Harkis
Harkis' Eltern waren Mitglieder der untersten Kaste eines eher unbedeutenden Yuan-Ti Clans. Als sie starben, war Harkis noch zu jung, sich an ihre Namen zu erinnern. Der Zusammenbruch des Sardak-Imperiums im Krieg gegen Caer Aeslyn Jahrzehnte zuvor hatte die Clans ohne starke Anführer und in einem Zustand des permanenten Bürgerkrieges zurückgelassen. Früher oder später war es somit unvermeidlich, dass sein Clan vom weitaus stärkeren Clan Oshi ausgelöscht wurde. Harkis selbst wurde wie die anderen Kinder in Clan Oshi aufgenommen, um ihre Reihen als Soldaten und Kanonenfutter zu verstärken - natürlich gegen ihren Willen. Der junge Harkis machte sich im Training bald einen Namen für seine Wildheit (einmal baß er sogar seinen Drillmeister), die sich jedoch mit kühler, manchmal grausamer Logik paarte. Aus diesem Grund wurde er ausgewählt, die Rituale zu durchlaufen, die ihn den Schlangen (von den Yuan-Ti als anbetungswürdige Verkörperung von Stoizismus und Logik verehrt) näher bringen sollte. Als Ergebnis des ersten Rituals erhielt Harkis hier und da einige Schuppen sowie enge, mandelförmige Augen, deren Pupillen sich im hellen Licht schlangengleich zu schmalen Schlitzen verengten. Weitaus gewichtiger war jedoch, dass jeder Rest von Emotion, verschwand. Während seine Schlussfolgerungen häufiger von denen der Schuppenmeister abwichen, so basierten sie doch nun auf reiner, kühler Logik und im Alter von 11 Jahren wurde er als potentieller Kandidat für weitere Rituale ausgewählt.
Bevor dies jedoch geschehen konnte, wurde Clan Oshi von dem alliierten, militärisch schwächeren Clan Risslan hinterrücks betrogen. Als Harkis abends von einem Auftrag zurückkehrte, fand er nichts weiter vor als verbrannte Ruinen und die toten Körper seiner Meister und Clanmitglieder. Ohne einen Clan, der ihn beschützte, war die einzig logische Entscheidung, dass Gebiet des ehemaligen Sardak-Imperiums zu verlassen. Er machte sich auf den Weg zurück in die Stadt, die er zuvor ausspionieren sollte. Seine Herkunft war dabei nicht eben hilfreich, und da sich niemand um den "Jungen mit den seltsamen Augen" kümmern wollte, war er gezwungen, ein Leben auf der Straße zu beginnen. Umgangsformen der Menschen waren ihm nicht geläufig, was dazu führte, dass er sich nicht einer der vielen Straßengangs anschloss, sondern sich alleine durchschlagen musste. Doch schon zwei Jahre später schlug das Schicksal erneut zu. Als er sich gerade ein Brot stahl, wurde Harkis vom Sohn des Bäckers überrascht. Ein Gerangel und unglücklichen Unfall später lag der Junge tot am Boden. Harkis erkannte, dass seine Zeit in der Stadt abgelaufen war - die Soldaten waren schon vorher nicht unbedingt zimperlich mit ihm umgegangen. Als Mörder würde er wohl kaum Gnade erwarten können. Noch am selben Morgen schlich er sich aus der Stadt.
Nicht wissend, wohin, lief er in die Wüste, die er zumindest ein wenig kannte. Doch er hatte sich überschätzt: Während seine beim Clan Oshi erworbenen Überlebenskünste zwar ausreichten, nicht sofort zu sterben, verlor er doch nach und nach an Gewicht und wurde immer schwächer.
Dem Tod nahe fand ihn schließlich ein alter, menschlicher Druide, der Mitleid mit dem Jungen hatte und ihn wieder aufpäppelte. In der Hoffnung, von dem alten Mann zu lernen, in der Wüste zu überleben, blieb Harkis bei ihm. Doch der alte Mann lehrte ihn im Verlauf der folgenden 11 Jahre noch mehr: die Wege der Druiden und besonders von der Balance, nach der die Natur strebt. Während Harkis zwar von Schönheit nichts verstand, so verstand er doch die Notwendigkeit davon und das jedes einzelne Lebewesen zu diesem Gleichgewicht beitrug. Mit der Zeit begriff er, dass der ständige Bürgerkrieg zwischen den Clans seines Volkes diese Balance empfindlich störte. Ein Plan begann, Form anzunehmen. Harkis wusste, dass er nicht zum Diplomaten geboren war - allein schon, weil ihm Gefühle wie Empathie völlig fehlten. Einen Frieden zwischen den Clans auszuhandeln, mochte daher eine zu große Aufgabe sein. Doch war er nicht der einzige der Yuan-Ti, die vertrieben und heimatlos durch die Welt irrten. Möglicherweise konnte die Wüste einen Heilungsprozess beginnen, wenn die Überlebenden zurückkehrten? Sie gehörten dorthin - wie auch Harkis. Als er eines Abends seinen Mentor Jerrek danach fragte, lächelte dieser nur und befahl ihm, schlafen zu gehen.
Am nächsten Morgen war der alte Mann verschwunden. Harkis sah dies als ein Zeichen, dass die Zeit gekommen war, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Er schulterte seine Habe und machte sich auf den Weg nach Südosten, Richtung Zoica …