Tagebuch: Rhona
Sitzung 3
Als ich morgens aufstand, schliefen die anderen noch, daher schlich ich mich raus und begann meine Übungen. Konnte nicht schaden… schließlich würde uns unser Weg heute vielleicht zu diesem beschissenen Ort namens Drakkenheim führen. Und es würde meinen Kopf von Gedanken frei halten. Nach einer Weile kamen, Mum, Rhyia und Carolyn heraus und wir machten uns auf den Weg zum Frühstück. Nach meinen gestrigen Erfahrungen hatte ich eigentlich wenig Lust, den Betrügern aus dem Bark & Buzzard noch mehr Geld in den Rachen zu schmeißen, daher schlug ich vor, woanders zu essen. Hatte ja große Lust aufs Skull & Sword, aber die anderen waren da nicht für zu haben. Auf Nachfrage erklärte ich ihnen, was gestern passiert war - worauf Rhyia gestand, dass sie dafür verantwortlich war. Das Mum beanspruchte, zu wissen, was am Besten für mich sei, okay, ist halt Mum. Aber dieses Leichtgewicht, dass nie trank und folglich nicht den Hauch einer Ahnung hatte, was zu viel war und was nicht, wollte jetzt darüber entscheiden, was ich abends tat und was nicht? Im Leben nicht. Ich fauchte sie an, dass sie das gefälligst lassen sollte und stapfte zum Bark & Buzzard, die anderen hinter mir lassend. Dort eintretend machte ich dem Barkeeper erstmal klar, dass er mich als Kunden verlieren würde, wenn er Rhyia sowas nochmal durchgehen ließe, dann setzte ich mich mit dem Frühstück an den Tisch. Gab dasselbe wie gestern, verschwendet wurde hier echt nix.
Als die anderen eintraten, war mein Zorn bereits verraucht. Klar, war scheiße, was Rhyia da abgezogen hatte, aber ich kannte sie ja - sie hatte keine Ahnung, wie gewöhnliche Leute tickten, aber hatte aus ihrer Sicht stets die besten Absichten. Keine gute Kombination, aber auch keine, die ich ihr wirklich anlasten konnte. Ich nahm mir vor, sie bei Gelegenheit mal davon zu überzeugen, mal ein paar Tage abseits der Kirche zu verbringen. Das Fußvolk kennenzulernen, sozusagen. Dann wurde das weitere Vorgehen besprochen. Ich ließ es zu, dass sich mein Kopf teilweise auf Arbeitsmodus umstellte. Hoffte, dass die Gedanken nicht wieder kämen und hatte Glück. Uff. Klar war erstmal, dass wir uns am Mittag dann das Buch zur Handhabe von Delerium besorgen würden und dann möglichst in Bälde nach Drakkenheim aufbrechen würden, unseren ersten Abstecher allerdings ohne Auftrag. Aufträge bekam man schließlich erst, wenn man sich bewiesen hatte, wie uns nun schon mehrfach gesagt wurde.
Da bis dahin noch Zeit blieb, beschloss ich, der örtlichen Schmiede einen Besuch abzustatten. Die Preise hier waren gesalzen, vielleicht konnte ich mir dort ein bisschen was dazuverdienen, indem ich aushalf. Aus irgendeinem Grund beschlossen die anderen, ebenfalls mitzukommen, so dass ich dort mitsamt Anhang aufkreuzte. Nachdem ich Emma kurz zuwinkte, die durch die Tür lugte und die zur Schau gestellten Rüstungen und Waffen begutachtet hatte (die von bemerkenswert guter Qualität waren), sprach ich mein Vorhaben bei dem Schmied an. Zu meiner großen Zufriedenheit schien er sehr angetan davon zu sein, eine weitere helfende Hand zu haben und wenngleich ich mir keinen Verdienst erhoffen konnte, würde ich doch kostenlos die Schmiede nutzen können und für eventuelle Reparaturen die Materialien bekommen, wenn ich im Gegenzug mit diversen Aufträgen aushalf. Dann zeigte der gute Crowe noch seine geschäftliche Seite und ich bog mich innerlich vor Lachen, als er unsere Rüstungen als mehr schlecht als bezeichnete, was besonders Rhyia mit ihrer sinnlos auf Hochglanz polierten Rüstung sauer aufstoßen musste. Wobei, zugegeben, n bisschen sauberer könnte meine schon sein. Außerdem kam im weiteren Gespräch heraus, dass dieser Komet offenbar auch ein seltenes Erz in sich trug, dass er sehr gerne haben und schmieden würde. Ganz verträumt wurde sein Blick dabei - der eines Mannes, der seinen Job liebt nunmal. Er erwähnte zwar auch, dass an selbiges wohl an Aldor den Immensen verkaufen könne, aber das war für mich nach dieser Liebeserklärung an sein Handwerk keine echte Option.
Nach diesem erfreulichen Intermezzo ging es zum Markt, wo wir nicht nur das viel zu ausführlich geschriebene Buch - na ja, Faltzettel - zum Behandeln von Delerium erstanden, sondern gleich noch eine kleine (Carolyn) und mittelgroße (ich) Bleikiste zum Transport derselben. Ansonsten stellte es sich heraus, dass wir diesbezüglich bereits erstaunlich gut ausgestattet waren, daher deckte ich mich noch mit Vorräten ein. Konnte ja nicht schaden, gerade hier.
Da es mittlerweile schon nachmittags war, beschlossen wir, lieber morgen erst aufzubrechen. Sehr zu meiner Freude… ich hatte keinesfalls vergessen, dass heute Abend in der Gilded Lily eine Talentshow stattfand, die einiges an Spaß verhieß. Auch wenn die anderen nicht so versessen darauf waren… Wunder über Wunder… aber immerhin begleiteten mich mal wieder alle (irgendwie kam ich mir heute vor wie eine Glucke mit Küken) in den Wald, um einen Baumstamm für meine Showeinlage zu organisieren. Als wir zurückkamen, sahen wir direkt einen großen Menschenauflauf. Offenbar war mal wieder ne Abenteurergruppe zurückgekommen… so what. Dann allerdings erspähte ich eine Person, die ich hier nicht erwartet hätte, über deren Anblick ich mich aber sehr freute. Obedaius! Der Zwerg hatte sich offenbar einer Abenteurergruppe hier angeschlossen, nachdem sich unsere Truppe damals aufgelöst hatte. Wie es aussah, eine sehr erfolgreiche Abenteurertruppe (wie wir später erfuhren, nannten sie sich die „Chaoskumpanen”). Ich ließ den Stamm fallen und watete durch die Menge, seinen Namen rufend. Er erkannte meine Stimme sofort und kam offenbar ebenso erfreut auf mich zu. Ein freundschaftliches Gerangel später lag er im Schlamm und ich half ihm lachend auf. Man, das tat gut… dann stellte er mir und den Mädels seine Truppe vor, einen recht schick gerüsteten Menschen namens Wan, offenbar der Anführer, einen gewaltigen Goliath, seines Zeichens offenbar Magier, und Rin, eine Halbelfe der man auf den ersten Blick ansah, dass sie ähnlich großes Selbstbewusstsein wie Carolyn hatte. Nach Mums üblicher Art, mir „Manieren beizubringen”, stellten auch wir uns vor, dann zog ich mit Obedaius und Rin (letztere mehr oder minder gegen ihren Willen) Arm in Arm in Richtung Skull & Sword ab, um ein bisschen in alten Zeiten zu schwelgen. Außerdem kam ich so auch noch in das Vergnügen, diese Kneipe kennenzulernen, deren Eingang ein Totenkopf auf einem Speer bewachte und der traditionell wohl von jedem begrüßt wurde, der hier zu Gast war.
Die Kneipe war dreckig, mit billigem Bier und voller rauflustiger Gestalten. Anders gesagt, genau nach meinem Geschmack. An solchen Orten wirkte die Welt irgendwie… ehrlicher, einfacher, so paradoxonal (oder wie das Wort auch heißt) das auch klang. Nach einiger Zeit stießen auch die anderen aus unseren Gruppen dazu, sie hatten mittlerweile wohl ihr eigenes Bonding betrieben. Ups, dabei hatte ich völlig vergessen, das Rin mit am Tisch saß. Nun, jetzt hatte sie ja Carolyn zum gemeinsamen Schweigen. Die beiden wären bestimmt ein süßes Paar… allerdings ging es recht schnell ins Geschäftliche über. Das Treffen mit Obedaius stellte sich als ein echter Glücksfall heraus. Nicht nur erfuhren wir einige recht interessante Dinge über die Fraktionen und die Umgansgweisen in Drakkenheim, sondern auch einen Tipp, dass wohl einige Abenteurer etwas gefunden hatten, aber nicht zurückgekommen waren. Natürlich hatte Rhyia wieder Platitüden über Leichenschändung, aber ich konnte nix Schändendes daran finden, wenn man etwas Wertvolles fand, dass diese nicht mehr benötigten und ihnen ohnehin nicht so recht gehört hatte. Zu scharf waren ihre Einwände allerdings auch nicht, schien wohl insgesamt ganz okay mit der Situation zu sein und so beschlossen wir kurzerhand, morgen sehr früh aufzustehen, um einen Vorsprung vor der Konkurrenz zu haben.
Doch zunächst war da noch die Show heute Abend, zu der ich die Chaoskumpanen prompt einlud. Obedaius hatte sich da ne nette Truppe zusammengesucht. Während Obedaius Feuer und Flamme war, als ich ihm die alte Show versprach, lehnten die anderen dankend ab. Nun ja, wer im besten Hotel des Dorfes schlief, hatte vermutlich genug Entertainment.
So verließen wir gemeinsam mit Obedaius das Skull & Sword zur entsprechenden Zeit zur Gilded Lily, wobei ich vorher noch den Baumstamm einsammelte. Würde ich ja brauchen und trotzdem sich die Gilded Lily tatsächlich als einer dieser Schickimicki-Läden herausstellte, ließ man mich ein ohne Fragen zu stellen. Offenbar war man hier dann doch einiges gewohnt, was ein Blick übers Publikum bestätigte. Deutlich bunter als erwartet. Vielleicht würde die Show doch verfangen, hatte schon meine Zweifel bekommen. Die Vorführung begann, einige waren recht talentiert, andere hingegen… nicht. Dann war ich dran. Rhyia raunte mir noch was Heiliges zu, nun, nett von ihr, ob ich nun an das Zeug glaubte oder nicht. Dann begann ich, zog die ganze Show ab, inklusive Freiwilligem, der den Baumstamm nicht anheben konnte mit anschließendem Wurf, der ganze Kladderadatsch halt. Kam erstaunlich gut an und am Ende des Abends hatte ich meine Auslagen für den Proviant wieder raus. Bingo. Doch dann hieß es, sich ins Bett zu begeben, der nächste Tag würde anstrengend und gefährlich werden. Damit nahm ich auch erstmal Abschied von Obedaius, aber den würde ich jawohl noch wiedersehen. Während wir gingen, fing ich plötzlich an zu Grinsen. Ich hatte ne Idee für die nächste Show, dafür würde es allerdings Obedaius brauchen…
Am nächsten… nun ja, nenne wir es einfach mal Morgen statt „mitten in der Nacht” standen wir auf, legten die Rüstungen an und zogen los. Unterwegs zog ich Rhyia noch beiseite und bat sie eindringlich darum, sich bei einem eventuellen Kampf im Hintergrund zu halten, statt wie letztes Mal reinzurennen. Mehr als wir anderen brauchten wir sie stehend.
Je näher wir der verfluchten Stadt kamen, desto größer wurde meine Anspannung. Immerhin - die jahrelang antrainierte Disziplin funktionierte noch, mein Kopf war vollkommen klar, arbeitete wie er sollte und hielt jeden ablenkenden Gedanken fern. Was mich doch sehr erleichterte…
Wenig später blickten wir von einer Anhöhe auf Drakkenheim. Der Anblick hatte nichts von seiner Scheußlichkeit verloren, doch was half es - wir würden herein. Die anderen hatten davon gesprochen, dass wir in die Innenbezirke nur kommen würden, wenn uns eine der Fraktionen durch ihr Tor ließe, sich hereinzuschmuggeln wäre ausgesprochen gefährlich. War das der Grund warum Vater…? Ich würgte den Gedanken sofort wieder herunter. Konzentration, Rhona… jedenfalls lag unser Ziel glücklicherweise in einem der Außenbezirke.
Tatsächlich war es dank der Beschreibung von Wan schnell gefunden, doch damit hatte unser Glück ein Ende, denn es wurde von 6 Wesen bewacht, die dem, in welches sich Rickard verwandelt hatte, nicht unähnlich waren. Erstaunlicherweise mussten wir tatsächlich erst überlegen, ob wir diese ausschalten würden - ich hätte nicht gedacht, dass das angezweifelt werden könne. Wenn wir hier Erfolg haben wollten, würden wir gewisse Risiken eingehen müssen, was wir letzten Endes auch taten.
Ich muss zugeben, die Viecher schlugen sich besser als gedacht und explodierten zu allem Überfluss, wenn sie starben… widerlich. Jetzt würde ich Rhyia wohl beim Rüstung polieren Gesellschaft leisten müssen. Allerdings schlugen wir uns aus meiner Sicht ziemlich gut für die paar Tage, die wir nun gemeinsam unterwegs waren und konnten wenig später die Kiste in Augenschein nehmen. Leider nicht ungestört - eine weitere Gruppe aus 3 Personen hatte ihr Auge darauf geworfen und schien nicht viel davon zu halten, als ich eine alte Regel der Schatzsucher rezitierte: Der Schatz gehört dem, der ihn zuerst erreicht. Sie entblödeten sich tatsächlich nicht, zu behaupten, sie hätten sie ja zuerst gesehen. Die Situation drohte zu eskalieren, Mum zeigte erstaunlich mangelhafte Skrupel und Rhyia versteigerte sich gar zu einer Todesdrohung im Namen des Gesetzes, was mir entschieden zu weit ging. Ihre übertriebene Begeisterung für Glauben und gesetzlich sanktionierte Exekutionen würde uns nochmal richtig in die Scheiße reiten, wenn sie so weitermachte. Die ganze Situation erinnerte ohnehin schon unangenehm an die, nach deren Ausgang ich Rhyia zum ersten Mal getroffen hatte. Aus der sie uns dann gerettet hatte. Welch Ironie…
Meine Gedanken rasten unangenehm schnell. Ein weiterer Kampf war das letzte, was wir jetzt brauchten. Wer auch immer daraus siegreich hervorging, der Lärm würde weitere von diesen Monstern anlocken, die dann mit den geschwächten Überlebenden leichtes Spiel hätten und nichts wäre gewonnen. Daher machte ich das Angebot, den Schatz mit ihnen zu teilen. Die anderen waren davon natürlich überhaupt nicht begeistert - ich ja auch nicht, aber wir hatten aus meiner Sicht kaum eine andere Möglichkeit und ich atmete erleichtert auf, als alle zustimmten, sich an einen sicheren Ort zurückzuziehen und dort die genauen Bedingungen auszuhandeln.
Als wir die Kiste öffneten, war dies jedoch gar nicht mehr nötig. In der Kiste war nicht das erhoffte Delerium, sondern ein metallenes Etwas, fast wie eine Art riesiges Insekt. Während ich noch laut überlegte, dass man es schlicht verkaufen und den Gewinn verteilen könne, hatte die andere Gruppe bereits jegliches Interesse verloren, offenbar wollten sie nur Delerium. Ihr Verlust, ich konnte mit dieser Entwicklung gut leben. Wobei die Frage war, ob wir es verkaufen würden, denn Mum schien ein merkwürdiges Interesse an der Kreatur zu zeigen, versuchte gar, es wieder in Gang zu bringen. Vielleicht würde ein Haustier, sogar ein mechanisches ihr gut tun, um sich etwas normaler zu benehmen?
Oh man. Jetzt klang ich schon wie sie, zumindest wie die Halbling, die sie vor dem Kometeneinschlag gewesen war…
Sitzung 2
Leider zu spät, denn noch bevor ich dort war und das neu entstandene Monstrum festsetzen konnte, hatte dieser bereits mit seiner Tentakel Ludwig gepackt und mit solcher Wucht zu Boden geschleudert, dass sein Kopf unnatürlich zur Seite stand. In der vergeblichen Hoffnung, dass Rhyia vielleicht etwas für ihn tun konnte und um Endra zu beschützen, rammte ich Ex-Rikard mit der Schulter, so dass er ein paar Schritte zurückstolperte und setzte nach, um die beiden aus seiner Reichweite zu bekommen. Begreifend, dass hier nichts mehr zu retten war, halbierte ich ihn mit Hilfe meiner Kumpane (war spitze, wieder ne Gruppe zu haben, Spaßbremsen hin oder her) mehr oder weniger unabsichtlich, nachdem er Mum gepackt und einen üblen Treffer versetzt hatte.
Die anderen berieten und rätselten, was wohl mit Rikard passiert gewesen sein mochte, soweit ich das mitbekam. Ich hatte Wichtigeres zu tun. Ich hatte noch deutlich in Erinnerung, wie es war, einen geliebten Menschen zu verlieren und niemanden zu haben, der für dich da war, das wollte ich Endra ersparen und bugsierte sie mehr oder weniger sanft von ihren toten Kumpanen weg und versuchte, für sie da zu sein. Allerdings reagierte sie nicht groß auf mich, was aber okay war. Musste jeder trauern, wie sie es brauchten. Dummerweise stellte sich später heraus, dass ich dafür die denkbar ungeeignetste Person war, denn als es um den Umgang mit ihren gefallenen Gefährten ging, fing sie an in Zeichensprache zu kommunizieren und Carolyn übersetzte neben den Wünschen zur Beerdigung, dass Rikard ihr Ehemann gewesen war. Ich hatte also ihren Ehemann gespalten und dann versucht, sie zu trösten. Fantastisch. Ich gab daher Carolyn ein Zeichen, dass sie sich um Endra kümmern möge und begann stattdessen, das Grab für Ludwig auszuheben, während Mum und Rhyia die Brandbestattung von Rikard vorbereiteten, nebst Diskussionen darüber, wie man das Feuer heiß genug bekommen könne. Merkwürdig, womit Mum sich nun so beschäftigte.
Wenig später war alles bereit und Rhyia vollzog die letzten Riten. Es mochte selbstsüchtig sein, aber ich konnte nicht anders, als an vor 3 Wochen zu denken, als ich meinen eigenen Ziehvater beerdigte, weit weniger zeremoniell, als er es verdient hatte. Ich unterdrückte die Tränen, doch ich glaube, Rhyia bemerkte es trotzdem, sagte aber dankenswerterweise nichts. Allerdings hätte ich Günter am nächsten Morgen am liebsten durchgeschüttelt, als er aufwachte und so tat, als wäre nichts gewesen, selbst wenn er es tatsächlich verschlafen hatte. Stattdessen stieg ich gemeinsam mit den anderen schweigsam auf. Wir waren nicht mehr weit von Drakkenheim entfernt, diesem verfluchten Ort, an den ich Dad versprochen hatte, zurückzukehren.
Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass der Rest der Reise ereignislos verlief, doch die nächste Nacht brachte einen Traum mit sich. Einen erschreckend realistischen Traum. Ich war wieder 7 und mit Mum auf dem Weg zum Markt. Sie hatte mich natürlich gegen meinen Willen mit geschliffen, doch wenigstens stellte sich wenig später ein Musiker neben die Kiste, auf der ich warten sollte, und ließ mich mitmachen. Während mein 7-jähriges Selbst begeistert auf eine Triangel einschlug, färbte sich die Luft um mich herum plötzlich rötlich und ich sah zwei schemenhafte Gestalten, die sich mit mir zu unterhalten schienen, doch ich verstand kein Wort. Mum war auch keine große Hilfe, also ging ich näher heran. Dann war ich plötzlich selbst als Erwachsene mit im Traum und verstand nur das Wort „Oben”. Als ich herauf blickte, war dort der Meteor. Ich schrie auf, doch weniger vor Entsetzen als vor Schmerz, als sich Linien auf meiner Hand bildeten und sich dort zur mittlerweile vertrauten Rune zusammenfügten. Dann ein Schirm aus blauem Licht um mich herum, als der Meteor einschlug. Dann nichts.
Dann erwachte ich mit klopfendem Herzen und sehr verwirrt. Ich bemerkte, dass die Rune pulsierte und starrte sie einfach nur an. Ich erinnerte mich nicht an den Tag, als der Meteor einschlug, ich vermutete wegen dem Trauma, doch der Traum war so… realistisch gewesen. Mochte es sein, dass die Nähe zu Drakkenheim alte Erinnerungen weckte, wie Dad es gehofft hatte. Die anderen waren wohl von meinem Schrei geweckt worden und redeten auf mich ein, doch ich hörte kaum zu, war in meinen Gedanken gefangen. Erst Mum holte mich aus meiner Benommenheit, woraufhin ich allerdings begann, ihr Fragen zu stellen. Viel schien auch sie von damals nicht zu wissen, doch was sie sagte, schien die Vermutung zu bestätigen, dass es mehr als ein Traum gewesen war. Hatte der Scheißmeteor mir diese Rune verpasst? Oder sie nur erweckt? Man, das würde mir Kopfschmerzen bereiten.
Nach dem Frühstück brachen wir auf. Es gelang mir nach dieser Nacht nicht besonders gut, in meine übliche Unbekümmertheit hineinzufinden, so dass Rhyia bemerkte, wie nervös ich war, an diesen Ort zurückzukehren. Wir sprachen ein wenig darüber, ich ließ eine unvorsichtige Bemerkung darüber fallen, dass ich mich am Mörder von Dad rächen wollte. Rhyia war davon natürlich nicht begeistert und gab ihren Kirchensermon dazu wie Rache nichts bringen würde blablabla, doch was wusste sie schon von sowas.
In Emberwood angekommen hatte ich mich jedoch gefangen und war wieder mehr oder weniger ich selbst. Erinn bedankte sich recht herzlich für die Bewachung, bezahlte uns und gab uns den Tip, dass wir im Bark & Buzzard günstige Unterkünfte bekommen könnten, wenn wir erwähnten, dass er uns schickte. Der Mann wuchs mir immer mehr ans Herz. Während Mum, Carolyn und ich uns dorthin aufmachten, zog Rhyia mit Endra und Günter im Schlepptau Richtung Tempel ab. Wir hingegen wurden unterwegs von einem recht geschäftstüchtigem kleinen Mädchen abgefangen, dass uns für den „günstigen” Preis von einem Gold das Dörfchen zeigen wollte, was ich gerne zahlte. Tatsächlich gab es so einige nützliche Infos - unter anderem, wo die Hooded Lanterns stationiert waren, die mir sicher helfen konnten und außerdem, dass im Gilded Inn eine kleine Show geplant war, wo jeder sein Können zeigen konnte. Darauf hatte ich ziemlich Lust, Mum offenbar auch - sie wollte natürlich Bücher vorlesen. Zumindest in dieser Hinsicht war sie ganz die Alte und versuchte ständig, mich zum Lesen zu animieren, sie ließ nichtmal das Argument gelten, dass man ja schon wüsste, was man in Ruinen finden würde, wenn man vorher die Geschichte nachlas - das nähme doch jede Spannung weg. Im Lichte des Traumes konnte ich jedoch nicht anders, als zu überlegen, ob es nicht doch an der Zeit wäre, mir Dads Bücher näher anzusehen, die er mir für meine Rune gegeben hatte. Später. Jetzt war erstmal Zeit für wichtigere Dinge. Wir erreichten das Bark & Buzzard, wo wir auch wieder auf Rhyia trafen und ich bestellte nicht nur Räume, sondern auch Ale für jeden von uns, das uns als das Beste von Emberwood angepriesen wurde. Tatsächlich war es ziemlich gut, zu meiner großen Enttäuschung tranken Rhyia und Carolyn nichts davon. Bei Rhyia hatte ich es ja erwartet, aber Carolyn… jetzt waren es schon zwei in der Gruppe, die nicht wussten, wie man lebte. „Ein Leben ohne Fehler ist es nicht wert, gelebt zu werden”, hatte Dad immer gesagt. Die beiden waren immer so ernst, ließen irgendwie einfach nicht locker, egal, wie die Umstände waren… immerhin trank Mum mit und gemeinsam bekamen wir Carolyn dazu, ein wenig von sich zu erzählen. Sie hatte offenbar ein Zauberbuch gefunden, dass sie nach unvorsichtigem Umgang damit nicht loswurde und hörte seither Stimmen, aber konnte auch Magie wirken. Ihr Onkel hatte sie ausgebildet, stieß wohl aber jetzt an seine Grenzen, weswegen sie zur Akademie wollte… die geneuen Details entschwammen mir ehrlich gesagt, immerhin sollte das Ale von Rhyia und Carolyn nicht schal werden - es war wirklich sehr gut.
Während Carolyn immer mehr mit uns plauderte, ging plötzlich die Tür auf und eine Truppe von Abenteurern kam herein, offenbar reguläre Gäste, denn sie bestellten nur „das Übliche”, dann kamen sie auf uns zu und behandelten uns als Neulinge relativ von oben herab. Vermutlich hatten sie sich diesen Status verdient, es war nicht unüblich, dass man unter Schatzsuchern Frischlinge mit einem gewissen mitleidigen Hochmut betrachtete, ich nahm es ihnen also nicht krumm. Meine Begleiter schon eher. Ich nutzte die Gelegenheit und fragte sie, wo man hier Aufträge bekommen könne, was der Anführer - Frank - nur zu gerne beantworten würde… wenn einer von uns einen von ihnen sie in dem Spiel „Rattlecan” besiegte. Das klang nach Spaß, also meldete ich mich trotz Gegrummel und Gewarne meiner Gruppe nur zu gerne freiwillig. Wir gingen also alle nach draußen und um die Ecke, wo ein Figürchen mit einer Rüstung stand. Gewonnen hätte, wer als erster mit verbundenen Augen 3 Treffer landete. Okay, cool. Dann beging er einen Fehler, indem er mir die Wahl des Gegners überließ. Ich war mir ziemlich sicher, dass er am liebsten den Fleischberg, der Teil seiner Gruppe war, hätte antreten lassen, aber natürlich wählte stattdessen den eher schmächtigen Frank. „Großzügigerweise” ließ er mich zuerst antreten, was allerdings danebenging - die Rattlecan erwies sich als ziemlich schwatzhaft und ausweichend, so dass sie mich nach einer halben Minute ziellosen umherhauens ziemlich unsanft in die Ohnmacht schickte, aus der Rhyia mich wieder erweckte. Ich riss die Arme nach oben und jauchzte… das war ein Spiel nach meinem Geschmack! Frank hingegen schien nervöser vor seinem Versuch - wie sich herausstellte zurecht, denn schon der erste Schlag schickte ihn auf die Bretter. Würde mal sagen, ich hatte gewonnen. Schienen seine Leute von der Ivy League ähnlich zu sehen, denn sie erzählten, dass die Aufträge hier vor allem von den Fraktionen kämen. Mit dem Haken, dass man sich erst beweisen musste. Was wiederum hieß, dass wir zunächst auf eigene Faust losziehen und Delerium aus Drakkenheim mitbringen mussten. Ich erinnerte sofort an das Buch, dass uns beibringen würde, wie man sich beim Umgang mit Delerium Rikards Schicksal ersparte, doch die anderen hatten natürlich schon von selbst daran gedacht. Da es allerdings schon spät war und der Händler erst morgen erreichbar, gingen die anderen in die Scheune, die uns durch „ein Geschenk des Glaubens” für diese Nacht kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, während ich die… Vorzüge der Taverne auskosten wollte. Das Ale war einfach vorzüglich gewesen. Leider kostete der nächste Krug zwar weniger, schmeckte aber auch nach nichts. Klassische Verkaufstaktik, erst anlocken, dann das billige Zeug raushauen. Zu ihrem Pech war ich nicht betrunken genug, es zu merken. Musste mir mal überlegen, ob ich andere davor warnte, immerhin waren wir immer noch Gäste. Die folgenden Abende hier würde ich allerdings sicher nicht in dieser Taverne verbringen.
Nach diesem unerfreulichen Erlebnis machte auch ich mich auf den Weg ins Bett, ich war glücklicherweise angeheitert genug, dass mich meine Nervosität nicht daran hinderte, einzuschlafen und Kraft zu sammeln für unsere erste Expedition ins verfluchte Drakkenheim…
Sitzung 1
Wir waren spät dran. Erin Marlowe, unser Auftraggeber, hatte sich beim Mittagessen etwas zu ausführlich bedient. Na okay, wir würden auch gut 2 Wochen unterwegs sein, aber trotzdem… ich war begierig darauf, nach Drakkenheim zurückzukehren. Wurde verdammt nochmal Zeit - unfinished business. Warum Mum so unbedingt dorthin wollte, wusste ich immer noch nicht. Sie hatte sich irgendwie gar nicht und doch sehr verändert, womit ich nicht nur ihr Äußeres meinte. Aber hey, es waren 15 Jahre gewesen. Kann nicht behaupten, dass ich mich nicht verändert hätte. Und bei allen nervigen Eigenschaften, es war einfach nur schön, sie wiederzusehen. Gerade nachdem Dad…
Als wir mit dem Wagen um die Ecke auf den Marktplatz einbogen, erwartete mich dort eine weitere Überraschung… ich kannte eine der beiden Personen, die mit uns Eskorte spielen würden. Damit meinte ich nicht die junge Frau (ich schätzte sie auf etwa mein Alter), die ganz in schwarz gekleidet dort stand, sondern eher die gut gerüstete, die gerade mit ihren Blicken Dolche in ihr sichtbar schrumpfendes Gegenüber stach. Wusste zwar nicht, was genau passiert war, aber wahrscheinlich irgendwas Götterlästiges - bezweifelte, dass Rhyia schon den Stock in ihrem Hintern gefunden hatte. Ich freute mich trotzdem aufrichtig, sie zu sehen. Sie hatte sich damals als echt hilfreich und zuverlässig erwiesen, könnten wir gut brauchen. Ich meine, wir waren unterwegs nach fucking Drakkenheim.
Nach einer kurzen Vorstellung - die Frau in schwarz hieß Carolyn und war offenbar so ne Art Magierin, was Rhyias gute Laune erklärte - ging es endlich los. Wobei mir die Fahrt schon nach wenigen Minuten zu lang vorkam - Rhyia und Mum hatten schnell darüber gebondet, intime und peinliche Sachen über mich auszuplaudern. Als wäre ich wieder ein kleines Kind. War schon fast froh, als Erin einen unvorsichtigen Kommentar machte und ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Gab mir Gelegenheit, das Thema mit dem Angebot eines Kartenspiels zu unterbrechen, was ausgerechnet Rhyia annahm. Carolyn hingegen schien Spaß nicht zu mögen - ich nahm mir vor, sie in Emberwood mal in ne Taverne zu schleppen, vielleicht würde sie das n bisschen lockern. Meine steigende Laune erhielt allerdings noch einen Dämpfer, als Rhyia nach Dad fragte. Tat auch nach 3 Wochen noch verdammt weh, und würde es wohl auch weiterhin, also sagte ich ihr recht ruppig, dass er tot war. Im Nachhinein tat mir meine Ruppigkeit Leid, aber ich hoffte, sie hätte es mir nicht übel genommen, sie wirkte eher mitfühlend als beleidigt.
Im Verlauf der Woche lernte ich mich, mit allem zu arrangieren. Gab ja sonst auch nix zu tun. Bis dann eines Tages ein Typ auf dem Pferd vor uns stand, sich als Bogan vorstellte und uns freundlicherweise anbot, uns um ein paar Waren zu erleichtern und im Gegenzug freies Geleit zu lassen. Hatte schon genug mit solchen Typen zu tun gehabt um zu wissen, wo das enden würde, also sprang ich genau wie Rhyia und Mum ab, Hand am Schwert - und dann ungläubig zuhörend, wie Mum mit ihm verhandeln wollte. Okay, passte zu einem weltfremden Bücherwurm, der sie eben auch sein konnte, aber hätte ich jetzt nicht mit gerechnet. Rhyia offenbar auch nicht, sie murmelte Mum ständig zu, sie solle das lassen. Ich beeilte mich, hinterher zu kommen, konnte es nicht gebrauchen, ein weiteres Elternteil zu verlieren. Soweit kam es aber nicht, denn noch während einer der Banditen zu uns unterwegs war, um uns um Gold zu erleichtern, schossen die anderen beiden Gehilfen plötzlich auf den Wagen. Offenbar hatte Carolyn die Nerven verloren. War etwas, womit ich umgehen konnte, aber ich machte mir Sorgen um den Typen auf dem Pferd… wenn der los ritt, würde er uns einfach niedertrampeln. Ich stürmte daher los, verpasste dem Banditen vor uns noch im Vorbeigehen einen Hieb und sprang dann auf den Anführer zu und riss ihm vom Pferd, dass daraufhin davon raste. Er befreite sich und während die anderen sich um die Banditen kümmerten, hatte ich meinen Gegner gefunden. Einen nicht untalentierten Gegner, wie ich gestehen musste, aber unser aufeinandertreffen endete, nicht zuletzt dank einem erneuten aufflammen meiner Rune ohne mein Zutun, trotzdem mit einem gebrochenen Schädel seinerseits. Mich umsehend bemerkte ich, dass auch die anderen sich ihrer Gegner entledigt hatten und Mum bereits dabei war, die Leichen nach nützlichen Gegenständen zu durchsuchen. Gute Idee, also machte ich das auch und fand immerhin ein paar Goldmünzen.
Erst später fiel mir und uns auf, dass den Leichen wie durch Zauberhand plötzlich immer ein Auge fehlte. Hä? Wie war’n das passiert? Rhyia begann zu spekulieren, dass Mum vielleicht etwas damit zu tun haben könnte, aber das verbannte ich für mich sofort in das Fantasieland, aus dem diese Idee stammte.
Lange Nachdenken konnten wir ohnehin nicht darüber, da Caroyln uns plötzlich auf eine Bewegung aufmerksam machte und daraufhin ein weiterer Bandit aus dem Gebüsch trat und erstarrte. Er hatte sich den Ausgang offenbar anders vorgestellt. Ich überlegte nicht lange, raste auf ihn zu, packte ihn und schliff ihn zurück. Würde uns ein paar Fragen beantworten müssen, der gute Günther, wie er sich weinerlicherweise vorstellte. Unter den kaum verhohlenen Drohungen von Rhyia plauderte er panisch aus, dass die restlichen 6 Banditen ihr Camp nicht weit von hier hatten, was immerhin sein Leben rettete. Was auch immer das wert sein würde, Rhyia wollte ihn auf Teufel komm raus (hehe, Teufel) dazu verdonnern, sich ihrem Glauben anzuschließen. Meh, sie war halt ne Priesterin.
Wir kamen schnell darin überein, dass Camp dem Erdboden gleich- und die Straße damit sicherer zu machen. Wie genau, nun, das wurde ausgiebig diskutiert. Mum schlug vor, sich mit der Kleidung der Banditen zu tarnen, was ich anhand der offensichtlichen amna… anatam… körperlichen Unterschiede zwar merkwürdig fand, aber die anderen waren damit einverstanden und wie Mum mir in ihrer ganz eigenen Art verklickerte, müsste man ja nur ein paar Sekunden Verwirrung brauchen.
Tatsächlich hatte Günther vor Ort aber einen besseren Plan - er würde die anderen rauslocken und wir sie dann im Dunkeln überfallen. Gebongt. Ich nahm seine Fesseln ab und flüsterte ihm zu, dass er, sobald es losging, losrennen sollte. Jeder hatte ne zweite Chance verdient, und die sollte er doch bitte frei wählen, statt sich aus Angst irgendeiner Religion anzuschließen. Dann legten wir uns auf die Lauer.
Es dauerte zwar eine Weile, aber Günther machte seinen Job gut… etwa 10 Minuten kamen alle Banditen aus der Scheune heraus, Schubkarren und Fackeln in den Händen. Zwar erblickten sie entweder Rhyia oder Mum, doch da war es schon zu spät - Mum brachte sie irgendwie zum Leuchten und ich war schon mitten unter ihnen. Allerdings auch Rhyia und es war deutlich, dass sie zwar recht fähig war, aber der Kampf mit dem Hammer nicht ihre uneingeschränkte Stärke war. Es sah zwischendurch fast so aus, als würden wir sie verlieren, aber glücklicherweise rettete sie sich durch denselben Hokuspokus, mit dem sie auch mich schon wieder zusammengeflickt hatte.
Kurz darauf machten Mum und ich uns daran, die Leichen zu looten, während Carolyn und Rhyia sich die Scheune besahen. Vielleicht würden sie sich ja darüber mal ein wenig näher kommen… der Gedanke endete abrupt, als mir auffiel, dass den Leichen auch hier plötzlich wieder ein Auge fehlte. Ich stupste vorsichtig in die Augenhöhle. Nope, kein Trugbild. Buärks. Also informierte ich die anderen in der Scheune, die nebenbei einen Riesenbatzen Gold gefunden hatten. Bingo, Straße sicherer und schon dafür bezahlt worden, lief doch.
Wenig später stieß ein besorgter Günther zu uns, der uns mitteilte, dass Erin besorgt auf uns wartete. Hatten gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit verging. Günther war also nicht davongelaufen, sondern hatte sich Erins „Gang” angeschlossen. Auch cool, selbst wenn Rhyia natürlich wieder an ihren „Deal” erinnerte. Die Frau war wirklich null entspannt… aber halt zuverlässig. Reichte mir, aber Günther tat mir schon etwas Leid.
Die nächsten Tage verliefen wieder entspannter, bis uns erneut drei Gestalten entgegenkamen, diese aber eindeutig nicht in feindlicher Absicht. Zwei kleinere Menschen stützten einen verhüllten Hünen, der uns als Rikard vorgestellt wurde und trotz all seiner Kraft kaum laufen konnte. Er hatte wohl irgendeine Krankheit, sein Gesicht war halb verfault - Rhyia tat bewundernswerterweise ihr Bestes, ihm zu helfen, schien auch etwas zu wirken. Mum und ich teilten derweil unsere Rationen mit der ausgehungerten Truppe. Ludwig und Endra - so hießen Rikards Begleiter - erzählten, dass sie aus Drakkenheim kamen und dort Delerium gesucht hatten. Es war offenbar sehr schwer, dort Aufträge zu bekommen, bevor man welches zurückbrachte. Sie hatten auch tatsächlich welches gefunden, doch da sie es für unnötig befunden hatten, für eine Anleitung zur Handhabung des Minerals zu kaufen, war es schrecklich schief gegangen und Rikard schwer krank geworden. Nun wollten sie versuchen, Hilfe zu finden, die Kirche in Emberwood hatte sie abgewiesen. Rhyia war darüber sichtlich irritiert und bot an, die beiden mitzunehmen, sie würde die Kirchlinge schon überzeugen, ihnen zu helfen. Nett von ihr, und auch weder wir noch Ludwig und Endra hatten Einwände und so betteten wir uns gemeinsam zur Ruhe.
Zumindest für kurze Zeit, denn während meiner Wache bemerkte ich, wie Rikard plötzlich unruhig wurde. In Windeseile wuchs es sich zu einer Raserei aus und sein Gesicht verformte sich, der Arm, der nicht mehr als ein Tentakel gewesen war, kam zum Vorschein - vor meinen Augen verwandelte sich der Hüne in ein Monstrum. Laut rufend weckte ich die anderen und zog mein Schwert…