Layara E'Rua
Layara's Vater Aergrún ist ein Hochgestelltes Mitglied des Fi'Ra Ordens. Dieser lebt in Isolation zur Aussenwelt und ist Heimat eines Stammes von Elfen, die sich völlig ihrer magischen Natur hingeben. Ihre Überzeugung ist, dass das Feuer, in all seinen Ausprägungen, das Wesen der Existenz sei. Reinheit, Kraft und Erneuerung. Die Gemeinschaft lebt seit hunderten von Jahren nach den dogmatischen Schriften des Ordens.
Vor etwa 45 Jahren mussten sich die Isolationisten jedoch mit einer Bedrohung auseinandersetzen, derer sie alleine nicht Herr wurden. Der Gemeinschaft fehlte es nicht am Willen sich zu verteidigen, sondern schlicht an Masse. Aergrún wurde ausgesandt, um bei anderen Stämmen, und im Zweifel auch anderen Völkern, Unterstützung zu erbitten. Es dauerte zwar fast vier Jahre, doch am Ende konnte das Kurzzeitbündnis der Region die Gefahr zurückschlagen und das Leben nahm wieder seinen gewohnten lauf. Fast.
Auf seiner Suche stieß er auch auf eine Ort der Menschen, welcher sich der Verteidigung anschloss. Während seiner langen Zeit außerhalb der Mauern des Ordens und dem direkten Kontakt zu den sonst so verachteten anderen Völkern veränderte sich langsam seine Einstellung. Seit Jahrzehnten war kein Ordensmitglied so lange abseits der Gemeinschaft in der Welt tätig. Unvorbereitet erlag Aergrún der Versuchung, dem Verständnis und zuletzt auch der Liebe … zu einer Fremden. Wie es der Zufall wollte gebar sie mit dem Ende des Konflikts ein Kind, doch starb aufgrund von Komplikationen nur wenige Tage später.
Aergrún, der bis dahin beschlossen hatte den Orden verlassen zu wollen und somit als Ausgestoßener gebrandmarkt gewesen wäre, kehrte nun mitsamt seiner Tochter zurück. Zunächst schöpfte niemand verdacht. Doch als Layara älter wurde, war ersichtlich, dass sie kein Vollblut war. Als Halbelf war sie ab dem Kindesalter verachtenden Blicken, Vorurteilen und sogar blankem Hass ausgesetzt. Seine Stellung war, trotz dieses Frevels, so stark in der Gemeinschaft gefestigt, dass sie bleiben konnten. Fortan versuchte er ihr Leben so gut es ging positiv zu beeinflussen. Keine leichte Aufgabe.
Layara selbst hatte von kleinauf eine natürliche Begabung für Magie. Dies ermöglichte ihr stets mit den Vollblütern mithalten zu können. Ihre Erfahrungen mit Diskriminierung und auch Gewalt ließen sie jedoch stets die radikalen Ansichten der Elfen infrage stellen. Häufig war sie einsam und vergrub sich in der Bibliothek oder turnte auf den Dächern und Türmen der höheren Gebäude am Rande der Stadt herum, um einen Blick über die Mauern werfen zu können und von fernen und vor allem freundlicheren Orten dieser Welt zu träumen.
Als sie 48 wurde stand, wie jedes Jahr, eine Prüfung ihres Könnens an. Dabei handelte es sich der Doktrin des Ordens nach um einen Zweikampf der Magie. Schon früher hatte sie aufpassen müssen, da sich ihre Kontrahenten nur allzu gerne über die Regeln dieser Prüfung hinwegsetzten. Die offene Ablehnung wurde mit jedem Jahr schlimmer. So dass diese Ereignisse mehr und mehr dazu genutzt wurden ihr mit Billigung des Ordens nun auch körperlichen Schaden zufügen zu können. Bisher hielt sie sich wacker und war ihren Opponenten stets über. Diesmal war es jedoch deutlich schwerer. Lange dauerte die Auseinandersetzung und sie zog viele Schaulustige an. Layara gehörte zu den zwei mächtigsten ihres Jahrganges, was leider keine Anerkennung unter ihren Mitstudenten fand, und ihr Gegner war der Andere.
Irgendwann geriet alles außer Kontrolle. Eine heftige Explosion fegte die beiden Kämpfenden von den Füßen, die Druckwelle schlug selbst einige Zuschauer um und ließ in einem weiten Bereich empfindliche Keramik und Glas zerspringen. Layara spürte einen stechenden Schmerz durch ihren Körper fahren, als dieser kurzerhand rückwärts auf dem Boden aufschlug. Mit dem Aufprall barst eine Welle aus purer ungezügelter Energie aus dem Boden um sie herum, welche sich in Millisekunden in einem Strahl gen Himmel entlud. Aufgrund des einhergehenden blendenden Lichtblitzes kniff sie ihre Augen zusammen. Für eine Sekunde war da ein Gefühl, als ob sie das Bewusstsein verlieren würde. Doch passierte es nicht.
Als sie ihre Augen einen Moment später vorsichtig öffnete, war das Licht verschwunden. Eine gespenstische Stille umgab sie. Ihre Sinne fügten sich langsam wieder zusammen. Beinahe willkürlich schien sie ihre rechte Hand zu einer Faust geballt zu haben. Nur einen Augenblick später realisierte sie jedoch, dass sie etwas darin eingeschlossen hielt. Das konnte aber gar nicht sein. Erst jetzt fiel ihr auf, dass es noch immer still war. Vorsichtig richtete sie sich unter Schmerzen auf und blickte sich um. Alle starrten sie entgeistert oder angsterfüllt an. Ihr Gegner lag bewusstlos in einiger Entfernung.
Erst als Aergrún angerannt kam, um sich um seine Tochter zu kümmern, löste sich die Stille. Murmelnd fingen die Massen an sich zu bewegen. Heiler kamen angelaufen, Aufpasser gingen ihrer Aufgabe nach das Gebiet zu räumen, Zuschauer kehrten langsam und mit irritierten Blicken zu ihren Häusern zurück. Währenddessen waren die Ältesten des Ordens wild am gestikulieren und diskutieren. Über was genau, das vermochte sie nicht wahrzunehmen.
Vieles änderte sich nach diesem Vorfall. Ihr Vater offenbarte ihr, dass der von ihr ausgehende Energieschwall gute 15 Sekunden angehalten hatte und niemand während dieses Zeitraumes Lebenszeichen ihrerseits wahrgenommen hätte. Als wäre sie in dem Moment der Zeit eingefroren worden. Dies änderte sich erst, als die Welle abrupt abebbte. Offensichtlich, so erklärte er ihr, war dies ein Ausbruch wilder Magie. Das hatten auch die Ältesten unter missbilligendem Raunen bestätigt.
Ret'Hlar, der älteste und weiseste von ihnen ließ sich in einer privaten Unterredung mit Aergrún gar dazu hinreißen die Vermutung zu äußern, Layara sei kurzzeitig in eine andere Ebene übergetreten. Im nächsten Moment murmelte er noch etwas vor sich hin. Mehr als die Fetzen "imposant", "selten" und "prophetisch" vernahm Aergrún aber nicht, bevor der alte Mann ihn völlig überraschend harsch aus seinen Gemächern schob und die Tür zuwarf. Nach diesem Gespräch lebte Ret'Hlar fast schon in der Bibliothek und fing an die haarklein niedergeschriebenen Chroniken des Ordens zu studieren. Gerüchten zufolge sollten sich zuweilen Bände unbekannter Herkunft in seinen Buchstapeln befunden haben, die nie zuvor in der Bibliothek gesehen worden waren. Warum er dies tat konnte Aergrún seiner Tochter nie erklären. Und bis zu ihrer späteren Abreise hatte Ret'Hlars merkwürdiges Verhalten auch kein Ende gefunden.
Doch noch mehr war geschehen. Ein seichter an Messing erinnernder Schimmer konnte hier und da auf Layaras Haut wahrgenommen werden. Und zu guter Letzt war da noch der Gegenstand, den sie nach dem Ereignis in ihrer Faust gehalten hatte. Wie er da hin kam wusste sie nicht, hatte sie ja nicht einmal die 15 Sekunden Regungslosigkeit wahrgenommen. Laut Aergrún schien es eine knöcherne Kralle eines Drachen zu sein. Aber richtig festlegen wollte er sich nicht. Es war nunmal nicht so, dass er viele Referenzobjekte gehabt hätte. Lediglich uralte und mitunter verblasste Skizzen und einige wenige ungenaue Beschreibungen fanden sich in der Ordensbilbiothek.
Eines war aber sicher. Ihre Magie tendierte nunmehr dazu instabil zu werden. Obgleich weiterhin mächtig, kam es in seltenen Fällen zu höchst ungewöhnlichen und auch gefährlichen Nebeneffekten, wenn sie zauberte. Die Ältesten hielten sie nun während der Übungen abseits der anderen Studenten, was ihre bisherige Isolation noch schlimmer gestaltete. Zeitgleich wurde sie nun auch Opfer offener Gewalt. Es gab Neider und furchtsame Mitglieder in der Gemeinde - dies alles gemixt mit der zuvor schon ablehnenden Haltung ihr gegenüber.
Als selbst die Ältesten sich langsam nicht mehr unter Kontrolle zu haben schienen, was ihre Dekrete und Handlungen Layara betreffend anging, lenkte Aergrún ein. Mit dem erreichen des fünfzigsten Lebensjahres galt sie nach Auffassung des Ordens als erwachsen. Es war der Zeitpunkt, auf den ihr Vater lange gewartet hatte. Endlich war es möglich sie zu befreien, in die Welt hinaus zu senden in ein besseres Leben. Fernab all der Ablehnung und Hasses, dem sie hier nicht entrinnen konnte. Gerade nach den Ereignissen des letzten Jahres war es dafür mehr als Zeit. Zwar machte er sich Vorwürfe, dass sie eine so harte Jugend hatte durchleben müssen, doch wusste er auch, dass die Vorteile der Lehren der Magie und die genossene Bildung alle durchlebten Nachteile schon bald überwiegen würden.
Es war eine sternenklare Nacht, in welcher er sie behutsam aus dem Schlaf holte und erklärte, was sie nun zu tun habe. Im Vorfeld hatte ihr Vater bereits alles organisiert, was sie brauchte. Ausrüstung, Nahrungsmittel und so viel Geld, wie er entbehren konnte. Später sollte sie auch die wenigen Aufzeichnungen über Drachen und Wildmagie aus der Bibliothek in einem extra Behälter vorfinden. Die Mauer zu passieren gelang durch einen eingeforderten Gefallen. Und als Layara nach einer tränenreichen Verabschiedung schlussendlich den Schritt aus dem Torbogen in Richtung Wildnis machte, war sie nunmehr ganz auf sich gestellt. Zeitgleich galt sie damit als Ausgestoßen.
Nach einiger Zeit erreichte sie den Rand eines Tals. Ihr Blick schweifte über das Land. Alles war in den silbrigen Schimmer des Vollmondes getaucht und in der Ferne waren Fackeln und Bewegung auszumachen. Eine kleine Karawane nutzte das starke Mondlicht, sowie das beständig trockene Wetter der letzten Tage. Obgleich sie wusste, dass das Verlassen der Gemeinschaft bedeutete ihren Vater vermutlich nie wieder zu sehen, war allein der Anblick dieser Fremden dort draussen in den ihr unbekannten Windungen der Welt genug, um ihre Phantasie zu beflügeln. Ein Lächeln umfuhr ihr Lippen und Neugier, auf das was sie erwarten würde, loderte auf. So begann sie fast schon begeistert ins Tal hinabzusteigen, in Richtung Karawane …