Tagebuch: Harkis
Sitzung 11
Mein Schädel! Von wegen "tiefe Taschen"… das Drachenblut hatte offenbar nicht zahlen können und war von den Stadtwachen abgeholt worden. Soweit, so gut, sollten sie doch, ich weine ihr keine Träne nach. Aber aus unerfindlichen Gründen hielten die Wachen mich wohl für einen Komplizen und setzten mich ebenfalls außer Gefecht. Zumindest hatten sie noch genügend Verstand, mich festzusetzen.
Umso besser, dass die Gruppe sich für die Abreise bereit machte. Diese Stadt behagte mir gar nicht. Es wurde Zeit, wieder weiten Himmel über dem Kopf zu haben. Nachdem die letzten Vorbereitungen getroffen waren, holte uns ein fahrender Händler namens Bedwyr ab, der uns nach Scourgefaust bringen sollte. Sehr zu meinem Leidwesen hatte er einen ausgesprochen vorlauten Jungen, Parwick, bei sich, der mich die ganze Zeit mit Fragen nervte. Selbst ein zur Schau gestelltes stoisches Äußeres konnte ihn nicht davon abhalten.
Nach einigen Tagen gelangten wir an die Außenbezirke des Elfenwaldes Sylvanar. Wir waren zuvor von einer Gruppe fahrender Händler gewarnt worden, dass die Elfen den Weg bewachen würden und es nicht duldeten, dass jemand in ihren Wald eindrang. Zu unserem Glück schienen die Wachposten der Elfen zu schlafen: Ein leider erfolgloser Jagdversuch meinerseits wurde nicht bemerkt. Ralkarion schwor, er hätte Wachen bemerkt, was ihn aber nicht davon abhielt, sich zwischendurch in den Wald zu schlagen und Pferdespuren nachzugehen. Als er zurückkam, erzählte er uns etwas von einem Einhorn, dass er gesehen hätte. Na sicher. Vermutlich wollte er einfach nur nicht zugeben, dass er einem Gespenst nachgejagt war, ich hätte es nicht anders gemacht. Jedenfalls: Die Wachen der Elfen schienen zu schlafen.
Meine erste Elfin sah ich erst nachdem wir etwa halb durch den Wald waren und an einen Ort, den Bedwyr "Sanctuary" nannte. Mir erschien sie etwas suspekt - die Erzählungen, die ich gehört hatte, sprachen von wunderschönen Wesen, diese hier erschien etwas… holzig, es gab kein besseres Wort dafür. Mein ungutes Gefühl bestätigte sich nur, als sie mich bei der Begrüßung beinahe als Yuan-Ti enttarnt hätte. Dafür war es noch viel zu früh, ich wusste noch nicht, ob ich Ralkarion und Garret trauen konnte. Nach dieser Begegnung war mir die Lust auf eine Unterhaltung jedenfalls gründlich vergangen und ich zog mich auf mein Zimmer zurück. Als ich etwas später in die Schankstube zurückkam, um mein Abendessen einzunehmen, saß dort nur Ralkarion. Auf meine Frage, wo Garret sei, wurde sein Grinsen nur noch breiter und er erklärte mir, dass Garret mit der alten Elfe Sex hätte. Offenbar scheint der Reproduktionsakt eine Quelle großer Belustigung zu sein, denn auch als Garret zurück kam und von seinem Abend berichtete, hielt sich Ralkarions Grinsen. Ich versuchte mich an einer Imitation, aber das schien nicht den gewünschten Effekt zu haben. Gleichzeitig erzählte mir Ralkarion von etwas, das sich "Sarkasmus" nannte. Ein kompliziertes Konzept.
Am nächsten Tag setzten wir unsere Reise auf mein Drängen früh fort. Der Rest der Reise verlief ereignislos, bis wir aus dem Wald herauskamen und einige Tage später an den Außenbezirken Scourgefausts ankamen…
Sitzung 9
Mein erster Tag auf Reisen. Als ich heute aufwachte, war von meinem Mentor Jeddek keine Spur zu sehen. Vermutlich seine Art, mir zu sagen, dass ich mich auf den Weg machen sollte. Nun gut. Es ergäbe auch keinen Sinn, noch lange zu warten… der alte Mann war nützlich, aber mittlerweile kann ich ebenso gut in der Wüste überleben wie er. Es ist erstaunlich, was die Natur alles für dich tun kann, wenn man nur hinhört und hinsieht.
Ich schulterte meinen Rucksack, kramte meine Habseligkeiten zusammen und begab mich auf den Weg. Da ich ernsthaft bezweifelte, dass ich in Richtung Caer Aeslyn mit meiner Suche Erfolg haben würde, begab ich mich stattdessen in die Gegenrichtung nach Südosten.
Nach einer Weile sah ich in einiger Entfernung Ruinen auftauchen. Einer Eingebung folgend, hielt ich darauf zu. Schon aus einiger Entfernung roch ich den Gestank von Blut und verrottenden Körpern in der Sonne. Die Wüste schien weitere Opfer gefunden zu haben. Wer sie nicht respektiert, dem erweist sie keine Gnade.
Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Ein Geräusch, das sagte mir mein Instinkt, dass nahelegte, sich zu verstecken. Aus meinem Versteck sah ich, wie eine seltsam bleiche Elfe auf das Dutzend Leichen zuging - die sich daraufhin erhoben und mit ihr fortgingen! Welch ein widerwärtiger Affront! Doch allein war ich machtlos und konnte dem Treiben nur zusehen. Als ich sicher war, dass die Untoten fort waren, wollte ich meinen Weg fortsetzen, als ich erneut Geräusche hörte - diesmal von Stimmen. Vier Gestalten stiegen aus einem Loch und begannen sich lautstark zu streiten. Idioten! Sie würden die Untoten noch zurückbringen, bevor ich mich aus dem Staub machen konnte. Ich erhob mich und ging auf die Gruppe zu, die nicht besonders erfreut schienen, mich zu sehen und ihre Waffen auf mich richteten. Gut. Sie hatten ihre Umwelt offenbar nicht völlig vergessen. Und sie hatten aufgehört zu streiten. Vielleicht würden sie ja doch am Leben bleiben.
So wies ich sie auf die Untoten in der Nähe hin und setzte meinen Weg fort. Zu meinem großen Erstaunen folgten sie mir. Im ersten Moment hatte ich wenig Bedarf, mit einer Horde lärmender Trottel durch die Gegend zu ziehen, doch dann kam mir ein Gedanke: Ich würde auf meiner Reise häufig durch Städte müssen. Interaktion mit Menschen, Halblingen und so weiter gehörte nicht unbedingt zu meinen Stärken, wie ich als Kind erfahren musste. Vielleicht konnte mir diese Ansammlung dabei nützlich sein? Ich beschloss, sie erstmal bei mir zu behalten. Glücklicherweise wollten sie offenbar in dieselbe Richtung wie ich, in der eine Stadt namens "Zoica" liegen sollte. In den folgenden Tagen stellte ich fest, dass meine erste Einschätzung zumindest teilweise falsch gewesen war: Sie waren zumindest nicht komplett hilflos in der Wildnis und der Halbling, Garret, konnte wirklich hervorragend kochen.
Nach einigen Tagen erreichten wir Zoica. Auf dem Weg wurden wir von einer Stadtwache aufgehalten um eine "Steuer" von einem Silberling zu entrichten. Ein geringer Preis dafür, nicht schon wieder mit Waffengewalt aus einer Stadt gejagt zu werden und ich zahlte. Meine Begleiter zierten sich wesentlich mehr. Seltsam… so viel Lebenszeit mit dem Streiten um einen Silberling zu verschwenden.
In der Stadt angekommen, löste sich die Gruppe auf und ich entschied mich mit dem Tiefling zu gehen. Wie die Menschen von Zoica wohl auf einen Dämonischen reagieren würden? Jedoch schien der Anblick nichts Besonderes zu sein. Ralkarion, wie der Tiefling hieß, übergab lediglich einen Gegenstand und wurde bezahlt und wurde zu einem "Lafayette" geschickt, der sich wohl beim Marktplatz herumtreiben sollte. Garret hatte sich mittlerweile wieder hinzugesellt und auch das Drachenblut stieß just in dem Moment hinzu, in dem wir auf den besagten Lafayette trafen. Dieser nahm uns mit zu einer "Auktion", offenbar etwas völlig normales im Stadtleben, bei dem Gegenstände verkauft wurden. Nicht uninteressant und eine gute Gelegenheit, etwas über Umgangsformen zu lernen. Ich gebe zu, dass ich mich diesbezüglich bisher nicht mit Ruhm bekleckert hatte, aber zumindest versuchte diesmal niemand mich aufzuspießen. Beim Eintreten erhielten wir alle einen seltsamen Zettel. Da die anderen einen nahmen, tat ich es ihnen gleich. Gleich darauf sahen sie mich sehr seltsam an, als ich eine Auktionsnummer forderte. Man erklärte mir, dass ich mit dem Zettel schon eine hätte. Aha. So gab ich meine zweite Nummer einem kleinen Mädchen, dass offenbar keine hatte. Sie zu behalten erschien mir nicht länger sinnvoll.
Um es kurz zu machen: Auktionen sind nicht mein Fall. Viele Menschen, der Gestank, die Lautstärke… gut, dass sie nicht allzu lang dauerte. Einzig interessant war, dass das Drachenblut offenbar erstaunlich tiefe Taschen hat und wirklich viel Geld für augenscheinlich völlig nutzlose Gegenstände ausgab. Der wesentlich spannendere Teil kam aber danach, als dieser Lafayette uns eine Karte übergab, die offenbar großen Wert besaß. Jedenfalls hatte er dafür 750 Gold ausgegeben. Ich merkte, dass meine Begleiter sich offenbar etwas anderes erhofft hatten. Ihr Pech. Im nächsten Moment horchte ich jedoch auf: Wir bekamen einen Auftrag angeboten, der uns in weitere, entlegene Winkel führen würde: Einen Brief in Scourgefaust abliefern und einen Stab von einem Trollstamm südlich davon zu besorgen. Diese Gruppe kam offenbar herum… wie praktisch. Ich beschloss, fürs Erste bei ihnen zu bleiben.