Rhyia Naraskt
Etwas bahnte sich seinen Weg vom Waldrand auf die Straße. „Gute Frau … ich … wir …“ die Stimme des jungen Mannes versagte kurzzeitig, als er nach Luft rang.
Sie wandte sich zu ihm zu, musterte ihn aufmerksam. Seine Kleidung wies diverse Beschädigungen auf und war dreckig, er selbst wirkte ramponiert und hatte Schrammen am ganzen sichtbaren Körper.
„Bitte …“ flehte er „wir benötigen Hilfe. Meine Familie … sie brachen in unser Haus. Meine Tochter …“. Er verschluckte die Worte beinahe, seine Stimme war brüchig. „Sie sind noch dort! Bitte!“
Sein Blick war gen Boden gerichtet, demütig. Gleichzeitig voller Verzweiflung. Irgendetwas anderes war noch in seinen Augen zu lesen gewesen, doch war sie sich nicht sicher was es war.
Sie trat an ihn heran. Gefasst und bestimmt kam ein „Geht voran“ über ihre Lippen. Der Mann atmete sichtlich erleichtert auf.
Kurze Zeit später lag der Bauernhof vor ihnen. Noch einmal musterte sie ihn kurz. Er hatte gehumpelt, nun tropfte Blut seine Hand hinunter.
Ein krudes und schlecht gepflegtes Messer fest in der anderen Hand haltend sah er sie erwartungsvoll an. Sie erwiderte seinen Blick mit einem Kopfschütteln. Seine Augen vermieden die ihren, während er die Schultern hängen ließ.
Schild und Hammer waren bereit, die Eingangspforte nur wenige Schritte entfernt. Das Weinen eines Kindes wurde lediglich durch das widerliche Gelächter einer Gruppe von Männern übertönt. Mit ihrem nächsten Schritt jedoch brach dieses abrupt ab. Die Geräuschkulisse veränderte sich mit einem Schlag.
Ihre Pupillen weiteten sich, als die Tür aufgerissen wurde. Ein Schwerthieb folgte, ohne zu zögern, welchem sie nur um Haaresbreite auswich. Die Verlagerung auf das andere Bein war zugleich glücklich gewesen.
Eine Drehung ermöglichend, den Hammer mit dem Körper schwingen lassend und ein Knacken beim Aufprall auf den Brustkorb erzeugend. Die Gestalt mit dem haarigen Gesicht brach unter einem Mischmasch aus Husten und Gurgeln zusammen.
Im Haus war indes eine Menge Bewegung ausgebrochen. Auf das Schreien eines Mädchens rannte jemand mit leichten Schritten eine Treppe hinauf. Schwerere Schritte folgten scheinbar. Und dann waren da noch jene geradezu im Hauptraum zu vernehmen.
Klirrend machten sich die hunderten metallenen Ringe bemerkbar, als sie durch die Tür ins Innere schnellte. Ihr Schildarm schmerzte kurz auf, nachdem ein heftiger Schlag sie ereilte.
Das Messer hingegen durchbrach irgendwie den gerüsteten Bereich auf der entgegengesetzten Seite. Selbst zum Hieb anzusetzen war nunmehr erheblich anstrengender. Bei jedem Hochreißen des Hammers schien sich die Wunde zu weiten.
Metall prallte auf Metall, Holz zersplitterte. Die unermüdlichen Hiebe der zwei Männer vor ihr waren zermürbend. Sie war in eine defensive Position gedrängt worden. Gleichermaßen entglitten die Unholde agil ihren Schlägen.
Von oben waren erneut Schreie zu hören. Dann erschien der junge Mann hinter den Angreifern, doch machte er keine Anstalten in den Kampf einzuschreiten. Sein Blick verweilte nur einen kurzen Moment auf ihr, bevor er sich beschämt abwandte und die Treppe hinaufrannte.
Innerlich fluchend zog sie den Schild an sich heran, schloss die Augen. Auf das folgende Murmeln machte sich kurze Unentschlossenheit in den Angriffen ihrer Kontrahenten bemerkbar. Welche direkt darauf völlig von dem gleißenden Licht und dem Hervorschießen ihres Schildes überrascht wurden.
Die Wucht stieß den ersten nieder, während der zweite verzweifelt versuchte einen Hieb zu landen. Sein Schwert jedoch verweilte einfach in der Luft, dort wo er die sie umgebende Lichtkugel traf. Seine Augen waren weit aufgerissen, dann klaffte ein Loch, wo sich eben noch sein Kiefer befunden hatte. Der Körper sackte zu Boden.
Mit wilden Bewegungen versuchte der am Boden befindliche Eindringling rückwärts krabbelnd Abstand zu gewinnen. „Das … das war alles nur ein Missv …“ Unter den Einschlägen auf seinen Körper verstummten die vergeblichen Versuche, um Gnade zu winseln schnell.
Nun folgte der bereits dritte Schrei von oben. Doch dieser war nicht von einem Mädchen gewesen, dafür war er zu tief von der Stimmlage. Hingegen kam nun die vermeintliche Tochter heruntergelaufen. Stolpernd über die letzte Stufe war dessen Halt gestört und befand sich nun im Fall.
Der Aufprall war heftig. Das durch Tränen gezeichnete Gesicht gab noch eine schmerzerfüllte Grimasse von sich, als der Kopf jäh auf dem Holzboden aufschlug. Blut quoll aus der Verletzung und der Körper verkrampfte.
Dem Kind folgte eine Frau in zerrissener Kleidung. „Mina. Mina!“ waren die einzigen Worte, die sie in Verzweiflung von sich gab, bevor sie sich wenig um ihr eigenes Wohl sorgend neben das Mädchen unter Tränen auf den Boden warf und dieses nunmehr rüttelte.
Sie legte kurzerhand Schild und Hammer beiseite, hob das Mädchen unter den verstörten Blicken ihrer Mutter auf einen Tisch und zog das verzierte Amulett unterhalb der Kettenrüstung hervor.
„Möge das Licht der heiligen Flamme dich von den Untaten deiner Peiniger reinigen“ hauchte sie, während eine Hand auf den Kopf des Mädchens gelegt war.
Die Atmung des Kindes wurde ruhig, die Anspannung des Körpers löste sich. Unter ihrer Hand war es für einen Moment ungewöhnlich warm geworden. Nach dem Anheben ebendieser war von der schweren Kopfwunde nichts verblieben.
„Ein Wunder … danke … danke … danke …“ stammelte die Mutter, während sie ihr Kind fest an ihren Körper drückte. „Das Licht der heiligen Flamme wacht über euch“ lächelte sie sanft. Wobei sie eine Hand nun gegen die ihr zugefügte tiefere Wunde presste.
Die Kleine öffnete wieder die Augen und erblickte sie über die Schulter ihrer Mutter hinweg. Nur ein ängstliches „Mama …?“ konnte das Mädchen mit der verbleibenden Kraft hauchen. „Mein Name ist Rhyia und die bösen Männer werden euch nicht länger weh tun, versprochen.“ Ihre Worte waren voller Mitgefühl und Zuversicht.
Geräusche von oben vernehmend fuhr sie instinktiv herum, griff ihre Sachen und wappnete sich für das was kommen mochte. „Macht euch keine Sorgen, ihr seid hier sicher“ bemerkte sie voller Überzeugung, während sie ihren Hammer fest umklammernd hinaufstieg. Die Stufen knirschten auffällig laut unter jedem Schritt auf dem Weg in die obere Etage.
Dort, in einem der Räume, fand sie schließlich den jungen Mann vor. Er kniete auf dem Boden. Vor ihm ein Körper, der Aussah als sei er verdorrt. Der Kleidung nach zu urteilen sicherlich einer der Eindringlinge.
Etwas hinter sich hörend begann er den Kopf zu bewegen. „Schnell, wir müssen hier weg, bevor sie sieht, was …“ brach er ab, wie sein Kopf sich gerade genug gewandt hatte seinen Irrtum zu erkennen.
Ein unnatürliches dunkles Licht, fast wie lumineszierende Schatten, hatte seine Augen umfangen, von seinen Fingerspitzen glomm es ebenso. Das war es also, was sie zuvor nicht in seinem Gesicht erkannt hatte. Ein schlechtes Gewissen, Panik und Schuld, ob dem was er war und zu tun vermochte.
Sein Körper fing an zu zittern, die weit aufgerissenen verheulten Augen suchten ihr Gesicht ab. „Nein … versteht doch … ich wollte das nicht, ich hatte keine Wahl!“
„Die habe ich auch nicht“ erwiderte sie, bevor ihr Hammer hernieder schoss …