Tagebuch: Ava
Sitzung 112
Wiedervereint im Compound wurde wie so oft das weitere Vorgehen besprochen. Ich musste allerdings gestehen, nicht voll bei der Sache zu sein. Immer wieder kritzelte ich in mein Notizbuch, in Gedanken halb bei dem Rätsel. So entging mir auch fast, wie Krathus in Richtung Toilette entschwand. Erst als Ralkarion plötzlich zusammenzuckte und bemerkte, dass der Zauber auf Krathus vorzeitig abgebrochen geworden war, wurde ich aufmerksamer. Das war kein gutes Zeichen, doch in Panik verfallen würde kaum jemandem helfen. So bot ich an, zunächst einmal nachzusehen, ob er zu Razora gelaufen war. Noch halb in Gedanken bemerkte ich kaum, dass ich durch die Tür ging ohne sie zu öffnen. Eigentlich hatte ich das mittlerweile recht gut unter Kontrolle… das Rätsel vereinnahmte mich zu sehr. Mit Gewalt schüttelte ich den Gedanken daran ab, steckte mein Notizbuch weg und machte mich auf den Weg zu Razoras Zelt. Angesichts der Erzählungen von Ralkarion ließ ich beim Eintritt Vorsicht walten. Nichtsdestotrotz war unser Gespräch nur mäßig ergiebig, jedoch ergiebig genug um zu erfahren, dass Krathus nicht hier gewesen war. Razora bat mich, sie im Zweifel den Aufenthaltsort von Krathus wissen zu lassen und ich kehrte etwas ratlos zu Ralkarion und Garret zurück.
Das Rätsel löste sich zumindest teilweise, als es kurz darauf an der Tür klopfte. Jedoch ließ der Fakt, dass der Bote Steffge war, der mich noch vor kurzem verzaubert hatte, vertrieb jeden Gedanken an Krathus mit kaum verhohlener Feindseligkeit. Seine Botschaft brachte zwar den Gedanken an Krathus zurück, drängte jedoch die Wut nicht zurück. Seiner Aussage nach war Krathus statt auf Toilette zu gehen zu dem Rätsel gegangen und hatte damit einen magischen Zirkel geöffnet und war hindurchgegangen, nach Steffges Ansicht nach war er somit tot. Mochte sein, aber das musste überprüft werden. Verfluchter Kobold… Nach ein paar weiteren unfreundlichen und somit hochverdienten Worten machten wir uns also wieder auf den Weg zum Rätsel. Das mich natürlich sofort wieder in den Bann schlug und mit ein wenig Hilfe öffnete sich auch für uns das Portal. Wenngleich es mir gehörig missfiel, für Krathus’ Extratour alles zu verzögern, ging ich kurzerhand achselzuckend hindurch.
Um direkt darauf in einem recht gut gearbeiteten Raum einer großen, weißen Schlange gegenüberzustehen. Mit Armen. Ein Yuan-Ti? Ich zog meinen Bogen, bemerkte dann jedoch, dass die Schlange nicht feindselig schien und uns dann sogar in Schstanar begrüßte, als Ralkarion und Garret ebenfalls durch das Portal traten. Garrets Reaktion bot einen Vorgeschmack auf das, was mir heute und morgen noch blühen würde - er schoss an mir vorbei und verpasste der Schlange eine gesalzene Ohrfeige. Offenbar handelte es sich um ihren ehemaligen, transformierten Gefährten Harkis. Zum Glück ließen weitere Ausbrüche Garrets (erstmal) auf sich warten, dennoch hatte sein Auftritt bereits Schaden angerichtet, da Harkis nun offen lamentierte, ob er uns das Angebot, das er machen wollte, noch machen wolle. Ganz gleich, wie unvorteilhaft dieses für uns sein mochte, in jedem Fall hatte Garrets Verhalten unsere Verhandlungsposition geschwächt. Doch zunächst bedeutete und Harkis, ihm zu folgen. Dabei bemerkte ich gerade noch rechtzeitig, wie Harkis eine Art kleinen Hüpfer hinlegte, was ich ihm gleichtat, doch Ralkarion, der offenbar abgelenkt war, hatte weniger Glück und fiel durch ein sich plötzlich auftuendes Loch in einem recht gemütlichen, aber auch sehr tiefen Raum. Ich begann, einen Zauber zu wirken, der ihn wieder heraufholte, doch Ralkarion sorgte schlicht selbst für seine Rückkehr nach oben, so dass mir nicht mehr übrig blieb, als mich nach seinem Befinden zu erkunden. Glücklicherweise hatte er den Sturz gut überstanden, was ich erleichtert zur Kenntnis nahm. Wenigstens einen Gefährten zu haben, der halbwegs bei Verstand war, würde hier sicher bitter nötig sein.
Schon um die nächste Ecke bot sich ein weiteres, eher erschreckendes Bild: Krathus, der über einen Kuchen geneigt am Essen war. Und dazu eine weitere, seltsam vertraut wirkende Schlange, die ein Messer über ihn hob. Um nicht auch noch die letzte Chance auf Diplomatie zu verschwenden, wirkte ich einen Zauber, der die Schlange an einen anderen Ort im Zimmer teleportiert hätte, wenn es nicht widerstanden hätte. Das es dennoch irritiert den Kopf drehte, lag wohl eher daran, dass Garret der nächsten Schlange eine Schelle verpasste. Glücklicherweise stellte sich schnell heraus, dass es lediglich ein Missverständnis war und „Miss Caulde” Krathus lediglich den Kuchen schneiden wollte.
Bei dem Namen zuckte ich zusammen. Caulde? Hatte er CAULDE gesagt? Das erklärte das vertraute Gefühl bei ihrem Anblick. Und kurz darauf erkannte auch Arina mich. Meine erste Reaktion war kaum gebändigter Zorn. Ich nahm an, dass Arina eine Agentin der Yuan-Ti gewesen war, die sich in die Personen einreihte, die mich mein Leben lang belogen oder Geheimnisse vor mir behalten hatten. Erst langsam flaute dieser Zorn ab und verwandelte sich in vorsichtiges Mitleid, als Arina erzählte, wie es zu ihrem Hiersein gekommen war. An dem Tag, als sie verschwunden war, hatte sie einen Auftrag für die Baronesse erledigen müssen, im Zuge dessen sie mit einem Blutfluch belegt worden war, der um das Anwesen der Baronesse herum wirkte. Der Fluch ließ sie rapide altern, doch niemand konnte oder wollte ihr helfen, nicht einmal meine Mutter und so war sie in die Wüste gewandert, um Hilfe zu finden. Hier hatten sie die Yuan-Ti gefunden und tatsächlich von dem Fluch geheilt, sie allerdings (ihrer Ansicht nach unabsichtlich) in eine der ihren verwandelt aufgrund. Als Begründung dafür führte sie den Blutfluch an. Ich war mir da nicht so sicher. Arinas Sicht der Dinge und nahezu blinde Loyalität den Yuan-Ti erschien mir sehr naiv (welch Ironie…) und passte nicht zu der eher kritisch denkenden Person, die ich damals kennenlernte. Aber vielleicht war dies auch nur vorgetäuscht? Immerhin war sie mittlerweile zu Harkis’ rechter Hand aufgestiegen, vielleicht verfolgte sie damit auch einen Plan?
Ein Gedanke, der mir im Verlauf der Tour immer unwahrscheinlicher erschien, die sie uns dann gab. Erstaunlich, dass wir uns dermaßen frei bewegen durften. Entweder nahmen sie uns nicht als Bedrohung wahr oder aber wir waren bereits tot und sie kümmerte es nicht, was wir sahen. Wir würden es wohl oder übel herausfinden. Interessant war, dass die Yuan-To eine ganze Menge toter Eier pflegten. Wozu wurde uns später erklärt, als Arina uns in einen Nebenraum zeigte, wie ein Ei mit einer Art Flüssigkeit injiziert wurde und die Farbe wechselte. Offenbar hatte dieses Ei nun die Möglichkeit, das Potenzial einer Person zu erhöhen. Ein solches Ei sei es auch gewesen, dass sie gerettet habe.
Danach führte sie uns wieder nach oben, wo Harkis bereits auf uns wartete und ohne großes Geplänkel zu Verhandlungen über eine Allianz übergehen wollte. Wenngleich ich derzeit in einem recht verwirrenden Gefühlschaos bezüglich Arina steckte, war seine Taktik sofort offensichtlich. Gut ausgeruht mit 4 müden, teilweise emotional überforderten Personen zu verhandeln, das war keine Situation, in der etwas von Wert für uns heraussprang und so bestand ich darauf, diese Verhandlungen erst am Morgen zu führen. Harkis ließ sich darauf ein, wie unwillig oder bereitwillig vermochte ich nicht zu sagen und wir wurden in ein recht luxuriöses Zimmer geführt, das allerdings hinter uns verschlossen wurde. Ein merkwürdiger Widerspruch zur bisherigen Offenheit.
Ich hätte es bevorzugt, jede Minute möglichen Schlafs zu nutzen, da ich befürchtete, dass Harkis uns seiner ursprünglichen Taktik folgend bereits sehr früh wecken lassen würde, doch Ralkarion und Garret verlangten nun von Krathus, sich zu erklären und zugegeben war auch ich diesbezüglich sehr interessiert. Krathus wand sich ein wenig, doch was er erzählte, war durchaus dazu angetan, meinen Respekt vor dem Kobold zu steigern. Offenbar hatte er es nicht nur geschafft, Harkis ein erstes Angebot aus dem Kopf zu schlagen, sondern auch Informationen über Zoica vorenthalten, herausgefunden, dass das Rätsel magiebegabte Personen herlocken wollte und nicht zu letzt auch, dass die Yuan-Ti zumindest keine übermäßige Furcht vor dem Roten hatten. Besonders letzteres schien interessant, da die Yuan-Ti sowohl von meinen Gefährten als auch einigen Büchern als ein Volk mit gesteigertem Selbsterhaltungstrieb und brutaler Pragmatik beschrieben wurden. Selbstverständlich wollte Ralkarion sofort unsere Verhandlungsposition für morgen klären, doch angesichts seines zunehmend irritierendem Benehmen erschien mir das kaum sinnvoll. Selbst für seine Verhältnisse war er übermäßig sarkastisch und kritisch, was wohl an dem Ort liegen musste. Angesichts seines und Garrets erratischem Verhalten erschien es mir sinnvoller, einen vernünftigen Nachtschlaf hinzulegen. Morgen früh mochten sie bereits wieder klarer denken. Ein frommer Wunsch, der sich nicht erfüllen sollte.
Nachdem ich meine Meditation abgeschlossen hatte, beschloss ich, ein kleines Experiment zu wagen und herauszufinden, wie eingeschlossen wir waren. Mich konzentrierend trat ich wieder in den Raum zwischen den Ebenen, doch als ich durch die Tür treten wollte, wurde ich von dem Zauber, mit dem sie belegt war, brutal und lautstark zurückgeschleudert. So ganz vertraute man uns wohl wirklich nicht. Was meine ungute Theorie bestärkte, dass wir in den Augen der Yuan-Ti bereits tot waren.
Das Schafott, oder besser, was ich dafür hielt, nahm am nächsten Morgen die Gestalt eines Verhandlungstisches mit 4 Eiern an, zu dem wir geführt wurden. Harkis erwartete uns dort bereits und erklärte, dass diese Eier eine Belohnung des Imperators seien als Belohnung für seine Befreiung. Nichts, was meine Befürchtung besänftigte, immerhin war lediglich Garret dabei anwesend gewesen und dieser hatte breits zwei hochrangige Yuan-Ti tätlich angegriffen. Unglücklicherweise erwähnte Harkis auch die Potential verstärkende Wirkung der Eier, so dass kurz darauf im Eifer der Verhandlungen niemand verhindern konnte, dass Krathus sich ein Ei griff und herunterschlürfte. Es war erstaunlich, wie dieser Kobold zwischen genialen Momenten und schierer Idiotie hin- und hersprang.
Harkis war offenbar kein Mann unnötiger Worte und kam recht schnell zur Sache. Wir sollten dafür sorgen, dass die Untoten (die sie lediglich als lästige Zeitverschwendung sahen) sie nicht angriffen und ihre Magieadepten an der Akademie in Zoica studieren lassen, dafür würden wir die Freundschaft und Dankbarkeit der Yuan-Ti erhalten. Angesichts dessen, wie die Yuan-Ti ihre Loyalitäten handhabten, ein völlig inakzeptables Angebot. Nach vielem Hin und Her und gegenseitigen Drohungen (die Yuan-Ti hofften, dass ihre Macht von Shadar erst bemerkt würde, wenn er nichts mehr dagegen tun könnte) schaffte ich es zumindest, einen Austausch von Rekruten zu erreichen: Die Yuan-Ti würden ihre Zauberschüler bekommen und sie im Gegenzug unsere Wachen und Freiwilligen zu Kriegern ausbilden. Das fühlte sich bereits fast nach dem Maximum an, da Garret nur still in der Ecke schmollte und Ralkarion mehr und mehr Kommentare abgab, die nicht nur nicht hilfreich, sondern komplett abträglich waren. Was war nur in ihn gefahren?
Wenigsten Krathus entpuppte sich wieder als Unterstützung, als er in einem seiner lichten Momente anmerkte, dass es nicht ganz ausgeglichen sei, dass wir für jeden ausgebildeten Magier, den die Yuan-Ti bekamen, „nur” einen Krieger bekamen. Als Harkis einwand, dass diese allerdings mit viel Kampferfahrung zurückkommen würden, wurden wir hellhörig. Harkis offenbarte mehr oder minder unfreiwillig, dass sie im Norden gegen Insektenwesen kämpften, die der Kontrolle ihrer Königin entglitten waren. Diese würden in Raserei gegen sie anrennen und dabei im Gegensatz zu den Untoten offenbar eine echte Bedrohung darstellen. Interessant und ein möglicher Ansatzpunkt, die Yuan-Ti irgendwann als ganzes auf unsere Seite zu ziehen, denn es war klar geworden, dass diese uns niemals in Gänze unterstützen würden, solange sie stark waren. Geschwächt jedoch… Nun, für’s erste wurden lediglich diverse Entschädigungen für gefallene Zoicaner in Ausbildung ausgehandelt.
Ebenfalls klar war nun aber auch, dass die Yuan-Ti fürs Erste kein Interesse daran hatten, uns tot zu sehen und da auch Krathus nach dem Genuss des Eis keinerlei Anzeichen von Schwäche zeigte, beschlossen ich und offenbar auch Ral im Interesse der Diplomatie, unser Ei zu essen. Irgendetwas stellte es tatsächlich mit mir an. Etwas Positives, was genau vermochte ich nicht zu sagen. Ral schien es ähnlich zu gehen, wie sein gieriges Schlürfen verriet. Gleichzeitig kam ich nicht umhin, mich zu fragen woher diese Gier kam. Garret hingegen hatte beschlossen, weiterhin zu schmollen und die Verhandlungen zu erschweren. Ich musste zugeben, dass ich mir im Vorfeld nicht hätte erträumen lassen, dass Krathus und ich eine solche Verhandlung lenken würden und Garret und Ralkarion sich alle Mühe geben würden, sie zu torpedieren. Verkehrte Welt.
Danach schien Ralkarion dann jedoch doch etwas zur Vernunft zu kommen, denn er griff einmal mehr den Verhandlungsstrang auf, die Angriffe der Untoten aufzuhalten, was nicht übermäßig schwierig sein sollte, aber das musste Harkis nicht wissen. Im Gegenzug rang er Harkis die Aussage ab, dass sie im Gegenzug uns mit einem Gegner helfen würden. Ich hielt die Gelegenheit für einigermaßen günstig, die Yuan-Ti gegen Zatar, the Imperishable zu senden - Ocanar mochte eine Art Verbündeter sein, doch einer, der unter der Fuchtel von dem Roten stand und offensichtlich nicht in der Lage war, sich gegen ihn aufzulehnen. Eine Niederlage seinerseits würde die Kräfte des Roten mehr schwächen als uns, eine Niederlage der Yuan-Ti könnte sie weit genug schwächen, um sie uns in die Arme zu treiben. Und auch ein geschwächter Verbündeter war besser als keiner. Es war zugegeben unwahrscheinlich, dass sich Harkis darauf einlassen würde, doch es wäre einen Versuch wert gewesen. Jedoch kam ich nicht dazu, denn Ralkarion hatte ein gänzlich anderes Ziel im Kopf - den Wächter des Nexus bei Cindercrest.
Gewagt, und ich war mir völlig unsicher, was ich davon halten sollte. Fest stand, dass wir dem Roten früher oder später die Nexi entreißen mussten und der Wächter dabei ein nicht zu unterschätzendes Hindernis war. Gleichzeitig schien mir der Zeitpunkt dafür deutlich verfrüht - selbst wenn es uns gelang, würde es uns unweigerlich wieder auf die Agenda des Roten setzen, der diesmal möglicherweise deutlich weniger „milde” gestimmt sein würde, als es beim letzten Zusammentreffen der anderen mit ihm der Fall gewesen war. Sicher, wir hatten uns bereits einen Nexus unter den Nagel gerissen, aber dieser stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht unter der Kontrolle des Roten. Und dann blieb da noch die Frage, wer sich mit dem Nexus verbinden sollte und damit die Kontrolle übernehmen sollte. Ralkarion disqualifizierten die Blutstropfen, die seit dem Arkanen Nexus ständig aus seinen Augen traten, Garret hatte bisher nur minimale magische Begabung an den Tag gelegt und Krathus würde sich zwar sicher sofort freiwillig melden, war aber viel zu unbeherrscht, um mit der Macht eines Nexus betraut zu werden. Ähnliches galt für die örtlichen Magier der Akademie, mit Ausnahme von Melody vielleicht, die allerdings aufgrund ihrer Unbedarftheit auch eher ausfiel. Die übrige Option gefiel mir ehrlich gesagt nicht…
Es würde eine Menge zu besprechen geben, wenn wir uns erneut zu Mundi begeben würden.
Sitzung 110
Krathus tauchte schon bald wieder auf. Er war bei seiner Mutter gewesen… eigentlich ein kompletter Widerspruch zu unserer andauernden Undercover-Aktion, aber da ich die Sinnhaftigkeit derselben mittlerweile ernsthaft in Frage stellte und der Wunsch immerhin verständlich war, konnte ich ihm kaum böse sein. Zumal ich eine gewisse Mitschuld trug - obwohl ich Krathus kannte, hatte ich es versäumt, meine Sicht auf Unsichtbares auszuweiten und daher nicht mitbekommen, wie er ging.
So wandten wir uns recht zügig den weiteren Plänen zu, die Yuan-Ti auf unsere Seite zu ziehen. Eine gewisse Machtdemonstration dürfte notwendig werden. Auf unser Drängen testete Ralkarion seine Theorie, dass er hier keinen Zugriff auf die Macht des Nexus hatte. Wie die Blutstropfen an seinen Augen zeigten, lag er damit falsch - das eröffnete Möglichkeiten. Einige Möglichkeiten wurden dikutiert, eine wilder als die andere. Persönlich war ich diesbezüglich eher dafür, vor Ort zu entscheiden, wenn wir ein besseres Bild davon hatten, was die Yuan-Ti beeindruckte und was nicht - alles andere dürften erstmal nicht viel mehr als Hirngespinste. Aber Ralkarion hatte gerne alles durchgeplant und angesichts dessen, was auch und gerade ich ihn in letzter Zeit hatte durchleben lassen, war ich gewillt, ihm den Gefallen zu tun.
Dennoch war ich nicht ganz bei der Sache, vermutlich der Grund, weshalb ich die Einzige war, die in den Nebenräumen Geräusche hörte. Da ich mich glücklicherweise frei bewegen konnte und die Geräusche sich auf uns zubewegten, nutzte ich die Gelegenheit, einmal nachzuschauen, was dort los war. Es bot sich ein höchst merkwürdiges Bild. Zunächst einmal sah ich nichts als einen gewaltigen Rucksack mit allem möglichen Krimskrams daran. Dann wurde ich des Besitzers gewahr, eine Art Vogelwesen? Es durchwühlte die Schränke offenbar nach allem, was halbwegs brauchbar war und stoppte erst damit, als ich es mehrmalig dazu aufforderte. Es machte Anstalten, davonzugehen, doch ich wollte mehr darüber erfahren, was es war oder hier tat und stellte sich es im Gang zur Rede. Nicht die Beste Idee, da zum einen außer seinem Namen - Tatum - und seiner Spezies - Imperial Nightingale - nicht viel aus ihm herauszubekommen war. Bei der Spezies klingelte etwas in meinem Kopf. Hatte Garret nicht einen solchen Begleiter gehabt, der mit zu den Yuan-Ti gegangen war? Weil sie irgendwie damit verbunden waren? Weiter kam ich mit den Überlegungen nicht, denn Tatum begrüßte jemanden hinter mir. Ich drehte mich um und sah gerade noch, wie Krathus seinen Kopf wieder ins Zimmer zog. Ich seufzte. Die Geheimhaltungsgeschichte war schon anstrengend genug, aber mit Krathus wurde es schon fast zermürbend.
Ich versuchte, davon zu retten, was zu retten war und tat das erstbeste - ich verpasste ihm einen falschen Namen. „Cuu“ kam heraus. Sollte Tatum im Dienste der Yuan-Ti stehen, würde er zumindest einen falschen Namen weitergeben, möglicherweise auch Zweifel daran wecken, ob der Herrscher Zoicas wirklich tot war. Nicht ideal, aber immerhin etwas.
Als Tatum abzog, kehrte ich zur Gruppe zurück. Die Überlegungen waren mittlerweile dabei angekommen, was man mit dem angebrochenen Tag machte, immerhin musste wir bis morgen warten. Ich war recht froh, dass ich mich mit meinem Vorhaben, die marodierenden Magier in ihre Schranken zu weisen, durchsetzen konnte. Ralkarion war nicht begeistert, würde es doch die Tarnung riskieren. Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass er nun auf Grund des Großen Ganzen die kleinen Dinge ignorieren wollte. Doch ich hatte mir vorgenommen, aus meinen Fehlern zu lernen - einer davon war gewesen, die direkten Probleme als unwichtig einzustufen, nur weil sie nicht unmittelbar mit dem großen Ziel verknüpft waren. Und so planten wir, wie man sich in der Stadt bewegen solle. Ralkarion hatte darauf hingewiesen, dass er sich und die anderen ja nur begrenzt oft unsichtbar machen konnte und auch meine Sichterweiterung funktionierte nicht unbegrenzt, falls Krathus wieder auf dumme Ideen kam. Ohne dies blieb eigentlich nur die Möglichkeit der Verkleidung, weshalb ich mich wieder alleine aufmachte, diesmal zum Theater, um Kostüme zu besorgen. Dort angekommen wurde zumindest bestätigt, dass Tatum tatsächlich im Dienste der Yuan-Ti stand. Er erstattete Maldrante gerade Bericht. Innerlich lachte ich auf. „Schauspielerin“, na klar. Es folgte ein durchaus erheiternder verbaler Schlagabtausch zwischen Maldrante und mir mit kaum verhohlenen Drohungen und Andeutungen auf beiden Seiten, wodurch immerhin klar wurde, dass die Yuan-Ti tatsächlich einen Angriff planten, und zwar schon bald. Wir hatten also nicht viel Zeit.
Anschließend suchte ich ein paar Kostüme zusammen und kehrte zurück, die Auswahl erwies sich jedoch als mehr als dürftig. So sehr Krathus Spaß am kostümieren hatte, so deutlicher war es, dass dies keine echte Option war. So musste Ralkarion eben doch seine Magie bemühen.
Unsere Suche nach den jungen Magiern indes dauerte nicht allzulang. Schon nach kurzer Zeit trafen wir auf Marco, der uns im Zusammenhang damit darauf hinwies, doch einmal beim Freedom Fighter Squad in der Kanalisation vorbeizusehen. Das taten wir und standen kurz darauf vor einer runenverzierten Tür. Zusammen mit dem vorher ausgelösten Alarm wr es klar, dass es sich dabei um eine Art Schutzzauber handelte. Nicht untalentiert, aber ich war sicher, dass ich ihn brechen können wurde. Meine Vermutung bestätigte sich und schritt ins Innere, wo ich eine wildfremde Person antraf, die einen Stab auf mich richtete und mir gleich darauf sehr vertraut vorkam. Meinen alten Freund Steffge begrüßend ging ich freudestrahlend auf ihn zu - dann brach Ralkarion den Zauber und mir wurde klar, was hier passiert war.
Ich entschied, dass dies ein guter Moment war, meinen dunkleren Impulsen nachzugeben und setzte ihm das Schwert an die Kehle. Obgleich er davon äußerlich unbeeindruckt wirkte, gaben er und seine Kumpane einige wichtige Informationen preis - sie hatten wohl vor, Garrets Revolutionsgarde wieder aufleben zu lassen und mit magischen Mitteln zu bereichern. Zu unserem Glück hatten sie jedoch auch statuiert, dass nur der Gründer des Freedom Fighter Squad es wieder auflösen konnte, was Garret prompt tat. Ich setzte noch ein paar gesalzene Worte hinzu, dass sie ihre Magie künftig nicht mehr gegen die Bewohner Zoicas verwenden sollten, doch wie effektiv sich das erweisen würde - nun ja. Marco hatte schon Recht, wenn er sagte, dass die Macht der Magie nicht immer das Beste in den Leuten zum Vorschein brachte.
Als nächstes wandten wir uns dem Logikrätsel aus Kerzen und Bannlinien zu, dass die Yuan-Ti den Magiern überlassen hatten. Mit unseren neueren Informationen war es deutlich, dass hier wohl eine Art Invasionsportal geschaffen werden sollte, doch alle Versuche, es zu zerstören, schlugen fehl. Mehr als das fingen Ralkarion und Krathus plötzlich an, selbst herumzurätseln um das Puzzle zu lösen. Was um alles in der Welt…? Es kostete mich unglaubliche Anstrengungen, die beiden davon zu bewegen, davon abzulassen. Hier musste etwas gefährliches am Werk sein. Nachdem ich die beiden endlich vom Puzzle gelöst bekam, kamen wir zumindest darin überein, dass dieser Ort bewacht werden müsse. Aufgrund der Geschehnisse von vor ein paar Minuten drängte ich darauf, dass ich vorübergehend dafür hier blieb, während die anderen zu Posetine gingen und eine Bewachung organisierten.
Als sie weg waren, besah ich mir das Puzzle genauer. Sicher, die anderen waren irgendwie davon besessen gewesen, aber schließlich waren sie Kurzlebige. Sie besaßen nicht die Erfahrung und Widerstandsfähigkeit von…nun, zum Beispiel von Elfen. Vielleicht gelang es mir ja sogar, das Puzzle zu lösen und es damit seiner Magie zu berauben? Ähnlich dem Schutzzauber. Ich begann, Kerzen zu löschen und anzuzünden, doch kam nicht weiter. Nach einiger Zeit musste ich frustriert aufgeben. Diese Schlangen waren durchtriebener, als ich dachte. Dann hörte ich Schritte.
Vor der Tür hatte sich bereits eine Wache postiert - DIREKT vor der Tür. Das erschien mir zu gefährlich, nicht jeder würde das Puzzle so beherrschen können wie ich, andere würden wie Ralkarion und Krathus von ihm beherrscht werden. Also wies ich ihn an, in weitaus größerem Abstand ein Auge auf die Tür zu haben, was er grummelnd tat.
Da die anderen in ihrer Aufgabe offenbar erfolgreich gewesen waren, machte ich mich auf den Weg in den Compound. Unterwegs wanderten meine Gedanken immer wieder zu dem Puzzle. Was wohl die Lösung sein mochte…?
Sitzung 109
Zumindest schien Posetine mehr und mehr in ihre Herrscherinnenrolle hereinzuwachsen. Das Erbe ihres Vaters? Oder Erziehung? Jedenfalls hoffte sie, eine Allianz mit ihnen zu schmieden - auf Grundlage ihrer wankelmütigen Bündnispolitik in der Vergangenheit hielt sie das für möglich. Ihr Argument hatte durchaus Hand und Fuß - wenn sie vorher überzeugt werden konnten, die Seiten zu wechseln, wäre es nicht auszuschließen, dass sie das wieder tun würden. Der Plan trug Marcos Handschrift, der in der Zwischenzeit eine Mentorrolle für sie übernommen hatte. Es blieb die Frage, inwieweit das gut oder schlecht war. Marco hatte sich in der Vergangenheit als jemand erwiesen, der sich durchaus um die Belange der einfachen Bürger sorgte, was mir grundlegend sympathisch war. Gleichzeitig war er aber auch unglaublich gut darin, sich nicht zu tief in die Karten blicken zu lassen… es blieb stets ein ungutes Gefühl nach Gesprächen mit ihm.
Darüber hinaus gab es eine, vielleicht zwei, gravierende Schwächen an dem Plan. Zum ersten dürfte es sich potentiell als schwierig erweisen, die Sardak davon zu überzeugen, dass ein Bündnis mit uns von Vorteil wäre, wenn ein aspirierender Gott ihnen eine Kostprobe seiner Macht gegeben hatte. Zweitens hielt sie nichts davon ab, uns in den Rücken zu fallen, wenn die Geschicke sich zu unseren Ungunsten entwickelten. Doch für diesen Fall hatte Posetine den Gedanken, sie gegen andere Alliierte des Roten aufzuhetzen. Tatsächlich wäre auch in diesem Fall einiges gewonnen. Wohl war mir dennoch nicht bei der Sache - zu viele Unwägbarkeiten, doch so, wie die Dinge standen, hatten wir kaum eine andere Wahl.
Die Herrscherin hatte jedoch noch einen weiteren Punkt auf der Agenda - als ihre „Champions” (nebenbei etwas, was im krassen Gegensatz zur geplanten Heimlichtuerei stand) sollten wir ein entsprechend protziges Anwesen erhalten. Während Krathus natürlich Feuer und Flamme für seinen eigenen Hort war, waren ich, Garret und Ralkarion nicht eben begeistert davon. Posetine redete davon, dass die Leute inspiriert werden müssen - sicher, aber meiner Meinung nach geschah dies nicht durch goldene Paläste, die nichts als ein Symbol der Erhöhung und Entfremdung waren. Es geschah durch Taten. Posetine wollte natürlich nichts davon hören und verließ uns, um nach weiteren Bittstellern zu sehen, jedoch nicht ohne den Ratschlag, vorher vielleicht mal bei den Zwergen in Lachlun vorbeizusehen. Auf dem Weg nach draußen besprachen wir unsere Optionen, die leider recht eingeschränkt waren. Immerhin waren wir uns alle einig, dass zunächst ein Besuch in Azoicström angeraten war, ob nun um Angstrum dazu zu bewegen, den Nexus zu leeren oder um ihn an Ralkarion zu übergeben, musste Gegenstand einer späteren Diskussion bleiben, die an einem sichereren Ort weitergeführt werden würde.
Uns dorthin begebend sorgte machte Ralkarion wieder alle außer mir unsichtbar. Es gefiel mir zwar nicht unbedingt, derzeit das „Gesicht” zu sein, aber es war unbestreitbar praktisch - sie konnten überallhin und da man nur mich sah und sie nicht, würde kaum jemand Verdacht schöpfen. Nun, fast niemand würde sie sehen… ich schon. Das Zusammentreffen mit dem unsichtbaren Reiter vor Mundi hatte eine weitere Inspiration zum Training meiner magischen Fähigkeiten gegeben und so wirkte ich meinen eigenen Zauber, der mich die anderen deutlich sehen ließ, was sich später noch als nützlich erwies, als ich Krathus von einem unüberlegten Ausflug zum Schmied abhalten konnte. Zunächst trafen wir draußen im Gang jedoch auf Lafayette und Marco, ersterer eher nervös und mit einem Blumenstrauß in der Hand, letzterer wirkte eher gelangweilt beim Münzspiel. Lafayette hatte offenbar noch nicht aufgegeben, Posetine zu umwerben und da er offenbar öfter hier war, mochte er damit nichtmal ohne Erfolg sein - ich bezweifelte allerdings, dass Posetine noch viel mehr als ein Spielzeug in ihm sah. Offenbar machte er sich selbst auch nur bedingt Hoffnungen, da er nun kaum verhohlen mir Avancen machte. Mein erster Impuls war, meinen früheren, kurzzeitigen Arbeitgeber abblitzen zu lassen, meine Interessen lagen anderswo. Ich besann mich dann aber eines besseren und vertröstete ihn vage auf später - es ergab wenig Sinn, ihn noch weiter herabzuwürdigen und mochte später noch von Nutzen sein. Trotz allem war er ein Mann mit vielen Ressourcen.
In meinem Zimmer angekommen besprachen wir das weitere Vorgehen. Die Route war klar, auch wenn wir die Abreise zu den Sardak noch einen Tag verzögern mussten - Krathus nun zu kleine Rüstung musste angepasst werden und die Schuppen in unsere Rüstungen und Kleidungsstücke eingearbeitet werden, etwas, wofür wir die Hilfe eines Drachen brauchen würden. Wenn es nach mir ging, die von Al’Chara - eventuell konnte sie uns noch weiteres über die Natur der Schuppen verraten, wenn man Posetines ungewöhnliche Herkunft bedachte. Unterbrochen wurden wir lediglich von einer… Taube? Sie kam ins Zimmer und sprach von Preisen, die vergessen wurden. Offenbar aus dem Kubus. Das hatte unangenehme Implikationen. Wusste die Taube, wer den Kubus nutzte? Und stand sie damit in seinen Diensten? Wenn ja, war alle Heimlichtuerei unnötig. Darüber hinaus kam mir ein weiterer, beunruhigender Gedanke: Der Rote hatte uns offensichtlich beobachtet und auch, wenn er derzeit keinen Grund haben mochte, die anderen drei zu beobachten - tat er das bei mir? Und wusste darüber schon längst Bescheid? Unglücklicherweise war die Taube sofort wieder verschwunden und die Überlegungen mussten spekulativ bleiben. Ich beschloss, die Heimlichtuerei weiter mitzuspielen, bis es einen eindeutigen Beweis gab, dass der Rote von der Flucht aus dem Kubus wusste. Krathus war davon weniger überzeugt. Verständlich, hießt es doch, dass er nicht zu seiner Mutter konnte. Als Friedensangebot bot ich ihm an, seine Rüstung beim Schmied vorbeizubringen, während ich zur Akademie ging und Angstrum abholte. Leider beschlossen Ralkarion und Garret, dass die drei besser im Raum warten würden, das Reden würde also wieder mir überlassen werden müssen. Wie schon gesagt: Praktisch, aber es gefiel mir nicht… ich machte mich auf den Weg.
Nach dem Abstecher zum Schmied ging ich geradewegs zur Akademie und erspähte Chrylax auf dem Dach, allerdings reagierte er nicht auf mein Rufen. Also stieg ich die Treppen hinauf, wurde aber enttäuscht - Angstrum war nicht unter den Schülern, was ich trotz deren eher unförmiger, aber feuerfester Kleidung erkennen konnte. Ich wandte mich also direkt an den Professor und fragte ihn nach dessen Aufenthaltsort. Chrylax reagierte wie gewohnt ungehalten mit dem Versuch eines Feuerballs, doch auch in diesem Fall hatte mich die Erfahrung einiges gelehrt und ich ließ den Feuerball sehr zu seinem und dem Verblüffen seiner Schüler mit einem Gegenzauber wirkungslos verpuffen. Was unter den Schülern großen Eindruck machte, worin ich eine Chance sah. Ich lächelte, als ich Chrylax ansah und erzählte, dass ich seinen Schülern den Gegenzauber beibringen würde, wenn er mir nichts erzählen würde. Seine Antwort bestand in einem kleinen Feuerzauber, der aber dermaßen schlecht gezielt war, dass es mir keine Mühe bereitete, auszuweichen. Mich an die Schüler wendend begann ich mit den Grundlagen. Das hatte nun endlich einen Effekt und Chrylax erzählte zumindest, dass Angstrum schon seit einer Woche nicht mehr hier gewesen war, er aber mehr nicht wüsste. Angesichts seiner Art glaubte ich ihm und wand mich stattdessen an die Schüler, ob sie etwas gesehen hatten. Eifrig, den Gegenzauber zu lernen, rauchten ihre Köpfe und immerhin konnten sie sich daran erinnern, dass Angstrum davon erzählt hatte, dass er ein Nest bauen würde. Nest. Hatten die anderen nicht etwas von Angstrum und Melody erzählt…? Die Schüler wussten zwar nicht wo, doch einer brachte mich durch den Zwischenruf, dass man Nester auf Türmen baute auf einen Gedanken. Immerhin war sein altes Zuhause echt hoch oben… Ich bedankte mich bei den Schülern und machte mich an den Abstieg. Ich würde demnächst wohl mal eine Unterrichtsstunde zu Gegenzaubern halten müssen - wenn wir es nicht schafften, die Akademie zu schließen, natürlich.
Ich holte die anderen aus dem Compound ab, die meine Auffassung, dass Angstrum möglicherweise mit Melody nach Azoicström gezogen war, teilten. Und selbst wenn nicht - wir hatten ohnehin noch einen Tag Zeit, Krathus sollte nicht ohne Rüstung zu den Sardak mitkommen. Auch hatten wir mittlerweile beschlossen, dass es vermutlich am sinnvollsten wäre, Ralkarion den Nexus zu überlassen. Es würde das Potential einer Machtdemonstration bei den Sardak eröffnen und die Verhandlungen möglicherweise erleichtern. Auch Krathus freute sich wie ein kleines Kind auf den Nexus, da auch sein Banner aufgeladen werden sollte. Natürlich blieb die Ungewissheit, ob Angstrum den Nexus abgeben würde, aber wir waren uns relativ sicher, dass der Fakt, dass der Nexus ein riesengroßes Fadenkreuz auf ihn pinselte, ihn letzten Endes überzeugen würde und so machten wir uns auf den Weg zum Teleportzirkel.
Auf dem Weg dorthin wurden wir Zeuge einer eher unschönen Szene. Garret machte uns auf eine kleine Explosion in einem Laden aufmerksam, aus dem gleich darauf zwei Männer traten. Ein kurzer Wortwechsel machte deutlich, dass es sich um Schüler der Akademie handelte, die mittels Magie den Besitzer bestohlen hatten. Widerlich, dieser Missbrauch von Macht. Ich überlegte, ob wir etwas dagegen unternehmen sollten, doch schlussendlich hatten wir gerade andere Prioritäten. Vielleicht, wenn wir zurück waren.
Der Teleport verlief ereignislos, Ralkarion schien es besser und besser zu beherrschen, der Teleportzirkel in Azoicström hatte sich allerdings verändert und war kaum anders als als gewaltiges Nest zu beschreiben. Und als hätte es noch Bestätigung gebraucht, stand im nächsten Moment Angstrum nur im Lendenschurz vor uns und begrüßte uns wie gewohnt wortgewandt, bevor er von einem Arm von der Tür weggezogen würden. Ich folgte ihnen und es wurde klar, dass wir ihn und Melody wohl bei gewissen Aktivitäten unterbrochen hatten. Ich grinste. Die beiden waren schon süß zusammen.
Es kostete etwas Mühe, Angstrum davon zu überzeugen, den Nexus abzugeben, doch mit Melodys Mithilfe schafften wir es letzten Endes und wurden von Angstrum direkt dorthin transportiert. Erneut war Melody eine große Hilfe, da Angstrums Versuch, sich vom Nexus zu lösen, entschieden zu halbherzig war, woraufhin sie mit einem Zauber nachhalf, natürlich nicht ohne sich im Vorfeld bei ihm dafür zu entschuldigen. Ralkarion nutzte die erzwungene Pause, um mir nun Fragen zu meinen letzten Wochen zu stellen. Ich bemühte mich nicht zuletzt Krathus zuliebe, es möglichst kurz zu halten und erklärte es. Als sie mich kennengelernt hatten, hatte ich aufgrund von naiven Vorstellungen von Heldentum meine dunklere Seite unterdrückt. Nachdem dieser Teil meiner Seele beim Übertritt aus der anderen Welt hinaus aus mir herausgerissen worden war, war ich von meinen dunklen Impulsen überwältigt. Krathus stellte ganz richtig fest, dass ich deswegen immer so wütend gewesen war - jahrhundertelange Unterdrückung dieses Teil meiner Selbst hatten enorme Wut angestaut. Erst die Hilfe von Arem und seine angeleiteten Meditationen in seinem Heimatdorf hatten dazu geführt, dass ich mit dem anderen Teil meiner Seele wiedervereint war und gelernt hatte, mich als das zu akzeptieren, was ich war. Kein Held. Kein Bösewicht, Sondern schlicht und einfach ich, im Guten wie im Schlechten.
Wie Ralkarion feststellen musste, äußerte sich das auch in meinem Humor. Als Krathus sein Banner aufgeladen hatte und die Zeit gekommen war, dass Ralkarion sich mit dem Nexus verbinden würde, ließ ich hinter ihm die Illusion von Kissen entstehen, daran denkend, wie bisherige Versuche verlaufen waren. Auch Garret erinnerte sich daran und machte sich bereit, ihn aufzufangen. Das schlug jedoch grandios fehl, als er den zurückgeschleuderten Ralkarion verfehlte und dieser Saltos schlagend in die Illusion von Kissen gegen die Wand krachte. Kurz vorher sah ich ein Aufblitzen in Ralkarions Augen, das deutlich machte, dass er die Kissen als Illusion enttarnt hatte, was den Moment nur noch perfekter machte. Während Krathus und Garret unter Mühe ein Grinsen unterdrücken, bog ich mich vor Lachen. Als ich allerdings sah, dass ihn der Aufprall härter getroffen hatte, als gedacht, riss ich mich zusammen und versorgte seine Verletzungen. Dennoch - das war es wert gewesen. Nicht alle Wunden ließen sich jedoch so leicht versorgen. Aus seinen Augen tropfte Blut, wenig zwar, aber stetig. Wirklich merkwürdig war allerdings, dass es davor schweben blieb. Ein weiteres Problem? Ein paar Tests später war klar, dass es vermutlich über das Wirken entsprechender Zauber unter Kontrolle halten ließ. Eine weitere Theorie war, das Ralkarions Körper schlicht zu schwächlich war, um die Energien des Nexus ohne Nebenwirkungen zu nutzen. Ich schlug dennoch vor, Al’Chara zu konsultieren. So angewidert sie von Blutmagie war, so verstand sie doch eine ganze Menge davon.
Die Rückkehr aus dem Nexus erwies sich jedoch als komplizierter als gedacht, da am Ausgang nun ein weiterer Bugbear aufgetaucht war, der nicht begeistert von unserer Anwesenheit war. Es kostete etwas Überredungskunst, ihn zu überzeugen und das Endergebnis bekam ich nicht mehr mit, da ich plötzlich Krathus Hand an meiner Hüfte spürte und wir im nächsten Moment wieder in Melodys und Angstrums Nest standen. Anerkennend fragte ich ihn, seit wann er das könne. Noch nicht all zu lange, offenbar, allerdings erzählte er mit Begeisterung die Geschichte, wie er mit diesem Zauber Ralkarion hoch in die Luft auf sein fliegendes Yak teleportiert hatte als Rache für, wie er fand, respektlose Kommentare. Ich grinste erneut. Ralkarion hatte offenbar nicht nur unter meinen Späßen zu leiden…
Wenig später erschienen auch Ralkarion und Angstrum, abgeholt von Krathus, der mir einen Shrimp in die Hand drückte und mich warnte, dass ich es nicht essen sollte, das würde weh tun. Es stellte sich heraus, dass Ralkarion statt der Unsichtbarkeit diesmal zu einem Polymorphzauber gegriffen hatte um Garret in diese Form zu zwängen als Rache für eine Ohrfeige. Die Interaktion hatte Ralkarion offenbar widerstandsfähiger gegenüber Angriffen gemacht, was Garret natürlich ausprobieren musste. Wirklich reuevoll wirkte er nicht, als ich den Shrimp auf den Boden klatschte und daraufhin Garret in seiner eigentlichen Gestalt wieder erschien.
Angstrum machte sich nun jedoch Sorgen um die Verteidigung von sich und Melody ohne den Nexus. Im folgenden Gespräch kamen wir auf die Kobolde des Roten - und einen gewaltigen Fehler Angstrums. Er druckste zunächst allerdings herum. Fand ich das normalerweise eher putzig, war es bei diesem Thema völlig unangemessen. Wir brauchten klare Antworten von ihm, ohne seine übliche Redseligkeit. Ich beschloss, ihm zu diesem Zweck einen Schrecken einzujagen und die Ernsthaftigkeit der Situation zu demonstrieren. Melody griff zwar beruhigend ein, als ich nach Angstrums Kehle griff, doch die Geste hatte ihren Zweck erfüllt. Angstrum berichtete für seine Verhältnisse ziemlich schnörkellos, wie er die Kobolde, die hier gewesen waren, einfach hatte umkehren lassen mit dem Versprechen, niemandem etwas davon zu erzählen. Kobolde, die wohl ein Fernrohr dabeigehabt hatten. Ich seufzte. Vermutlich hatte der Rote also so vom Nexus erfahren. Allerdings hatte niemand etwas von weiteren Schuldzuweisungen, also ließ ich Angstrum los und bat um Entschuldigung für meine Grobheit. Letzten Endes hatte sich unsere Situation dadurch auch nicht geändert - wir waren ohnehin davon ausgegangen, dass der Rote die Position des Nexus kannte.
Da hier damit alles erledigt war, verabschiedeten wir uns und teleportierten zurück nach Zoica, um dort den Rest des Tages abzuwarten. Auf dem Weg zum Compound begegneten wir erneut zwei Schülern der Akademie - und auch diese hatten offenbar gerade mit magischen Mitteln einen Händler um seinen Verdienst gebracht. Schon wieder. Vielleicht wurde es Zeit, das Biest loszulassen… so postierte ich mich mit verschränkten Armen in ihrem Weg. Versuchten sie anfangs noch einfach, an mir vorbeizugehen, weiteten sich ihre Augen kurz darauf, als ich meine Augen und Goldsträhnen schwarz werden ließ und meine Adern schwarz hervortraten, während ich ihnen befahl, damit aufzuhören - oder sonst… Die Angst in ihren Augen verschaffte mir eine gewisse Genugtuung und die Hoffnung, dass zumindest diese beiden ihre magischen Fähigkeiten nicht mehr derart missbrauchen würden. Dennoch, eine Lösung musste gefunden werden - vielleicht könnten wir uns den Rest des Tages damit beschäftigen? Bis dahin begnügte ich mich, den beiden Davonhüpfenden noch eine kaum verhohlene Drohung hinterherzurufen, sollten sie das noch einmal versuchen. Wer ihnen wohl die Schnürsenkel zusammengebunden hatte - Garret oder Krathus? Netter Einfall, jedenfalls.
Ralkarion war wenig überraschend wohl ein wenig entsetzt von dieser Seite von mir. Nun, ich hatte ihn gewarnt und offenbar hatte er auch kein gesteigertes Interesse daran, sich darüber zu streiten, was mich doch sehr erleichterte. Im Compound angekommen, mussten wir jedoch feststellen, dass Krathus abhanden gekommen war. Ich verfluchte mich dafür, so unaufmerksam gewesen zu sein. Da wir uns ungefähr denken konnten, wo er hin verschwunden war, dürfte sich der Schaden hoffentlich in Grenzen halten - zumal es immer deutlicher wurde, dass wir uns ohnehin nicht lange vor dem Roten verstecken können würden…