Der Rest des Abends wurde Logistikfragen gewidmet - so viele Mäuler zu stopfen schien in dieser Einöde nur schwer möglich. Mit ein wenig Kreativität entwickelten wir einen Plan, der uns zumindest bis zum ersten Grün bringen sollte. Kurz nachdem wir uns dann also zur Ruhe begeben hatten, wurden wir wieder gestört. Ich nahm eine Bewegung wahr und als ich die Augen öffnete, war hinter Krathus ein rotgeschuppter Beholder erschienen. Instinktiv ließ ich meinen Bogen erscheinen und warnte Krathus ob der potentiellen Gefahr, doch der Beholder war offenbar wegen Garret hier. Er wollte den Herrscher von Zoica zum Duell fordern. Während Krathus Garret weckte, weckte ich Ralkarion.
Der Beholder, der sich als Qwe vorstellte und wohl der Telekinist war, den Ocanar uns sandte, forderte Garret tatsächlich zum Duell über die Herrschaft Zoicas. Ein Duell, dass Garret zwangsläufig verlieren musste - alleine war er ihm nicht gewachsen, soviel war klar. Daher warf ich ein, dass ein guter Herrscher auch andere befehligen müsse und es daher sinnvoll wäre, wenn jemand an ihrer Seite kämpfen würde. Zu meiner Erleichterung stimmte Qwe zu und suchte sich Ralkarion aus - ihm traute ich am ehesten zu, die Rolle des unterstützenden Untergebenen zu spielen, ohne uns wirklich zu schaden. Garrets Wahl - zu der ich ihn zwingen musste, doch welcher Herrscher ließ schon Untergebene für sich entscheiden? - fiel auf mich. Zu unserem Glück wollte der Beholder in seiner für seine Art wohl typischen Selbstüberschätzung auch, dass Krathus an unserer Seite kämpfte.
Während Ralkarion mit Qwe verschwand, gingen wir auf die andere Seite des Feldes. Wir besprachen kurz einen Schlachtplan, doch genauso gut hätte ich den Steinen von der Parallelwelt erzählen können - als das Duell startete, hatte zwar Krathus den Verstand, sich langsam anzupirschen statt vorzupreschen, dasselbe konnte man von Garret allerdings nicht behaupten. Fluchend rannte ich ihm nach - es wäre besser gewesen, Qwe zu uns kommen zu lassen und die Bedingungen zu diktieren, doch diese Möglichkeit war uns nun genommen. Unglücklicherweise war Garret der zentrale Charakter in diesem Kampf, sein Sieg und Schutz musste unsere oberste Priorität sein. Ein heftiger Kampf entbrannte, in dessen Zuge Krathus zu Boden ging und ich eine interessante neue Fähigkeit, das Heraufbeschwören schützender Dunkelheit, entdeckte. Letzten Endes waren wir jedoch siegreich. Ralkarion spielte seine Rolle zwar nicht perfekt, aber gut genug. Ich bildete es mir möglicherweise nur ein, aber ich hätte schwören können, ein leichtes Grinsen auf seinem Gesicht zu sehen, als er Garret mit einem Zauber traf.
Besiegt stellte Qwe seine Kräfte in den Dienst der neuen Akademie in Zoica, was unter der Bedingung akzeptiert wurde, dass er jeden, der nicht zu unseren Feinden gehörte, in Ruhe ließ, sofern wir es nicht anders befahlen. Dann konnten wir endlich schlafen, natürlich nicht bevor der Beholder uns seine “Hilfsbereitschaft” bewies und Ral auf magische Weise einfach einschlafen lies.
Am nächsten Morgen weckte er uns. Wir besprachen das weitere Vorgehen und beschlossen, dass er bei uns bleiben sollte. Dann verschwand der Beholder, doch mit einem Kommentar, der uns stutzen ließ - die „Hexe” würde ihn schon die ganze Zeit ärgern. Zunächst dachte ich, er würde mich meinen und begann zu analysieren, womit ich ihn genau verärgert hatte, doch Garret und Ral machten mich darauf aufmerksam, dass er wohl jemand anderen meinte. Nach einem Zauber von Garret erschien tatsächlich eine etwas merkwürdig aussehende Menschenfrau neben uns. Misstrauisch beäugte ich sie, doch es schien keine unmittelbare Gefahr von ihr auszugehen. Sie stellte sich als Hoshana, eine Druidin des Zirkels des Kataklysmus vor, was Ralkarion sofort einiges an Misstrauen abnötigte. Nicht, dass ich ihn nicht verstand, mehr noch, ich unterstützte diese Haltung - doch es nutzte nichts, Hilfe nur aufgrund einer diffusen Abneigung abzulehnen. Und Hilfe bot sie uns an: Es sei ihre Aufgabe, uns ins Camp der auf uns zu marschierenden Hextorarmee zu bringen, doch aus welchem Grund sie das wollte, wollte oder konnte sie uns nicht sagen. Nur ein weiterer blinder Befehlsempfänger - ich fühlte mich an Layara aus der Parallelwelt erinnert. Garret bestätigte, dass sie in ihren Absichten ehrlich zu sein schien, somit stand für mich der weitere Weg fest. Die Hextor waren Verbündete, zumindest im Moment, und eine Armee konnte unser Logistikproblem lösen - der Beholder fraß genug für 5 Leute und stellte uns damit vor Herausforderungen. Hoshana konnte diesbezüglich zwar Abhilfe schaffen, doch ließ nicht erkennen, ob sie mit uns reisen würde oder nicht, wir brauchten eine sichere Lösung. Somit stimmte ich, trotz meines Misstrauens gegenüber den Langzeitzielen der Druiden, der Hilfe Hoshanas zu.
Ralkarion hingegen war gänzlich anderer Ansicht und wollte die Armee lieber umgehen, wenngleich ich ihn darauf aufmerksam machte, dass dies mit einer so großen Gruppe mitten in einem Ödland wie diesem wohl nur schwer möglich sein dürfte, doch er war nicht davon abzubringen. Er schien wütend und frustriert ob seiner Überzeugung, dass wir nur ein Spielball im Spiel größerer Mächte waren. Innerlich schüttelte ich den Kopf. Natürlich hatte er Recht, übersah aber in all seiner zweifellosen Klugheit einen entscheidenden Faktor: Ein Spielball, der Entscheidungen über seine Richtungen treffen konnte, war in der Lage, die Spieler zu bevorzugen oder zu benachteiligen und damit das Spiel auf eine Weise zu beeinflussen, die ihm passte. Natürlich gab es Grenzen für diesen Einfluss, aber ein Spielball zu sein, bedeutete nicht die Machtlosigkeit, die er damit verband.
Statt dies zu sagen - es hätte nur zu einer weiteren, sinnlosen Auseinandersetzung geführt - wies ich ihn noch darauf hin, dass wir so die Chance hätten, die Hextor aufzuhalten und so den Kampf und das damit verbundene Aufladen des Nexus zu verhindern. Ein Argument, dass durchzudringen schien, doch zunächst weigerte er sich weiterhin. Garret und Krathus waren ebenfalls auf verschiedenen Seiten der Diskussion, so dass wir eine Pattsituation erlebten. Ich ging meine Optionen durch. Schlicht hierbleiben war keine Option, wir brauchten eine Entscheidung. Bei allen Überlegungen hatte ich wenig Erfahrung mit den Hextor, Garret und Ral hatten schon öfter mit ihnen zu tun gehabt. Ich vertraute Rals Urteil mehr als Garret. Also sagte ich Ral, dass ich einverstanden wäre, es auf seinem Weg zu probieren, was ihn nur noch mehr zu verwirren schien. Ironischerweise stimmte er dann wenig später zu, dem Anführer der Armee der Hextor einen Besuch abzustatten, wie ich es ursprünglich vorgeschlagen hatte.
Um größere Probleme zu vermeiden, schickten wir den Beholder davon und beschlossen, voraus zu gehen. Gegen Abend erreichten wir das Camp und tatsächlich hielt die Druidin Wort - mittels eines Zaubers, der uns auf eine Ebene schickte, die der von Gudden beschriebenen sehr ähnlich sah, drangen wir unmittelbar in das Zelt des Anführers vor - tatsächlich niemand anderes als Mundo persönlich. Ich hätte ihn gern noch etwas aus der Sicherheit der anderen Ebene beobachtet, doch Hoshana trennte die Verbindung zwischen uns und wir erschienen im Zelt. Der Hohe Kreuzritter reagierte verständlicherweise verblüfft und wollte schon nach seinen Waffen greifen, doch es gelang uns, die Situation zu entschärfen. Während des folgenden Gesprächs verlangte er von uns, in eine von ihm geschaffenen Wahrheitszone zu treten. Das verkomplizierte die Sache, hatten wir doch beschlossen, ihm nichts von unserer Beziehung mit Ocanar und Iris zu erzählen, um sein Misstrauen nicht zu wecken. Glücklicherweise schien unser überraschendes Auftauchen Mundo nachhaltig verwirrt zu haben, jedenfalls stellte er keine weiteren Fragen in diese Richtung. Im Gegenzug erzählten wir ihm davon, dass wir Gefangene dort befreit hatten, was er wohlwollend zur Kenntnis nahm und versprach, uns Verpflegung zukommen zu lassen.
Der Rest des Gespräches war ausgesprochen aufschlussreich. So hatte er beispielsweise gar nicht gewusst, gegen was er marschierte - bei aller Erfahrung war er wohl tatsächlich wie ein Amateur ohne Schlachtplan gegen einen unbekannten Gegner gezogen. Ein Zeichen von Arroganz, die Schwäche von vielen Mächtigen. Er schien zu glauben, dass nichts der Macht von Hextor widerstehen konnte, ungeachtet der Tatsache, dass er bereits einmal getötet worden war. Die Geschichte dahinter schien faszinierend - Garret und Ral hatten bereits von Lia und ihrer Beziehung zu Mundi und Mundo gesprochen, doch nun hörten wir sie aus erster Hand. Die Geschichte demonstrierte auf recht eindeutige Weise, dass diese Lia ihr eigenes Spiel zu spielen schien, in der Mundi und Mundo nichts weiter als ahnungslose Puppen waren. So war zum Beispiel sie es gewesen, die Mundo dazu angestachelt hatte, Ark’Therion zu vernichten. Sie hatte ihm erzählt, dass dort der “Graue Mann”, ein mächtiger Magier, etwas geschaffen hatte, das die Energien von Arcalis für den Großen Roten nutzbar machte. Etwas sagte mir, dass Mundo in seinem Bemühen, ihn zu töten, gescheitert war … seine Leiche war nicht gefunden worden war, wenngleich die Hextor die Stadt dem Erdboden gleichgemacht hatten. Ein durchaus beeindruckender Pragmatismus - sicher, eine Stadt zu vernichten war eine extreme Maßnahme, doch er hatte abgewogen, was der Preis wäre, wenn er es nicht tat und war zu der Entscheidung gekommen, dass es nun einmal notwendig war. Auch wir würden uns die Hände schmutzig machen müssen für das große Ganze, ob meine Gefährten dies akzeptieren wollten oder nicht. Überhaupt stellte sich Mundo als ein recht vernünftiger Mann heraus - wenn da nur nicht dieser Fanatismus und der Glaube an die eigene Überlegenheit gewesen wäre, die ihn zu einem bestenfalls unberechenbaren, schlimmstenfalls gefährlichen Verbündeten machten.
Dennoch hatte das Gespräch einen weiteren durchaus praktischen Nebeneffekt - als er von Mundi berichtet bekam, dass dieser aufgrund der Hextor vor den Toren Zoicas stand, erwähnte er, dass er keinen Streit mit seinem Bruder wollte und räumte eine große Mitschuld an den Ereignissen von einst ein. Kurzerhand händigte er uns einen Befehl aus, der die Hextor in Zoica anwies, nach Scourgefaust abzuziehen, was unser Problem mit den Untoten zumindest für den Moment lösen sollte.
Wesentlich schwerer war es, ihn davon zu überzeugen, seinen Angriff auf Iris abzublasen. Im Prinzip war es für uns nicht von großer Relevanz - ich hatte keine Zweifel an den Verteidigungsfähigkeiten von Iris und wenn die Hextor geschwächt würden, könnte uns das zum Vorteil gereichen. Wesentlich schwerer wog für mich und wohl auch die anderen, dass ein solcher Angriff den Nexus in Windeseile wieder aufladen würde. Ich wollte nur ungern dafür sorgen, dass der Große Rote oder auch Ocanar zu schnell wieder auf diese Macht zurückgreifen konnten. Und auch, wenn Mundo richtig herausstellte, dass es manchmal nötig war, Krieg zu führen um Frieden zu schaffen (wie gesagt - ein bemerkenswert pragmatische Mann), so war dieser Konflikt sinnlos. Die kleinlichen Rachegelüste der Mächtigen und Arroganten … Doch schließlich gelang es auch diesbezüglich, ihn von diesem Vorhaben abzubringen.
Als unser Gespräch abgeschlossen war, wies er die beiden Wachen vor seinem Zelt an, mit uns zu kommen, quasi als Beobachter. Ungünstig, würden sie dann doch den Beholder sehen, aber mit 2 Hextor würden wir im Zweifelsfall schon fertig werden. Ein Gefühl plötzlicher Hochstimmung erfasste mich - die letzten zwei Tage erschienen ausgesprochen erfolgreich, zumindest auf den ersten Blick. Weder bildete ich mir ein, dass es so bliebe, noch gab ich mich der Illusion hin, dass wir nicht wichtige Details übersehen hatten, die die Erfolge der letzten Tage ad absurdum führen könnten, aber dennoch … es wurde Zeit, zumindest kurz einmal zu entspannen und ein wenig Spaß zu haben. Ich grinste, dann fragte ich Ral, ob er nicht Krathus über seine Beziehung zu Razora aufklären wolle. Er spießte mich mit Blicken fast auf, während er sich wand, um Erklärungen und Ausflüchte zu finden. Ich amüsierte mich eine Weile, dann offerierte ich ihm einen Weg aus der Situation heraus, den er annahm, wenn auch nicht eben dankend.
Währenddessen verließen wir das Lager, auf dem Weg zurück zu den Gefangenen und dem Beholder. Ich konnte nicht anders als mich zu fragen, was wohl passieren mochte, wenn wir dort mit zwei Hextor auftauchten …