn. Mich ebenso. Für den Moment gab es aber keine Erklärung. Wir würden dieses Thema wohl im Auge behalten müssen.
Fin sah hingegen nicht ganz so gut aus. Blessuren und Schnittwunden prangten auf seinem Körper. Dies erkennend konnte ich dennoch meine Emotionen nicht zurückhalten und fiel ihm um den Hals. Er versuchte den Schmerz in der Stimme zu unterdrücken. Sein wagemutiges Manöver hatte uns aus dieser perfiden Falle Urso’s gerettet. Nichts hätte ihn gehindert uns zurückzulassen, die Kugel für sich zu verwenden und damit wer weiß was anzustellen. Doch zeigte er sich loyal. Ich dankte ihm und löste meine Umklammerung nur langsam.
Nun wurde mir bewusst, dass zwei Stimmen in der Runde gefehlt hatten. Leonard und Constassina fehlten. Auf meine Frage hin wo sie verblieben waren gab es nur fragende Blicke. Keiner war sich sicher. Leeroy’s Ruhe diesbezüglich mochte ich nicht teilen oder verstehen. Es hatte wohl noch zwei Särge gegeben, die aber keiner überprüft hatte wegen des Angriffs des Schlangenwesens. Die Ätherische hätte wohl kaum Schwierigkeiten gehabt dem zu entfliehen. Aber Leonard mochte noch da unten sein. Beschwichtigend meinte Leeroy das sie dann noch etwas gehört hätten aus den Särgen. Es gab aber wohl keinen Ton aus diesen. Fassungslos im Inneren stand ich vor meinen Begleitern und fragte mich, ob wir nicht wenigstens nachschauen sollten. Aber am Ende vertraute ich auf ihr Urteil. Doch hätte ich gedacht, dass Leeroy penibler hätte sein sollen, als sich bloß auf sein Gehör zu verlassen. Schließlich war es sein Bruder. Irgendwie … auch wenn dieser hier aus einer anderen Welt kam, war es ja nun eine zweite Chance für beide gewesen. Er gab nicht zuletzt auch ein Versprechen ab. Ich schluckte einen auf der Zunge liegenden Einwand dann jedoch herunter. Wie gesagt vertraute ich dem Urteil meiner Freunde – beziehungsweise wollte es.
Keiner mochte länger hier unten verweilen. Also setzten wir unseren Weg an die Oberfläche fort. Astreth musternd und ob ihrer Anwesenheit hinterfragend kam heraus, dass sie auf der Suche nach einem Halbork mit einem flammenden Umhang sei. Sie glaubte anscheinend diesen in Gorok entdeckt zu haben. Denn ein Traum hatte sie zu diesem Ort geführt und ihn in Bedrängnis gefunden. Sie wirkte überzeugend, auch wenn irgendwas in mir sagte vorsichtig zu sein. Nach all dem Erlebten wurde ich durchaus misstrauischer. Sie versicherte sie wäre hier um ihm bei seiner Aufgabe zu helfen. Welche mochte das sein? Schließlich schloss er sich ja unserer Aufgabe an. Würde sie das nun auch tun?
Die engen Gänge der Katakomben mündeten schließlich in einem Zugang zu einem Tempel. Der Tempel von Rudd. Mir war diese Gottheit unbekannt, aber Fin erläuterte es handele sich um einen Patron der Händler und Geschäftsleute. Das war in der Tat passend für einen Ort wie Ailamere. Astreth interessierte sich scheinbar wenig dafür, oder für die Blicke, die wir auf uns zogen. Aber sie zog eine Augenklappe auf. Mir war erst jetzt aufgefallen, dass sie zwei unterschiedlich gefärbte Augen hatte. Eines davon war hellblau, nahezu strahlend. Sie verdeckte es. Auf Nachfrage meinte sie es wäre ihr aufgefallen, dass dies weitaus weniger Fragen aufwerfe – erst Recht in einer Region mit Piraten – als die neugierigen Blicke, die es sonst auf sich ziehen würde. Wobei ihr daraufhin auch meine Augen auffielen und dies kommentierte. Es mochte stimmen, ich selbst wurde häufig darauf angesprochen.
Der Erholung halber kam das Gespräch einer Unterkunft auf. Die Goliath hatte da schon eine Idee und verwies uns auf eine Taverne mit, laut ihrer Aussage, brauchbarem Zwergenbier. In Gorok hatte sie sofort einen Fürsprecher gefunden. Innerlich musste ich leise in mich hinein lachen. Wir waren dem Tod gerade zweimal nur knapp entkommen, aber nichts konnte Gorok’s Gemüt verdunkeln. Erst Recht nicht, wenn Alkohol in Aussicht stand. Mein letztes Erlebnis dieser natürlich war mir hingegen noch gut in Erinnerung geblieben … zum Teil zumindest. Weniger war mehr in diesem Fall. Alle stimmten zu etwas Erholung gebrauchen zu können. Gorok bestand aber darauf später eine sicherere und kostengünstigere Unterkunft bei Tarovo zu suchen. Dies war auch mir lieber. Immerhin hatte er uns bereits in der Vergangenheit geholfen.
Für den Moment aber kehrten wir in das „Knives and Pork“ ein. Ein integrierter Schweinestall prägte diese Taverne. Hier konnte man sich wohl frisch das Tier aussuchen, dass man zu verspeisen wünschte. Dafür war es aber erstaunlich sauber. Der Schankwirt hieß uns willkommen, hatte aber Sorge um den riesigen Wolf im Schlepp. Wohl eher deswegen, ob dieser sauber sei. Um die Situation direkt zu entschärfen nutzte ich meine Magie Kendra auf Hochglanz zu bringen. Dies schien ihm ausreichend zu sein. So gesellten wir uns zur nächtlichen Stunde an einen Tisch. Wir aßen, tranken und tauschten oberflächlich Informationen aus. Dabei ließ uns Sorin auch wissen, dass er uns verlassen würde. Es müsse seinem Volk von der Bedrohung erzählen. Auch wenn er ausgestoßen wurde, so war die Gefahr durch die Drachen wichtiger denn der, wie er sagte, sinnlose Krieg mit den Elfen. Wenn sie ihm glauben würden, könnte dies vieles zum Besseren verändern. Nun dachte ich an Ava, Garret und Ralkarion. Hatten sie die Nachricht an Sylvanar erfolgreich weitergeleitet?
Das Essen näherte sich dem Ende und es wurde Zeit, dass wir Schlaf fanden. Gorok geleitete uns geradewegs zu Tarovo. Er schlief bereits, doch ließ sich erstaunlich einfach wecken. Seine Begeisterung uns zu sehen war so groß, dass er zunächst über den ganzen Hof schrie. Sehr zum Verdruss seiner Nachbarn. Doch nachdem Gorok insistierte hineingelassen zu werden folgte der überschwänglich glückliche Mann dieser Bitte sofort. Er war schon etwas … eigenartig. Aber sehr nett und herzlich. Mitunter zu nett, so dass er mich leicht in Verlegenheit brachte. Besondere Freude schein er an Kendra zu haben. Ich versuchte mich immer etwas auf Abstand zu dem Wolf zu halten, aber irgendwie hatte ich den Eindruck er würde mir fast schon folgen. Die Versuche das Tier von Astreth zu erwerben schlugen fehl. So wie ich den Bund der zwei einschätzte war das nun keine Überraschung.
Wir bekamen ohne zu zögern Räume zugeteilt. Dankbar gingen wir uns ausruhen. Wobei es den Eindruck vermittelte, als ob Gorok und Lorelei noch was zu klären hätten. Ich war mir nicht sicher, aber ich hätte schwören können, dass ihre Aussage er solle diese Nacht fern bleiben aufgrund des Nachdrucks etwas übertrieben dargestellt war. Mein Geist war jedoch zu erschöpft um mich weiter damit auseinanderzusetzen. Morgen würde es komplizierter werden. Fin hatte die Kugel und nach seinem Bericht, wie er sie erhielt, war eine Weitergabe keine brauchbare Option. Was hieß, dass es einiges zu erklären gäbe.
Und genau das erwartete uns dann auch am nächsten Morgen. Nach dem Frühstück hatten wir aber zunächst noch die Verabschiedung Sorin’s vor uns. Ich musste mir eingestehen, dass mein Vertrauen in ihn existent war. Mehr noch, dass es ein Verlust für unsere Gruppe war, dass er ging. Und darüber hinaus, dass ich diesen Echsenmenschen schnell in mein Herz geschlossen hatte. Nicht zuletzt wegen seiner ganz offenbar aufrichtigen und loyalen Art. Hoffend, dass ihn sein Volk nicht ignorierte – oder schlimmer noch bestrafte für eine Wiederkehr – nahmen wir Abschied. Ihm standen die Tränen in den Augen, was mich wirklich mitnahm. Auch wenn ich bei der Umarmung zum Abschied zögerte. Denn es kamen nicht zuletzt die Bilder aus dem Camp der Echsenmenschen immer mal wieder an die Oberfläche. Doch dieser hier war anders. Als er schlussendlich das Theater verließ machte Fin sehr deutlich, dass es an der Zeit wäre sich zu unterhalten.
Er behauptete etwas harsch, dass die Lügen nun ein Ende haben sollten. Uns war nicht ganz klar was er meinte. Wir hatten nie gelogen. Aber zugegeben auch nicht alles erzählt. Es waren und sind immer noch Fremde. Auch wenn Astreth und Gorok beim Frühstück schon eine Bindung aufbauten ob eines Traumes von ihm, der sich gut mit dem zu decken schien, was sie von sich gab. Ich wusste nicht was ich von der gigantischen Frau halten sollte. Ihre besonnene Art und der Fakt, dass sie jede Frage direkt beantworten mochte schien für jeden am Tisch aber vorerst Grund genug zu sein sie einzuweihen. Ein wenig Skepsis machte sich bei mir dennoch breit. Sie erwähnte zweimal etwas, dass ich zuvor schon gehört hatte. Den Zusammenhang konnte ich bisher aber noch nicht einordnen. Und ausgehend davon meine Gedanken sortieren zu müssen für die kommende Erläuterung unserer selbst auferlegten Verantwortung verblieb auch nicht viel Kapazität noch ein Fass voller Sorgen aufzumachen. So hoffte ich einfach.
Damit folgte auch die Zusammenfassung unserer Reise. All dem was wir erlebt und in Erfahrung gebracht hatten. Von Caer Aeslyn bis Ailamere. Samt all der Infos zu Shadar Logoth. Der weg auf dem wir waren Belaxarim zu helfen und den Umständen meiner existenziellen Ängste wegen der Drachenseele in meinem Körper. Fin’s Geschichte erzählte sich etwas knapper. Aber er war Teil einer Gruppe Diebe. Sie hatte sich gar einen Namen in Ailamere gemacht. Ich ließen mir nicht anmerken denke ich, aber das schockte mich schon ein wenig. Gerade im Bezug zu dem Objekt, dass er nun bei sich trug. Aber es erwies sich, dass sie verraten und verhaftet wurden. Danach trennte man sie und scheinbar wurden alle an andere Orte verschifft. Ihm jedoch gelang es zu entkommen. Nun war er auf der Suche nach seinen ehemaligen Kameraden. Jedoch fehlte es ihm völlig an Anhaltspunkten. So ein Wunsch war da sicher verlockend gewesen. Gleichermaßen stieg mein Vertrauen in ihn, da er sich dessen nicht einfach bemächtigt hatte.
Er stellte Fragen über Fragen. Und ich stolperte von einer zur anderen Antwort. Alles offen zu legen war nicht leicht. Seine direkte Art verunsicherte mich zudem. Und dann stellte er infrage, wofür wir den Wunsch bräuchten. Mein Nervenkostüm war am Ende. Es platzte einfach aus mir heraus wieviel Panik ich hatte was mi mir geschehen war und die zukünftigen Ereignisse nicht abzuschätzen waren. Schließlich verlor ich jedesmal wenn Tamara an meiner statt erschien die Kontrolle. Gleichermaßen erhofften wir uns von einer Auflösung der Situation auch eine Alliierte in Belaxarim zu haben. Astreth war recht ruhig gewesen, brach aber ihr Schweigen daraufhin. Dies sei Grund genug aus ihrer Sicht einen Wunsch zu verwenden. Fin stimmte überein. Er wollte testen was für Leute wir seien, ob unsere Absichten gut waren. Ich war so erleichtert, dass mir direkt wieder Tränen in die Augen schossen. Wieder in der Reichweite dieser ... Frau zu sein hatte meinem emotionalen Zustand auch nicht gerade gut getan. Fin verstand worauf ich hinauswollte. Wir fassten sodann den Beschluss sofort zu Belaxarim’s Hort aufzubrechen.
Um den Reiseweg zu beschleunigen nutzten wir den Transportservice von den Dragon Lair Tours, wofür wir Tivoney am Hafen aufsuchten. Sie war noch weniger begeistert über ihre Tätigkeit Werbung zu machen als beim letzten Besuch. Doch unsere Reise war schnell gebucht. Und der Weg zum Hort dauerte so nur eine habe Tagesreise. Da Astreth neugierig war was es mit den Tour auf sich hatte und Fin scheinbar selber nie hier war, einigten wir uns darauf die Tour ein weiteres Mal zu machen. Sie war wirklich gut in Szene gesetzt. Vielleicht zu gut, da besonders Gorok nach dem letzten Besuch mehr von dem Equipment zerstört hatte, als sich hier irgendjemand träumen ließ. Trotz allem wurden wir wieder herzlich von Maester Ravel empfangen. Es war bereits früher Abend und die Tour würde dann am nächsten Tag starten. Dies hielt das Potential noch mit Beatrix zu sprechen. Astreth und Fin waren jedoch so angetan vom angepriesenen Souvenirshop, dass sie noch zuvor dort Halt machten. Dass Fin sich davon hinreißen ließ verwunderte mich. Aber ich verstand die Neugier von Astreth. Es machte sie sympathisch. Sie war was manche Gebräuche anging mindestens so naiv wie ich und ebenso leicht zu begeistern.
Es freute mich ehrlich gesagt auch eine weitere weibliche Person in der Gruppe zu haben, mit der ich eventuell meine Gedanken teile konnte. Leeroy und Gorok gaben sich sicherlich Mühe, aber ihre Fähigkeit mit meinen Sorgen umzugehen war nicht immer so hilfreich, wie sie das annehmen mochten. Ich würde das bei Astreth erproben müssen.
Auf Umwegen schafften wir es dann Beatrix auf unser Zimmer zu bekommen. Es war stets schwierig sie während der Arbeit abzufangen und einen Grund zu finden sich kurz mit ihr privat zu unterhalten. Wir erläuterten ihr unseren Plan, welche Option wir aufgetan hatten. Sie ging zunächst davon aus, dass wir bereits das Buch gefunden hatten. Von so etwas wie magischen Wünschen hatte sie scheinbar noch nichts gehört. Ich war darüber auch ein wenig erleichtert. Es bestand ja stets die Chance, dass sie vielleicht mit Shadar Logoth zu tun hatte in der Vergangenheit. Das Gegenteil schien der Fall zu sein. Sie berichtete über einen Drachen namens Kreelgull mit einer eigenartigen grün bläulichen Färbung, der sich für ihre Verhältnisse höchst eigenartig verhielt. Wir eröffneten ihr, dass das Gebiet in dem er aktiv wäre inzwischen von Sycora besetzt sei. Auch nannten wir noch einige weitere Namen von aktiven Drachen. Sie brauchte zumindest einen Überblick über die Situation. So auch die Ambitionen von Shadar Logoth.
Fin preschte etwas heftig hervor, als er unser bereits gemachtes Versprechen an sie – ohne weitere Erwartungen – hinterfragte und ihre Mithilfe bei dem Unterfangen klarstellen wollte. Sie willigte ohne zu zögern ein, solange es ihrem Kind gut ginge. Ich versicherte ihr nochmal im Stillen, dass wir ihr so oder so helfen würden. Keinesfalls wollte ich sie verschreckt wissen sich zu Dingen zu verpflichten, nur weil wir ihr Kind als Druckmittel hätten. Soweit würde es definitiv nicht kommen. Wir machten aus, dass wir uns nach der morgigen Tour im Hort treffen würden. Ich machte aber auch klar, dass wir nicht sicher seien, ob es wirklich funktionieren würde. Aber was gab es bei einem Versuch schon zu verlieren …