Tagebuch: Ava
Sitzung 88
Das weitere Gespräch mit Lady Al’Chara war nur wenig hilfreich. Über die Verwendung Posetines für die Erschaffung der Nexi wusste sie ebenso wenig wie wir, noch wusste sie, inwiefern sie nun mit den Nexi in Verbindung stünde. Jedoch erzählte sie, dass ihre Verbindung zum Großen Roten eine mögliche Erklärung dafür sein könne, dass sie in letzter Zeit deutlich willensstärker geworden sei. Das ließ uns aufhorchen - wie viel vom Großen Roten steckte wohl in seiner – ich weiß nicht, ob man wirklich von Tochter sprechen konnte – in seinem Abkömmling? Ob sie eine Gefahr für uns darstellte? Doch auch darauf wusste Al’Chara keine eindeutige Antwort. Beunruhigend, ganz ohne Zweifel … direkt in Zoica befand sich eine potentielle geistige Nachfolgerin des Roten und wir wussten rein gar nichts über sie. Und wenn sie wirklich gewisse Züge von ihrem “Vater” geerbt haben sollte – nun, wie wir erfuhren, hatte der Große Rote sich nicht viel aus Abmachungen gemacht, nichtmal aus denen unter Drachen, die eine besondere Bedeutung zu haben schienen.
Bevor wir darüber informiert wurden, dass Posetine nicht im Traum daran dachte, sich zu uns gesellen (wirklich ärgerlich, dass Garret seine Autorität als Herrscher nicht mehr nutzte, es würde so vieles einfacher machen), kam das Gespräch noch kurz auf das Thema des Falls von Ak’Therion und Al’Charas Rolle darin. So wie sie es erzählte, war Cenereth verraten und getötet worden und sie selbst habe zwar viele der Hextor getötet und verbrannt, war aber letzten Endes unterlegen gewesen. Es war der Moment, in dem ich froh darüber war, dass Garret damals den Pakt eingegangen war, offenbar hatten die Hextor, oder zumindest Mundo Erfahrung darin, gegen Drachen zu kämpfen – das war hilfreich. Nicht, dass ich den Hextor deswegen mehr traute …
Interessanterweise schien der Rote kein Interesse daran zu haben, Al’Chara und Yonci zu töten, nachdem er ihre Gatten erledigt hatte und bot ihnen Frieden an. Einmal abgesehen, dass dieser “Frieden” dazu geführt hatte, dass beide im Kerker eingesperrt wurden – warum hatte er sich Al’Chara nicht einfach entledigt? Es musste ihm klar sein, dass sie früher oder später gegen ihn arbeiten würde und potentiell ein Risiko darstellte. Allein schon ihre Fähigkeit, das Buch für uns zu übersetzen, bewies das. Nachlässigkeit schien eigentlich nicht zu den Eigenschaften des Roten zu gehören. Yonci hatte er für seine Zwecke eingesetzt. Hieß das, dass auch Al’Chara noch eine Rolle in seinen Plänen spielte? Und wenn ja, welche? Es war zum verrückt werden mit diesen verfluchten Drachen, jede Antwort führte nur weiter in den Kaninchenbau.
Aber vorerst würden die weiteren Überlegungen warten müssen, vielleicht würde das Gespräch mit Posetine weiterhelfen. Al’Chara machte deutlich, dass sie es für besser hielte, wenn wir ihr die Wahrheit über ihre Herkunft erzählten. Sie würde es ohnehin herausfinden und wenn wir sie anlögen, würde uns das potentiell schaden. Eine durchaus vernünftige Argumentation, doch wir hatten leichte Vorbehalte. Was wäre, wenn sie sich daraufhin dem Großen Roten anschließen würde? Welche Option hätten wir, sie davon abzuhalten? Al’Chara würde offensichtlich keine Hilfe sein, sie hielt sich trotz allem sklavisch an den dämlichen Ehrenkodex unter Drachen. Letzten Endes kamen wir dennoch zähneknirschend zum Entschluss ihrem Rat zu folgen.
Zu meiner Überraschung – und wenn ich es richtig las, auch der der anderen – befand sie sich demletzt wohl des öfteren mit Slate im Kerker und wäre auch jetzt gerade da. Ich hätte es bevorzugt, sie zu uns zu holen, um die Machtverhältnisse klarzustellen, doch die anderen kannten sie besser und waren wohl der Ansicht, dass das aussichtslos wäre und wir genauso gut dorthin gehen konnten. Nun ja. Auf dem Weg nach unten erwartete uns handfeste, unangenehme Überraschung: Die Schatzkammer von Zoica, bei unserer Abreise gut gefüllt, war leer! Mein Kopf spielte die Möglichkeiten durch. Gestohlen? Unmöglich, das wäre uns gesagt werden, so etwas wäre aufgefallen. Pleite? Nein, Gereon hatte eindeutig gesagt, dass die Steuereinnahmen sprudelten. Verlegt? Vermutlich, aber wohin und warum? Die Kammer war gut gesichert gewesen, nicht nur durch die Tür, sondern auch die Scharade im Vorraum. Die Antwort erwartete uns später, doch der Reihe nach.
Zunächst einmal gingen wir an den Gefangenen vorbei nach unten. Die Wache wollte uns zunächst nicht durchlassen, selbst als wir auf Garret zeigten und sagten, wir seien auf sein Geheiß hier unten – der Befehl einer Königin wiege schwerer als der eines Herrschers. Königin? Mir schwante übles, versuchte Posetine, die Macht hier in einer zweiten, stillen Revolution zu übernehmen? Und wenn ja, war es auf Grund von Al’Charas idiotischen Lehren der grundsätzlichen Überlegenheit der Drachen in allen Dingen und Geburtsrecht, oder der machthungrige Teil ihres Vaters? Es wurde wirklich Zeit, die Verhältnisse hier zu klären, bevor Zoica an jemanden fiel, über dessen Herkunft und Persönlichkeit wir uns nicht im Klaren sein konnten und am Ende vielleicht sogar dem Großen Roten mit Zoica unsere Basis – Heimat? – in die Hände legen würden. Als wir um die Ecke bogen, verriet Rals und Garrets Reaktion, dass hier etwas passiert war. Es gab keine Zellen mehr, stattdessen war der Gang massiv erweitert worden. Weiter hinten hörten wir Arbeitsgeräusche, also gingen wir weiter. Wir betraten eine ausgesprochen gewaltige Halle, in der Posetine stand und Slate Anweisungen gab, die dieser bearbeitete. So beeindruckend die Halle war, so sehr machte sie mich wütend. Zum einen lag das daran, dass Posetine Slate zu selbstsüchtigen Zwecken missbrauchte, obwohl er wichtigeres zu tun hatte. Beispielsweise Gerüste für Verteidigungsanlagen bauen, damit die Arbeiten nach Eintreffen der Lieferung zügig beginnen konnten. Zum anderen hatten wir hier die Antwort, wo Zoicas Steuereinnahmen hingekommen waren ... hierhin. Diese verfluchte Posetine hatte alles hierher geschafft. Nein, vermutlich eher schaffen lassen und weitere Leute von wichtigeren Aufgaben für ihre persönlichen Zwecke abgezogen.
Ich hatte die Schnauze voll von Drachen und ihrer selbstsüchtigen Art. Es wurde Zeit, dem jungen Schuppenvieh vor uns einmal den Kopf gerade zu rücken. Ihre Reaktion würde potentiell auch etwas über ihre Absichten verraten. Und so hielt ich mich nicht zurück – sehr befreiend nach dem eher diplomatischen Ton gegenüber Al’Chara. Allerdings teilten meine Gefährten meine Einschätzung der Lage wohl nicht, Ralkarion murmelte mir zu, ich solle sie lieber nicht verärgern, Krathus hatte nur Augen für das Gold und Garret … nun, dazu später. Posetine versicherte jedenfalls, sie habe nur das Beste für die Menschen in Zoica im Sinn und das Gold sei ja hier viel sicherer als vorher. Zum zweiten Punkt konnte ich ihre Einschätzung nicht teilen, es sei denn, sie beabsichtigte, den Rest ihres Lebens hier in der Höhle beim Gold zu hocken. In dem Fall hätte sie sogar Recht, doch ich bezweifelte es. Was das erste anging, glaubte ich kein Wort. Schöne Worte, doch alles, was sie in den vergangenen drei Wochen getan hatte, war sich zur Königin zu krönen und sich selbst eine Höhle zu bauen. Nebenbei gesagt finde ich es merkwürdig, dass Drachen, also fliegende Kreaturen, einen Hang dazu zu haben schienen, ihre Höhle unter der Erde oder Bergen zu bauen. Aber der Reihe nach. Wie gesagt, ihre Worte waren aus meiner Sicht wenig dazu geeignet, mein Misstrauen ihr gegenüber zu zähmen, eher im Gegenteil. Daher half es wenig, dass sie mit der Wahrheit über ihren Vater konfrontiert beteuerte, dass sie nicht vorhabe, sich ihm anzuschließen. Sie war schwer zu lesen. Selbst wenn sie nicht log, zeugte ihr bisheriges Verhalten aus meiner Sicht von grandioser Inkompetenz als Anführerin einer Stadt und einer Selbstsucht, die sich jemand in dieser Position nicht erlauben durfte, wenn ihre Herrschaft andauern sollte. Irgendwann käme der nächste Garret und stieße sie vom Thron, wie ich sie warnte.
Apropos Garret: Dieser hingegen schien dermaßen davon besessen zu sein, seine Verantwortung als Herrscher abzugeben, dass er unmissverständlich klarmachte, dass er Posetines Regentschaft als Königin anerkannte ... War der verrückt geworden? Nicht nur, dass wir sie noch überhaupt nicht einschätzen konnten, wir verloren auch Zugang zu all den Ressourcen, die wir gehabt hätten, was unsere Mission deutlich erschweren dürfte. Einmal ganz davon zu schweigen, dass es damit auch deutlich schwieriger werden dürfte, Allianzen zu schmieden. Wir würden kaum darauf setzen können, dass andere Kräfte sich mit Zoica verbündeten, nur weil wir ihnen irgendwelche Gefallen taten, wo wir nicht einmal das Sagen dort hatten. Und offiziell verhandeln konnten wir nun gar nicht mehr, solange uns die “Königin” nicht ihren Auftrag erteilte – und ich hatte wenig Lust darauf, nach ihrer Pfeife zu tanzen, sie schien kaum die dafür nötige Weitsicht zu haben, ihr gesamtes Verhalten zeigte das. Doch nun war das Kind wohl in den Brunnen gefallen, zumindest vorerst.
Eine weitere, äußerst interessante wie Besorgnis erregende Entwicklung gab es darüber hinaus. Als Krathus Posetine das Banner zeigte, schien sie auf eine gewisse Weise damit zu reagieren. Wie Ralkarion später erzählte, gab es einen Energieaustausch zwischen dem Banner und Posetine, offenbar eine versteckte Funktion des Banners. Was mich darüber hinaus beunruhigte war, dass sich bei diesem Energieaustausch über Posetines Kopf eine Krone bildete. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Die Energie des Divine Nexus erzeugte eine Krone über Shadars “Tochter” … sollte das ein Omen sein, dann gute Nacht, das verhieß nichts Gutes. Posetine schien davon nichts mitzubekommen und fragte mehrfach danach, das Banner wieder zu entfalten, was Krathus in seiner Naivität natürlich tat. Ich fragte mich, ob Posetine wirklich nichts bemerkte und auch in diesem Punkt schlicht inkompetent war oder ob sie log. Zum einen erschien es mir kaum möglich, mit etwas so mächtigem wie Nexusmagie zu interagieren und nichts davon zu merken, andererseits hatte sie auch nicht gemerkt, dass sie benutzt wurde, um die Nexi zu erschaffen. Oder vielleicht doch? Wen hatte Garret da nur zur Königin gemacht …
Auf dem Weg zurück sprach ich Garret scharf darauf an und sagte ihm, dass ich sein Handeln für einen massiven Fehler hielt. Damit hatte ich offenbar einen Nerv getroffen. Garret explodierte und warf mir vor, immer nur destruktiv alles zunichte zu kritisieren, aber selbst keine Vorschläge zu machen. Das war zwar so nicht richtig, meine Vorschläge waren lediglich abgelehnt worden, aber was er sagte, brachte mich dennoch zum Überlegen. Ich hatte in der Tat verstärkt Schwierigkeiten, andere einzuschätzen und wirkte laut Ral recht arrogant. Damit konnte ich leben, doch wenn mein Verhalten zu Rissen in der Gruppe führte, dann war das ein Problem, um das ich mich kümmern musste. Doch nicht hier und jetzt. Fürs Erste äußerte ich nur vorsichtig, dass ich wirklich hoffte, dass Garrets Einschätzung von Posetines Regierungsfähigkeit richtig war – das tat ich tatsächlich, wenngleich ich große Zweifel daran hatte. Scheinbar schien meine neue Freiheit Kosten zu haben, die ich bisher noch nicht in Betracht gezogen hatte …
Wir verließen den Compound, um bei den Rachwoodlern nach dem rechten zu sehen, doch diese waren fast vollständig ausgezogen, um die Stadt unsicher zu machen. Ein amüsanter Gedanke, der mich auf die Idee brachte, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, als Gruppe den Abend in einer Taverne zu verbringen. Es gäbe einiges zu besprechen. Der Vorschlag wurde angenommen, allerdings wollte Krathus noch auf Vorschlag seiner Mutter … ähem … Eier besorgen und Ralkarion derselben in der Zwischenzeit einen Teil der Stadt zeigen. Daher machten zunächst nur Garret und ich uns auf den Weg. Schweigend. Er hatte vermutlich wenig Lust, mit mir zu sprechen und ich war bereit, ihm das zu lassen. Hoffentlich hätte er später dadurch wieder einen klaren Kopf. Einige Zeit später, nachdem wir im Lurker’s eingetroffen waren, dass auch von einigen Rachwoodlern besucht war, tauchte Krathus in Begleitung eines anderen Garret auf, der sich kurz darauf in Ralkarion verwandelte. Ich ahnte schon, wer da vor uns stand und als er anfing zu sprechen, bestand kein Zweifel mehr daran, dass es Angstrum war, der Krathus gründlich an der Nase herumgeführt hatte – ein Gefühl, das den Kobold gleich nochmal ereilte, als er auf den Besen in der Ecke hereinfiel.
Sehr zu Angstrums Ärger klärten wir Krathus über dessen Funktion und Fähigkeiten auf und obwohl ungeladen, kam seine Anwesenheit nicht ungelegen. Nachdem Ral eingetroffen war, wir ein wenig Geplänkel hinter uns gebracht hatten und jeder reihum den wie ein Wasserfall plappernden Angstrum angewiesen hatte, die Klappe zu halten, kam das Gespräch auf den Nexus in Azoicstrum. Wir sprachen kurz darüber, Angstrum zeigte uns sein Armband, dass er sich gebaut hatte, um denselben fernzusteuern, doch bevor wir in die Tiefe gingen, zogen wir uns auf ein Zimmer nach oben zurück. Wer konnte schon wissen, wer unten zuhörte? Die erste beunruhigende Nachricht war, dass ein Trupp Koboldpaladine bei Azoicstrum eingetroffen war. Zwar waren sie von den Verteidigungsanlagen vaporisiert worden und den Involvierten die Erinnerung daran genommen worden, doch ich war trotzdem alarmiert. Sicher, der Tod der Kobolde mochte, wie Ralkarion vermutete, keinerlei Fragen nach sich ziehen, da Kobolde ständig starben. Andererseits: Was, wenn nicht? Was wenn nachgeforscht wurde? Dann wäre der Große Rote dicht davor, den vierten Nexus zu entdecken, das durfte nicht passieren. Zumal laut Krathus die Kobolde des Paladincorps auf Pilgerfahrt gingen und eine Art Eliteeinheit darstellten. Aus Ravengrove wusste ich, dass Eliteeinheiten normalerweise nicht einfach aufgegeben wurden – was wäre wohl gewesen, wenn Arina zu so einer Einheit gehört hätte? Aber egal, darum sollte es jetzt nicht gehen, also schob ich den Gedanken beiseite.
Als Antwort auf dieses Problem kamen Ralkarion und ich recht schnell auf denselben Gedanken: Wir mussten eine Ablenkung schaffen und es so aussehen lassen, als wäre der Nexus ganz woanders. Angstrum konnte Kugeln mit Nexusmagie erschaffen. Könnte man diese an anderer Stelle platzieren? Ich schlug den Norden vor, da es aus meiner Sicht logisch erschien, was die Position anging, doch Ralkarion hatte eine bessere Idee. Er hatte vorkurzem Bekanntschaft mit einer unangenehmen Wasserhexe gemacht. Sorgten wir nun dafür, dass dort nach dem Nexus gesucht wurde, bot dies zum einen eine plausible Erklärung, warum der Nexus bisher nicht gefunden wurde, zum anderen würden eine Menge Kobolde im Dienste das Großen Roten dabei sterben, sich mit der Hexe auseinanderzusetzen. Eine klassische Win-Win-Situation, insbesondere als Angstrum uns darauf hinwies, dass wir nicht einmal persönlich dorthin müssten... er könnte den Nexus einfach benutzen, um dort eine entsprechende Projektion zu erzeugen. Was wiederum hieß, dass die Hexe nichtmal eine Chance hätte, eine Kugel mit Nexusenergie in die Finger zu bekommen. Der Plan gefiel mir gut. Ich schlug noch vor, dass wir die getöteten Kobolde mit gelöschter Erinnerung per Wunsch dort wiederbeleben sollten, um auch dieses potentielle lose Ende loszuwerden, doch die Magie dieses Nexus gab das nicht her. Mir blieb also nur das Hoffen und Vertrauen auf den neugeborenen Plan.
Mein aufkeimender Optimismus wurde im Keim erstickt, als Ralkarion Angstrum darum bat, die ihm verbliebene Nexusenergie zu nutzen, um Melodys illusorisches Äußeres wiederherzustellen. Da Angstrum sich offenbar Hals über Kopf in sie verliebt hatte, kam er dieser Aufforderung nur zu gerne nach, sehr zu meinem Ärger. Wir wussten zu wenig über Nexusmagie, aber wussten, dass die Kobolde danach suchten. Krathus hatte Angstrum orten können, weil ihm Nexusmagie anhaftete, die er nicht nutzte. Wer sagte, dass der Einsatz von Nexusenergie – also etwas, was in den Augen des Großen Roten und seiner Untergebenen nur diejenigen tun konnte, die über den vierten Nexus verfügten – nicht wie ein Leuchtfeuer von weiter her ortbar war? Es war wohl kaum ein Zufall, dass die Kobolde nach Jahren der Suche genau dann nach Azoicstrum kamen, nachdem dort der Nexus aktiviert worden war. Für die Eitelkeit eines einzelnen gekränkten Wesens die Entdeckung des Nexus aufs Spiel zu setzen schien mir weder klug noch weise. Ich hätte es bevorzugt, sie hätte gelernt, damit zu leben. Ich konnte es mir nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, doch hielt mich dann zurück – für solcherlei Diskussionen musste offenbar erstmal ein Rahmen abgesteckt werden, über den wir bisher nicht gesprochen hatten. Ich hatte vor, das zu ändern. Die Streitigkeiten in der Gruppe, an denen auch ich nicht unschuldig war, schwächten uns unnötig …
Sitzung 87
Wie sich herausstellte, erstaunlich wenig. Der Beholder besaß trotz allem genug Grips, sich außer Sicht zu halten und so luden die Hextor schlicht den Wagen ab und machten sich dann auf den Fußweg zurück. Praktisch. Kurz darauf erwies sich der Beholder erneut als hilfreicher als gedacht, als er darauf hinwies, dass es auch im wesentlich näheren Oclusar einen Teleportationszirkel gab. Oclusar … was es wohl in dieser Welt beherbergen mochte? Sicher, es war eine Ruine von einer Stadt, doch letzten Ende bedeutete das nur, dass es dort etwas gab oder gegeben hatte, dass für die Beholder unter dem Befehl des Großen Roten dort etwas gab, was eine Zerstörung notwendig machte.
Nachdem der Beholder - nachdem Qwe - deutlich machte, dass es für ihn kein Problem darstellen sollte, den Turm zu stabilisieren, so dass wir gefahrlos zum Teleportationszirkel gelangen würden, stand das nächste Reiseziel fest und ich begab mich zur Ruhe. Als ich mich aus der Trance holte, sah ich, dass Garret und Krathus etwas entfernt schlummerten und ziemlich angeschlagen aussahen - was hatte die beiden jetzt schon wieder angestellt? Doch für Nachforschungen fehlte die Zeit, ich hatte wichtigeres zu tun, ich hatte meine Übungen viel zu lange vernachlässigt und da gab es noch etwas, was ich ausprobieren wollte …
Nach einem unnötig ausgedehnten Frühstück, dass den anderen aber immerhin gut zu tun schien, brachen wir auf. Auf dem Weg dorthin gab es noch eine im Nachhinein sehr amüsante Episode, als Krathus in seiner Lauffaulheit versuchte, den Wagen zu lenken, dabei aber ein grandioses Unvermögen zur Schau stellte. Razora zuckte nur mit den Achseln und sagte, dass Kinder halt ihre Fehler machen mussten (wie wahr … ich hatte sehr viele Fehler gemacht), aber ich fürchtete um Wagen und Essensvorräte. Um seine Schnelligkeit wissend wies ich Garret an, hinterherzulaufen und das zu regeln, was dazu führte, dass der Halbling mitten im Sprung hart vom Wagen gebremst wurde, als Krathus die Pferde dann doch unter Kontrolle bekam. Nachdem ich feststellte, dass der Wagen wohl keinen Schaden davongetragen hatte, konnte ich mir ein Grinsen ob der Komik nicht verkneifen.
Die weitere Reise verlief unspektakulär und so erreichten wir am nächsten Tag Oclusar. Die Stadt hatte in dieser Realität nichts mit der Pracht ihres Gegenstücks zu tun, es war tatsächlich nichts als eine Ruine - doch eine voller Überraschungen. Wir hatten noch ein wenig Zeit bis zum verabredeten Teleportationstermin um die Mittagszeit, so dass wir uns entschlossen, die Stadt etwas zu erforschen. Qwe hatte quasi über Nacht beschlossen, seine gestrige Nützlichkeit nicht zu wiederholen und wusste nun nichts mehr über das warum und genaue wann des Angriffs, doch so lange konnte es nicht her sein - der Beholder war erst 3 und er war beim Angriff dabei gewesen. Auf unserem Streifzug durch die Stadt erwartete uns gleich zu Beginn eine handfeste Überraschung: Ein auf den ersten Blick unspektakulärer Geröllhaufen entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als das Gesicht von Tanaos Ayumu. Hieß das, er hatte bei dem ganzen hier seine Finger im Spiel gehabt? Die Prophezeiung bewies, dass er einiges an Weitsicht besaß … wenn er noch am Leben war, sollten wir ihm dringend einmal einen Besuch abstatten. Ral nahm das Ganze mal wieder zum Anlass, sich über sein Dasein als Spielball zu beschweren, aber wenn ihm das Gejammer dabei half, seinen Verstand zu behalten, sollte mir das recht sein.
Unterdessen bestärkte mich das Ganze nur darin, mehr darüber herausfinden zu wollen, was hier passiert war und das Gesicht erinnerte mich daran, dass wir noch immer diese Ringe hatten. Ich hatte nicht vor, die ganze Stadt aufzuwecken – zu viel Zeit, zu viele Mäuler zu stopfen, wenn man sich den Zustand der Stadt ansah, würden sie wohl kaum auf eigenen Beinen stehen können. Aber irgendwo musste es so etwas wie ein Rathaus geben und dort eventuell jemand versteinert sein, der mehr wissen würde. Tatsächlich erspähte ich es und wir machten uns auf den Weg dorthin. Dort angekommen, besah ich mir die Statuen, um Hinweise darauf zu entdecken, wer von den versteinerten eventuell mehr über die Stadt wissen könnte, dann traf ich meine Wahl. Der Erweckte schien jedoch mehr verschreckt als dankbar. Sicher verständlich, doch die Zeit drängte, ich hatte keine Zeit für die Beruhigungsspielchen, die Ral und die anderen spielen wollten. Unglücklicherweise handelte es sich bei dem Erweckten nur um den Assistenten des Bürgermeisters, der noch dazu vor seiner Versteinerung offenbar mit Taubheit geschlagen worden war. Er hätte nur gehört, dass die Arkanisten hier mit irgendwas rumexperimentierten, aber was, da habe er keine Ahnung. In einer solchen Stadt sollte es keinerlei Gerüchte gegeben haben, die dem Assistenten des Bürgermeisters zu Ohren gekommen waren? Unglaubwürdig, doch die anderen schienen ihm zu glauben und mit meiner Menschenkenntnis war es zugegeben nicht all zu weit her, das hatte ich in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, weswegen ich mich dem Eindruck der anderen beugte, aber misstrauisch blieb. Immerhin konnte er uns den Weg zum Labor weisen, insofern war seine Wiedererweckung nicht vollkommen verschwendet. Wir machten uns also auf den Weg dorthin und begannen mit der Untersuchung. Zuerst entdeckten wir nicht viel, bis wir einen Brief von einem gewissen Ethelbald entdeckten, ein Name, der Ral und Garret bekannt vorkam. Er schrieb davon, dass er Studenten aus Zoica ein paar gestohlene Bücher abgenommen hätte und da sich dort niemand daran erinnere, hätte er sie hierher geschickt. Zu viert wühlten wir uns durch die Trümmer und schließlich wurden Ral und ich tatsächlich fündig. Der Inhalt war hochinteressant - er enthielt zumindest Teile der Geschichte der Entstehung und Nutzung der Nexi, unter anderem sprach es von einem Ethereal Nexus in den Haze Peaks, der von einem Untergebenen des Großen Roten gefunden wurde und die Experimente damit löschten eine ganze Nation aus. Nachdem wir nun bereits mehrere Nexi erlebt hatten, fiel es mir nicht schwer, das zu glauben.
Leider gab es drüber hinaus nichts mehr zu entdecken und auch die Durchsuchung des Restes der Stadt förderte außer ein paar Goldmünzen nichts Wichtiges zu Tage. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass wir irgendetwas übersahen, doch die Zeit, zu der wir nach Zoica zurückkehren sollten rückte näher. Qwe hatte in der Zwischenzeit mit Trümmerteilen den Turm stabilisiert und eine provisorische Treppe gebaut. Garret, Ral und Krathus gingen zuerst durch, während ich zurückblieb um sicherzugehen, dass alle Rachwoodler und vor allem Qwe durchkamen.
In Zoica angekommen erwartete mich eine weitere amüsante Szene. Nein, zwei… die erste war ein angekokelter Garret. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, was geschehen war. Die zweite, wesentlich amüsantere Szene war das Aufeinandertreffen von Chrylax und Qwe. Qwe’s telekinetische Begrüßung und der Ausdruck milder Panik in Chrylax untotem Gesicht angesichts seines Unvermögens, einen Feuerball heraufzubeschwören, war unbezahlbar. Ich und Ral amüsierten uns königlich. Als wir nach oben kamen, unterhielt sich Krathus gerade mit Melody. Schon fast niedlich, bis Qwe nachkam und sein Auge auf Melody richtete - und plötzlich stand eine Harpyie vor uns. Interessanterweise hatte Melody selbst keine Ahnung davon, was sie wirklich war und war ob der Entdeckung gar nicht glücklich - ihr Vater hatte sie ihr ganzes Leben lang belogen. Nun, damit würde sie schon klarkommen, das wusste ich aus Erfahrung und immerhin kannte sie jetzt die Wahrheit. Melody verzog sich in ihr Nest - erst jetzt fiel mir auf, dass sie tatsächlich ein Nest gebaut hatte - und wir konnten weiter, doch Ral bestand darauf, sich erst um Melodys verletzte Gefühle zu kümmern. Da Chrylax uns nicht weiter als Gäste dulden wollte, warteten wir draußen, bis Ral zurückkam und sahen uns ein wenig um. Auf dem (ehemaligen) Marktplatz entstand gerade tatsächlich die Akademie - derzeit noch aus Holz, ein Umstand, der Chrylax dazu veranlasste, seine Schüler auf dem Dach zu unterrichten, wie Melody noch verraten hatte, bevor sie ob ihres Äußeren jede Rationalität verloren hatte.
Als Ral herauskam, hatte sich eine beachtliche Menge an Schaulustigen versammelt, die Rachwoodler waren nicht eben unauffällig. Als wir loszogen, ließen sie uns allerdings problemlos passieren. Wir gingen zunächst in Richtung des nun ehemaligen Compounds der Hextor – dort gab es genügend Platz für die Rachwoodler, um sie erst einmal unterzubringen. Dann wurde es Zeit, im Hauptsitz nach dem Rechten zu sehen. Bei dem Gedanken beschlich mich ein mulmiges Gefühl, wenn ich bedachte, wer dort alles im vergangenen Monat regiert hatte, doch zunächst wurde Krathus von dem Mädchen angesprochen, dass wir als Kleiner Drache kannten. Kleiner Drache und der Kobold … welch wunderbare Ironie. Nur zu gerne hätte ich mit Marco gesprochen und wies sie an, ihn zum Compound zu holen, doch leider hatte er sich die interessanten Infos bereits von den Rachwoodlern geholt – ärgerlich. Krathus war etwas verwundert ob unseres Umgangs mit dem kleinen Mädchen, daher klärten wir ihn auf, was es damit auf sich hatte.
Im Compound angekommen, bemerkten wir zuerst einmal, dass Boulder ihn fast vollständig wieder hergestellt hatte. Wenn seine Kumpane aus Cindercrest ähnlich schnell arbeiteten, könnte Zoica schon bald in altem Glanz erstrahlen … doch der Reihe nach. Zunächst empfing uns Gereon und linderte meine schlimmsten Befürchtungen … es schien nicht viel passiert zu sein, Steuereinnahmen waren gut, die befürchtete Katastrophe war nicht eingetreten. Und so wanden wir uns dem nächsten Menüpunkt zu: Ein dringend notwendiges Gespräch mit Al’Chara über die Geschehnisse rund um Ark’Therion, ihren Spross Lia und praktisch alles andere. Gegen Abend würde also ein Arbeitsessen stattfinden. Das gab mir noch Zeit, meine unbequeme Rüstung von diesem Stümper aus Plateau in der Garnison abzugeben und hoffentlich in eine passende zu wandeln.
Dann wurde es Zeit, sich auf das Essen vorzubereiten. Wir wollten etwas von Al’Chara wissen. Ihr bisheriges Verhalten ließ darauf schließen, dass sie gerne hofiert wurde, war sie doch das Herrschen gewohnt. Zeit also, ein wenig von den Tischmanieren an den Tag zu legen, dass mir Mutter versucht hatte beizubringen. Widerwillig wusch ich mir meine Bemalung aus dem Gesicht und suchte das Abendkleid aus meinem Gepäck heraus. Definitiv nicht meine bevorzugte Kleidung, aber ich hatte die Hoffnung, dass es die alte Drachin milde stimmen würde und sie etwas kooperativer machen würde.
Nun, das klappte nicht ganz, denn was ich nicht wusste war, dass das Buch offenbar auf mich abgefärbt hatte –- ich “stank” nach Blutmagie. Eine durchaus interessante Entdeckung, der ich bei Gelegenheit nachgehen würde, doch aktuell eher ein Hindernis. Wir erzählten ihr also von dem Buch – sie schien überrascht, dass wir es an uns hatten bringen können. Nichtsdestotrotz bot sie an, das Buch zu übersetzen, damit wir es dann loswerden könnten. Auch wenn ich Rals Einschätzung teilte, dass das ein Fehler wäre, verdrehte ich innerlich die Augen, als er seine Ablehnung lautstark verkündete. Das musste Al’Chara doch nicht wissen, aber gut - ich stand auf und holte das Buch. Das Fossil hielt Wort und übersetzte das Buch für uns - und was daran stand, war in der Tat hochgradig interessant. Zunächst einmal enthielt es dieselbe Geschichte, die wir auch im Buch in Oclusar gefunden hatten, was die Frage aufwarf, wie Ethelbald daran gekommen war und wer diese Studenten waren, die das Buch gestohlen hatten. Noch interessanter war, dass es auch die Geschichten der anderen beiden Nexi enthielt und so viel mehr. Offenbar war das Blut der goldenen Drachenfamilie Dacra der Schlüssel zur Erschaffung weiterer Nexi. Nachdem der große Rote Arcalis getötet hatte, blieb ihm dafür nur dessen Frau Yonzi, die aber kurz vor dem Sterben war. Offenbar hatte der Rote sie daraufhin mittels Blutmagie am Leben gehalten und ihren Abkömmling Posetine erschaffen, die unwissenderweise dazu genutzt wurde, die weiteren Nexi zu erschaffen. Damit hatten wir zumindest einen Weg, zu verhindern, dass weitere Nexi geschaffen wurden. Zwar gab es derzeit keinen Anhaltspunkt, dass das geplant war und die vier Nexi würden wohl zur “Ascendance” genügen, aber als Backupplan durchaus brauchbar. Es drängte sich außerdem die Frage auf, was wohl mit den anderen Nexi geschehen würde, wenn Posetine starb … darüber sollten wir uns bei Gelegenheit informieren. Darüber hinaus drängten sich noch unendlich mehr Fragen auf - beispielsweise hatte Loganar offenbar die Nacht, durch verschiedene Realitäten zu wandern und Leute von einer zur anderen zu versetzen. Über welche Macht verfügte Shadar, wenn selbst ein solch mächtiges Wesen seine Befehle verfolgte? Warum waren die Nexi alle im Süden, Osten oder Südosten von Logothil lokalisiert? Und so vieles mehr, was es zu klären galt.
Mit der neuen Information wollte Ral dennoch in Richtung Ethereal Nexus aufbrechen oder die andere Gruppe in die Richtung schicken, doch ich war skeptisch – unsere bisherigen Begegnungen mit den Nexi waren nicht unbedingt von der Art gewesen, die mich ermutigten, ohne mehr Wissen und/oder mehr Macht einen weiteren aufzusuchen. Selbst Garret stimmte zu und brachte ein, dass dieser Nexus als der originale vermutlich sogar besonders gut geschützt sein dürfte. Einen Moment lang dachte ich, dass Ral dann offenbar sogar seine im Weg stehende Suche nach seiner Schwester hinten angestellt hatte, doch als ich ihn darauf ansprach, wurde ich eines besseren belehrt. Innerlich seufzte ich. Wir brauchten Ral, wenn wir auch nur eine Chance haben wollten, irgendwann Kontrolle über die Nexi zu erlangen. Wir würden uns wohl darum kümmern müssen, ein abgelenkter Ralkarion war ein höheres Risiko, als ich bereit war einzugehen.
Sitzung 86
Der Rest des Abends wurde Logistikfragen gewidmet - so viele Mäuler zu stopfen schien in dieser Einöde nur schwer möglich. Mit ein wenig Kreativität entwickelten wir einen Plan, der uns zumindest bis zum ersten Grün bringen sollte. Kurz nachdem wir uns dann also zur Ruhe begeben hatten, wurden wir wieder gestört. Ich nahm eine Bewegung wahr und als ich die Augen öffnete, war hinter Krathus ein rotgeschuppter Beholder erschienen. Instinktiv ließ ich meinen Bogen erscheinen und warnte Krathus ob der potentiellen Gefahr, doch der Beholder war offenbar wegen Garret hier. Er wollte den Herrscher von Zoica zum Duell fordern. Während Krathus Garret weckte, weckte ich Ralkarion.
Der Beholder, der sich als Qwe vorstellte und wohl der Telekinist war, den Ocanar uns sandte, forderte Garret tatsächlich zum Duell über die Herrschaft Zoicas. Ein Duell, dass Garret zwangsläufig verlieren musste - alleine war er ihm nicht gewachsen, soviel war klar. Daher warf ich ein, dass ein guter Herrscher auch andere befehligen müsse und es daher sinnvoll wäre, wenn jemand an ihrer Seite kämpfen würde. Zu meiner Erleichterung stimmte Qwe zu und suchte sich Ralkarion aus - ihm traute ich am ehesten zu, die Rolle des unterstützenden Untergebenen zu spielen, ohne uns wirklich zu schaden. Garrets Wahl - zu der ich ihn zwingen musste, doch welcher Herrscher ließ schon Untergebene für sich entscheiden? - fiel auf mich. Zu unserem Glück wollte der Beholder in seiner für seine Art wohl typischen Selbstüberschätzung auch, dass Krathus an unserer Seite kämpfte.
Während Ralkarion mit Qwe verschwand, gingen wir auf die andere Seite des Feldes. Wir besprachen kurz einen Schlachtplan, doch genauso gut hätte ich den Steinen von der Parallelwelt erzählen können - als das Duell startete, hatte zwar Krathus den Verstand, sich langsam anzupirschen statt vorzupreschen, dasselbe konnte man von Garret allerdings nicht behaupten. Fluchend rannte ich ihm nach - es wäre besser gewesen, Qwe zu uns kommen zu lassen und die Bedingungen zu diktieren, doch diese Möglichkeit war uns nun genommen. Unglücklicherweise war Garret der zentrale Charakter in diesem Kampf, sein Sieg und Schutz musste unsere oberste Priorität sein. Ein heftiger Kampf entbrannte, in dessen Zuge Krathus zu Boden ging und ich eine interessante neue Fähigkeit, das Heraufbeschwören schützender Dunkelheit, entdeckte. Letzten Endes waren wir jedoch siegreich. Ralkarion spielte seine Rolle zwar nicht perfekt, aber gut genug. Ich bildete es mir möglicherweise nur ein, aber ich hätte schwören können, ein leichtes Grinsen auf seinem Gesicht zu sehen, als er Garret mit einem Zauber traf.
Besiegt stellte Qwe seine Kräfte in den Dienst der neuen Akademie in Zoica, was unter der Bedingung akzeptiert wurde, dass er jeden, der nicht zu unseren Feinden gehörte, in Ruhe ließ, sofern wir es nicht anders befahlen. Dann konnten wir endlich schlafen, natürlich nicht bevor der Beholder uns seine “Hilfsbereitschaft” bewies und Ral auf magische Weise einfach einschlafen lies.
Am nächsten Morgen weckte er uns. Wir besprachen das weitere Vorgehen und beschlossen, dass er bei uns bleiben sollte. Dann verschwand der Beholder, doch mit einem Kommentar, der uns stutzen ließ - die „Hexe” würde ihn schon die ganze Zeit ärgern. Zunächst dachte ich, er würde mich meinen und begann zu analysieren, womit ich ihn genau verärgert hatte, doch Garret und Ral machten mich darauf aufmerksam, dass er wohl jemand anderen meinte. Nach einem Zauber von Garret erschien tatsächlich eine etwas merkwürdig aussehende Menschenfrau neben uns. Misstrauisch beäugte ich sie, doch es schien keine unmittelbare Gefahr von ihr auszugehen. Sie stellte sich als Hoshana, eine Druidin des Zirkels des Kataklysmus vor, was Ralkarion sofort einiges an Misstrauen abnötigte. Nicht, dass ich ihn nicht verstand, mehr noch, ich unterstützte diese Haltung - doch es nutzte nichts, Hilfe nur aufgrund einer diffusen Abneigung abzulehnen. Und Hilfe bot sie uns an: Es sei ihre Aufgabe, uns ins Camp der auf uns zu marschierenden Hextorarmee zu bringen, doch aus welchem Grund sie das wollte, wollte oder konnte sie uns nicht sagen. Nur ein weiterer blinder Befehlsempfänger - ich fühlte mich an Layara aus der Parallelwelt erinnert. Garret bestätigte, dass sie in ihren Absichten ehrlich zu sein schien, somit stand für mich der weitere Weg fest. Die Hextor waren Verbündete, zumindest im Moment, und eine Armee konnte unser Logistikproblem lösen - der Beholder fraß genug für 5 Leute und stellte uns damit vor Herausforderungen. Hoshana konnte diesbezüglich zwar Abhilfe schaffen, doch ließ nicht erkennen, ob sie mit uns reisen würde oder nicht, wir brauchten eine sichere Lösung. Somit stimmte ich, trotz meines Misstrauens gegenüber den Langzeitzielen der Druiden, der Hilfe Hoshanas zu.
Ralkarion hingegen war gänzlich anderer Ansicht und wollte die Armee lieber umgehen, wenngleich ich ihn darauf aufmerksam machte, dass dies mit einer so großen Gruppe mitten in einem Ödland wie diesem wohl nur schwer möglich sein dürfte, doch er war nicht davon abzubringen. Er schien wütend und frustriert ob seiner Überzeugung, dass wir nur ein Spielball im Spiel größerer Mächte waren. Innerlich schüttelte ich den Kopf. Natürlich hatte er Recht, übersah aber in all seiner zweifellosen Klugheit einen entscheidenden Faktor: Ein Spielball, der Entscheidungen über seine Richtungen treffen konnte, war in der Lage, die Spieler zu bevorzugen oder zu benachteiligen und damit das Spiel auf eine Weise zu beeinflussen, die ihm passte. Natürlich gab es Grenzen für diesen Einfluss, aber ein Spielball zu sein, bedeutete nicht die Machtlosigkeit, die er damit verband.
Statt dies zu sagen - es hätte nur zu einer weiteren, sinnlosen Auseinandersetzung geführt - wies ich ihn noch darauf hin, dass wir so die Chance hätten, die Hextor aufzuhalten und so den Kampf und das damit verbundene Aufladen des Nexus zu verhindern. Ein Argument, dass durchzudringen schien, doch zunächst weigerte er sich weiterhin. Garret und Krathus waren ebenfalls auf verschiedenen Seiten der Diskussion, so dass wir eine Pattsituation erlebten. Ich ging meine Optionen durch. Schlicht hierbleiben war keine Option, wir brauchten eine Entscheidung. Bei allen Überlegungen hatte ich wenig Erfahrung mit den Hextor, Garret und Ral hatten schon öfter mit ihnen zu tun gehabt. Ich vertraute Rals Urteil mehr als Garret. Also sagte ich Ral, dass ich einverstanden wäre, es auf seinem Weg zu probieren, was ihn nur noch mehr zu verwirren schien. Ironischerweise stimmte er dann wenig später zu, dem Anführer der Armee der Hextor einen Besuch abzustatten, wie ich es ursprünglich vorgeschlagen hatte.
Um größere Probleme zu vermeiden, schickten wir den Beholder davon und beschlossen, voraus zu gehen. Gegen Abend erreichten wir das Camp und tatsächlich hielt die Druidin Wort - mittels eines Zaubers, der uns auf eine Ebene schickte, die der von Gudden beschriebenen sehr ähnlich sah, drangen wir unmittelbar in das Zelt des Anführers vor - tatsächlich niemand anderes als Mundo persönlich. Ich hätte ihn gern noch etwas aus der Sicherheit der anderen Ebene beobachtet, doch Hoshana trennte die Verbindung zwischen uns und wir erschienen im Zelt. Der Hohe Kreuzritter reagierte verständlicherweise verblüfft und wollte schon nach seinen Waffen greifen, doch es gelang uns, die Situation zu entschärfen. Während des folgenden Gesprächs verlangte er von uns, in eine von ihm geschaffenen Wahrheitszone zu treten. Das verkomplizierte die Sache, hatten wir doch beschlossen, ihm nichts von unserer Beziehung mit Ocanar und Iris zu erzählen, um sein Misstrauen nicht zu wecken. Glücklicherweise schien unser überraschendes Auftauchen Mundo nachhaltig verwirrt zu haben, jedenfalls stellte er keine weiteren Fragen in diese Richtung. Im Gegenzug erzählten wir ihm davon, dass wir Gefangene dort befreit hatten, was er wohlwollend zur Kenntnis nahm und versprach, uns Verpflegung zukommen zu lassen.
Der Rest des Gespräches war ausgesprochen aufschlussreich. So hatte er beispielsweise gar nicht gewusst, gegen was er marschierte - bei aller Erfahrung war er wohl tatsächlich wie ein Amateur ohne Schlachtplan gegen einen unbekannten Gegner gezogen. Ein Zeichen von Arroganz, die Schwäche von vielen Mächtigen. Er schien zu glauben, dass nichts der Macht von Hextor widerstehen konnte, ungeachtet der Tatsache, dass er bereits einmal getötet worden war. Die Geschichte dahinter schien faszinierend - Garret und Ral hatten bereits von Lia und ihrer Beziehung zu Mundi und Mundo gesprochen, doch nun hörten wir sie aus erster Hand. Die Geschichte demonstrierte auf recht eindeutige Weise, dass diese Lia ihr eigenes Spiel zu spielen schien, in der Mundi und Mundo nichts weiter als ahnungslose Puppen waren. So war zum Beispiel sie es gewesen, die Mundo dazu angestachelt hatte, Ark’Therion zu vernichten. Sie hatte ihm erzählt, dass dort der “Graue Mann”, ein mächtiger Magier, etwas geschaffen hatte, das die Energien von Arcalis für den Großen Roten nutzbar machte. Etwas sagte mir, dass Mundo in seinem Bemühen, ihn zu töten, gescheitert war … seine Leiche war nicht gefunden worden war, wenngleich die Hextor die Stadt dem Erdboden gleichgemacht hatten. Ein durchaus beeindruckender Pragmatismus - sicher, eine Stadt zu vernichten war eine extreme Maßnahme, doch er hatte abgewogen, was der Preis wäre, wenn er es nicht tat und war zu der Entscheidung gekommen, dass es nun einmal notwendig war. Auch wir würden uns die Hände schmutzig machen müssen für das große Ganze, ob meine Gefährten dies akzeptieren wollten oder nicht. Überhaupt stellte sich Mundo als ein recht vernünftiger Mann heraus - wenn da nur nicht dieser Fanatismus und der Glaube an die eigene Überlegenheit gewesen wäre, die ihn zu einem bestenfalls unberechenbaren, schlimmstenfalls gefährlichen Verbündeten machten.
Dennoch hatte das Gespräch einen weiteren durchaus praktischen Nebeneffekt - als er von Mundi berichtet bekam, dass dieser aufgrund der Hextor vor den Toren Zoicas stand, erwähnte er, dass er keinen Streit mit seinem Bruder wollte und räumte eine große Mitschuld an den Ereignissen von einst ein. Kurzerhand händigte er uns einen Befehl aus, der die Hextor in Zoica anwies, nach Scourgefaust abzuziehen, was unser Problem mit den Untoten zumindest für den Moment lösen sollte.
Wesentlich schwerer war es, ihn davon zu überzeugen, seinen Angriff auf Iris abzublasen. Im Prinzip war es für uns nicht von großer Relevanz - ich hatte keine Zweifel an den Verteidigungsfähigkeiten von Iris und wenn die Hextor geschwächt würden, könnte uns das zum Vorteil gereichen. Wesentlich schwerer wog für mich und wohl auch die anderen, dass ein solcher Angriff den Nexus in Windeseile wieder aufladen würde. Ich wollte nur ungern dafür sorgen, dass der Große Rote oder auch Ocanar zu schnell wieder auf diese Macht zurückgreifen konnten. Und auch, wenn Mundo richtig herausstellte, dass es manchmal nötig war, Krieg zu führen um Frieden zu schaffen (wie gesagt - ein bemerkenswert pragmatische Mann), so war dieser Konflikt sinnlos. Die kleinlichen Rachegelüste der Mächtigen und Arroganten … Doch schließlich gelang es auch diesbezüglich, ihn von diesem Vorhaben abzubringen.
Als unser Gespräch abgeschlossen war, wies er die beiden Wachen vor seinem Zelt an, mit uns zu kommen, quasi als Beobachter. Ungünstig, würden sie dann doch den Beholder sehen, aber mit 2 Hextor würden wir im Zweifelsfall schon fertig werden. Ein Gefühl plötzlicher Hochstimmung erfasste mich - die letzten zwei Tage erschienen ausgesprochen erfolgreich, zumindest auf den ersten Blick. Weder bildete ich mir ein, dass es so bliebe, noch gab ich mich der Illusion hin, dass wir nicht wichtige Details übersehen hatten, die die Erfolge der letzten Tage ad absurdum führen könnten, aber dennoch … es wurde Zeit, zumindest kurz einmal zu entspannen und ein wenig Spaß zu haben. Ich grinste, dann fragte ich Ral, ob er nicht Krathus über seine Beziehung zu Razora aufklären wolle. Er spießte mich mit Blicken fast auf, während er sich wand, um Erklärungen und Ausflüchte zu finden. Ich amüsierte mich eine Weile, dann offerierte ich ihm einen Weg aus der Situation heraus, den er annahm, wenn auch nicht eben dankend.
Währenddessen verließen wir das Lager, auf dem Weg zurück zu den Gefangenen und dem Beholder. Ich konnte nicht anders als mich zu fragen, was wohl passieren mochte, wenn wir dort mit zwei Hextor auftauchten …